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Finanzministerium ein Preisausschreiben unter den in Württemberg ansässtgen oder geborenen Architekten zur Erlangung von Entwürfen für die zu erbauenden K. Hoftheater in Stuttgart. Einladung zur Beteiligung ist auch an eine beschränkte Anzahl im Theaterbauwesen erfahrener, deutscher Architekten ergangen. Ein Preisgericht von sieben technischen und fünf nichttechnischen Mitgliedern entscheidet nach Mehrheitkurteil über die Entwürfe, die bis 1. Oktober 1908, abends sieben Uhr, beim Sekretariat der K. Domänendirektion in Stuttgart unter den üblichen Bedingungen eingeliefert werden müssen. Vorgesehen ist ein erster Preis mit 10000 ein zweiter mit 7000 und ein dritter Preis mit 3000
Stuttgart 25. März. Soeben ist das neue Verzeichnis der Teilnehmer an den Fernsprechanstalten in Württemberg für das Jahr 1908 hsrausgegebsn worden. Dis Neuauflage stimmt im drucktechnischen Arran« gement mit ihrer Vorgängerin vom Jahre 1907 ungefähr überein, zeigt aber auf den ersten Blick eine erhebliche Zunahme der Fernsprechteilnehmer. Um die Zahl der Mehrabonnenten im Ueberscklag festzustellen, mag man im Durchschnitt für jede der 68 neuen Druckseiten 40 weitere Teilnehmer annehmen; so kommt man auf rund 2700 Telefon« besitzen, die sich im Lause eine» Jahres in Württem- berg für ein Billiges den ungehinderten Zugang kür diese moderne Einrichtung gesichert haben. Ob die schwebende Neuerung im Telefongebühren- rarif nach norddeutschem Muster diese jährliche Steigerung weiterhin verbürgt, mag mit Recht bezweifelt werden.
Stuttgart 25. März. Amtlich wird mitgeteilt: Am 24. ds. 12'/- Uhr nachm, ist in Herbrechtingen der Triebwagenzug 990 auf den Güterzug 6454 aufgefahren, wodurch die beiden letzten Wagen ves Güterzugs entgleisten. Zwei Reisende wurden leicht v erletzt. Ursache: Nichtbeachtung der Haltstellung des Einfahrfignals.
Schönaich OA. Böblingen 25. März. An der Böblingerstraße wurde heute früh der58jähr. Handwerkrbursche Johannes Kocher aus Ditzingen tot im Straßengraben aufgefunden. Nachdem er tags zuvor im Ort kein Nachtquartier bekommen hatte, wollte er noch in später Nacht und angetrunken anderwärt« ein Unterkommen tuchen.
Schorndorf 23. Mürz. Bankier C. Hahn hielt im Handelsverein einen Vortra-g über dar neue Scheckgesetz. In der sich anschließenden Besprechung wurde besonders bedauert, daß die Umlaufrzeit auf nur zehn Tage festgesetzt sei, wodurch er als Zahlungsmittel nicht voll ausgenützt werden könne. Der Vortragende erhofft von dem neuen Gesetz eine bedeutende Belebung des geschäftlichen Verkehrs.
Reutlingen 25. März. Die gegenwärtig günstige Witterung kommt den Feldarbeiten sehr zu statten. In den Weinbergen ist man mit dem sogenannten Auslassen von Reben beschäftigt; sie zeigen ein gutes Aussehen und find gesund.
Lichtenstein 25. März. In Unterhausen wütete vergangene Nacht ein mächtiges Feuer, dem 2 Wohnhäuser und 3 Scheuern zum Opfer fielen. Verbrannt find landwirtschaftliche Vorräte und Vorräte einer Papierfabrik. Man vermutet Selbstentzündung in einer Lumpenkammer.
Nürtingen 20. März. Ergebnis der gestrigen Vieh- und Schweinemarkts. Pferde zugesührt 4. Farren zugeführt 85, verkauft 39 zu 172—725 ^i. Mastochsen zugeführt 12, verkauft 8 zu 468—701 Zugochsen zugeführt 68, verkauft 37 zu 411—491 Stiere zu- gcführt109, verkauft 75 zu 261—405 Kühe und Kalbeln zugeführt 210, verkauft 104 zu 263—520 Jungvieh zugeführt 145, verkauft 93 zu 75—268 Läuferschweine zugeführt 95, verkauft 80 zu 28—56 Milchschweine zugeführt 204, verkauft 204 zu 15—25 Geschäftsgang: Zu Markt wurden gebracht 4 Pferde, 629 Stück Rindvieh und 299 Schweine. Die Zufuhr war eine außerordentlich gute, namentlich auch in schönen Zuchtfarren, in welchen ein ganz bedeutender Umsatz erzielt wurde. Auch im Handel mit anderen Viehgattungen war ebenfalls ein flotter Zug wahrzunehmen. Am stärksten war die Nachfrage in Zug- und Anstellvieh. Auf dem Schweinemarkt war der Handel sehr lebhaft und mit wenigen Ausnahmen ist hier auch alle» verkauft worden.
Tuttlingen 25. März. Gestern nach, mittag kurz nach 3 Uhr ist infolge Wegwerfen» einer Zigarette am Honberg (Hinterer Teil) ein Brand ausgebrochen, welcher die einen Morgen große 4—5jährige Kultur der Instrumentenmachers Hermann Martin schwer beschädigte ; es sollen ca. 2000 Tännchen in Betracht kommen. Der Täter, ein 16jähriger Bursche, welcher sich bei den Löscharbeiten selbst beteiligte, ist ermittelt.
Köln 25. März. Die Ankunft de» Prinzen von Wales nebst Gemahlin erfolgte abends gegen 11 Uhr. Am Hauptbahnhof fand ein kleiner Empfang statt, indem vom Kürrassierregiment Graf Geßler (Rhein. Nr. 8) nur der Kommandeur Oberst v. Hugo, sein Adjutant Oberleutnant Herbst und der als Ordonnanzofizier kommandierte Leutnant Süß sich bei dem Regimentschef meldeten. Als Ehrenwache zog die 1. Kompagnie des 5. Rhein. Infanterieregiments Nr. 68 unter Hauptmann König mit der Fahne des 1. Bataillons mit Musik und Spielleuten auf dem Bahnsteig vor dem Fürstsnzimmer auf. Die Ehreneskorte durch eine Eskadron fiel
fort. Dagegen stellt das Kürasfierregiment einen Doppelposten vor dem Portal des „Hotel du Nord" und einen Unteroffizier als Ordonnanz vor den Gemächern des Prinzen. Die Parade der Deutzer Kürassiere auf der Müllheimer Heide ist für morgen vormittag 11 Uhr befohlen. Nachmittags 1 Uhr wird da» Prinzenpaar im Kreise des Osfizierkorp» im Kasino in Deutz ein Frühstück und ebendaselbst den Tee einnehmen. Die Rückfahrt erfolgt wie nunmehr feststeht, am Freitag abend über Darmstadt, um den dortigen Verwandten einen Besuch abzustatten.
Braunschweig 25. März. Zum Unglück in der Grube „Glückauf" bei Völpke melden die „Braunschweiger Neuesten Nachrichten" noch, daß die Pumpmaschinen zum Aurpumpen der Wassers mit ersoffen find. Die Auspumpung des Schachtes wird mit den zur Verfügung stehenden Hilfsmaschinen vorgenommen, doch ist an eine Bergung der 8 Toten vorläufig nicht zu denken. Höhere Bergbeamte aus Halle und Magdeburg find an der Unfallstelle anwesend. Heute wurde festgestellt, daß das Wasser seit gestern nachmittag noch gestiegen ist.
Berlin. Der Journalistenstreik im Reichstag ist nunmehr beendet worden, und zwar in einer für die Reichstag; journalisten durchaus genügenden Form. Der Abgeordnete Gröber hat sich entschließen müssen, am Schluß der gestrigen Plenarsitzung des Reichstags folgende Erklärung adzugeben:
„In der Sitzung des Reichstags vom 19. März hat der Abg. Erzberger in einer Rede über die Kolonialpolitik gesagt: „Der Eingeborene ist auch ein Mensch, ausgestattet mit einer unsterblichen Seele und zu derselben ewigen Bestimmung berufen wie wir." Nach Anhörung dieser Worte, wie ich ausdrücklich hervorhebeu will, verzeichnet der unkorrigierte amtliche stenographische Bericht: „Unruhe und Zurufe von der Jonrnalistentribüne; lebhafte Entrüstung aus der Mitte; Glocke des Präsidenten." An den lebhaften Entrüstungsrufen aus der Mitte war auch ich beteiligt. Das Gelächter von der Jour- nalistenrribüne war so auffallend, daß ich mit anderen Kollegen den Eindruck gewonnen habe, es handle sich um eine Verhöhnung des Inhalts der Ausführungen des Redners. Ich möchte hinzufügen, daß ich wenige Tage vorher, nämlich in der Abendsitzung vom 16. März, durch einen Zuruf von der Journalistentribüne gestört worden bin, einen Zuruf, der dann vom Präsidenten gerügt worden ist. Der stenographische Bericht über die Sitzung vom 19. März bestätigt, daß solche Störungen von der Journalistentribüne auch sonst wiederholt erfolgt sind. (Sehr richtig im Zentrum). Wenn ich in Erinnerung an diese Vorgänge der letzten Zeit und angesichts des Ernstes der von dem Redner behandelten Frage meiner Entrüstung über das Gelächter einen unparlamentarischen Ausdruck gegeben
suchte und suchte. Der Mond warf einen schmeichelnden Schimmer über die blauen Wände, die armen geächteten und gefürchteten, ich zermarterte «ein Gedächtnis.
Das war meine erste Nacht in der blauen Stube. —
Lore Freyeisen hörte hier zu schreiben auf. Mit kurzem Abschieds, »ort gab sie den Brief auf die Post.
2. Kapitel.
Geheimnisse eines Photographenateliers.
„Mein liebes Fräulein," sagte Herr Beiert am nächsten Morgen etwas verlegen zu seiner neuen Empfangsdame, „ein oltes Wort lehrt uns: Ueberall ist etwas. Das soll heißen: Ueberall ist ein wunder Punkt, jeder Mensch hat seine Achillesferse und jedes Haus sein Privat-Skandälchen. Alle» das wird zu uns hierhergetragen — Sie verstehen mich."
Er legte den Finger auf den Mund, und Lore Freyeisen lächelte. Da« konnte ja recht amüsant werden, und sie war jung und amüsierte sich gern.
„Ich gehe nun hinauf. Lassen Sie mal sehen" — er blätterte in seinem Noti,buche. „Um zehn Uhr da« Brautpaar Altendorf. Renommier, bild ersten Ranges, Reklame für die beiderseitigen Schneider — eine Stunde zu rechnen, etwa sechrzehn Aufnahmen. Um elf das Baby des Schauspieler- Hermann. Um Halbzwölf" —
„Mein Gott", unterbrach Lore ihn entsetzt, „was kommt da! Will der sich auch photographieren lassen?"
Herr Beiert warf einen schnellen Blick durch die Glastür.
„I beileibe. Da» ist der alte Professor Weisenstein, unser berühmter Weiberfeind ... der kommt alle Woche hierher, um sich die neuesten Aufnahmen von jungen Damen z^ig-n zu lassen. Den müssen Sie nur richtig behandeln, er treibt es seit zehn Jahren so — ein altes Jnventarstück unseres Hauser. Adieu, adieu, machen Sie Ihre Sache gutl"
Er verschwand schnell durch eine Nebentür und überließ Lore ihrem
Schicksal. Sie war es ganz zufrieden so und fühlte sich viel sicherer, da sie sich unbeachtet wußte.
Der Professor rieb sich umständlich die Stiefel an der Bürste draußen ab, ehe er eintrat. Sein gewaltiger Kopf mit dem grauen Haarbüschel schaute grimmig drein.
„Morgen!"
Lore tat, als bemerke sie ihn nicht, und ein Aechzen des Sofa» verriet ihr, daß er seinen gewohnten Platz eingenommen.
Eine Weile blieb alle» still. Lore nur glitt lautlos von Tisch zu Tisch und ordnete die Dutzende von Rahmen und Rähmchen. Auf der Straße zog mit klingendem Spiel ein Regiment vorüber.
„Warum rennen Sie nicht ans Fenster, wie alle Frauenzimmer?" klang es knurrend von der Sofaecke her.
Sie wandte sich um.
„Sie haben recht, Herr Professor; ich wollte keine Ausnahme von der Regel machen — es kam nur zufällig so."
Damit blickte sie scheinbar mit größtem Interesse auf die Straße hinab, mit Spannung das Weitere erwartend.
„Echt. — Alle gleich — hm — he Fräulein — wenn Sie da die Parade abgenommen haben — und gütigst Zeit für einen alten Mann hätten, der nie einen bunten Rock am Leibe gehabt hat — Gott sei Dank — hm —"
„Womit kann ich dienen?" fragte Lore sanft und trat dicht vor ihn hin.
Er stieß ungeduldig mit dem Regenschirm auf den Boden.
Eie kommen wohl direkt aus dem Froschteich? Sie kennen mich wohl nicht, was? Mich kennt hier jedes Kind! Seit zehn Jahren erscheine ich wöchentlich an demselben Tage und zu derselben Stunde. — Wenn ich ein Leutnant wäre, würden Sie mich kennen! Ich ruhe hier aus vom Spazierengehen und besehe mir die neuesten Bilder — seit zehn Jahren, mein Fräulein, I seit zehn Jahren!" (Fortsetzung folgt.)