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vorsieht, beantragte Rem bald «Gmünd folgende Bestimmung: Bei der Bestellung ist sowohl den Arbeitgebern als den Arbeitnehmern Gelegenheit zur Aeußerung zu geben und find deren Vorschläge entsprechend zu würdigen. Der Abg. Graf (Ztr.) verlangte, daß bei der Beaufsichtigung der Hebung und Schiebung von Gebäuden an die Stelle des Ortrbautechnikers der Oberamtsbaumeister treten soll. Die Abstimmung über alle diese Anträge wurde, zumal da da« Haus allmählich nur noch sehr schwach besetzt war, zurückgestellt. Am Dienstag nachmittag wird die Beratung fortgesetzt.
Stuttgart 20. Juni. Da« diesjährige Partei-Sommerfest der Volkrpartei wird, nach dem „Beob.", am Sonntag den 5. Juli bei Neuenbürg gehalten werden. — Als Parteisekretär der Volkspartei wurde an Stelle de« seinerzeit nach Ebingen an den Neuen Albb. berufenen Redakteurs Kienle der Schriftführer de» Volksverein« Untertürkheim, Versicherung»« beamter Karl Staudenmayer, gewählt.
Stuttgart 20. Juni. (Vom Wochenmarkt.) Der Großmarkt nimmt von Markt zu Markt eine größere Ausdehnung an. Zugeführt waren heute etwa 400 Körbe Kirschen, die zu 18—24 iZ raschen Absatz fanden. Prestlinge kosteten im Großen 25—40 iZ, Erdbeeren 60 --Z per Pfund. Auf dem Gemüsemarkt find Unter- türkheimer Spargeln nur noch vereinzelt zu haben. Im übrigen verzeichnete der Gemüsemarkt Bohnen zu 35—40 A Brockelerbsen zu 20 --Z per Pfund, Kohl zu 20 Gurken zu 15—35 H Kohlrabi zu 4 —8 iZ per Stück. Für Tomaten verlangte man 60—70 per Pfd. Angeboten wurden Steinpilze zu 40 ^ per Pfd. Auf dem Wildbretmarkt kosteten RehsLlegel 1 ^ 30 Rehziemer 1 40 iZ per Pfd. Der Seefischmarkt
verzeichnete Schellfische zu 30 und 35 -H, Kabliau zu 25—30 -g, Merlans zu 25 per Pfd.
Stuttgarts. Juni. Laut Wochenbericht der Zentralvermittlungsstelle für Obstverwertung find eingegangen: Angebote in Walderdbeeren aus Kißlegg, in Himbeeren aus Kleinheppach, in Stachelbeeren aus Aidlingen, in Johannisbeeren aus Kleinheppach und Liebersbronn; Nachfragen in Erdbeeren aus Neu Mm. in Himbeeren au» Cannstatt, in Kirschen aus Ulm, Neu-Ulm, Heilbronn, Lauterbach, Tuttlingen und Pforzheim, in Brennkirschen aus Langenargen. Prestlinge notierten auf dem Stuttgarter Lu Sros-Markt vom 20. Juni 20—26 H, Kirschen 25—40 18 . Zufuhr sehr stark, Verkauf sehr lebhaft.
Tübingen 20. Juni. Heute beschlossen die vereinigten bürgerlichen Kollegen den Ausbau der hiesigen Realschule zu einer Vollanstalt. Der Bau der neuen Realschule soll demnächst in Angriff genommen werden. Die Kosten hiefür find auf 300000 ^ berechnet. Da« Schulgeld soll für Realschüler etwas erhöht werden. — Heute
morgen hat sich der Friseur Stehle, wie man hört infolge Familienzwistigkeiten erhängt,
Leonberg 20. Juni. Gestern nachmittag wurde von der Privatbahn Korntal—Weiffach an einer Straßenkreuzung in der Nähe von Hemmingen ein mit zwei Personen besetztes Fuhrwerk überfahren. Während die Pferde so stark verletzt wurden, daß sie getötet werden mußten, kamen die beiden Insassen, die vom Wagen geschleudert wurden, mit dem Schrecken davon.
Wein«berg21. Juni. Mit dem heutigen Tage hat der Kernerverein Besitz vom Kernerhaus ergriffen. Nicht würdiger konnten dis vielen Verehrer des Dichters ihren Ehrendank abstatten, als durch den Ankauf dieses alten historischen Hauses, um es für alle Zeiten der Nachwelt zu erhalten. Aus allen Richtungen eilen die Sängerscharen herbei, alle umliegenden Orte und weit darüber hinaus find in der großen Menschenmenge vertreten. Jeder will die stillen Räume sehen, darin der heitere Poet bald schwermütig oder zu grübelnder Mystik geneigt, dann wieder von sonnigem Humor erfüllt, sein reiches Dichterleben führte. Wehende Fahnen, fröhliche Marschweisen und flachsblonde Mädchen mit Blumen im Haar deuten auf die beginnende Feier. Ein nach Tausenden zählender Festzug, von einer Gruppe schmucker Winzer und Winzerinnen geführt, marschiert zum Kernerdenkmal. Nach einer kurzen Begrüßungsansprache von Prof. Dr. Meißner, folgte die gedankenvolle Festrede von Pfarrer Schnitzer aus Willsbach. Er gab in bewegten Worten ein getreues Bild de« großen Toten wieder und wünschte, daß auch in Zukunft da» Andenken an Justinus Körner, den freisinnigen Dichter, den edlen Menschenfreund und den besten Bürger Weinsbergs erhalten bleiben möge. Sodann wurde nach einem vom Stifter, Herrn Lehrenkrauß in Stuttgart gesprochenen Prolog die Kerner- büste enthüllt. 1500 Sänger hatten sich zu einer erhebenden Huldigung für den großen Toten zusammengefunden und als das Lied „Stumm schläft der Sänger" in das weite Tal hinaurklang, da erfaßte wohl jeden Teilnehmer Gram um den herrlichen, unserer Zeit längst entrückten Mann, der so viel zum Ruhme seiner Heimat beigetragen hat.
Hall 21 . Juni. Der Schuhmachermeister Krokenberger und sein Sohn, der 34 Jahre alte Schreiner Friedrich Krokenberger, die schon lange im Unfrieden leben, gerieten gestern aneinander. Der Sohn drang mit einem Feuerwehrbeil auf den Vater ein, der zum Schuster- kneipen griff. Der Sohn erhielt einen lebensgefährlichen Stich in die Brust.
Gerabronn 21. Juni. Zwischen Raboldshausen und Oberwetler ist ein Bierführer der Bullinger'schen Brauerei von seinem eigenen Fuhrwerk überfahren worden. Er erlitt schwere Verletzungen, darunter einen Beinbruch.
Vom Oberland 20. Juni. Die Sitte
des Schießens mit Böllern hat schon viele Opfer gefordert und so ist auch dar Fronleichnamsfest im Oberland nicht ohne schwere Unglücksfälle vorübergegangen. In Aitrach OA. Leutkirch ist der mit dieser Funktion beauftragte Fabrikarbeiter Alois Hartmann durch einen sich vorzeitig entladenden Böllerschuß so schwer verletzt worden, daß er auf der Stelle tot war. Eine Witwe mit fünf unversorgten Kindern find die Hinterbliebenen. — In Eggmannsried OA. Waldsee wollten die beiden Böllerschützen den noch heißen Böller mit einer Ladung Pulver versehen. Die Beiden wurden von dem explodierenden Pulver schwer verbrannt und mußten ins Kranken. Haus verbracht werden. Es erhebt sich die Frage, ob das Böllerschießen, das meist ungewandten Leuten anvertraut werden muß, unbeschadet des festlichen Anstriches kirchlicher und weltlicher Feiern, nicht abgeschafft werden sollte.
Friedrichshafen 20. Juni. Heute nachmittag kurz nach 5 Uhr hatte sich der Sturm so weit gelegt, daß Graf Zeppelin die erste Auffahrt mit seinem neuen Luftschiff unternehmen konnte. — Das Luftschiff zeigte, was seine Stabilität und die Wirkung der Höhensteurung betrifft, dieselben ausgezeichneten Eigenschaften wie das Luftschiff des vorigen Jahres. Aber die neue Seitensteuerung, von der man zwecks Vermeidung von Stauwinkeln durch eine Neukonstruktion noch bessere Wirkungen als von der letzten erwartet hatte» hat sich nicht bewährt. Sie muß daher urygebaut werden, ehe die großen Fahrten beginnen können, was etwa 14 Tags in Anspruch nehmen wird. — Beim Aufstieg war da« Luftschiff inner- halb 7 Minuten aus der Halle gebracht. Es erhob sich sofort 200 in über den See, fuhr drei- mal in großem Kreis zwischen Manzell und dem schweizerischen Ufer und nahm dann mehrere Auf- und Abwärtsbewegungen zwischen Wasserspiegel und 200 m Höhe, sowie Drehungen mit kurzem Radius, fast auf der Stelle, vor. 18 Personen befanden sich auf dem Luftschiff. Die Landung erfolgte glatt am Schlepptau des „Buchhorn". Die Fahrt dauerte 10—15 Minuten. Kurz nach 6 Uhr war das Luftschiff wieder in der Halle geborgen. Es folgte ein Diner zu Ehren des Grafen, wobei Geheimrat Lewaldt ein Hoch auf ihn ausbrachte. In einer Antwort gab Graf Zeppelin selbst den obigen Mangel des Luftschiffe« kund. Er ist aber voll Zuversicht.
VomBodensee20. Juni. Der schweizerische Salondampfer „St. Gallen" erlitt zwischen Lindau und Romanrhorn einen schweren Maschinen, defekt und mußte die Fahrt aufgeben. Der in der Nähe fahrende österreichische Dampfer „Austria" kam auf Notsignale dem schweizerischen Dampf- boot zu Hilfe und übernahm die Passagiere samt Reisegepäck zur Weiterbeförderung nach Romans-
Toren gehören, die sich von ihren Sprößlingen tyrannisieren lassen. Da wäre es also immerhin nicht unmöglich, daß sie nachgeben würden. Das Töchterchen wickelt ja, wie es heißt, beide um den Finger, nun — und da der Herr Kommandant bei Hofe bestens angeschrieben ist, läßt sich vielleicht auch ein Adelsdiplom für den künftigen Eidam erwirken. — Doch, da Dich die Sache so wenig interessiert, wollen wir nicht weiter darüber reden. Adieu, Schwesterchen I Fahre nur fort, Dich in Deiner bescheidenen Stellung hier im Hause nach Kräften nützlich und unentbehrlich zu machen. Wenn erst Margot« Hochzeit gefeiert ist, wird man Deiner bald zum glänzenden Arrangement anderer großer Famtlienfeierlichkeiten bedürfen."
Als er gegangen war, riß sie beide Fensterflügel auf, als habe seine Anwesenheit die Luft verpestet. „Pfui, pfui! Ein Bruder, der die eigene Schwester in den Sumpf der Gemeinheit herabziehen möchte I" flüsterten ihre farblosen Lippen immer wieder: „Pfui! Lieber eine giftige Kröte anfassen als seine Hand berühren."
14. Kapitel.
In Jeans Seele regte sich ein Argwohn, der ihm nicht Rast und Ruhe ließ. Er wollte den Zweck jener wiederholten Ausgänge ergründen, von welchen Katharina stet« so niedergeschlagen heimkehrte.
Eines Tage«, auf einem Geschäftrwege begriffen» der ihn in die Altstadt führte, sah er, über den Paulsplatz gehend, eine Droschke vor dem Hause Nr. 14 halten und erkannte in der Dame, die aurstieg, sofort die Kommerzienrätin. Das wäre an und für sich nicht« Auffallende» gewesen, denn hier wohnte, wie er wußte, die Direktrice Madeletne Francois — aber bei ihr verkehrte auch Noiseul; daran denkend, meinte Jean plötzlich einen Blitz aufzucken zu sehen, der momentan grelles Licht verbreitete. Wenn nicht alle» täuschte, war die erste richtige Spur eines sorgfältig gehüteten Geheimnisse« aufgefunden; nun mußte eine weitere verfolgt werden. Er
trat in eine kleine Konditorei, setzte sich ans Fenster und bestellte eine Taffe Kaffee. Im Laden selbst standen mehrere zierliche, vergoldete Tischchen, Huber jedoch hatte in dem schon ziemlich gefüllten Nebenzimmerchen Platz genommen.
Der Wagen hielt immer noch vor Nr. 14.
„Wohnt dort drüben nicht eine Madame Francois?" fragte Jean, als ihm dar Ladenfräulein den Kaffee brachte.
„Jawohl," erwiderte da« hübsche Mädchen. Sie ist Direktrice de» großen Geschäftshauses C . . . . u. Comp., nimmt aber auch in ihrer Wohnung Bestellungen entgegen."
„Und hat wohl großen Zuspruch?"
„O ja, sehr großen!"
Katharina kam jetzt, dicht verschleiert, au« dem Hause und stieg wieder in die Droschke.
„Kennen Sie zufällig diese Dame?" fragte Huber.
„Nein, aber sie gehört zu den Kunden der Französin und kommt, besonders seit einiger Zeit, sehr oft."
„Vielleicht zu jemand anderem, der im Hause wohnt."
„Nein. Ich sah sie erst neulich mit Madame Francois am Fenster stehen und verschiedene Sorten von Spitzen betrachten. Ah da kommt auch der Herr Chevalier! — Ob er wohl hier eintritt? — Nein, heute nicht."
„Auch ein Kunde?"
Huber warf die Frage möglichst gleichgültig hin, während er dem
Baron nachblickte.
„Das nicht, aber Madame« Bräutigam, wie man sagt. Er nimmt häufig eine Tasse schwarzen Kaffee und ein Gläschen Absinth bei uns." „Und bewohnt wohl auch jenes Haus da drüben?"
„O nein! Er logiert R . . . straße Nr. 88 , bei einer Frau Krause, welche abvermietet. So hörte ich neulich."