Der einsame Turm
Erixnertlug an das Straßburger Münster
Vor 500 Jahren fand mit der Vollendung des großen Turmes der Bau des Straßburger Münsters seinen Abschluß.
„Das Werk der Straßburger Kirche steigt Wie Maienblüten mit mannigfaltigem Schmuck zur Höhe, lockt mehr und m^ir die Augen der Beschauer und umspielt sie mit süßen Freuden...", so schrieb in mittelalterlichem Latein der Bischof Konrad von Lichtenberg, als er Anno 1275 mit Ablaßbriefen um Geld für den Weiterbau des Münsters warb: Der gewaltige Bau, Melcher an der Stelle der von großen Branden heimgesuchten alten romanischen Bischofskirche entstand, Mar nach hundertjähriger Arbeit ins Stocken geraten. Nun sollte das Werk einen neuen Aufschwung nehmen. Wenige Jahre nach diesen Ablaßbriefe» ist der Vertrag datiert, in welchem zum erstenmal der Name eines Meisters Erwin als Magister operis erwähnt wird. Das ist jener „Erwin von Steinbach", den Goethe und die ganze Romantik als eigentlichen Schöpfer des Straßburger Münsters gefeiert habest. Vor dem Wunderwerk dieser Fassade offenbarte sich dem jungen Rechtsstudenten die verinnerlichte Schönheit der Gotik; ja, sie wurde ihm znm Inbegriff des Deutschtums überhaupt: „Da ich nun an alter deutscher Stätte dieses Gebäude gegründet und in echter deutscher Zeit so weit gediehen fand, auch der Name des Meisters aus dem bescheidenen Grabstein gleichfalls vaterländischen Klanges und Ursprungs war, so wagte ich, die bisher verrufene Benennung .gotische Bauart", anf- zefordert durch den Wert dieses Kunstwerks, abzuändern und sie als .deutsche Baukunst" unserer Station zu vindizicren."
Von Meister Erwin, der — nach dem von Goethe erwähnten Grabstein im Leichhöfl des Münsters — 1318 den Tod fand, ist wahrscheinlich der sogenannte Riß 6 im Frauen Hans, wo die Münsterbanmeister ihren Amtssitz hatten. Erinnert der ältere Plan an die Südfassade von Notre Dame de Paris, so sind hier alle Vorbilder aufgegeben. Alle Linien drängen nach oben. Selbst die Waagerechten, von den steilen Schrägen der Wimpergen durchbrochen, scheinen emporgetragen, '"ortale und Fenster lausen — schmaler geworden — in ihre Spitzbogen aus. Und vor der Fassade ragt, einzigartig in der Baugeschichte der gotischen Dome, ein feingegliedertes Stabwerk, in dem alle Schwere des Steins überwunden ist, wie die Saitenbespannung eines Instrumentes. Bis zur Mitte der herrlichen Rose über dem Hanptportal schießen spitze Fialen auf. Die ganze Fassade wird zu einer gewaltigen Harfe Gottes. Die beiden Türme verjüngen sich über dem dritten Geschoß zu Achtecken, aus denen die schlanken Krönungen aufsteigen und in der Unendlichkeit des Raumes aufgehen.
Dieser schönste aller deutschen Dome steht nur auf einem alten Pergamentblatt. Die Nachfolger Meister Erwins haben den einzigartigen Entwurf, dessen Ausführung bis zum Abschluß des unteren Geschosses gediehen war, vereinfacht und vergrößert. Und dennoch verdankt dieser Fassade das Straßburger Münster seinen Ruhm, galt der Meister der Straßburger Bauhütte wegen dieser Leistung als „der- Ordnungen des Mauerwerkes oberster Richter". Wimpheling nannte den Dom das achte Weltwunder, und der Herzog von Mailand bat den Rat der Stadt Stratzburg, ihm einen Baumeister zu überlassen für die Vollendung der Kuppel an dem weißen Marmorbau seines Domes.
Ulrich Ensinger, der Dombauer von Ulm, begann die Errichtung des Nordseitenturmes, der, nachdem man die Symmetrie des Erwinschen Planes aufgeben mußte, der ein
zige bleiben sollte. Das Schicksal vergönnte es ihm nicht, auch nur einen der herrlichen Türme vollendet zu sehen, die er begonnen hatte; weder den zu Ulm noch den der Eßlinger Liebsrauenkirche und des Straßburger Münsters. Er starb über seiner Arbeit. Sein Nachfolger wurde Johannes Hültz aus Köln, der für den Turmhelm die eigenartige, reizvolle Stufenpyramide entwarf und den Turm 1439 vollendete.
Die folgenden Jahrhunderte brachten dem Münster nur geringe bauliche Veränderungen, wenn auch — wie bei allen alten Kathedralen'"— die Gerüste nie gänzlich verschwanden. Ständig ist das zierliche Maß- und Strebewerk von den Witterungseinflüssen bedroht. Erst 1925 wurden die umfangreichen Wieder- hersteüungsarbeiten beendet, die durch Verfaulen der Pfeilerverstärkungen in den Fundamenten notwendig geworden waren. Die größte Gefahr für das Münster erwuchs aber in der französischen Revolution. 1793 wurde
«S zum „Tempel der Vernunft" erklärt und ein Altar mit der vielbrüstigen Göttin darin aufgestellt. Ein Erlaß des savoyardischen Maire von Straßburg bewirkte, daß die herrlichen 'Statuen der Kirche als „Repräsentanten der alten Mächte" zu zerschlagen seien. 235 Bildwerke sind diesem kulturschänderi- schen Sturme zum Opfer gefallen. Eine Anzahl versteckte ein mutiger deutscher Universitätsprofessor im Botanischen Garten. Die Mariendarstellungen der Südfassade rettete er. indem er sie hinter aroßen Tafeln verbara Mlk e.t .-.ebulNtlvUsoevlie „F't'cuMl, Gleichheit, Brüderlichkeit". Der wahnwitzige Antrag des Maire, den Turm abzureißen, „wegen Beleidigung der demokratischen Gleichheit", wurde zum Glück nicht genehmigt.
So ragt denn dieses Wunderwerk menschlicher Schöpferkraft, von zahllosen Geschlech- lern in Jahrhunderten geschaffen, noch heute über die Dächer empor, ein ungeheurer Springbrunnen von Felsmassen, wie Tieck seinen Sternbald beim Anblick des Münsters sagen läßt, „der sich ewig und ewig ergießt, und wie mit der Stimme des Donners Anbetung vor Erwin, vor uns selbst in unsere sterblichen Gebeine hineinpredigt".
Waltber S ch w e r d t f e g e r.
Beethoven als Kochkünstler
Je länger Beethovens „gehörloser Zustand" andanerte, desto mehr nahmen auch die unseligen häuslichen Verhältnisse in seinem Funggesellenleben zu.
Eines Tages entließ er nach vielen vergeblichen Versuchen wieder seine Haushälterin und nahm sich vor, seine Wirtschaft ohne jegliche Hilfe zu besorgen. Er kaufte auf dem Markte ein und trug selbst seine Lebensmittel nach Hause. Er kochte sogar selbst, und da er sah, daß es über Erwarten gut ging, verfiel er aus den originellen Gedanken, einige seiner Verehrer und besten Freunde zu einem Mittagessen einzuladen.
Die Verehrer und Freunde erschienen, ohne zu ahnen, in welcher Verfassung sie den großen Tondichter finden würden. Nicht in seinem Zimmer über Noten und Partituren war er zu sehen, sondern am Kochherde, wo er in weißer Schürze und Zipfelmütze stand und das Gemüse umrührte, mit welchem er seine Gästc bewirten wollte.
Man ging zu Tisch und Beethoven trug selbst ruf und bediente seine Freunde. Die Gäste iahen sich befremdet an und kamen noch mehr in Verlegenheit, als sie merkten, daß das ganze Essen, bestehend aus Suppe, Gemüse, Braten and Pudding, völlig ungenießbar war.
Das Geflügel, das Beethoven gebraten hatte
war koblsckwarz. der Vuddiua, den er aekocht so sonderbar zusammengesetzt, daß die Gäpr nicht wußten, was es sein sollte. Etwas Aehn- iiches war jedenfalls noch nie in einer Wiener Küche, die bekanntlich in Mehlspeisen hervorragend ist, hergestellt worden.
Kurz und gut, niemand von den Geladener rührte einen Bissen an. Beethoven sah er wohl, versuchte seine Gäste trotzdem zu nötiger and aß selbst — ob mit aufrichtig empfundenem Genuß oder aus Verzweiflung — sehr reichlich. Pries auch die Güte der Speisen, aber es wollte ihm trotz seines guten Beispiels nich gelingen, einen der Gäste zum Essen zu be rregen. Sie hielten sich nur an den Wein uni die Früchte des Nachtisches, die sie in vorzüg sicher Güte vorfanden.
Das Mahl aber blieb den enttäuschten Güster noch lange im Gedächtnis, und einer der bester Freunde des Tonkünstlers konnte nicht umhin ihm zu bedeuten, daß er für die Tonkunst ungleich mehr Talent als für das Kochen besäße und legte für die im Zorn entlassene — in übrigen durchaus brauchbare — Wirtschaftern ein gutes Wort ein.
Diese kehrte infolgedessen auf ihren alter P?sten zurück, und Beethoven hat seitdem nie mals wieder gekocht.
Nur keine Atempause dem Gegner lassen, immer an seinen Fersen hastenbleiben.- Das Dorf ist durchkämmt. Schon schwingen sich unsere Panzerschützen wieder auf ihre Schützenpanzer- wagen. Vorwärts! Der Feind wird immer weiter geworfen.
VK.-Ausnaüme: Kriegsberichter Gerlach (Wb.)
Launen der Natur hänfen sich
Nun kennt man schon drei Launen der No tur. In Detroit trafen sich zwei Mädchen ml. gleichem Namen, die sich auf ein Haar glichen me das gleiche Vorleben und das gleiche <«3 burtsdatum hatten und nicht verwandt mitein, ander waren. Dann tauchten in einer kleine« kanadischen Stadt zwei Frauen auf, die sich vorher nie sahen, die nachweisbar aus zwei verschiedenen Erdteilen nach Kanada gekommen waren und doch einander ähnlich waren wie ein Ei dem andern. Auch hier war die gleiche Lmr. färbe festzustellen, die gleiche Vorliebe fiu gewisse Blumen und was man sonst noch an Gemeinsamkeiten auf dieser Welt z. B. bei Zwll- lingsschwestern findet. Der dritte Fall ist erstaunlicher. In der Strafanstalt von Kansas in Fort Leavenworth, wurde ein Neger einae- liefert, der sich Will West nannte. Der Beamte in der Kontrolle stutzte, als er ihn erblickte. „Waren Sie nicht schon einmal hier?" — .Neig ich bin zum ersten Male im Gefängnis." - „Wie heißen Sie?» - „Will West!" - „Sie meinen William West!" Damit zog der Beamte ein« Karte mit einem Photo aus seiner Kartei: „Ist das Ihr Bild oder nicht?" — „Ja; aber ich weiß nicht, wie das Bild in diesen .Kasten kommt!" — Der Beamte prüfte die Karte. Seltsam, der Mann mit dem Namen William West mußte sogar noch hier in der Anstalt sein. Der Fall war interessant, — also mußte mau einmal einen Vergleich anstelle». William West wurde herbeigerufen. Als er das Zimmer des Beamten betrat und sich auf einmal-Will West gegenüüer- sah, zuckte er ebenso zusammen wie sein Gegenüber. Eine solche Aehnlichkeit hatte man nis gesehen, — und selbst auf der Waage, im Meßzimmer wurde ermittelt, daß Will West mit William West ebenso identisch sei. Nur die Fingerabdrücke differierten um ein geringes. Sie hatten sich nie gesehen, sie waren einander ganz und gar fremd. Sie waren nur zwei Ausgaben der Natur mit geringen Abweichungen. Ein vierter Fall wird aus Kapstadt berichtet. Hier nahm ein Polizeibeamter auf Grund eines alten Haftbefehls einen Mann mit dem Namen Scheit Hoosen fest. Dieser Hoosen saß im Auto — neben einem Mann, der ganz genau so aussah wie er. Der Beamte aber, der nicht genau wußte, welcher nun der richtige sei, verhaftete alle beide auf die Gefahr hin, wegen Ausführung eines Haftbefehls belangt zu werden, — gegenüber einer Person, auf die der Haftbefehl gar nicht lautete. Aber er halste Glück: die Behörden sahen ein, daß der zweite Mann,, der Doubl« von Hsvosen immer nur benutzt worden war, um sich selbst den Zugriffen der Polizei zu ent, ziehen. Man behielt beide im Gefängnis bis zur weiteren Klärung der Angelegenheit.
Ein Vorschlag.
Heinrich der Zweite hatte beschlossen. Calais zu belagern. Er berief seine Vertrauten und legte ihnen die Frage vor, wer Wohl der geeignetste General wäre, die Stadt zu okkupieren.
„Sire", meinte Brusguet, der manches wagen durfte, „Sie können kaum einen begehrteren Mann für die Eroberung ausfindig machen als den Parlamentsrat N."
„Warum gerade ihn, der doch gar kein Soldat ist?"
„Aber er nimmt alles", entgegnete Brusguet, auf des Parlaments,uts Bestechlichkeit anspielend.
*
Er weiß sich zu helfen.
In einer schwäbischen Landschule erklärte der Lehrer den Kindern die Erschaffung der Welt. Dabei kam auch die Rede auf Adam, der zuerst mutterseelenallein war.
Der Lehrer fragte: „Nun, was hättet ihr denn getan, wenn ihr so ganz allein auf der Welt gewesen wäret?"
Verlegenes Schweigen. Nur der Hutterer Michele, der sich überhaupt immer zu helfen Weiß, hob den Finger.
„Nun also. Michele!" ermunterte der Lehrer.
Und der Michele sagt: „I wär ganz oi'fach auf Döblinge numgange. Dort Han i a Tante."
Die Burg der 500 Nischen
Ralul, die Stadt der derber - Geheimnisse um Ruinen - Die Vorratskammern
der Höhlenmenschen
Wir kamen von der tunesischen Grenze her. Die Nacht fiel plötzlich und schnell vom Himmel, als wir Nalut erreichten. Die kleine Oase unterschied sich kaum von den anderen, die wir gesehen hatten. Der „Vorhof der Hölle", wie die Eingeborenen dieses Land nennen, stieg hier mächtig und riesig an, zeigte ungeheure Urflußtäler, steil abfallende Canons und ballte sich noch einmal in einem gewaltigen Steinmassiv zusammen, das eine Riesenfaust zerhackt und zerspalten hatte.
Die alte Karawanenstraße wand sich in vielen Serpentinen empor und entschädigte uns nun, nach der tollen Hitze des Tages, nach Sandsturm und Durst, mit einer herrlichen Aussicht auf die Hamada el Hamra, auf das „Deserto", wie die Italiener sagen, mit seinen ausgetrockneten Steppen, Stein-, Geröll- und Sandwüsten. Zwar war es bereits dunkel, aber die Sterne, die greifbar nahe und hell am Himmel hingen, ließen doch so viel von der Unendlichkeit, der Weite und dem Chaos dieser Welt vor der Wüste erkenne^ daß wir uns von dem Anblick lange nicht zu trennen vermochten.
Nalut lag da wie ein gewaltiger Tor- Pfeiler. Der Fels brach plötzlich ab, und tief unten begann „das große Land Allahs". Die Eingeborenen hockten vor den Weißen Lehmhäusern und sprachen leise miteinander; hinter den offenen Gattern schrien die Kamele wie Menschen, die wütend sind. Und weiter, vom
Ende der Stadt, kam das Singen der Tänzerinnen und der Helle Klang ihrer Trommeln.
Die Albergo, das Hotel vor dem steilen Absturz der Felsen zur Hamada hin, war ein kleines Wunder aus 1001 Nacht. Wieviel Globetrotter und Wüstenreisende mochten schon große runde Augen gemacht haben, wenn sie nach langer Fahrt mit den beguemen Pullmanwagen. die von der Küste aus 700 Kilometer weit in die Steppen und Wüsten brausen, diese elegante und moderne Karawanserei des 20. Jahrhunderts sahen. Wer hier drei oder mehr Jahre lang nicht gewesen war, der konnte das Staunen nicht mehr an sich halten. Früher gab es hier ein paar dürftige Haine mit Dattelpalmen und ein Paar tausend Menschen, die unter der Erde hausten — und heute standen oben auf dem Plateau saubere Tukuls und Lehmhäuser, Verwaltungsgebäude, Schulen und eine neue Moschee, in der des Duces Bild einen Ehrenplatz hatte.
Das Imperium hat in seinen Oasen auf lange Sicht geplant. Die auf Staatskosten aufgeführten Hotels mögen sich in der Saison lohnen, aber jetzt, um die Zeit der großen Hitze, blieb alles still.
Auf dem Hang gegenüber dem Hotel tanzten ein paar Lichter, flammten auf und verlöschten wieder. Die Höhlenbewohner gingen
jetzt zur Ruhe. Ein paar hundert Menschen schliefen in den kühlen unterirdischen Gelassen, in denen das ganze Jahr über gleichbleibende Kühle herrscht, auch wenn das Thermometer in der Sonne auf 70 Grad Celsius steigt. Gewiß, viele Berber haben heute ein kleines Weißes Lehmhaus und fühlen sich Wohl darin, aber immer noch such es einige hundert, die die Höhlen ihrer Väter nicht verlassen. Man darf sich keineswegs vorstellen, daß sie deshalb primitiver und schlechter Hausen. Ich sah anderntags Höhlen, die drei und vier Gelasse hatten und durch Luftschächte von oben her erhellt waren. Der Berber Masud, der bei der Kolonialtruppe gedient hatte, zeigte mir sogar die Gemächer seiner Frauen, komfortable. blitzsaubere in Len Felsen gehauene Räume mit beguemen Lagerstätten aus Halfa- gras. Gewiß, jetzt, am Abend, sah der Hang aus, als sei er von unzähligen riesigen Maulwürfen durchwühlt worden, aber die Berber fanden sich darin zurecht und fühlten sich derart Wohl, daß auch der Weiße Eroberer ein Einsehen hatte und sie so wohnen ließ, wie es schon ihre Ahnen taten.
Die Burg schien aus dem Felsen zu wachsen, eine gewaltige Ruine mit geheimen Zugängen und seltsam pittoresken Aufbauten, Keiner weiß hier Anfang und Beginn. Die Wärter in ihren Weißen weiten Burnussen wußten uns nicht zu erzählen, wer sie erbaut hatte. „Sie ist immer geivesen und zu allen Zeiten, und sie wird ewig stehen!" erklärten die Berber. Vielleicht hausten in ihr früher einmal Herrscher und Könige, von denen niemand mehr zu berichten weiß. Es gibt hundert Sagen und Märchen um diese Mauern, aber niemand hat bisher ihr Geheimnis enträtseln können, und die Gelehrten wissen von
ihnen genau so wenig, wie von der Ruinenstadt der Königin Cahens, die weiter nördlich in der Wüste liegt, oder von den Steinsäulen von El Esnam unten am Tor der Sahara. Viele behaupten, daß es Ueberreste des sagenhaften Atlantis seien, aber niemand hat den Nachweis dafür erbringen können.
In den letzten Jahrhunderten hat die Berberburg verschiedentlich als Fluchtburg gedient bei Ueberfällen räuberischer Wüstenstämme, heute ist sie nunmehr die Vorrats- -ksmmer der Höhlenbewohner. Jawohl, -Vorratskammer! Denn wenn man zwischen den engen Burggäßchen turnt, bemerkt man überall in den Wänden kleine Nischen, winzige, kaum mannshohe Verschlüge. In ihnen bewahren die Berber ihre Erntevorräte auf, und der Wärter sorgt dafür, daß nichts abhanden kommt.
Die Entwicklung der Oasenstadt in den letzten Jahren hat nichts daran ändern können. Noch einmal zogen sich die Berber in ihre Burg zurück, als der Weiße ins Land kam, noch einmal lieferten sie von hier aus ihren erbitterten Widerstand. Bis sie sich ergaben, bis sie erkannten, daß mit den Kolonialpionieren Ordnung und Sauberkeit einkehrten. Sr« lernten Brunnen bohren, systematische Bewässerung und Feldbestellung und erlebten weniger Mißernten als in all den Jahren vorher. Sie ließen indessen nicht von ihre« alten Gewohnheiten; noch immer füllen sich die fünfhundert Nischen, die wie Tauben- , schlüge Wer die Jnnenmauern der Burg verteilt sind, nach der Ernte. UW die uralte« Wärter pflegen das umständliche Zeremonien ihrer Väter, wenn sie einen Gast durch das Labyrinth des Burginnern führen. —