Samstag den 18. Oktober 1941
Der Eaztäler
99. Jahrgang Nr. 245
Hervorragende Truppenführer
Mt dem Ritterkreuz ausgezeichnet.
DNB. Berlin, 17. Okt. Der Führer und Oberste Be- ehlshaber der Wehrmacht verlieh auf Vorschlag des Oberbe- ehlshabers des Heeres, Generalfeldmarschall von Brauchitsch >as Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes an: Generalleutnant Behlendorff, Kommandeur einer Infanterie-Division, Generalmajor Raus, Kommandeur einer Schützen-Brigade, Oberst Badinski, Kommandeur eines Infanterie- Regiments, Oberst Freiherr von Waldenfels, Kommandeur einer Schützen-Regiments, Major Bunzel, Bataillonskommandeur in einem Infanterieregiment.
Generalleutnant Behlendorff, Kommandeur einer Infanteriedivision, geboren am 13. 8. 1889 zu Allenstein, erhielt im Weltkrieg für hervorragende Bewährung als Frontkämpfer das E. K. 1, E. K. 2 sowie zahlreiche weitere hohe Kriegsorden. 1919 kämpfte er im Verband des Freikoprs Hülsen. Die Spange zum E. K. 2 erhielt er im Dezember 1939, zum E. K. 1 zu Beginn des Westfeldzuges, wo er, in vorderster Linie durch Kopfschuß schwer verwundet, ein Auge einbüßte. Im Abwehrkampf gegen die Sowjets stellte Generalleutnant Behlendorff seinen außergewöhnlichen Mut und seine Führereigenschaft immer wieder unter Beweis. Nur der Führerleistung, persönlichen Einsatzbereitschaft, Spannkraft und dem persönlichen unaufhörlichen. Eingreifen des Generalleutnants Behlendorff sind die zum Teil schlachtentschsidende Erfolge der von ihm geführten Truppe zu verdanken.
Generalmajor Erhard Raus, Kommandeur einer Schützenbrigade, geboren am 8. 1. 1889 zu Wolframitz in Mähren, trat nach Besuch der Kadettenschule Königsfeld im August 1999 als Fähnrich in die österreichisch-ungarische Armee ein. Im Weltkrieg hat er ununterbrochen an den Kämpfen auf dem östlichen Kriegsschauplatz und an der Alpenfront teilgenommen und für seine hervorragende Haltung zahlreiche hohe Kriegsorden erhalten. Ende Juni und Anfanq Juli 1941 verdiente er sich im Abwehrkampf gegen die Sowjets das E. K. 2 und E. K. 1. In den anschließenden Kämpfen hat sich Generalmajor Raus an der Dubyssa, beim Uebergang über die Düna durch Bildung des Brückenkrxlleg Lievenhof, beim Vorstoß über die Pljussa bei Ljady und über die Luga bei Porietsche ganz besonders hervorgetan und Erfolge von weittragendster Bedeutung errungen.
Oberst Curt Badinski, Kommandeur eines Infanterie-Regiments, wurde am 17. Mai 1890 zu Grebenstein, Kreis Hofgeismar, als Sohn eines Forstmeisters geboren. Für seine hervorragende soldatische Haltung erwarb er im Weltkrieg neben beiden Eisernen Kreuzen eine Reihe anderer hoher Kriegsorden. Die Spangen zum E- K. 2 und E. K. 1 erhielt er im Westfeldzug. Im Abwehrkampf gegen die Sowjets erbrachte Oberst Badinski erneut Beweise seiner Führerkraft und seiner persönlichen Unerschrockenheit. Am 9. September 1941 stieb er mit !->>n?m Remment o^ne Rücksicht auf die ungedeckten Flanken bis an den Südrand von Krasnoa- waroeijt unö oanm die Ausgangstage für den Angriff auf diesen Ort. Am 11. September stürmte er an der Spitze seines Re-Uw^-"' im an einen SOikn-Eiistatz aus
eigenem Entschluß von Süden her Krasnogwardeisk und be- gründete damit die Ausgangslage für die Durchbrechung des ersten Befestigungsgürtels von Leningrad.
USA-Luststühpunkte in Panama.
Berlin, 17. Okt. Die neuesten, übrigens aus USA- Quelle kommenden Nachrichten aus Panama besagen, daß die Regierungen von Panama und Washington in neue Verhandlungen eingetreten sind über die Ueberlassung von Luftstützpunkten. Im letzten Sommer waren Besprechungen über diese Frage als ergebnislos abgebrochen worden. Daß jetzt ein „neuer Geist" in Panama herrscht, zeigt auch eine von der Regierung De La Guardia ausgegebene Erklärung, daß alle Verfügungen und Bestimmungen des früheren Präsidenten Arias einer Prüfung aus ihre „Eignung unter der Demokratie" unterzogen würden. Man brauchte also nur wenige Tage abzuwarten, um den Tatsachenbeweis in Händen zu haben, daß das Weiße Haus mit der Inszenierung eines „Staatsstreiches" in Panama nur Hemmungen beseitigen wollte für die Durchführung seiner imperialistischen Ziele.
Osr tialienifche Wehrmachis-irichi
Meder ein britische» U-Dook vezstentt.
DRV. Rom. 17. Okt. Der italienische Wehrmachtrbe- richt vom Freitag hat folgenden Wortlaut:
«Das Hauptquartier der Wehrmacht gibt bekannt: Verbände der Luftwaffe bombardierten ln der vergangenen Rächt den Flottenstützpunkt von La Valetta (Waltos.
Feindliche Flugzeuge führten einen Angriff auf Rea- e l durch und warfen eine Anzahl Bomben ab. Es waren einige Wohnhäuser getroffen, wobei zwölf Personen ekötet und 37 verletzt wurden. Der Abwurf von Brand- omben löste in der Stadl an einigen Stellen Brände aus, die sofort begrenzt und gelöscht wurden.
JnRoroafrika wurden feindliche motorisierte Einheiten bei einem Aussallversuch aus Tobruk von unserer Artillerie sofort unter Feuer genommen und zurückgeworfen. Englische Flugzeuge warfen Bomben auf Beughasi ab, wo Schäden an Wohnhäusern entstanden.
Zn 0 stafrika nahm eines unserer Flugzeuge bei bewaffnetem Ausklärungsflug Lastwagenabteilungen im Ge- biet von Debat (nordöstlich von Gondar) unter WG-Feuer, wodurch einige in Brand gerieten. Obwohl das Flugzeug wiederholt durch das heftige Abwehrfeuer getroffen wurde, kehrte es zu seinem Stützpunkt zurück. Abteilungen der Stellung von Lclga. die eine unserer Verpslegungskolon- nen sicherten, kamen mit feindlichen Abteilungen ins Gefecht und schlugen sie in die Flucht.
Im Wiltelmeer wurde außer dem bereits im gestrigen Wehrmachtsbericht gemeldeten ein weiteres U-Boot von einem unserer Torpedoboote unter Befehl von Korvettenkapitän Luigi Franzoni versenkt."
Berlin. Reichspressechef Dr. Dietrich empfing me unrer Führung des bulgarischen Pressechefs. Gesandten Dr. Niko- lajeff, zurzeit auf einer Deutschtandreise befindliche bulaari-
Daladisr, Blum, Gamelin
Bestrafung der Hauptschuldigen des französischen Zusammenbruchs.
DNB. Vichy, 17. Okt. Der französische Staatschef, Marschall Petain, hielt eine Rundfunkansprache, in der er ausführte, der Politische Gerichtsrat, der aus der Elite alter Frontkämpfer und Förderer des öffentlichen Wohles zusammengesetzt ist, habe einstimmig festgestellt, daß die HaftavseinerFestung — die schwerste Strafe, die in dem konstitutionellen Akt Nr. 7 vorgesehen ist — auf Edouard Daladier, Leon Blum sowie auf General Gamelin angewandt werden müsse. Infolgedessen ordnete Petain die Inhaftierung dieser drei Personen auf der Festung Du Portalet an. Was Guy La- Chambre und den Generalkontrolleur Jacomet betrifft, deren Vergehen leichter erscheinen, wich die Ansicht des Rats ab. Die Herren Guy La-Chambre und Jacomet werden infolgedessen in Bourassol interniert bleiben. Die definitive Aburteilung wird durch den Gerichtshof in Riom erfolgen.
Die Tragweite der Taten, die den Hauptverantwortlichen des französischen Zusammenbruchs vorgeworfen werden, ist nach den Worten PetaiNs eine derartige, daß sie nicht einfach durch politische Sanktionen verschleiert oder vertuscht werden kann. Was schließlich Paul Reynaud und Georges Mandel betrifft, die als erste vor dem Gerichte von Riom verhört wurden, ist der französische Staatschef, gestützt auf die Meinung der Mehrheit der Mitglieder des Politischen Gsrichtsrates, zu der Ansicht gelangt, daß die fchweren Indizienbeweis, die auf ihnen lasten, ihre sofortige Inhaftierung auf einer Festung rechtfertigen. Petain hat daher diese Maßnahmen angeordnet. Der Urteilsspruch, der den Prozeß von Riom beschließen wird, wird die Personen, aber auch die Methoden, die Sitten und das Regime treffen Gegen ihn wird nicht Berufung eingelegt werden können
Petain sagte dann, er habe den Justizminister gebeten eine schnelle Herbeiführung der Verhandlung vor dem Gericht von Riom zu sichern. Am Schluß seiner Rede bat Petain die Franzosen ihm sein Vertrauen zu schenken und der unversehrten'Glauben an die Zukunft ihres Landes zu bewahren.
Neues aus aller Welt
** Durch eme« Hupcnanfau gcrerrer. Einem zufMttg hustenden Kind verdankt eine Familie in der Gegend von Odense (Dänemark) die Errettung aus schwerster Lebensgefahr. Die Familie des Futiermeisters Krone batte sich zeitig schlafen gelegt. Etwa um 1 Uhr nachts bekam das ;üng- ste der drei Kinder einen starken Hustenanfall, durch den der Vater erwachte. Er zündete Licht an und stand auf, wobei er bemerkte daß das Schlafzimmer mit Rauch gefüllt war. Als er die Tür zur Küche öffnete, erblickte er ein Flammenmeer. Hals über Kopf konnte die Familie ihr Leben gerade noch durch das Schlafz-immerfenster retten. Gleich darauf stürzte das Dach des brennenden HauseS ein.
** Verirrte Kugel traf Starkstromleitung. Auf einem Schießstand bei Solleftea (Schweden) ereignete sich ein merkwürdiger Unglücksfall, der durch eine verirrte Kuael ausgelöst wurde. Sie traf eine 400M-VoliStarkstromleitung, und eines der Drahtenden fiel auf den unterirdischen Stand der Zielbeobachter. Als hier nun das Telefon wie wild zu klingeln anfing, stürzten die beiden diensttuenden Männer an den Apparat, um sich zu melden. Kaum hatten sie aber den metallischen Hörer berührt, als sie einen furchtbaren elektrischen Schlag erhielten und schwer« Brandverletzungen an Händen und Füßen davontrugen.
** Der Schmiedehammer lüste sich. Ein dramatischer Zwischenfall ereignete sich im Volkspark von Frederikstad «Norwegen) bei einer artistischen- Vorführung. Eine große Menge harte sich gerade eingefunden, um mit anzuseben, wie einem „Herkules" ein riesiger Stein auf der Brust zerschlagen wurde. Als der Helfer des Artisten gerade mit wuchtigen Hieben zuschlug, um den Stein zu zertrümmern, löste sich der Schmiedehammer von seinem Schaft und flog in die Zuschauermenge. Eine Frau konnte sich im letzten Augenblick noch etwas abwenden. Sie wurde daher nur am Rücken gestreift und dadurch die Wucht des mastigen EisenstückeS etwas abgebremst, das dann einer anderen Frau eine schwere Kopfverletzung beibrachte.
** Ihr letzter Wille. Neulich nachmittags gab es an der großen Kettenbrücke über die Donau bei Budapest einen starken Auflauf Neugieriger, weil dort einig« Leute dabei waren, aus einem Gefäß Staub in die Donau zu schütten. Die Menge wußte nrcht. daß sie einem Leichenbegräbnis beiwohnte. Die Witwe eines der bekannten ungarischen Bankiers, Lanzy Leo, war gestorben und hatte in ihrem Testament bestimmt, daß ihre Leiche verbrannt und die Asche in die Donau gestreut werden sollte. Die Erben bemühten sich natürlich mit Rücksicht auf die reiche Erbschaft, die Bestimmungen des Testaments in allen Teilen genau auszuführey.
" Ein Millionengewinn. Als glücklicher Gewinner deS ersten Preises der mit dem Pferderennen von Meran ver. bundenen Millionen-Lotterie hat sich ein bekannter Schneider von Turin, Domenico Capella, herausgestellt. Er wurde von Journalisten entdeckt, als er sich zu einer Bank begall um diese mit dem Inkasso der zwei Millionen zu beauftragen. Der Schneider erklärte, er werde sein Geschäft wegen dieses Glücksfalles nicht aufgeben. Seinen Angestellter werde er ein Monatseinkommen schenken und seinen Arbeitern einen Wochenlohn, um mit ihnen auf dies« Weise de« Gewinn des großen Loses zu feiern.
Historische Monstranz gestohlen. In dem berühmte» Kloster Escorial bei Madrid ist ein aufsehenerregend« Diebstahl entdeckt worden. Verschwunden ist eine Monstranz von historischem Wert. Es handelt sich um ein Geschenk des spanischen Königs Karl H. an das Kloster Escorial.
** Er hatte alles versichert. Die Versicherungsgesellschaften von Mexiko müssen eine wahre Freude an Senor Cat» nero haben. Denn er ist ihr bester Kunde und bat ein« wohl einzigartigen Rekord aufgestellt: er hat sich bezw. feint Habe nicht weniger als zwei dutzendmal versichern laste», Ihm genügten keineswegs die üblichen Versicherungen gegen vorzeitigen Tod, Krankheit, Einbruch. Feuer. Unfall unh was es sonst noch alles gibt. Er versicherte so unter anderem seine Stimme gegen etwaige Sprachlosigkeit, sein« Augen gegen Blindheit, seine Häuser gegen Erdbeben, seintz Kleider gegen Mottenfraß und sogar seinen Kopf g«g« Laarausmll.
** Die verbotenen Haynenkämpfe. In einem Do rf n aL« bei Pao (Venezuela) wurden nämlich von Zeit zu Zelt oh» verbotenen Hahnenkämpfe ausgetragen, zu denen auS Nah und Fern zahlreiche Schaulustige herbeiströmten, sogar aut der über 10 g km entfernten Hauptstadt der Landes. Dab« wurden Wetten abgeschlossen, die in die Tausende ginge», Ein Haziendero, der wegen unlauterer Machenschaften vo> einigen Monaten von der Teilnahme an den Wetten aus» geschlossen worden war, erstattete auS Rach« bei der PoltM Anzeige, die daraufhin überraschend erschien und di« gä»M Svieleraesellschakt ausbob.
Ovp^rigbt t>7 Karl Köhler L Co. Berlin-Schmargendorf.
tN-ichdruck verboten.)
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Nachdem tagelang nicht mit einer Silbe von Kühne die Rede gewesen war, sagte Agelins Vater zu einer guten Stunde: „Erstaunlich nette Menschen, die Kühnes. Der alte Herr, trotz seiner Lähmung gar nicht verdrießlich und dann von einer geistigen Regsamkeit, die vorbildlich ist." Der warme Ausdruck seiner Worte verriet Agelin, daß sich ihr Vater nicht nur zu dieser Stunde mit den Kühne's beschäftigte, hingegen schon viele Gedanken dem vergangenen Erlebnis gewidmet hatte. Selten hatte sich der alte Bruuns in den letzten Jahren um den Verkehr mit anderen Leuten gekümmert; heute aber gab er ein deutliches Zeichen erwachten Interesses.
„Wenn du die Bekanntschaft gern aufrechterhatten wolltest, Vater", begann Agelin, denn sie wollte das „Eisen schmieden, solange das Feuer warm war", und sie war beglückt darüber, daß den Vater endlich wieder einmal etwas zu freuen schien, „so ist das eine Kleinigkeit. Herr Kühne nimmt dich sicher gern einmal mit; er fährt manchmal direkt nach Feierabend noch nach Köln hinüber-"
Der Lehrer Bruuns faßte die Gestalt seiner Tochter schqrs ins Auge.
„So? Woher weißt du denn das?"
„Er sprach darüber-" Warum schoß ihr Rot ins Ge
sicht? Er konnte doch darüber gesprochen haben, ja, er hatte darüber gesprochen. Kein Grund zum Rotwerden!
Der Vater fragle nun- nicht mehr weiter. Was hätte er
auch sagen sollen? Er begriff etwas und sah eine Gefahr-.
Von Ludwig Hochkemper wußte er ja nichts; für ihn war Kühne der erste Bewerber. War er wirklich ein — Bewerber? Sind doch bald und oft gut Freund, die jungen Menschen heute, kameradschaftlich und ohne Hintergedanken. Aber seine Tochter war «in schönes Mädchen, das sah selbst der Vater, von jener zurück
haltenden, innigen und unauffälligen Schönheit, die beim näheren Zusehen dann so überrumpelt und erschüttert. War es ein Wunder, wenn sie einem jungen Manne gefiel, dazu noch einem tüchtigen und strebsamen, der es zu etwas bringen konnte und würde?!
„Eine wunderbare Frau, diese Mutter", spann Bruuns seine Gedanken weiter, als wäre er allein oder es verstünde Agelin nicht den Sinn seiner Worte. „Wie sie haushält und geradesteht. Jahraus, jahrein, und nichts sehen und haben und leben will vom
Leben, was ihm versagt ist, ihm, ihrem Gatten-Das ist echte
Lebensgemeinschaft. Der eine für den andern! Ganz!" Und nach einer Weile vollendete er seine leise Rede still und mit noch mehr gedämpfter Stimme: „Man hätte noch behutsamer sein müssen,
noch beherrschter, noch ausschließlicher —-Aber — das
können wohl nur Frauen!"
Agelin wußte genau, wohin seine Worte zielten: er konnte kaum mehr froh werden, seit die ständig kranke Gattin von ihm gegangen war. Agelin legte ihm den Arm um die Schultern und sagte nahe an seinem Ohr:
„Noch besser, rücksichtsvoller und gütiger konnte kein Mensch sein, Vater! Du mußt dich endlich von deiner Schwermut befreien!"
„Bleib' so! Agelin, bleib' so", sagte er jäh, „du hast die Be- wegungen deiner Mutter, wie sie in ihren gesunden Tagen war. Wenn ich aus der Schule kam und mit einer Sache nicht fertig wurde, wenn es mir nachging, wenn ich keinen Schlüssel zu einem zugefallenen Tor fand, wenn ich mir unvermögend und unmöglich vorkam, wie ein Knabe! Dann war sie da, Agelin, deine Mutter,
meine Kameradin. Oh, sie war eine herrliche Gefährtin-
Ich weiß es nicht, warum Gott solch einen guten Menschen mit Krankheit bestrafte!"
Das Zimmer verdüsterte sich im Abend. Und draußen stand eine strahlende Sommerlust vor dem Fenster und die Bäume wiegten ihre gesegneten Aeste in leichtem Winde; es hätte nicht so zu dunkeln brauchen in dem Zimmer. Da leuchtete es in Agelin auf: man Mußte die Wohnung wechseln und in lauter Helle ziehen. Mehr Helle aber, als Wolfgang Kühne sie baute, gab es nicht, nein, mehr Helle nicht. Dort sollte man wohnen. Dort mußte man wohnen! Hinter Armin werde ich mich stecken, hinter alle, die auch nur den kleinsten Einfluß versprechen! Wir müssen hier
heraus, wo alles an die Jahre des Kampfes erinnert, wo Mutter starb, wo die untätigen Jahre des Alters für den regen Man» begannen. Und sie gab ihren Gedanken sogleich überzeugend«) Ausdruck.
„Herr Kühne baut schöne Häuser in der Stadt."
Bruuns fühlte sich unwillig aus einer Fern« zurückgeholt, tz» die ihm der junge Sinn der Tochter nun einmal nicht folgst konnte.
„So? Nun ja. Sehr neuartig."
„Man muß froh in ihnen sein", bekräftigt« Agelin noch und sie wußte über die Häuser des Wolfgang Kühne nichts Schöneres zu sagen als dies.
Aber ihr Vater wiederholte nur, nachdenklich und abwesend)
„Sehr neuartig, ja-" Weder Lob noch Tadel konnte ma»
daraus entnehmen.
Agelins Auge suchte mit Sehnsucht den Streifen Licht vor dem Fenster.
„Man müßte noch ein wenig durch die Lust gehen", riet sie,
„das Wetter ist so schön-Wenn wir ganz schnell zu
Abxrd essen und dann gehen?!"
Kaum, daß sie es ausgesprochen, reute es sie: der Vater würde doch wieder nicht wollen! Sie aber, durfte sie jeden Tag den gleichen Weg machen und das gleiche Ziel haben, sich satt trinken an dem Anblick der Bauten, wie sie so und nicht anders auch von ihr selbst erbaut worden wären, wenn man sie ihr in Auftrag gegeben hätte, — durfte sie das? Gewiß, ihre inner« Stimme ließ nicht den Gedanken an eine Unrechte Handlung zu, aber der Verstand warnte, der Verstand riet ab. Und doch trieb es sie, und doch mußte sie das immer wieder sehen: wie es wuchs und wurde und endlich war!
Zu ihrer Ueberraschung lehnte der Vater einmal nicht ab, Gewiß, er wollte die gute Luft genießen. Frühling gab es nur einmal im Jahr; man mußte dankbar sein für die Wärme, für die Weichheit der Natur, für das zarte, beglückende Blühe» Agelin tischte ein gutes, kräftiges Mahl auf, räumte nach dem Esten schnell alles in die Küche, wo es Zeit zu stehen hatte bis si- wiederkam, nahm einen Mantel um und verließ mit ihrem Vatci das Haus.
(Fortsetzung folgt.)