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Amts- und Ämeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

83. Jahrs«!-.

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Srschetnungrlage: Montaz, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und «amStag. JnsertionSpreiS 10 Vsg. pro Zeile für Stadt u. »ezirks-rte: nutzer B-zirl ir Pfg.

Mittwoch, den 24. Auni 1908.

BezugSpr. i. d. Stadt v^ührl. m. Drügerl. Mk. I.2S. PostbezugSpr. s. d.OrtS- u. NachbarortSverk. '/.jährl, Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich <2 Pfg.

Tages«erriz!erte«.

Simmozheim 22. Juni. Heute ging die Süddeutsche Schienennägelfabrik hier durch Kauf auf Herrn Gustav Grözinger, technischer Betriebsleiter in Neckartenzlingen über. Herr Grözinger will die Schienennägelfabrikation in größerem Umfange als wie bisher betreiben, was hier allgemein begrüßt wird.

Zuffenhausen 23. Juni. Bei den Tunnelbauten vor Feuerbach geriet gestern ein Arbeiter unter einen Rollwagen, wobei ihm ein Arm vollständig abgefahren wurde.

Stuttgart 23. Juni. Der Zweiten Kammer ist heute eine Eingabe der bürgerlichen Kollegien von Reutlingen zugegangen, die sich gegen eine Fortsetzung der Ermstalbahn von Urach nach Münfingen ausspricht, bevor die Zahnradbahn HonauLichtenstein in eine Adhäfionsbahn umgebaut ist. In der fortgesetzten Beratung der Bauord­nung wurden zunächst eine Anzahl von Abstim­mungen nachgeholt, die eine halbe Stunde in Anspruch nahmen. Sie ergaben die Annahme der in unserem Bericht über die Samstagssitzung aufgeführten Anträge des Zentrums zu dem Art. 79 und des Antrags Kraut zu Art. 82 betreffend die staatliche Bauaufficht und die Ueberwachung der Einhaltung der Anordnungen zum Schutz der Bauarbeiten. Bei Art. 83 s nahm dann die Verhandlung eine unerwartete Wendung. Minister v. Pischek, der schon zu Beginn der Sitzung eine Unterredung mit dem Abg. Liesching (Vp.) gehabt hatte, in deren Verlauf man die beiden Herren lebhaft gestikulieren sah, kam auf die von Liesching gegen! die Hochbauab­teilung des MnisteriumS erhobenen schweren Vor­würfe zu sprechen. Der Minister erwähnte zunächst, daß in dem von Liesching vor acht Tagen über­gebenen Material auf drei Vorwürfe, nämlich der Versündigung gegen den Schönheitssinn, des schablonenhaften Vorgehens bezüglich der Straßen- steigungsverhältniffe und der Straßenbreitenverhält­nisse, aus guten Gründen nicht mehr zurückgekommen

werde. Liesching werde sich inzwischen von der Unhaltbarkeit dieser Vorwürfe überzeugt haben. Der Minister besprach dann eingehend die ihm mit­geteilten fünf Fälle. 1) Baugesuch eines Tübinger Bierbrauereibesitzers vom Jahre 1896. Der Minister kam zu dem Ergebnis, daß das ganze Verfahren eine Unkorrektheit nicht erkennen lasse. Von einer Einwirkung des Prinzen Weimar sei selbstverständ­lich nicht die Rede. Sollte der Bierbrauer eine hierauf bezügliche Aeußerung getan haben, so sei das bedauerlich und auf Unkenntnis der Verhältnisse zurückzuführen. Wenn aber ein angesehener Ab­geordneter, wie Liesching, eine solche angebliche Aeußerung wenn auch unter gewissen persönlichen Verklausulierungen in diesem Hause öffentlich weiter­trage und das als allgemein verbreitete Ansicht und als zutreffend bezeichne, so sei eine solche Diskreditierung und Herabwürdigung der obersten Baupolizeibehörde und des Ministeriums eine ebenso schwere, als jeden Schattens einer Begründung entbehrende Ehrenkränkung. 2. Fall: Baugesuch an der Neckarhalde in Tübingen. Ein Blick in die oberamtlichen Akten hätte genügt, um zu zeigen, daß die schriftlich eingekommenen Einsprachen den Ge­meindekollegien mitgeteilt worden find und daß eine Aeußerung der bürgerlichen Kollegien über die Ein­sprachen verlangt worden war. Im 3. Fall wurde die am 14. April 1903 erfolgte Ablehnung eines Dispsnsatkonsgesuchs betr. ein Haus derHohen- staufia" in Tübingen nicht von Liesching, sondern von einem Dritten in einem gewissen Zusammenhang mit der von der Kammer abgelehnten am 2. April 1903 beschlossenen Ablehnung der Umwandlung einer Ratsstelle bei der Hochbauabteilung in eine Ober­ratsstelle gebracht. Wenn ein solcher Vorwurf wäre die Ablehnung aus diesem Grunde erfolgt, so wäre das erbärmlich den Liesching sich nicht zu eigen mache, gegen die höchstgestellte Baupolizei­behörde und das Ministerium erhoben werde, so sei das ein Vorgehen, für dessen Bezeichnung ein parla­mentarischer Ausdruck fehle. In diesem Falle hat Liesching unter Umgehung des Oberamts ein Dis­pensationsgesuch direkt an das Ministerium gerichtet, das das Gesuch an die zuständige Behörde über- I

wiesen hat. Dieses Gesuch ist abgelehnt worden und zwar scheint dem Minister das heute noch be­gründet, da ihm kein Fall bekannt geworden sei, in dem unter solchen Verhältnissen eine Dispensation erteilt worden wäre. Wäre das Gesuch genehmigt worden, so hätte man das dem Einfluß Lieschings zugeschrteben. Auch hier liege nicht der Schatten einer Unkorrektheit vor. Die Sache habe nun auch noch den schon erwähnten politischen Hintergrund, indem man wegen der Ablehnung der Oberratsstelle der Hochbauabtetlung bezüglich ihrer Ablehnung des DtspensationSgesuchs den Vorwurf gemacht habe, daß sie nicht aus sachlichen Gründen, sondern aus Haß und Mißgunst dieses Gesuch abgelehnt habe. Wer solche Motive, sagte der Minister, die ich mit Entrüstung zurückweise, als möglich unterstellen will, hätte mit gleichem Recht oder Unrecht auf die Vermutung kommen können, eine Vermutung, die ich selbst in keiner Falte meines Herzens habe, Liesching habe die Nichtgenehmigung der Oberrats­stelle deswegen befürwortet, weil das Ministerium es abgelehnt hat, das unmittelbar bei ihm einge­reichte DispensationSgesuch sofort zu genehmigen. Das eine wie das andere wäre eine schwere Ver­unglimpfung und ich denke nicht daran, ein solches Motiv als möglich anzusehen. Ich bitte aber auch andererseits, dieselbe Anschauung walten zu lassen und dem Ministerium solche Motive nicht zu unter­schieben, wie dcS geschehen ist. Liesching: Habe ich ja gar nicht getan! Minister v. Pischek: Doch! Liesching: Weder im Pleuum noch in der Kom­mission. Minister v. Pischek: Wenn Liesching seine Rede und die Zeitungsmitteilungen liest und wenn er die Auffassung des Publikums und des Hauses berücksichtigt, so wird er mit Nein antworten müssen. Präsident v. Payer: Der Minister hat gesagt, Liesching habe dem Ministerium schändliche Motive unterschoben. Mir steht das Recht eines Entscheiden- gegen den Vertreter der Regierung nicht zu. Ich darf aber feststellen, daß ich, wenn ein Mitglied dieses Hauses einem anderen Mitglied dies gesagt hätte, ich es gerügt haben würde. Minister v. Pischek bespricht weiterhin den 4. Fall betr. ein DispensationSgesuch des Schneiders Seibert in

Unrecht Gut!

Roman von B- Corony.

(Fortsetzung.)

Nicht öffnen!" flüsterte einer der Gäste. Doch schon hatte der vor­witzige Landjunker den Schlüssel umgedreht und zog jetzt, als mehrere Polizisten eintraten, eine Legitimationrkarte hervor.

Meine Herren, gestatten Sie mir. mich Ihnen als Geheimpolizist Hans Werner vorzustellen. Bedaure sehr, dieses fröhliche Beisammensein stören zu müssen, ersuche jedoch, im Dienste des Gesetzes, um Angabe Ihrer Namen."

Ein Durcheinander von Gegenreden und Ausrufen entstand. Jedem war es peinlich, den Schleier des Inkognitos lüften zu sollen, jeder dachte in diesem fatalen Moment nur an sich selbst, und suchte zu entfliehen, allein hierzu bot sich keine Gelegenheit.

Ein notorischer Falschspieler, dessen Signalement uns von Brüssel, London und Petersburg gegeben wurde, und der überall unter anderem Namen auftrttt, ist hier anwesend. Verhaften Eie sofort-"

Der Sprechende verstummte. Sein Blick suchte den Betreffenden vergebens.

Der elende Betrüger hat mich eben um eine große Summe ge­bracht!" rief Jean Huber.Wo ist er, meine Herren? Wo hält er stch verborgen?"

Niemand vermochte Auskunft zu geben. Al« der vorgebliche Land­junker vor wenig Augenblicken die Tür öffnete, war es keinem der An­wesenden eingefallen, auf Noiseul zu achten. Jetzt wurde auch der ver­borgenste Winkel zwecklos durchsucht. Man entdeckte endlich eine schmale, hinter einer Wanddraperie versteckte Tapetentür, durch welche der mit den

Räumlichkeiten Wohlbekannte rasch entflohen sein mußte. Das Geld der Düpierten war mit ihm verschwunden.

Ich kann Ihnen Auskunft geben", preßte Jean mit heiserer Stimme hervor.Noiseul logiert R . . straße Nr. 88, bei einer Frau Krause, und wird dort wohl noch zu ergreifen sein. Er hat mich schändlich be­stohlen! Ich muß mein Geld wieder haben, und zwar noch in dieser Nacht, sonst bin ich verloren, und kann überhaupt nicht« mehr tun, als mir eine Kugel durch den Kopf zu jagen".

Begleiten Sie diesen Herrn!" befahl Han» Werner zwei Polizisten, während die anderen zurückbleiben mußten, bis die Personalien'der auf so unangenehme Weise Ueberraschten festgestellt waren.

15. Kapitel.

Der Morgen dämmerte bereits, als man R.straße Nr. 88

klingelte und Einlaß verlangte.

Ein schläfrig aussehender Hausdiener öffnete nach geraumer Zeit, geleitete die Herren drei Treppen empor und klopfte so lange an die be­treffende Glastür der Wohnung, bis ein Dienstmädchen erschien und ver­drießlich fragte, war es so früh schon gebe.

Wir wollen zu Herrn Baron Noiseul."

Der ist weg. Seit gestern abend schon."

Die Antwort fand keinen Glauben.

Er hatte doch vermutlich Haustür- und Entreeschlüflel und wird heimgekehrt sein, ohne daß Sie selbst es wissen," äußerte einer der Polizisten.

Ich will die Frau wecken," erwiderte da« Mädchen eingeschüchtert.

Tun Sie da», aber schnell, denn die Sache eilt."

Die Zimmervermieterin ließ nicht lange auf stch warten. Sie kam in einem ziemlich fragwürdkgen Negliglö und sagte:

Der Baron wohnt nicht mehr hier. Er bezahlte mir vorigen Nach-