Freitag den 0. Februar 1S42

Der Enztäler

100 Jahrgang Rr. 81

Oer Wollzug ist -a!

Von Kriegsberichter Falke Kiew».

DNB... (PK.) Wenige Tage, nachdem der letzte Termin sür die Abgabe von Wollsachen in der Heimat vorüber war, liefen in einem Bahnhof der Ostfront, der sich riur,w.-nige Kilometer hinter den vorderen Linien befindet, die ersten Wagen der Wollsammlung ein Zwischen den langer, Rei­hen der Güterwagen, die den Nachschub, die Berpslegnng für die Soldaten der Division, die gepreßten Heuball.'n für die Pferde und Munition herangefüyrt hatten., stehen einige Wagen, angesiillt mit den Wollspenden aus det^Heimat.

Auch an diesem kalten Januarlage entwickelt sich das gleiche Bild, bas immer wieder bei der Ankunft der endlosen Nachschliöznge eiustcht: die Zahlmeister der betreffenden Ab­teilungen erscheinen, prüfen die Plomben, Schlitten und LKW iahren-hcran, und viele fleißige Hände beginnen mit dem Ausladen, denn auch aus dem letzten Bahnhof vor der Front wird jeder Waggon so schnell wie möglich ausgeladen. um den Laderaum sofort wieder freizu machen. In der Mitte des langen Zuges stehen an diesem Tage >edoch einige Wag­gons, d'.e bald die Aufmerksamkeit auf sich lenken, tragen ne doch in Kreidebnchstaben die einfache AufschriftWvllsendung des deutsche» Volkes", Die mit ihrem Schlitten und LKW aus diesem Bahnhof sind, erzählen es sich, daß der Wollzug da ist, Und als die Türen des Vollzuges geöffnet werden und die großen LKW vorgefahren sind, um die Spenden auf­zunehmen, kommt jeder der irgendwie einen Augenblick Ab­kommen kann, einmal schnell vorbei. Jeder wollte doch ein­mal sehen, was gespendet worden war. denn vor wenigen Tagen erst waren die Zeitungen eingetroffen, die von der Opttrbereitschast der Heimat berichteten.

Komm, wollen eins kiken." sagt der Gefreite Hain zu seinem Kameraden. Sie ^sind Mit ihrer Arbeit fertig und steuern auf den Waggon mir der Wollspende zu. Den ersten Eindruck, den sie haben, sind Pelze. Pelze und nochmals Pelze. Sie trauen ihren Augen nicht und kommen langsam näher, um zu sehen, ob die Sachen tatsächlich gut sind. Nun kommen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus. So hätten sie sich das doch nicht vorgestellt. Da sind nagelneue, pelzge- fütterte Joppen, Stiefel, unzählige Ueberschuhe, Fnßsdcke, Pulswärmer. Schals dicke gefütterte oder gestrickte Unter. Hosen und zahllose Decken, Pelze und Muffe. Eine derar­tig« reichhaltige Spende hätten sie nie für möglich gehalten Der Gefreite Hain erlebt noch eine zweite Ueberraschung, An einem der Muffs hängt eine Karte an einem silbernen Bändchen, und da der Muff ziemlich am Ende lag. liest er schnell einmal, was darauf steht.

Lieber unbekannter Soldat! Ein pommersches Schaf gab sein Fell für Dich zum Muff. Nun werden Deine Hände schön warm sein, wenn Du auf Wache ziehst gegen den Feind. Die Heimat arüsit Dick herzlich."

Der Gefreite Hain freut sich sehr darüber, denn er stammt wie fast alle seine Kameraden dieser Division aus Pommern. Bald hat es sich herumgesprochen, daß hier Pom­mern für Pommern gesammelt haben, denn daß diese pom- mersche Woll- und Wintersachenspende gerade in einer pom- merschen Division gelandet ist. war ein Zufall,Wer bekommt nun eigentlich die Sachen" fragt der Gefreite Hain den Oberzahlmeister. der das Ausladen überwacht, denn nun ist sein Interesse im höchsten Matze erweckt Er will alles ganz genau wissen, denn wenn er zur Kompanie zurückkommt und vom Eintrefsen der Wollspende berichtet, muß er doch er­zählen. Und er bekommt hier ans alle seine Fragen Aus­kunft. Die Pelz, und Wollsachen werden nach einem genauen Verteilungsschlüssel ausgegeben. Die Kompanien, die in ge- kährdeten Stellen liegen und mehr draußen sein müssen, be­kommen natürlich die besten und wärmsten Sachen, Wo die Bunkerheizung nicht gut funktioniert oder Fahrer lauge un­terwegs sein müssen, werden wahrscheinlich die Fußsücke aus- gegeben. Und noch etwas wollte der Gefreite Hain wissen: Wem gehören eigentlich die Wollsachen und Pelze? Darf man sie behalten? Auch darauf gab der Oberzahlmeister Antwort:Sie gehören nicht dem Soldaten, der sie emp­fängt. sondern sie sind Eigentum der Wehrmacht."

Schon am nächsten Tage mutzte der Gefreite Hain wie­der zum Beklcidungsamt der Division fahren, um die Woll- spcnde. die seiner Kompanie zugeteilt worden war. abzu- yolen. Als er dann von der Hauptstraße abbog, aus der die Schlittenkufen ihre knirschende Spur rm Schnee gezogen hat­ten und so ganz versonnen aus den dicken Reif blickte, der sich in der grimmigen Kälte überall auf dem Pferderncken bildete, zog er doch einmal so ganz probeweise einen von den gespendeten Fußsäcken nach vorn. Und als seine Stiefel in dem wärmenden Fell verschwunden waren, fühlte er sich bei- nahe wie zu Hause.

Neues aus aller Welt

** Schrecklicher Tod eines Kindes. In Eichendorf lBayern» wollte nch das ö'/e iährige Söhnchen der Familie Raschof in der Wohnküche wärmen und setzte sich auf ein Gemtz mit heißer Lauge. Der Deckel rutschte weg. und das Kind ver­brüh e sich derart, daß es. obwohl sofort ein Arzt zur Stelle war, an den furchtbaren Verletzungen noch in der gleichen Nacht starb.

** Tie Tote wollte noch einen Kaffee. In einem kroatischen Tors starb eine Bäuerin. Mfln bahrte sie in der guten Stube aus, beweinte sie in gewohnter Weise, und setz e sich dann znm Totenschmaus nieder. Plötzlich öffnete die Tote die Augen und verlangte nach einem Kaiser. Nack kurzer Zeil barte sie sich soweit erholt daß sie an ihrem eigenen Townmahl teilnehmen konnte, das sich infolgedessen zu einem Frendenmahl auswuchs und 24 Stuyden dauerte. Als sich die dem Leben wiedergeg-bene Frau von den Gästen verab­schieden wollte, stürzte sie zu Boden und war nun wirklich tot.

** Die Stimme aus der Versenkung. Am Stadttbcater in Amsterdam gab es dieser Tage ein heiteres Intermezzo. Kurz vor der abendlichen Ausführung der Oper ..Der Frei­schütz" wurde das Publikum um Nachsicht gebeten, da einer der Hauptdarsteller wegen Halsen zündung nickt auitreren könne. Das Publikum war dann nicht wenia erstaunt, als nach Beginn der Vorstellung der Genannte dock au? der Bühne erschien und mit großartiger Geste seine Partie sana. Erst nach längerer Zeit bemerkte man, daß der Künstler gar nicht kanw daß er zwar seine Rolle spielte die Stimme aber aus der Orchesterversenkung kam. Der Applaus am Schluß der Vorstellung kam dann nicht nur dem Künstler auf der Bühne zugute, sondern auch dem Sänger, der sich aus der Ticke des Orchesters erhob.

** Lawinensturz legt Zugverkehr lahm. Bei dem Dorf Oberrieü am Brienzer See ging eine gewaltige Lawine nie­der. die die Bahnlinie auf eine Länge von über 5» Metern und ö7 Meter hoch verschüttete. Der durchgehende Zugver­kehr ist auf zwei bis drei Tage unterbrochen, doch wird der Personenverkehr durch Umsteigen aukrechterhalten. Die La­wine brachte gewalüge Holzmassen mit wodurch die Auf- räumungSarbeiten stark behindert werden.

** Sich selbst den Totenschein ausgestellt. Eine fast un­glaubliche Geschichte beschäftig e den Essener Strafrichter. Ein 38 Jahre alter Angeklagter, der früher in einem La­zarett beschäftigt gewesen ist, hatte sich selbst einen Totenschein ausgestellt und sich dadurch aus der Liste der Lebenden ge­strichen. Als er wegen Unterschlagung eine gerinae Gefäng­nisstrafe verbüß e, erhielt er ein paar Tage Urlaub, um an der Beerdigung eines Familienmitgliedes tcilnebmen zu können. Nach der Beerdigung kehrte er nicht in die Straf­anstalt zurück, sondern trieb sich in der Geaend umber. Eines Tages lief bei der Verwaltuna der Strafanstalt die amtliche Mitteilung ein, daß der oermiß e Häftling gestorben fei. Da­mit war die Angelegenheit erledigt. Einige Feit sväter wollte es der Zufall daß der Mann in einer anderen Sache vernommen wurde. Nun stellte sich heraus, daß er sick seiner­zeit im Lazarett abgestempelte Blankoformulare und sonstige schriftliche Unterlagen heimlich angeeignct hatte, die er in der Folgezeit dazu benutzte, um sich Urla"bsscheine, Ausweise und dergleichen Papiere ausznstcllen. So hat er sich auch einen Totenschein ausgestellt, der kunstgerecht mit der An­gabe der Todesursache sowie mit Siegel und Unterschrift des Arztes versehen war und den er dann an das Gericht, das ibn abgeurteil: hatte, unter amtlicher Flaane einschickle. Das Gericht verurteilte den Totgeschriebenen zu einem Jahr dre- Monaten Gefängnis.

** Zu viel Tabletten genommen. Einem landwirtschaft­lichen Arbeiter von der Rofenmühke bei Würzbura wurden vom Arzt Tabletten verschrieben. Entgegen der ärztlichen Vorschrift nahm der Mann gleich acht Tabletten ans einmal, wodurch er eine schwere Vergiftung erlitt, der rr erlag,

** Mit der Lötlamve. Der ehemalige Bürgermeister Sern- semer in der Ortschaft Evfach lAllgän» wollte in der Sckeuer mit einer Lötlampe den Traktor anwärmen, wobei die Stich­flamme das nahegelegene 2'roh erfaßte. Die Feuerwehr hatte größte Mühe, das Wohnhaus und das Vieh zu retten,

** SS Todesopfer des Grubenunglücks von St. Eticnne, Die letzten Ovfer der Bergwerkskatastrovhe von St, E ienne tFrankreich) sind nunmehr geborgen. Die Gesamtzahl der Todesopfer hat sich, wie jetzt sestaestellt wird, auf 52 erhöbt.

** Umzug in ein besseres Gefängnis. Eine nicht geringe Ueberraschung erlebte der Gefängnisdirektor der schwedi­schen Stadt Hälstngbora als ibn eines Morgens zwei Herren zu sprechen wünschten. Er bat sie in sein Besuchszimmer, und als sie eingetreten waren, legten sie ein Paket auk den Tisch worin sich zwei Garnituren Sträflinaskleiduna befanden.

'Dazu erklärten die Männer, sie seien aus dem Gefängnis ru Malmö ausaebrocken. weil das Essen dort un er aller Kritik sei. Sie hätten keineswegs fliehen wollen, vieimeyk hätten sie sich die Z-vilkleidung bei einem Bauern in dessen Abwesenheit nurausgeüehen". um unbehelliat reisen zu können. Wie Nachforschungen ergaben, hatten die Sträflinge tatsächlich an dem Ort ihres Einbruchs ein Schreibe» hinter- laffen. worin sie sich entschuldigten »nd versvrack-n die An­züge und die Hüte dem Besitzer bald wieder znriistellen Nun baten sie um Aufnahme im Hnlsingborger Gefännnis, dessen Kost viel besser sein sollte. Da sowohl der Gekänonisdirektor als auch seine Vorgesetzte Dienststelle angesichts des Falle- Sen nötigen Humor aufbrachten, dursten die Ausbrecher wirklich än ihrem selbstgewählten Aufenthaltsort verbleiben

Ein starkes Mädchen. Aus einem norweaiiwen Dorz- fällerdorf im Norden kommt die Kunde von einem Wunder­kind. das über außergewöhnliche Körperkräfte veriüat. Das bärenstarke Mädchen, erst zwanzig Jahre alt. nimmt es spie­lend mit den kräftigsten Holzfällern auf. und mit ihre« Krastleistungen stellt sie ihre männlichen Arbeitskamcradex in den Schatten, Sie fällt täglich ganz allein mehr als das Doppelte der Tagesleistung der anderen, geübten Halzsäl-L Ein Manager hat sie nun en,deckt und wollte sie alsstarke Dame" für einen Zirkus vsrpsl chten. Aber die Maid er­klärte es gefalle ihr in den Wäldern besser als in desdum- men Stadt", wo man keine Bäume zu Gesickt bekomme.

2VVV Kampfeinsähe in einem Lahr

Ständig am Feind im Mittelmeer.

Von Kriegsberichter Dr. Ulrich Barthold.

PK. Es hatte nicht einmal jemand bemerkt, daß iv diesen Januartagen des Neuen Jahres diese Gruppe eines im Mittelmeer eingesetzten Kampfgeschwaders ihren zweitausend- sten Kampfeinsatz gehabt hatte, innerhalb eines Jahres. Die Gruppe kämpft, wie das ganze Geschwader, seit Jahresfrist im Mittelmeer-Raum. Das Mittelmeer mit seinen weiten Ge­staden. seinen Inseln und Buchten, seinem weiten, leuchtenden Blau oder seinem matten Grau, auf dem Wolkenschatten spie­len. ist den Männern der Gruppe fast zur zweiten Heimat ge­worden. Aus vielen, vielen Kriegserlebnissen am europäischen und am ..anderen Ufer", drüben in Afrika, setzt sich ihre Er­innerung an dieses Jahr, das voll schwerer und oftmals harte» Kämpfe war, zusammen. Das Mittelmeer wurde znm Kriegs- erlebnis vieler Hunderter deutscher Flieger, die diese Gebiete vorher nie gesehen hatten.

Zweitaufendmal am Feind eine fast unvorstellbare Zahl. Sie bedeutet, daß innerhalb Jahresfrist zweitausendmal eint Maschine, ob nun einzeln oder im Verband, zum Flug gegen den Feind gestartet ist. Zum Flug gegen den Feind, das heißt im Mittelmeer soviel wie Kamps gegen feindliche Flugplätze und Flugstützpunkte auf Inseln wie Malta oder auf nordafrika­nischem Gebiet. Kampf gegen feindliche Häfen mitsamt allen ihren Anlagen, Häfen wie Äleiandria, Haifa und Suez, um nur einige Namen zu nennen. Kampf gegen feindliche Truppen» ansämmlungen. Materiallager, Kolonnen. Eisenbahnen im Auf» marschgebiet in Nordasrika. Kampf gegen Haien und Festung Tobrnk. das seinen eigenen Namen erhalten wird in der Ge­schichte des Mittelmeerkrieges. und schließlich und nicht zuletzt Kampf gegen den Feind zur See in jeder Gestalt, seien es Schlachtschiffe. Kreuzer. U-Boote. Truppentransporter oder Ge» lcitznge von Gibraltar bis Port Said und Jsmailia. Bei all diesen Kämpfen setzte sich der Geaner mit seiner eigenen Luft­waffe. wo immer er konnte, zur Wehr.

Unvorstellbar ist auch die Summe der großen und kleinem Schwierigkeiten, die sich der Fliegerei im Mittelmeer entqegen- stellten. Hitze und Kälte, Staub und Regen haben der Stetig» keil des Einsatzes keinen Abbruch zu tun vermocht. Der Win­ter hat Kälte und Schnee gebracht, und die Gefahren, die Wasser, und Berge bedeuten, sind durch Temperaturen um Null Grad durch Schlechtwetter und Vereisungsgefahr vermehrt worden. Ungeachtet auch dessen ging der Kamps weiter, unter immer größerer Anpassung an die Eigenarten des mittelmeerischen Raumes.

Zweitausendmal hat das-Dröhnen der Motoren der von. ihnen geführten Flugzeuge die Lust erfüllt und zweitausendmal ist für die Gruppe Einsatz gewesen. Ost mit Erfolg, manchmal mit größtem Erfolge, bisweilen auch ohne Erfolg. Immer aber war hier Einsatz gleich Einsatz des Lebens. Das muß einmal im Kriegstagebuch der Gruppe stehen, wenn der Kampf gegen Großbritannien beschlossen ist. und wenn auch die Zeit gekommen ist, der Kameraden zu gedenken, die bei dieser» Einsätzen nicht vom Feindslug zurückgekehrt sind, vermißt wer­den oder gefallen sind. Tann werden die Motoren schweige». Aber die Gruppe wird angetreten sein, und die Kapelle wird das Lied vom guten Kameraden spielen. Jetzt ist noch keine Zeit dafür. Und deshalb ist der Tag übergangen worden. Ueber» gangen, aber niemals vergessen.

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Koma» von //e/ene Fstsadel/r

lllrheberrechtsjchutz Roman-Berlag A. Schwingenstekn, München

-l. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)

Fra« Beate bat den Arzt solange, bis er ihr erlaubte, stundenweise die Pflege des Sohnes selber zu übernehmen, und nun hatte fie sich mit zwei Schwestern in seine War­tung geteilt. Tagtäglich satz sie an Manfreds Lager und wandte dabei den Blick nicht von seinem Antlitz, beobach­tete jeden seiner Atemzüge und das schmerzhafte Zucken, das immer wieder über sein Gesicht glitt. Sie mutzte Zu­sehen, wie er litt, und konnte ihm gar wenig helfen.

Nach vierzehn Tagen wurde es etwas besser mit dem Kranken. Sein Herz arbeitete wieder kräftiger. Langsam ging es vorwärts, bis der Arzt versicherte: Er wird am Leben bleiben.

And eines Tages war Manfred bei klarem Bewutztsein, er erkannte die Mutter und flüsterte ein paar Worte. Das war eine Siunde stillen Glückes für Frau Beate. Sie beugte sich über ibn und kützte ihn und stammelte immer wieder:Mein Junge, mein Junge!"

Jetzt sah auch sie es, datz es ganz sacht besser mit Man­fred wurde, und nun erst dachte sie wieder an die Pension Detsrsen und die Pflichten, die sie dort im Stich gelassen hatte.- Eie sprach mit dein Arzt darüber und er sagte ihr, fie möge ruhig heimfahren, es werde ja nun alles gut werden.

Gut. so weit dgs eben möglich war! Denn der rechte Unterschenkel war und blieb verloren und der linke Arm würde seine volle Vewegungssähigkeit nicht mehr zurück- gewinncn.

Noch hatte Manfred keine Frage gestellt, die seinen Kör­perzustand betras. Matt lag er in den Kissen und er redete nur ganz wenig. Eine seiner ersten Fragen hatte Jrmin- gard gegolten. Was sollte Frau Beate ihm daraus ant­worten? Sie wußte ja nicht, wo Jrmingard gegenwärtig weckte, ob sie noch in Schweden war oder das Land längst

wieder verlassen hatte. Bittend hatte sie nach seiner Hand gefaßt und gesagt: Quäle dich nicht mit irgendwelchen Sorgen! Du mutzt jetzt nur diesen einzigen Wunsch haben: gesund zu werden."

Manfred hatte dann nie mehr von Jrmingard gesprochen, aber Frau Beate fühlte, datz er immer wieder an sie dachte, wenn er still dalag und sein Blick irgendein fernes Ziel suchte.

Der Abschied kam. Frau Beate fuhr zurück nach Reichen­hall. Aber sie war nicht mehr die, die fie noch vor sechs Wochen gewesen war, ehe das Unglück geschah. Zehn Jahre älter schien fie mit einem Mal geworden zu sein. Es war ihr lieb, datz nun der Herbst ins Land zog und es langsam stiller in der Pension wurde. Sehnsüchtig harrte sie des Tages, da Manfred soweit genesen war. datz er die Heim­reise antreten und zu ihr kommen konnte.

Es war gut, datz Frau Beate Karlskrona verlassen hatte: denn kurze Zeit später begann Manfreds Hirn wieder schärfer zu arbeiten und da kam ihm auch die Erkenntnis, datz es vorbei war mit dem Fliegerberuf. Das war bitter­hart für,ihn und der Arzt befürchtete nun doch einen Rück­fall.

Gerade kn diese Tage hinein kam ein Brief aus Berlin. Direktor Schneider von der Lufthansa schrieb persönlich an Manfred und sprach ihm seine ehrliche Anteilnahme an dem ihm zugestotzenen schweren Unfall aus: er war, wie sich aus seinen Worten ergab, über die Art der Ver­letzungen genau unterrichtet und er fand gute und tröstliche Worte für den Kranken und bot ihm einen leitenden Po­sten bei dem Münchener Flughafen an.

.Wenn Ihr Pflichtenkreis damit in Zukunst auch ein anderer ist als der bisherige, so bleiben Sie doch eng mit dem verbunden, woran Ihr Herz hängt, mein lieber Kapi­tän Detersen, und ich denke, datz auch die Aufgaben, die künftig Ihrer warten, Sie befriedigen werden. Und nun werden Sie recht bald gesund! Die Heimat ruft Sie.'

Dieser Brief ritz Manfred aus der starren Verzweiflung, in die ihn die Erkenntnis seiner körperlichen Behinderung gestoßen hat. Er sah wieder einen Pflichtenkreis vor sich: das gab ihm innerlichen Halt. Wohl wußte er. datz cs ihn noch oft hart anfassen würde, wenn er sehen würde, wie die Freunde und Kameraden Tag um Tag mit ihren Flug­zeugen emoorsiieaen rum Aether und über Länder und

Meere steuerten, fernen Zielen zu. Aber er nahm sich vor» Ich will entsagen lernen, wo ich entsagen mutz, und air die mir mögliche Weise meinem Vaterlands dienen!

Entsagen! Bei diesem Worte glitten seine Gedankt wieder hin zu Jrmingard: Auch ihr hatte er entsagen müssen, da sie ihm dama's vor zwei Jahren nicht die be­glückende Antwort gab, nach der sich sein Herz sehnte.

Und abermals bestürmte ihn Frage um Frage, er wünschte zu ergründen, was es gewejen war, das einst Jr­mingard hin zu Mano Horwath trieb. Vieles wollte er erforschen und mutzte doch Tag um Tag hier still liegen und konnte nichts unternehmen.

Eine leise Hoffnung war in ihm gewesen: Vielleicht kommt eines Tages ein Brief von Jrmingard, vielleicht kommt sie selber! Wenn sie davon gelesen hat. datz du ver- unglückt bist, wird es sie zu dir treiben. Doch keinS Kunde traf von ihr ein, und dann las er es eines Tages als Halbgenesener in der Zeitung, datz das Künstlerehe­paar Horwath sich wieder nach Amerika begeben habe, unk dort nochmals für die Dauer eines Jahres zu konzertieren. Also mutzte er die Hoffnung, Jrmingard alsbald einmal wiederzufehen, aufgeben.

Ihr schreiben? Ja, das wollte er. Doch würde sein Brief sie drüben in Amerika erreichen? Sie würde dauernd den Aufenthaltsort wechseln, einmal hier und einmal dort sein.

Noch eine Nachricht, die ihn nachdenklich werden ließ, er­hielt er in Karlskrona, bevor er die Reise in die Heimat antrat: die Mutter sandte ihm die gedruckte Verlobungs­anzeige von Daniela Fork und Pieter Osthoek, die sie soeben! erhalten hatte. . . ^ ,

Daniela! Welche Rolle hatte sie damals in Reichen­hall gespielt, als er um Jrmingard warb?

Ein Jahr verstrich. Es war wieder Herbst geworden. '

Manfred erfüllte pflichtbewußt die Aufgaben, die ma« ihm bei der Leitung des Münchener Flughafens in dis Hand gelegt hatte. Er hatte sich in fein Schicksal gesun- den. ^ !

Auch darein fügte er sich, datz er vorerst nicht mit Jrmin­gard in Verbindung treten konnte. Zwei Briese, die er än sie nach Amerika sandte, kamen nach einiger Zeit mit dem Unbestellbarkertsvermerk zurück. Er wutzte nicht, wo Jrmingard gegenwärtig war. (Fortsetzung folgt.)