WWus dem HeimatgebieW
Gedenktage
13. Oktober.
1821 Der Mediziner Rudolf Virchow in Schivelbein geh. 1883 Wilhelm Loeper, Reichsstatthalter in Anhalt und Braunschweig, in Schwerin geboren.
1933 Vereinigung der Länder Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz.
Kartoffeln richtig lagern!
NSG Sorgfältige Einlagerung und pflegliche Behandlung der Speisekartoffeln muh in diesem Jahre von allen Haushaltungen erwartet werden. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Kartoffelknollen sich am besten Lei einer Temperatur von etwa Plus 3—t Grad Celsius halten.
Keller mit zu hoher Wärme, etwa in der Nähe einer Heizanlage, sind zur Aufbewahrung ungeeignet. Es ist dringend erforderlich, daß der Lagerkeller vor der Einbringung der Kartoffeln gründlich gelüftet wird. Feuchte Keller eignen sich ebenfalls^mcht zur Kartoffeleinlagerung. Durch Lolzunter- lagen,/Anbringung von Brettern an den Wanden laßt sich eine Berührung mit feuchten Wänden vermeiden. Das Schütten auf Lattenroste ist in solchen Fällen zu empfehlen. Gut haben sich, die im Handel befindlichen Kartoffelkisten bewährt.
Je zeitiger die Karteffeln eingekellert werden, desto auf- merksamer sind sie zu beobachten. Kartoffeln sollen ausgekühlt und trocken in den Keller gebracht werden. Es ist Pflicht des Einlagerers, die angelieferten Kartoffeln sofort durchzusehen und angefaulte zu entfernen.
Die Kellerfenster sollen Tag. und Nacht bis zu Beginn anhaltenden Frostwetters offen bleiben. In dieser Beziehung besteht bei vielen Hausfrauen immer noch große Aenastlich- keit. Selbst bei mehreren Kältegraden erfrieren die Kartoffeln im Keller noch lange nicht. Die eingelagerten Bestände sind ständig zu beobachten. Die Losung der Kartoffelaufbewahrung lautet: trocken — luftig — kühl!
Ebenso wie die Kartoffeln vor Verderb zu schützen sind, ist es notwendig, sie sparfamst zu verwenden. Uebermäßige Schalenabsälle. insbesondere bei Verwendung von Schälmaschinen. sind zu vermeiden. An die Stelle von Salzkarioffeln fallen Pellkartoffeln treten.
Jeder Zentner Kartoffeln, der durch sachgemäße Aufbewahrung und Behandlung vor dem Verderb geschützt und jedes Pfund Kartoffeln, bas im Haushalt gespart wird, kommt anderen Volksgenossen zugute, und wenn sie nicht als Speisekartoffeln benötigt werden, dann können sie als Rohstoff für die Kartoffel-Stärke-Jndustrie dienen oder aber sie fmden als Futterkartoffeln Verwendung für die Schweinemast in unseren bäuerlichen Betrieben und dienen somi' der Verbesserung unserer Fleischerzeuguna!
— Verpackung von Postpaketen nach dem Ausland. Die Verpackung der für das Ausland bestimmten Pakete hat in letzter Zeit immer weniger den Vorschriften entsprochen. Immer häufiger ist dieser Mangel u. a. an den nach Rumänien bestimmten Pakstsendungen beobachtet worden, ein Land, für das die Verpackungsvorschriften eine besonders dauerhafte Verpackung verlangen. Die für die verschiedenen Länder gegebenen Verpackungsvorschriften, über die die Postämter Auskunft geben, müssen beachtet werden, auch wenn die Deutschs Reichspost während der Kriegszeit die Verweil- düng von widerstandsfähigen Papiergeweben oder ähnlichen Stoffen statt Packleinwand (Juteleinen) für Pakete nachdem Auslande nicht beanstandet. Jedenfalls ist für eine gesicherte Anbringung der Paketaufschrift und der amtlichen Klebe- -ettel unbedingt zu sorgen. Gegen die Verwendung von genügend reißfesten Papierbindfaden statt des üblichen Hanf- Bindfadens soll während der Kriegszeit nichts eingewendet werden.
— Restforderungen gegen die Kraftwagenleitung West. Der Generalinspektor für das deutsche Stratzenwesen, Abteilung Wiesbaden, und die Reichsverkehrsgruppe Kraftfahrgewerbe geben bekannt, daß nachträgliche Forderungen und Abrcchnungsbeanstandungen von' Transport-Unternehmern aus dem Einsatz bei der Kraftwagenleitung West (Kra-West) nur mehr bis zum 31. Dezember 1911 entgegengenommen werden können. Nach erfolgter Auflösung der Kra-West-Ab- wicklungsstelle beim Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen sind die Forderungen an die Reichsverkehrsgruppe Kraftfahrgewerbe, Westwallausgleichsstelle, Wiesbaden, Friedrichstraße 22 zu richten. Spätere Anmeldungen und Beanstandungen können nicht mehr berücksichtigt werden.
Hausgenoffen über uns!
Mehr Rücksicht auf die Mieter, die unter uns wohnen!
V. ll. Es ist merkwürdig, wie oft man in einem großen Mietshaus die Beobachtung machen kann, daß Hausbewohner miteinander auf Kriegsfuß leben und sich gegenseitig grußlos zu begegnen Pflegen, die über- oder untereinander wohnen. Ein solches Zerwürfnis hat sich in seinem Anfangsstadium meistens folgendermaßen abgespielt:
Da freute sich eines Abends im ersten Stock die Familie Müller nach einem langen, anstrengenden Tagewerk auf die wohlverdiente Entspannung und Erholung, die eine ungestörte Nachtruhe mit sich bringt. Jedoch mußten sich ihre Blicke enttäuscht und entsagungsvoll nach oben an die Decke richten. Vom zweiten Stockwerk her, wo Meiers wohnen, erscholl lautes Lachen, Musik, Fußgestampfe und vielstimmiger Gesang. Nun ja, denken Müllers zunächst, Frau Meier feiert heute ihren Geburtstag und hat Gäste. Da will man nicht so sein und noch einmal gute Miene zum bösen Spiel machen, obwohl sich diese nächtlichen Feiern gerade ssi letzter Zeit immer mehr gehäuft haben. So zieht man sich leise grollend die Bettdecke über die Ohren und versucht — wenn auch meistens erfolglos — trotzdem einzuschlafen. Am nächsten Morgen wird die Angelegenheit zwar mit Stillschweigen übergangen, aber ein leiser Groll bleibt Lei Müllers doch zurück. Am nächsten Abend wird oben bei Meiers das neue Grammophon ausproüiert, wogegen die Familie Müller an sich nichts einzuwenden hätte, wenn ihnen dieser abendliche Kunstgenuß nicht ausgerechnet zu so später Stunde geboten würde. Und auch das! begleitende Taktschlagen aus dem Fußboden, das Herr Meier — musikalisch wie er ist — mit Ausdauer betreibt, glaubt die Familie Müller nicht ohne Protest hinnehmen zu müssen. Es wird also von unten her Protestierend gegen die Decke geklopft, eine letzte höfliche, aber bestimmte Aufforderung für oben, dem ruhestörenden Lärm ein Ende zu machen. Jedoch ist der Erfolg meistens nur der, daß der Kalk von der Decke fällt. Dann gibt ein Wort das andere und am Ende steht jener unhaltbare Zustand, in dessen Verlauf sich die beiden Parteien mit gegenseitigen kleinen Schikanen und Bosheiten das Leben unnütz erschweren.
Es gibt noch unendlich viele „Meiers" in unseren Wohnhäusern. Der eine veranstaltet rauschende Feste bis spät in die Nacht hinein, der andere bewegt sich in seinen vier Wänden derart rücksichtslos, daß — an der Lautstärke gemessen — man dort oben ein ganzes Regiment Soldaten einguartiert vermuten könnte.
In der heutigen Zeit, wo man angespannt sein Tagewerk verrichten muß, braucht ein jeder die kurze Erholung und Entspannung, die ein ungestörter und ausreichender Nachtschlaf zu geben vermag, sehr notwendig. Wieviele Arbeitskameraden stehen aber bereits am Schraubstock oder an der Drehbank, wenn wir noch ruhig in unseren Betten schlafen können! Da ist es am Abend unsere Pflicht. Rücksicht zu üben und spätestens nach 10 Uhr jeglichen Lärm zu vermeiden, damit die Kameraden der Frühschicht Ebenfalls eine ausreichende Nachtruhe zur Verfügung haben. Gegenseitige Rücksichtnahme und vor allem der notwendige Respekt vor dem Schlaf unserer Mitmenschen wird dann oftmals von selbst alle kleinen Reibereien ausschalten, die der Alltag in einem großen Mietshause mit sich bringt.
Äus ^forzherni
Der gestrige Sonntag
trug das deutliche Gepräge des Herbstes. Der buntgefävbte Wald konnte die vielen Menschen, die dort verweilten, in andachtsvolle Stimmung versenken. Er mahnte auch zu innerer Einkehr im Blick auf das Sterben und Vergehen in der Natur. So manches schöne Fleckchen gewährt einen bezaubernden Ausblick in das Tal und in die Stadt, so daß man mit Fug und Recht ausrufen darf: „O Welt, wie bist du so schön!" Die Fußwanderer machten sich schon in der Frühe auf und strebten ihren bestimmten Zielen zu. Es war eine Völkerwanderung in den „drei Tälern", die am Nachmittag einsetzte. Aber auch über den Berg hinweg lenkten so viele
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ihre Schitte, um Einkehr zu halten in den sauberen Dörfern. Die Kleingärtner hielten noch Nachlese und so manch voller Korb mit Aepfeln wanderte in die Behausung. In der Stadt war es recht still. Am Abend füllten sich Stadttheater und Kinos, in den Wirtschaften war der Pfälzer „Neue Süße" zum Ausschank gekommen, der seine Liebhaber fand.
Vom Stadttheater
Felix Lützkendorf's Komödie „Liebesbriefe" in fünf Akten in der Inszenierung von Willy Grub hat stark gezündet. lH ist eine lebenswahre Schilderung aus dem Lebenskampf zweier Menschen, die einerseits vom Materialismus und andererseits vom Idealismus beherrscht sind. Und wie das im Leben so geht: Es gibt Geheimnisse, die man nur mit sich selbst abmachen kann! Der Seitensprung des Bankiers Dr. Konrad Tieöemann in den Modesalon der Hilde Wagner ist ganz harmloser Natur und bringt dennoch Verwickelungen, die sein Gewissen belasten. Sein allabendlicher Ausgang muß begründet werden und zwar so glaubhaft, daß die „teure Gattin" auch nicht einen Augenblick daran zweifelt, wenn der Gatte ihr vortäuscht, seine „Bilanz" fertigstellen zu müssen. Vor 20 Jahren hat der „Treulose" seiner damals Angebeteten die glühendsten Liebesbriefe geschrieben und die findet er nun zufällig unter dem Altpapier. Er schreibt sie ab und beglückt damit seinen neuen Stern, die Hilde Wagner. Ganz so Wohl ist ihm um diese Briefe nicht. Unter eigenartigen Umständen wandern vier der be>'' auf seinen Schreibtisch und das ausgerechnet zum Gebu> g der Gattin. Hilde Wagner hat sie selbst dorthin gelegt und die Gattin, die sie entdeckt, ist hochbeglückt, über die seltene Geburtstagsüberraschung. Es kommt zu recht heiteren Situationen, die sich aber nach und nach doch klären. Der Schwiegersohn Dr. Tiedemann's ist in die tolle Geschichte „eingeweiht" und fordert die Liebesbriefe im Atelier der jungen Modekünstlerinnen zurück. In der Freundin Hildes glaubt er diese selbst vor sich zu haben und schließlich muß er doch den Kürzeren ziehen, denn die geforderten Liebesbriefe sind ja schon längst der Gegenstand der Erörterung im Hause Tiedemann's geworden. Aber eines hat die Freundin Barbara Lesart doch erreicht: bake 3000 Mark legt ihr Helmut Messung, Tiedemann's Schwiegersohn, auf den Tisch als Entgelt für ihr kluges und schlaues Verhalten. Das Spiel war ausgezeichnet. Ernst Schorlenker (Tiedcmannh Lina Habermann (dessen Frau), Max Herbert Voelcker (Schwieger- > sohn), Anneliese Roßmann (Hilde Wagner) und Elsa Nast ! (Barbara Lesart) fanden sich ausgezeichnet in ihre Rollen hinein und erzielten den herzlichen Beifall des Hauses. Mit. der Komödie hat die Intendanz des Stadttheaters einen guten Griff getan und man darf dem Stücke noch weitere ausverkaufte Häuser wünschen. Wilhelm Neuert-Plorzheim.
Milchhof Pforzheim ausgezeichnet
Beim Wettbewerb der deutschen Molkereien, der im Rahmen der Milcherzeugungsschlacht und zur Ehrung bäuerlicher und landwirtschaftlicher Betriebe durchgeführt wurde, wurde auch die Milchversorgungs-Gesellschaft Pforzheim mit einer Urkunde für hervorragende und pflichtbewußte Leistung ausgezeichnet. Ihren Erzeugnissen und ihrer wirtschaftlichen Führung wurde damit erneut hohe Anerkennung gezollt. Bei der Bewertung ihrer Leistungen wurden vor allem die molkereimäßige Erschließung des Einzugsgebiets, die Höhe des an die Erzeuger bezahlten Milchpreises und die Güte der Molkerei- i erzeugnisse in Betracht gezogen.
Norme» für Hauskleider und'Damenhemden. Durch eun Anordnung des Reichswirtschaftsministers sind Normen für Büstenhalter. Damenhemden, Schürzen, Haus- und Garten- Neider für verbindlich erklärt worden. Das normale Taghemd muß beispielsweise mindestens 95 Zentimeter, das Nachthemd >25 Zentimeter lang sein. Für Backfische ist cs etwas kürzer, iür die Ertragrötzc etwas länger. Bei den Schürzen, Haus- und Gartenkleidern handelt es sich lediglich um eine Normung des Verfahrens bei der Längenmessung, da sich daraus häufig Wettbewerbsstreitigkeiten ergeben haben.
tlopli-lgkt t >7 Karl Köhler L Co.. Berlin-Schmargendorf.
13 tNachdruck verbaten.)
„War es so schlimm?" fragte sie. „Ist es hier nicht schöner als in dem dummen Hotel?"
„Doch", sagte er ehrlich, „doch, das ist es." Und plötzlich meinte er gequält: „Aber wir werden in den nächsten Tagen viel zu besprechen haben, Lydia."
Sie machte eine recht wegwerfende Handbewegung. „Das ist nicht wichtig. Die Väter werden das schon machen-"
„Nein, Lydia, es geht uns beide ganz allein an. Es geht um unser Glück."
Ihre Augen wurden mit einem Male ganz groß. „Unser Glück", wiederholte sie langsam, „unser Glück — —ja, du hast
recht-darüber habe ich nie nachgedacht. Es war mir so
sicher und selbstverständlich. Unsere Eltern haben schon darüber beratschlagt, als wir noch Kinder waren. Ich bin so ausgewachsen. Du nicht auch?"
Wenn er ehrlich war, hätte er sagen müssen, daß diese Frage bei ihm erst in der allerletzten Zeit wirklich akut geworden sei. Er sagte es nicht. Vor diesen gläubigen Augen, die einen so veränderten Ausdruck hatten, verstummte sein Mund. Sie hatte ihre Hand noch immer auf der seinen. Eine wunderbare Wärme war In dieser Hand, Nähe und Zugehörigkeit zu ihm. Wie anders war dieses Mädchen, das sich ihm rückhaltlos und zufrieden gab, als Agelin, die ihn eigentlich stets nur — geflohen hatte. Liebte ihn Agelin eigentkich? E r liebte Agelin; nach ihrer Liebe fragte er nie. Nun legte sich ihm die Frage schwer und drückend auf die Seele. Die Hindernisse türmten sich unüberwindlich. Neben ihm war seine Kusine Lydia, warm und nah.
Die Baumblüte im Vorgebirge hatte ihren Höhepunkt erreicht. Der Anblick der ganze Felder bedeckenden und die Hänge hinabflutenden, sternchenbesäten Bäume machte die Menschen ganz trunken. Sie wahren in Scharen zu den ewig neuen Wundern
des Frühlings, und wer nicht singen wollte, dem preßte es sich einfach a«s die Lippen, daß ein Ton darüberschwang, ein Ton, der zur Melodie wurde, tausendmal erklungen und doch immer wieder von neuem rührend und aufwühlend.
Aufbrechend von dem prunkvollen Schloß eines kunstsinnigen Bischofs und Kurfürsten in der Rvkokozeit, immer wieder sich ergötzend am prächtigen Schwung des Treppenhauses, an der Kraft der Deckengemälde, verweilend vor dem spiegelförmigen See im Schloßpark, hatte sich auch Agelin Bruuns aufgemacht, den Blütenraufch zu erleben. Es bedurfte ihrer größten Ueber- redungskunst, den Vater zur Teilnahme zu bewegen; nun. da er sich einmal ihren Bitten ergeben hatte, zeigte er sichtliche Freude und Beglückung. Solange der Mensch noch atmet, kann er sich dem Z'uber nicht entziehen, der von jedem neuen Frühling ins Blut einkehrt und gewaltige Kräfte weckt. Arm in Arm mit seiner Tochter, legte sich dem alten Lehrer ein blühendes Lächeln um den verwelkten Mund, und er zählte im Fahren auf der kkeinen Vorgebirgsbahn die vielen Orte, die mit heimlich vertrauten Namen aufgerufen wurden: Walberberg — Trippelsdorf — Merten — Lardorf — Waldorf und schließlich Rösberg und Alfter. Und jeder Ort war eingekränzt von den blühenden Apfelbäumen, deren Rosaweiß von unbeschreiblicher und herbei Keuschheit ist. Die frühesten Bäume — Pfirsich und Aprikose — hatten sich aus dem farbigen Spiel schon zurückgezogen, desgleichen die Kirschen. Aber die Apfelbäume beherrschten — zusammen mit den Birnen — das Bild
In einem Gasthof in Rösberg fand der Lehrer Bruuns wider Erwarten einige Menschen, mit denen er über ihnen gemeinsame Interessen und Ansichten sprechen konnte. Es war ihm lieb, unterhalten zu sein, denn er erwartete hier seinen Sohn Armin, der von Bonn zu einem kurzen Zusammentreffen hierherkommen wollte. Agelin war somit sich selbst überlassen, und sie war dessen nicht unfroh. Nun durfte sie ein wenig frei und allein über schmale Wege, die von den vielen nicht belaufen waren, zwischen den beladenen Bäumen und unter den niederhängenden Zweigen einheraehen und ihren Gedanken unbeobachtet nachhängen. Sie hätte sich in das Gras einer Wiese legen und in den blauen Himmel blicken mögen, aber die Erde war naß von einem ausgiebigen nächtlichen Regen. Unhörbar gingen ihre Schritte über' den schmalen, bewachsenen Pfad; kleine Gräserspitzen reckten sich zu ihren Schuhen und befeuchteten sie vorwitzig. Der ganze kleine Weg war wie ein Rahmen, nur dazu
geschaffen, ein großes Bild zu umfassen, das unwandelbar in seinem gesamten Ausschnitt lag: die sanften Umrisse der sieben Berge am Rhein, hin und wieder das silberne Aufblitzen des Stromes, in glitzerndem Schein die reich bebaute Ebene, die sich zu Wasser und Gebirge hindrängte, besitzergreifend und schutzsuchend zugleich. Die Hellen Dächer der vielen frohen menschlichen Behausungen blitzten Im Sonnenlicht. Der Widerschein erhellte Agelins verschlossenes und bedrücktes Herz. Die Menschen in den Hellen Städten am Rhein mußten schon ganz anders sein als die mancher anderer Landschaften. Die Freude wuchs aus dem Boden, sie stellte sich neben sie und grüßte sie aus der Höhe. Das war Grund genug zum Singen, man mnstte ein frohes Herz bekommen und Helle Augen.
Agelin dachte plötzlich an Wolsgang Kühne. Es war viel, was er in ihrer Heimatstadt, diesem Industrieort, begann. Auf dem nächtlichen Heimweg von der Baustelle erzählte er ihr von leinen kühnsten Plänen: Um- und Neugestaltung der Straßen, neue Bepflanzungen, Charakterisierung des Stadtbildes. „Warum soll es nur einzelne schöne Städte geben? Jede Stabt muß schön sein, jeder Bürger will glücklich und hell leben. Die Industrie bringt Geld; sie kann noch mehr als Rentner- und Fremdenplätze für den Ausbau ihrer Umgebung tun!" Das war fein Ausspruch.
Sie schritt über den moosigen Weg wie auf c^amt. In einem nahen Ort schien Frühkirmeß oder «in Tanzfest zu sein, die Musik zog stark und lustig bis hierher In die Stille. Agmn summte mit und drehte sich fröhlich ein wenig hin und her. Sie war allein, und niemand konnte sie beobachten. Ringsum nur Obskviefen, teilweise eingezäunt, um sie vor fremdem Zutritt, der keine Ehrfurcht vor dem Unantastbaren kennt, zu schützen. Ein freier Streifen nur der Weg, der sich hin und her wand, bald ins Tal zu führen schien, bald wieder der Hohe zustrebte Mit einem Male erkannte Agelin, daß sie nicht allein um das Geheimnis dieses abseitigen Pfades wußte: Menschen kamen Ihr entgegen, noch in der Tiese, klein wie Pünktchen, doch immer mehr und mehr sich nähernd. Nach einer weiteren Weile — sie glaubte sich zu täuschen und ihre Gedanken, die sich mit ihm beschäftigt hatten, führten sie in die Irre — stellte sie fest, daß «s Kühne war, der da, mit einer Dame am Arm, sich ihr näherte.
Auch er bemerkte sie schon von weitem,' und da rief er ihr entgegen-
(Fortsetzung folgt.)