Freitag den 3. Oktober 1941

Der Enztäler

99. Jahrgang Nr. 232

...wie bei Tarmenberg

Ln allen Betrachtungen Mer di« Kümpfe im Osten standen die gewaltigen Schlachten im Vordergrund, in denen unsere Divisionen die Sowjetarmeen geschlagen, chre Festungswerke durchbrochen und ihre Kriegsmaschine in tausend Stücke zertrümmert haben. Gleichzeitig fand aber auch, und daran erinnert uns jetzt die Mitteilung von der Einbringung von 91752 Gefangenen im mittleren Frontabschnitt, auch an den anderen Stellen des weit ausgedehnten Kampfraumes ein erbittertes Ringen statt. Jene 91752 Gefangene, die die Sowjets in Einzel­kämpfen zwischen dem 6. August und dem 27. September verloren haben, reichen an die Ergebnisse der denkwürdi­gen Schlacht von Tannenberg heran, in der im Auaust 1914 ein erster niederwuchtender Stotz im Osten geführt wurde.

Die Gefechte, di« zu den jetzigen stolzen Ergebnissen ge­führt haben, sind uns nicht einmal dem Namen nach be­kannt. Gerade das aber erfüllt uns mit Bewunderung vor dem Kampfgeist jener Männer, die im Osten in Angriff und Abwehr bestes deutsches Soldatentum verkörpern. Wie die Schlacht bei Tannenberg letzten Endes nur den spä­teren Zusammenbruch der Zarenmacht einleitete, so wer­den auch die jetzigen Schlachten und Einzelkämpfe im Osten voll zur Auswirkung kommen.

Die letzte Ursache der gewaltigen Erfolge der deutschen Waffen bildet immer die kämpferische Ueberlegenheit des deutschen Soldaten, von der fast jeder neue OKW-Bericht neue Beispiele gibt. Ob deutsche Infanteristen den Feind mit dem Bajonett niederwerfen oder deutsche Panzerdivi­sionen in überraschenden Vorstößen Sowjetpanzerverbän- oen erhebliche Verluste beibringen, ob deutsche Kampfflug­zeuge feindliche Rüstungswerke zerschlagen und die briti­schen Zufahrtswege aufs schwerste bedrohen, ob Schiffe der deutschen Kriegsmarine in allen Meeren Schrecken über britische Geleitzüge bringen immer ist es der Geist mu­tigen und unerschrockenen Einsatzes, der den Kampf unserer Wehrmacht beherrscht und der uns volle Gewähr, für den Endsieg in dieser Schicksalsentscheidung gibt.

Oer eingefrorene Weg über Archangelsk

Der Marinekorrespondent derTimes" setzt sich etwas ironisch mit den Kombinationen englischer Zeitungen über dt« Möglichkeiten der Hilfe für die Sowjetunion auseinan- der. Er weist darauf hin, daß einige dieser Kombinationen phantastischer Natur sind. So habe man z. B. davon gespro­chen, englische und amerikanische Materialsendungen könn­ten, falls die transiranische Bahn sich den an sie gestellten Ansprüchen nicht gewachsen zeige, auf dem Wege über Ar­changelsk nach der Sowjetunion gelangen. DerTimes"-Kor- respondent erklärt, es bestehe zwar noch eine Eisenbahnver­bindung zwischen Archangelsk und Moskau, und die Sowjets hätten m letzter Zeit große Anstrengungen gemacht, diesen Arktis-Weg" ins Freie zu verbessern und auszubauen. Schlecht sei nur, daß dieser Weg Ende September unbenutz­bar werde und daß der Hafen von Archangelsk in den nach- sten Monaten, selbst wenn man ab und zu Eisbrecher ein­setze, für irgendwelche Transporte größeren Umfanges über­haupt nicht in Frage käme. Man dürfe also keinerlei Hoff­nungen auf diesen Verbindungsweg zur Sowjetunion setzen.

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Churchill mutz den Rundfunk Lügen strafen.

Churchill mußte in seiner Nnterhausrede auf die Anfrage, Weshalb die britische Luftwaffe nicht, wie angekündigt, Rom bombardiere, nachdem die Deutschen aus Kairo Bomben ge­worfen hätten, antworten:Kairo ist entgegen der Meldung des Londoner Rundfunks tatsächlich gar nicht bombardiert Worden. Die deutschen Bomben trafen vielmehr nur militä­rische Posten in der Umgebung."

KreuzerManchester" in Atlantikgefecht beschädigt.

Newhork, 2. Okt.Newyork Times" zufolge berichtete der Kommandant des in Philadelphia zur Reparatur aufliegen- den britischen KreuzersManchester" (9400 Tonnen), daß sein Schiff die Beschädigungen während eines kürzlich zwei Tage und Nächte andauernden Gefechtes im Atlantik erhalten habe. Er deutete an, daß auch andere britische Schiffe beschädigt seien.

kurzmelöungen

Rom. Wie aus Ankara gemeldet wird, hacken sich im Mofful-Gebiet verschiedene Volksstämme gegen Ne Bagdad- Regierung erhöbe«. Der Gouverneur Vieser Provinz würde ermordet.

Ankara. Bisher haben sechs sowjetische Handelsschiffe aus dem Schwarzen Meer in türkischen Gewässern Zuflucht ge­sucht. Einigen von ihnen wurden Ankerplätze im Golf von Lamit zugewiesen.

Newhork. Nach einer Veröffentlichung des Schatzamtes nahmen die Bundesschulden bisher monatlich um rund eirE Milliarde zu. Am 27. September betrug die BunbesverschW- dung rund 51,2 Milliarden Dollar.

Newhork. Wie Associated Preß aus London meldet, wer­den die schmiedeeisernen Zäune und Tore um den Bucking­hampalast am Freitag niedergerissen, um i« die Rüstungs­industrie zu wandern.

Washington. Das Staatsdepartement gab die Unterzeich­nung des Pacht- und Leihvertrages mit Brasilien bekannt, auf Grund dessen Brasilien eine ähnliche Unterstützung er- hält wie England durch das Englandhilsegesetz.

Mexiko. Rund hundert iberoamerikanische Diplomaten sowie dre Gesandten Italiens und Japans folgten einer Ein­ladung des deutschen Gesandten zu einer Vorführung des FilmsSieg im Westen".

Ausschüttungen der Hindenburgspendc.

Berlin, 2. Okt. Wie regelmäßig in den letzten verflosse­nen 14 Jahren begeht die 1927 vom Reichspräsidenten und Generalfeldmarschall von Hinöenburg ins Leben gerufene StiftungHindenbura-Spende" den Geburtstag ihres Stif­ters auch in dieseem Jahr durch eine größere Ausschüttung. Zum 2. Oktober erhalten 2800 Kriegsbeschädigte und Kriegs­hinterbliebene des Weltkrieges je 150 Mark. Unter den Be­dachten befinden sich auch 12 Veteranen der Einigungskriege bezw. deren Witwen.

In die Tiefe gestürzt 8 Tote, 10 Verletzte Triest. 2. Oktober. Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich in einem Trockendock der Schiffswerften von, Monfal- conc. Als eine Arbeitergruppe einen hohen Laufsteg über­querte, löste sich dieser Plötzlich. Verzweifelt klammerten sich die Arbeiter an das Geländer des Steges, das jedoch unter dem Gewicht zusammenbrach, so daß die Arbeiter aus über 20 m in das Trockendock herabstürzten, wobei acht den Tod fanden und zehn mehr oder weniger schwer verletzt wurden.

Todesurteil gegen den Laval-Attentätcr Paris, 2. Oktober.. Colette, der vor fünf Wochen in Vichy den Anschlag auf Laval und Deal unternommen bat, ist vom französischen Sondergerichtshof in Paris zum Tode verur­teilt worden.

Raub Tkordivestirans durch die Sowjets?

In politischen Kreisen Teherans ist man stark beun­ruhigt über die Absicht der Sowjets, einen Teil von Nord­westiran mit Täbris der armenischen Sowjetrepublik ein­zugliedern. Man erklärt, daß General Wavell, der zu Be­sprechungen mit den Sowjets in Teheran weilt, bereits im Namen des britischen Reiches zugestimmt habe.

Neues Eisenbahnunglück in Japan

so Tote und 10 g Verletzte auf KiusMu

Tokio, 2. Oktober. Nach dem Eisenbahnunglück auf Kiu- schiu hat sich auf Schikoku ein weiteres Unglück unter fall gleichen Umständen zugetragen. Wie im ersten Fall, stürzte auch hier ein Zug ein kombinierter P.rsonen- und Güter­zug von einer Brücke in einen Fluß. Das Unglück ist ebenfalls auf einen von starken Regenfällen begleiteten Tai­fun, der seit Mittwoch die südlichen Gebiete Japans heim­sucht. zurückzuführen. Der Sturm hatte die Brücke wegge­spült. Die beiden Passagiere und acht Eisenbahner aelten als verloren.

Die Arbeiten zur Bergung der Vermißten bei dem Eisen­bahnunglück auf Kiuschiu werden tatkräftig fortgesetzt. Man hat bis jetzt 50 Tore und 100 Verletzte bergen können, doch dürfte sich die Zahl der Opfer noch wesentlich erhöhen. Im Gebiet von Nagasaki auf Kiuschiu kenterten im Taifun mehrere Fischerboote. Es werden 50 Fischer vermißt.

Zu dem schweren Eisenbahnunglück in der Nabe von Ku- mamoto auf Khuschu wird weiter gemeldet, daß die Net? tungsarbnten nur langsam fortschreiten. Man glaube nicht, so schreibtTokio Nitschi Nitschi", daß die in den abgestürz­ten Personenwagen befindlichen etwa 100 Personen, meist Schüler, geborgen werden können, da die Flut dau­ernd steigt.

Neues aus aller Welt

** Der Jugendliche mit dem Revolver. Ein ISjähriger Junge aus Horbruch (Mosel) hantierte abends auf oer Straß« im Beisein mehrerer Jungen und eines Mädchens mit einem Revolver. Dabei löste sich Plötzlich ein Schuß, per dem Jungen durch die Hand und dem Mädchen in den Un­terleib drang. An den Folgen der Verletzungen starG das Mädchen bereits eine Stunde später.

- -vom amprmgenoen Schleifstein getötet. D«r 37 ährige landwirtschaftliche Arbeiter Ignaz Vogler in Langenwang wurde beim Ingangsetzen eines Schleifsteins von einem ab- springenden Stück mit solcher Wucht an den Kopf getroffen, daß fern Tod sofort eintrat.

** Einst Millionär jetzt Fahrraddieb. DaS Gericht in Koge verurteilte einen Fahrraddieb zu drei Monaten Ge­fängnis. Das Besondere des Falles liegt darin, daß der Dieb ernst einer der größten Viehexporteure war. der es im Weltkrieg bis zum Millionär gebracht hatte.

** Pechsträhne am Hochzeitstag. Ausgerechnet an seinem Hochzeitstag mußte es in Strömen regnen. So ein Pech dachte der junge Olafsen in AarhuS (Dänemark), der an diesem Morgen seine Braut vor das Standesamt bezw, den Altar führen wollte. Aber man fuhr ja im geschlossenen Wagen. Dennoch sollte ihm das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen. Denn als die Braut eilig auS dem Wagen itieg, um nicht durchnäßt zu werden, fiel sie Wer ihre Schleppe und stürzte in eine große Wasserlache. Nun blieb nichts anderes übrig, als die Trauung auf den Nachmittag zu verschieben. Nach dem Standesamt ging man zur Kirch doch da glitt der Bräutigam auf einer Blume aus. blieb an einem eisernen Gitter hangen und zerriß sich seinen An­zug von oben bis unten. Nach einer Stunde' hatte man sich einen anderen Festrock geborgt, und so konnte die Trauung stattfinden. Aber noch riß die Unglückssträbne nicht ab. Denn bei dem abendlichen Hochzeitsmahl bekam die Braut einen Lachkrampf, so daß ein Arzt ihr die Kinnladen wieder einrenken mußte, und der Bräutigam verschluckte einen spitzen Hühnerknochen, der seine Verbringung in eine Klinik nötig machte. Erst nach der Operation und zwei Wochen Wartezeit konnte das Festmahl ausgiebig nachgeholt werden.

** Jeder sein eigener Koch. Die jüngste Neuerung in Neuhork ist ein Restaurant, in dem jeder Gast sein eigener Koch sein kann. Zu diesem Zweck ist den Restaurationsräu­men eine modern ausgestaltete Küche ungegliedert. Nach­dem sich der kochkundige Gast im Kühlraum die nötigen Roh­stoffe ausgesucht hat, kann er seine Fertigkeit in der Her­stellung eines Gerichts selbst erproben, und er braucht hin­terher nicht einmal bas Geschirr abzuwaschen. Wenn er fer­tig ist. ruft er den Kellner und läßt sich sein eigenes Werk servieren.

** Geschwindiakeitsrekorö eines Verkehrsflugzeuges. Einen neuen Geschwinoigkeitsrekord zwischen Buenos Aires und Rio de Janeiro stellte bei seiner, letzten Reise ein Flugzeug der italienischen Südamerikalinie Lati auf. Die Strecke wurde in süns Stunden 55 Minuten zurückgelegt. Die dabei er­reichte Durchschnittsgeschwindigkeit betrug- 470 Stundenkilo­meter.

** Dw Pferd« des Erutewagens scheute«. In Avendorf (Landkreis Bonn) lösten sich von einem mit Frucht beladenen Wagen mehrere Garben und fielen aus die beiden vorge­spannten Pferde. Dadurch scheuten die Tiere und rasten dem Dorfe zu. Ein Knabe, der auf dem Wagen saß, konnte recht­zeitig abspringen; ein junger Mann jedoch, der sich dem Ge­fährt entgegenwarf, geriet unter den Wagen und wurde aus oer Stelle getötet. Der Besitzer des UnglückswagenS. der eben­falls das Gefährt zum Stehen bringen wollte, wurde gegen einen Baum geschleudert und blieb mit schweren Kopfverlet­zungen liegen.

»»Nicht zürückgekehrt. Der 18 jährige Elektrogehilse Vi­tus Kattschmid aus Nußdorf trat am 6. September seinen Arbeitsurlaub an, den er im Salzkammergut verbringen wollte. Schon während seines Urlaubes traf von rbm keine Nachricht ein. Er selbst kam auch nach Ablauf seines Ur­laubs nicht zurück und ist seitdem verschollen. Polizei und Bergwacht sind verständigt.

** In den Gotzeubergeu vermißt. Der 44 jährige Kauf­mann Josef Baumgarten aus Göttingen, der mit feiner Frqu in Bad Reichenhall in Urlaub weilte, ist von einer Tour auf die Götzen nicht zurückgekehrt. Am Mittwoch lieg Baum­garten seine in Neichenhall zurückgebliebene Frau telepho- nnisch verständigen, daß,er mit einem Begleiter die Tour bis zum ^nntensee fortsetzen wolle, bis Freitag abend gedenke er zurück-uk-chren. Bis fetzt konnte nur fesigestellt werden daß Baumgarten mit seinem Begleiter die Götzen Verla«»» hatte, am Fun Anseebans aber nickt emtra?

Oopzrrlgdt d; Kart Köhler L To

Berlm-Schmargendorj. tNachdruck verboten.)

Agelin ging nach der Küche, um das Abendbrot zu richten. Die Fenster standen offen. Von blühenden Sommerbäumen kam betäubender Dust herein; Nachtfalter gaukelten geblendet um die Deckenlampe herum, klatschten gegen das Glühglas und fielen versengt hernieder. Irgendjemand in der Nachbarschaft hatte seinen Lautsprecher zu laut eingestellt. Unablässig redete eine Männerstimme aus dem Apparat, nasal und eintönig, es klang wie die Sprache in einer Gießkanne. Unerträglich und aufdring­lich, dachte Agelin und runzelte die Brauen. Wenn wenigstens Musik gekommen wäre, Helle, lustige, schwingende Musik Agelin dachte an Ludwig Hochkemper. Jetzt hätte man einen Fernsprecher haben müssen, damit Ludwig anrufen konnte. Sicher­lich war er so unruhig wie sie auch. Er hatte heute einem Mäd­chen eine Liebeserklärung gemacht, er besaß seit heute so etwas wie eine Braut, eine sehr heimliche Braut zwar, aber immerhin eine Braut, ein Mädchen, um das er angehalten hatte, in einer merkwürdigen und überraschenden, nicht alltäglichen und erregen­den Form. Wie stark mußte seine Liebe sein, mußte sie alle die Zeit gewesen sein, wenn er sofort für sie diese ebenso werbenden wie bindenden Worts fand? Er wollte morgen kommen. Zu ihrem Vater. Mit diesem zu sprechen. Ganz, wie man es srüher machte: um die Hand anhalten. .Plötzlich schien das alles Agelin ganz und gar unmöglich. Er durfte nicht kommen und das sagen, was den Vater aus aller Ruhe reißen würde, ihn hinein­zog in dski Wirbel, auch ihn Demütigungen aussetzte, ihn vielleicht verletzte und erniedrigte. Würde Hochkemper senior etwa halt- machen vor einem seltsam gewordenen alten Manne? In der Verfolgung seiner Pläne ließ sich Hochkemper senior niemals auf Windungen ein, er würde bedingungslos geradeaus gehen und alles niedertreten, was sich ihm entgegenstellte. Agelin hatte ihn immer gefürchtet, aber niemals ihn so grausam und deutlich erkannt wie heute. Dieser Mann wünschte sie nicht als Schwieger­

in Aussicht genommen. Ja, so war es, nur so konnte es sein. Agelin atmete tief auf und schloß das Fenster, um den Laut­sprecher nicht mehr zu hören und den Faltern den Zugang zu wehren. Dann trug sie dem Vater das Abendessen hinein. Dabei sagte sie dem Vater, der unwillig den Kopf hob, sie könnte selbst nichts essen, sie ginge noch für eine Weile nach draußen: die Lust sei so herrlich. Nach planlosen und gedankenlosen Hin- und Herwegen fand sie sich jählings vor der Baustelle wieder, die herrlich neu und weißbeglänzt im Nachtlicht dastand, auch' in der Dunkelheit beherrschend und schön, gebieterisch Achtung ver­langend und Wertung beanspruchend. Ihre bedrückte Seele wurde frei und leicht. Agelin strich mit den Fingern ihrer linken Hand scheu und liebkosend über den strahlenden Putz der Fassaden, ihr Ohr, nahe am Stein, horchte auf das Schicksal, das diesen Häusern beschieden sein würde, Schicksal, wie jedes Heim es hatte, ob aus dem Altertum oder aus der Neuzeit, ob gewesen oder kommend.

Als ein Mann aus einem Bau heraustrat, erschrak Agelin zuerst furchtbar. Sie dachte an Einbrecher oder Nachtgesindel. Unter dem Schein der Straßenbeleuchtung erkannte sie mit noch ! tieferem Schrecken Wolsgang Kühne, jAuch Sie hier, Fräulein Bruuns?" sagte er und schien j gar nicht erstaunt." Ich laufe ost nachts hier herum, später, nach meinen Schreibtischarbeiten. Dann packt es mich plötzlich, dann

>muß ich etwas Positives sehen-"

! Agelin atmete heftig und befreit. Zustimmend nickte sie mit dem Kopf.

Ja, so ist es wohl! Auch ich mußte jetzt etwas Positives sehen. Und darum bin ich hierher gekommen."

Das freut mich so", sagte Kühne,das freut mich so sehr, Fräulein Bruuns! Wollenlvir drüben in dem Gasthaus an der Brücke einen Traubensast trinken oder Most oder was Sie wollen? Wie schön, daß ich nicht allein bin, einmal nicht allein bin-"

*

Der nächste Tag brachte früh schon Blumen für Agelin. Sie versteckte sie verschämt vor dem Vater. Die Blumen kamen aus den Hochkemperschen Gewächshäusern und stammjen von Ludwig. Agelin scheute sich fast, sie zu berühren. Was tat' es, daß sie sich vorhielt, Ludwig habe ebensoviel Recht wie sein Vater, sie zu verschenken: er arbeitete in den Werken, er verdiente, er war A^er der SA-^ü HO-d daß sie aus HockAinper

senior'schen Besitz kamen." Am liebsten hätte Agelin die Blumen auf den Müll geworfen, aber dasür waren sie ihr zu schade uni» viel zu schön. Was konnten sie dafür, die armen, schönen Blu­men? Agelin behielt die Blumen und setzte sie in ihr Zimmer, wo sie alsbald so zu duften begannen, daß sich kein Mensch in ihrer Nähe aufhalten konnte. Da kachte^Agelin und öffnete weit das Fenster.

Die nächste Ueberraschung war Barbara Marie. Sie hatte verweinte Augen. Agelin stand der geliebten, lange entbehrten Freundin völlig fassungslos gegenüber.

Ludwig hat mir natürlich alles erzählt, Age I O Agelin, Agelin, du meine Schwägerin? Es wäre herrlich-"

Agelin hörte deutlich, baß Barbara-Mariewäre" sagte. Ls klang so aussichtslos.

Ludwig ist schrecklich aufgeregt abgefahren. Es hat eine scheußliche Auseinandersetzung mit Papa gegeben. Und bann ist Ludwig abgereist-"

Ach, er war gar nicht mehr da? Er war fort? Er kam also nicht? Nicht zu ihr, nicht zum Vater, wie er versprochen.

Es ist natürlich besser, Papas Zorn legt sich erst einmal, damit man wieder vernünftig mit ihm reden kann. Jetzt ist ja alles ausgeschlossen. Bei uns Hochkempers hat ja von jeher das

Geld die größte Rolle bei allen Entscheidungen gespielt-"

Barbara Marie sagte das wirklich mit traurigem Ton, aber Agelin hörte nun lieber dasbei uns" krankhaft deutlich heraus. Und sie fühlte sich zurückgesetzt und ausgestoßen.

Laß nur, Barbara", sagte sie und der Kosename für die Freundin fiel ihr unbewußt von den Lippen, wie in der jüngsten Mädckenzeit,ich hätte viel zu viel Furcht bei euch-"

Barbara Marie hörte sie gar nicht und sagte stolz: ^Natür­lich wird Ludwig um dich kämpfen- Um ein Mädchen, wie du eines bist, müßte man kämpfen, sagte er. Er liebt dich sehr! Er will und wird alles für dich tun."

Wohin ist er denn gefahren?" fragte Agelin dumps, viel­leicht nur, um etwas dagegen zu sagen

Aber Barbara Marie war mit einem Male sehr verlegen und sie stieß hervor:Davon soll ich nicht sprechen. Aber ich sage es dir natürlich, dir, meiner liebsten und besten Freundin. Er ist nach Dresden. Zu den anderen Hochkcmpers. Er soll Lydia heiraten, Lydia Hochkemper, unsere Kusine. Ich weiß, daß es nickt gut ist, eine Verwandte zu heiraten, ober was kann ick daoeaen tun?" «Fvrlse^-»g '»