Samstag den 22. März 1941
Der Enztäler
99. Jahrgang Nr. S9
Oie Woche
vom 15. bis 21. März 1941.
15. M ä r z:
Der Wehrmachtsbericht meldet Fortsetzung der Operationen der Luftwaffe gegen Großbritannien mit unverminderter Kraft. Glasgow und Sheffield wurden mit starken Kräften angegriffen.
Immer wieder schlägt die tapfere Besatzung von Eiarabub feindliche Angriffe zurück, wie der italienische Wehrmachtsbericht verzeichnet.
16 . März:
Ein starker Kampsfliegerverband griff in der Nacht London an. Weiter meldet der Wehrmachtsbericht die Bombardierung von Flugplätzen auf Malta.
In Ostafrika hat der Feind mit starken Kräften seinen Angriff gegen die gesamte Kampffront wieder ausgenommen, wurde jedoch überall zurückgeschlagen, wie der italienische Wehrmachtsbericht meldet.
Der Heldengedenktag wird in Berlin mit einer würdigen Feier im Zeughaus begangen. Der Führer kündigt in seiner Ansprache an, daß die deutsche Wehrmacht, personell und materiell aus das Ungeheuerste verstärkt, in einem weltweiten Raume bereitstehe, um das zu vollenden, was 1940 begonnen wurde. „England wird fallen!", so versicherte der Führer.
In einem Erlaß zum Heldengedenktag ordnet der Führer die Errichtung würdiger Kriegerfriedhöfe zur Beisetzung der Gefallenen dieses Krieges an.
17. M ä r z:
Verschiedene kriegswichtige Ziele in Südengland wurden von der Luftwaffe angegriffen. Die Hafensinrichtungen von Portsmouth erhielten schwere Treffer, wie der Wehrmachtsbericht meldet.
Ueber heftige Kämpfe in Ostafrika berichtet das italienische Oberkommando.
England gibt die Vernichtung von 26 englisch^. U- Booten seit Kriegsausbruch zu.
18 . März:
Rund 40 000 Tonnen versenkten Schiffsraums kann der Wehrmachtsbericht wieder melden. Die Hafen- und Dockanlagen von Newcastle wurden bombardiert.
Die englische Versicherungsgesellschaft Lloyds beziffert die Verluste an britischen und für England fahrenden neutralen Schiffen in den ersten 18 Kriegsmonaten auf rund 5 Millionen Tonnen. Das ist immerhin ein Teilgeständnis, das der Wahrheit etwas näher kommt. In Wirklichkeit sind nahezu 9 Millionen Tonnen verlorengegangen.
Bei der Eröffnung des umgestalteten Posener Theaters hält Dr. Goebbels eine Rede, in der er ein Bild der Kraft des deutschen Ostens gibt.
Der italienische Wehrmachtsbericht meldet neben heftigen Kämpfen in Ostafrika einen erfolgreichen Angriff deutscher Flieger auf feindliche Flottenformationen im östlrchen Mittelmeer.
Ein Einflugsversuch britischer Flugzeuge in Nordwestdeutschland wird von der Flak vereitelt.
1 9. M ä r z:
Einer der größten britischen Häfen, Hüll an der Humbermündung, war nach dem Wehrmachtsbericht in der letzten Nacht das Ziel der deutschen Luftwaffe, die mit starken Kräften mehrere Stunden lang angriff. Wieder 26 500 BNT versenkt.
Wie jetzt erst bekannt wird, haben die Engländer
und Alliierten bei der Katastrophe von Dünkirchen 112 Schiffe mit zusammen 450 000 BRT verloren.
Die Schlacht an der Keren-Front in Ostasrika dauert nach dem italienischen Wehrmachtsbericht an. Die Angriffe des Feindes wurden abgewiesen.
In einer Rede verbreitet sich der Preiskommissar, Gauleiter Wagner, über die Preisbildung und kündigt an, daß es Kriegsgewinne keine geben dürfe. Diese mühten zur Preissenkung verwendet werden.
Die Kohlenbewirtschaftung wird neu organisiert. Kohlenbergbau und Kohlenhandel werden zu einer „Reichsvereinigung Kohle" zusammengeschlossen.
Der Held von Narvik. General Dietl, erhält vom Führer den Narvik-Schild. Kapitänleutnant Prien wird zum Korvettenkapitän befördert.
„Sehr starke Kampsverbände der Luftwaffe führten in der letzten Nacht Angriffe mit durchschlagender Wirkung auf kriegswichtige Ziele in London durch." Hinter dieser kurzen Meldung des Oberkommandos der Wehrmacht verbirgt sich einer der größten und erfolgreichsten Luftangriffe aus die britische Hauptstadt, besonders auf die Hafenantagen Weiter wird die Versenkung von 66 000 BRT gemeldet.
Amerikanische Sachverständige beziffern die wöchentlichen Schiffsverluste Englands auf 200 000 BRT. Bereits die erste Waffensendung aus USA nach Annahme des Englandhilsegesetzes wurde versenkt.
Der italienische Wehrmachtsbericht meldet erfolgreiche Tätigkeit der Luftwaffe und Gegenangriffe der Italiener bei Keren.
2 1. M ä r z:
Der ungarische Außenminister Bardossy trifft in München ein, wo er Besprechungen mit dem Reichsaußenminister v. Ribbentrop hat.
Nach den schweren Angriffen auf Hüll und London kam jetzt der bedeutende britische Kriegshafen Plymouth an die Reihe, dessen Bombardierung mit starken Kampsfliegerkräften der Wehrmachtsbericht meldet. Außerdem wurden Flugplätze in Südengland angegriffen und Flugzeuge am Boden zerstört.
Der italienische Wehrmachtsbericht meldet die Bombardierung britischer Flottenstützpunkte in Nordafrika durch Flugzeuge, ferner die Abweisung von heftigen Angriffen auf Eiarabub und an der Keren-Front.
Wtlhelmmas Blütentraume
Rundfunkansprache der geflüchteten „Landesmukker".
DNB. Exkönigin Wilhelmma von Holland wandte sich wieder einmal in einer Rundfunkansprache an das Volk der Niederlande, wobei sie die merkwürdige Behauptung ausstellte, dag der geistige Sieg schon jetzt den Holländern gehöre, „denn den Tyrannen sei es "nicht möglich gewesen, unsere Freiheitsliebe zu unterdrücken". Nachdem die geflüchtete Exkönigin aus sicherer. Entfernung dem holländischen Volk Ratschläge hinsichtlich der Art und Weise gegeben hatte, die Zeit bis zu seiner Befreiung zu benutzen, gab sie der Hoffnung Ausdruck, daß der „Baum unserer Freiheit wieder Blüten treiben werde" und kam zu dem erstaunlichen Schluß: „Jetzt schon können wir die Morgendämmerung des Sieges unterscheiden".
Daß diese Ansprache der für sich und ihre Familie überaus vorsorglichen Landesmutter so blütenreich ausgefallen ist, dürfte mit dem Frühlingsanfang Zusammenhängen. Wilhelmina ist zu beneiden, daß sie beim Erwachen des Frühlings bereis die Morgendämmerung des Sieges zu sehen glaubt. Allerdings wird sie kein Mensch um den „geistigen Sieg" den typischen Sieg der Emigranten, beneiden. Denn die Tatsachen reden eine andere Sprache. Die Frühlingsstürme, die jetzt die Welt erzittern lassen, werden die zarten Frühlingsahnungen der Exkönigin zunichte machen.
Saboteure -er Wehrkraft
Bibelforscher mit dem Tode bestraft.
DNB. Dresden. 21. März Das Sondergericht Dresden verurteilte den am 1 9. 1907 in Horten geborenen Ludwig Eyranek. zuletzt wohnhaft gewesen ln Adscheid bei Blankenburg. wegen Zersetzung der Wehrkraft in Tateinheit mit Teilnahme an einer wehrfeindlichen Verbindung und Zuwiderhandlung gegen das Verbot der Internationalen Vereinigung ernster Bibelforscher zum Tode. Weiter würben wegen der gleichen Vergehen verurteilt: Ernst Boja- nowski aus Berlin zu zwölf Jahren Zuchthaus. Franz Massors aus Magdeburg zu sechs Jahren Zuchthaus, Wilhelm Karl Konstant!, aus Bossendori bei Haltern zu lieben Jahren Zuchthaus Anna Maria Voll aus Wien zu vier Jahren Zuchthaus und Margarethe Franke aus Mainz zu drei Jahren Zuchthaus.
Das Urteil sühn« die Verbrechen von Angeklagten, die als Angehörige der in Deutschland seit langem verbotenen Internationalen Vereinigung ernster Bibelsor'cher erst neuerdings versucht hatten, eine gewisse Neuorganisation der verbotenen Vereinigung aufzurichten. In verschiedenen deutschen Städten hatten sie ihre Tätigkeit ausgenommen und insbesondere Druckschriften hergestellt und verteilt Die verbotene Vereinigung verneint nicht nur den Wehrdienst, sondern hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Maßnahmen von Organisationen der Volksgemeinschaft, darunter auch desReichsluftschutzbundcs. zu sabotieren. Sie bringt damit Gut und Leben-deutscher Volksgenossen in größte Gefahr. Daß darum der Haupi- rädelsführer Eyranek mit dem Tode bestraft wurde, entspricht voll und ganz dem Empfinden des Volkes, das vor solchem frevelhaften Treiben geschützt werden muß.
Autobus gegen Lastwagen. — Zelzn Tote.
Istanbul, 21 März. Auf der Landstraße Istanbul- Adrianopel hat sich in der Nacht bei Kütschük-Dchekmetsche ein schwerer Verkehrsunfall ereignet In der Dunkelheit stieß ein in voller Fahrt befindlicher Autobus mit einem lchwer- beladenen Lastwagen zusammen wobei von den 3l Insassen des Autobus neun aus der Stelle getötet und 10 teilweise lehr schwer verletzt wurden Ein Schwerverletzter ist inzwischen im Krankenhaus gestorben Der Autobus wu"de bei dem Zusammenstoß förmlich in Stücke gerissen.
Zeitung für die deutschen Truppen in Afrika.
Die für die deutschen Truppen in Tripolis herausgegebene Wochenzeitung „Oasi" nahm am 15 März ihr Erscheinen auf. Die mit Bildern des Führers und des Duce geschmückte Zeitung enthält einen Aufruf des Befehlshabers des deutschen Korps in Afrika an die deutschen Wehrmachtsangehörigen sowie Abhandlungen über die politische Lage im allgemeinen und die Lage im Mittelmeer im besonderen
Zwei Verdunkelungsverbrecher hmgerichtet.
DNB Berlin. 21. März. Die Justizpressestelle Berlin teilt mit: Heute früh sind der am 7 Dezember 1914 m Berlin- Neukölln geborene Heinz Hille und der am 20 April 1911 in Rixdorf geborene Kurt Skornia hingerichtet worden, die das Sondergericht Berlin als Volksfchädlinge zum Tode ver- urteilt hatte Hille und Skornia hatten gemeinschaftlich einen Straßenpassanten unter Ausnutzung der Verdunkelung überfallen und unter Mißhandlungen zu erpressen versucht
Koch ein Verdunkelungsverbrecher hmgerichtet.
DNB. Berlin, 21. März. Am Freitag ist der am 30 Mai 1895 in Pilsen geborene Wenzel Kraus Hingerichte worden, den das Sondergericht bei dem deutschen Landgericht in Prag als Volksschädling zum Tode verurteilt hatte. Kraus, der bereits über 40mal vorbestraft ist, hat unter Ausnutzung der Verdunkelung einen Einbruchsdiebstahl begangen.
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«22. Fortsetzung.!
Eines aber wird ihr jetzt schon bewußt, da sie nach des Mannes Fortgang still in sich Hineinhorcht: Schlummernde Quellen haben sich in ihr aufgeschlossen, und neben dem neuen Gefühl unendlich schwerer Süße sind Kräfte in ihr wachgernfen worden, die sie vordem im abbegrenzten Gleichmaß ihrer Tage nie gespürt hatte.
Babette, die pünktlich um sieben Uhr und dreißig Minuten mit dem Frühstückstablett bei ihrem Fräulein erscheint, findet, daß dieses doch eigentlich sehr hübsch ist. Ihr ist das sonderbarerweise bisher noch niemals so recht ausgefallen. Und nun drängt sich der alten Dienerin mit einem Male die Betrachtung auf, daß hier ein junges Mädchen, ein äußerst reizvolles junges Mädchen die strengen weißen Perlmutterknöpfe des allzu schlichten dunkelblauen Kleides schließt.
, So wirkt auf die Babett der seelische Wandel, der von rnnen heraus Sylvias Züge umgestaltet, ihre Miene verklärt hat. Ein sanftes Leuchten macht ihre Augen hell nnd zärtlich, die Lider sind samten weich, als liege der Tan der Liebe auf ihnen . ..
Das Telephon schlägt an.
Ganz deutlich tritt in diesem Augenblick das. bisher verhaltene Lächeln in Sylvias bewegtes Gesicht.
»Ich gehe selbst," ruft sie Babette zu, der dieser frühe Anruf nicht in die gewohnte Tagesordnung passen will.
Sylvia nähert sich langsam dem kleinen schwarzen Apparat auf ihrem Schreibtisch. Bewußt langsam. Sie läßt ihn noch einmal, und wieder läuten. Kostet das aus... noch eine letzte Sekunde, da sie schon die Hand um den Hörer gelegt hat.
Endlich hebt sie ab. Ganz tief liegt jetzt das Lächeln um ibre Lippen
„Hallo ..."
„Guten Morgen, Sylvt!"
Turnei üu
^Ja! Habe ich dich erschreckt?"
„Nein ... das nicht... nur ... aber ... was gibt es denn?"
„Nichts. Will nur wissen, wie es dir geht."
„Gut... sehr gut: aber sag, rufst du deshalb so zeitig an^"
„Ach, Sylvi ... nun lache mich meinethalben aus ... ich war nämlich in Sorge um dich."
„Aber Kornel! Weswegen denn?"
„Schwer zu erklären, diese Angst, die mich Plötzlich überkam, irgend etwas könnte dir zugestoßen sein. Gestern abend war es .. . völlig vernunftwidrig, wie ich ja nun einsehe. Aber gestern, in der schweren Befangenheit des Augenblicks konnte ich natürlich nicht zu diesem klaren Urteil gelangen."
„Ich begreife dich immer weniger, Kornel. Solch ein ... Unsinn paßt doch gar nicht zu dir, zu deiner Art."
„Möglich. Jedenfalls habe ich natürlich schon gestern abend gleich bei dir angerufen, sofort, als dieses seltsame Gefühl von mir Besitz ergriff. Ich habe wiederholt versucht, eine Verbindung mit deiner Nummer zu bekommen — immer vergeblich. Ich kann nicht behaupten, daß dieser Umstand sonderlich angetan war, mich zu beruhigen und wollte nun ..."
Sylvia erinnert sich, wie sie gestern den Steckkontakt des Fernsprechers gelöst hatte. Während sie Rust erwartete. Unter einem Zwang hat sie das getan: ohne groß darüber nachzudenken. Vielleicht ist es eine reine Reflexhandlung gewesen, weil am Nachmittag so viele Telephonate ihre Unterhaltung mit Rust in der Mauerstraße gestört hatten. Ganz bewußt aber vollzog sich ihr Tun, als sie heirte früh den Kontakt wieder schloß. Um erreichbar zu sein für einen Anruf. Einen heimlich erwarteten Anruf...
Und nun ist es Kornel, der sich überzeugen will, daß ihr nichts zugestoßen ist. Kornel, der ihr plötzlich so ferngerückt ist, daß sie ihn beinahe vergessen konnte ...
.. Sylvi, hörst du noch?"
„Aber natürlich, Kornel. Und bitte, beschwere dich doch meinetwegen nicht mit Gedanken, die . . . überflüssig sind. Wo bleibt denn dabei die Logik? Bedenke gefälligst, was mir schon groß geschehen könnte."
Da er ihr nicht erwidern kann, daß die vielgepriesene Logik nichts zu melden hat, wenn ein Herz um seinen geliebtesten Menschen zittert — sei es aus einem sechsten Sinn heraus oder aus irgendeinem irregeleiteten Gefühl — schweigt er. Sie spricht weiter:
„Du bist nervös. Ueberarbeitet. Wann machst du endlich Ferien?"
„Mit dir zugleich, Sylvi."
„Nein, auf mich darfst du dieses Jahr nicht warten. Keinesfalls."
„Warum denn nicht?"
„Ach, es liegt zu viel vor im Büro, unübersehbare Arbeit... Da ist's zur Zeit ganz unbestimmt, wann tch mich werde freimachen können."
„Na, einmal wirst du ja schließlich auch abkömmlich sein und die Globus wird wohl auch vier Sommerwochen ohne dich bestehen können!"
„Sicherlich. Aber zuerst muß die Produktion festgelegt sein."
„Gut, dann warten wir eben so lange."
„Aber du sollst nicht warten, Kornel. Du darfst deine Erholung nicht aufschieben. Wie kämst du auch dazu. Du bist ja nicht abhängig von der Globus."
„Indirekt eben doch ... Uebrigens, wenn ich nicht irre, steigt ja heute die große Besprechung über die dir so sehr am Herzen liegende „Venezianische Ballade," nicht wahr?"
„Ja, diese Sache entscheidet sich heute."
„Bist du deswegen etwa bedrückt, Sylvia?" -
„Wo denkst du hin, Kornel!"
„Du scheinst mir augenblicklich etwas verstimmt."
„Nicht doch, im Gegenteil ... ich bin sogar besonders gut aufgelegt und ziemlich sicher, daß das Stück durchgehen wird."
Aber sie erzählt nichts von dessen Autor, der sie gestern aufgesucht hat. Zuerst im Büro, dann in der Wohnung, wo man in stundenlanger Aussprache künstlerisch und menschlich so beglückend sich zueinander gefunden hat.
Zum ersten Male verschweigt sie dem Freund ein Ereignis in ihrem Leben. Ein wichtiges Ereignis. Das. wichtigste
«Fortsetzung folgt.7