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Amts- und Änprgeblalt für den Gürramisbezirk Lalw. 83. Iihrgm,.

ikrscheinungrtage: Montag, Dienlta Donnerstag, Freitag und SamStag. ,

Iv Bsg. pro Leile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg

a, Mittwoch, JnsertionSpretS

Donnerstag, den 26. Mar? 1908.

BezugSpr. i. d. Stadt '/«führ!, m. Trägerl. Mk. 1.25. Postbezuglpr. f. d.OrtS- u. NachbarortSverk. V.iährl. Mk. I.2O, iw Fernverkehr Mk. I.M. Bestellg. in Württ. M Pfg., in Bayern u. Reich 4L Bf,.

Amtliche Bekanrrtmachrrnge«.

An die K. Ortsschnlinspektorate und die Schnltheitzeuämter.

Zufolge Erlasses des K. Ev. Konsistoriums vom 6. ds. Mts. find den Schulrheißenämtern je 2 Exemplare einer Ueberficht über den örtlichen Anfwand ans die Volksschulen nach dem Stand am 3l. März 1908 zugegangen und es werden die Ortsschnlinspektorate und Schultheißenämter angewiesen, diese Ueberficht in doppelter Ausfertigung unter genauer Beachtung der auf dem Formular mthalienen Vorbemerkungen auszufüllen und ein Exemplar derselben bis spätestens 18. Juni 1908 an das Oberamt einzusenden.

. Calw, 23. März 1908.

^ n K. gem. Oberamt in Schulsachen:

" Voelter. Schund.

An die Gemeindebehörden.

Laut Erlasses des K. Ev. Konsistoriums vom 13. März 1908, Nc. 8114, find für die Arbeits­schule« der nachstehend genannten Gemeinden pro 1907, die beigcsetzten Staatsbeiträge verwilligt worden und zwar für Agenbach 20 Altbulach 15 Altburg 18 Deckenpfronn 20 Denn­jächt 10L, Hirsau 24 Holzbronn 20A, Monakam 20 Möttlingen 22 Neubulach 15 Oberhaugstett 10 Oberkollbach 17 Oberreichenbach 12 ^L, Ottenbronn 10 Simmoz- hetm 30 Teinach 40 Unterhaugftett 20 Unterreichenbach 12 Zavelstein 20 Calw, 24. März 1908.

K. gem. Oberamt in Schulsachen:

Voelter. Schund.

An die Ortsschnlbehördeu.

Zum Vollzug des § 3 der Minist.-Verfügung vom 15. Febr. 1908 Reg.-Bl. S. 23 betr.

die Aufsicht über die ökonomische« Verhältnisse der Lehrstelle« a« Volksschulen werden die Orts­schulbehörden veranlaßt, eine Erklärung der bürger­

lichen Gemeinden oder der besonderen Schul­gemeinde darüber herbeizuführen, ob sie damit einverstanden find, daß die jeweils gültigen Vor­schriften über die Benützung und Unterhaltung der Wohnungen in Staatsgebäuden und über die Ver­bindlichkeiten der Inhaber von Staatsgütern auch ans die mit den Volksschulstellen verbundenen Woh­nungen und Güter Anwendung finden sollen. So­weit die Gemeindebehörden sich hiemit nicht einver­standen erklären, haben sie besondere Bestimmungen über die Unterhaltung und Benützung der mit der Schulstelle verbundenen Wohnungen und Güter anfzustellen und solche der Unterzeichneten Stelle zur Genehmigung vorzulegcn.

Die derzeit gültigen Vorschriften über die Unterhaltung der Wohnungen in Staatsgebäuden ec. find im Regierungsblatt v. 1906, S. 43 enthalten.

Calw, 23. März 1908.

K. gem. Oberamt in Schulsachen.

Voelter. Schmid.

Tagesnenigkeiteu.

Neuenbürg 24. März. Kommerzien. rat Ferd. Schmidt ' . Die Trauerkunds von dem am Sonntag abend in Stuttgart erfolgten Ab­leben einer unserer besten Männer, des in weiten Kreisen beliebten und hochgeachteten Kommerzien. rats Ferd. Schmidt rief hier und in der Um- gebung lebhafte Teilnahme hervor. Mit ihm ist ein Mann aus dem Leben geschieden, der im Geschäftrleben sowohl als auch auf den verschiedensten Gebieten des öffentlichen Lebens hervorragend tätig war und an dem die Stadtgemeinde Neuen- bürg, ganz besonders die Firma Haueisen u. Sohn und deren Angestellte und Arbeiter viel verloren haben. Nach seinem Abgang vom Polytechnikum widmete sich Schmidt seiner praktischen Ausbildung im In- und Ausland mit der ihm eigenen Ge- wiffenhaftigkeit und Umsicht; 1865 trat er bei seiner Verheiratung als Teilhaber in die Firma

Haueisen u. Sohn ein. An der Spitze de» großen und verzweigten Unternehmens der hiesigen Sensen­fabriken war er lange Jahre unermüdlich tätig und hat an dessen Entwicklung hervorragenden Anteil. Bei der Hundertjahrfeier der Sensen­fabriken im Jahr 1903, bei welchem Anlaß er sich von der Geschäftslettung zurückzog, trat seine markante Persönlichkeit mit dem hochherzigen, edlen und schlichten Charakter besonder» hervor. Die Grundsätze seiner gestrengen Ehrenhaftigkeit und Rechtlichkeit, gepaart mit Milde und wahrer Herzensgüte, haben ihn bei seinen Angestellten und Arbeitern und allen, die mit ihm in Berührung kamen, außerordentlich beliebt gemacht. Seine hervorragenden Eigenschaften stellte er auch in den Dienst des öffentlichen Leben. Der Handels­kammer Calw gehörte er 30 Jahre ununterbrochen als Mitglied an und lange Zeit war er Mit­glied des Gesamtkollegiums der Zentralstelle für Gewerbe und Handel. Ferner bekleidete er viele Ehrenstellen; so wurde er berufen in den Vor­stand der Sektion IH. der Eisen- und Stahlberufs- genoffenschaft und in den Vorstand der Genossen­schaft selbst, in den Ausschuß der Versicherungsanstalt Württemberg, der Württ. Prioatfeuerverstcheruug und der Lebensversicherung«- und Ersparnirbank u. a. Anläßlich der Hundertjahrfeier der Sensen- fabrik wurden von dem Entschlafenen und seiner Familie erhebliche Summen der Bruderbüchse der Sensensabrikarbeiter zugewendet. Ein lebhafte» Interesse hatte der Verstorbene jederzeit für die Deutsche Partei, ohne jedoch jemals eine Kandi­datur, die für ihn aussichtsreich gewesen wäre, annehmen zu wollen. Die Stadtgemeinde Neuen- bürg hat die Verdienste des Verstorbenen bet der Hundertjahrfeier durch Verleihung des Ehren- bürgerrechts geehrt.

Stuttgart 25. März. Im Anzeigenteil des Staatsanzeigers erläßt da» K. Württembergische

Lore Freyersen.

Roman von Margarete von Oertzen.

(Fortsetzung.)

Wir durchquerten mehrere Gäßchen und kamen in einem kleinen alten Hause an, das inmitten eines Gartens lag. Der Garten uneben und etwas sumpfig, war von der Art, wie man sie meist in den älteren Vierteln großer Provinzstädte findet. Zum Glück für diese stillen Heime ist die Gegend noch nicht Mode geworden, die Villenseuche hat sie noch nicht erreicht.

Natürlich fehlte nicht die kleine Holzveranda» umsponnen und über- wuchert von allerlei kletterndem Pflanzenzeug. Ich dachte: Hier läßt es sich gut Strümpfe stricken.

Frau Michael Kornhar mußten wir in der Küche aufsuchen, nachdem ihr Mann bedächtig, ohne zu läuten, mit dem sogenanntenDrücker" die Haustür geöffnet.

Frau Kornhas ist eine starke, große Frau von beängstigendem Um­fang, ebenso bieder, ebenso ruhig und sicher wie ihr Mann.

Von solchen Leuten sagt man, daß sie eine geordnete Existenz haben . . . der Schleier einer sanften, grauen, schonenden Langeweile liegt darüber, wie der Fliegentüll über der Goldbronze-Uhr.

Nein, ich möchte noch keine solche geordnete Existenz, Liesel. Ich muß mich noch herumschlagen, Not leiden, plötzliche Freuden und jähe Neberraschungen auskosten, bis der Fliegsntüll kommt."

Zeige mal dem Fräulein die blaue Stube," sagte Herr Kornhas in sanftem Tone, und sofort bemerkte ich ein wunderhübsche» Lächeln auf den Zügen der dicken Dame, ein Lächeln, dar alle ihre sonstigen Schönheits- fehler vergessen ließ.

Sie find das neue Fräulein, dar ist ja nett", sprach sie in singendem» rheinischem Dialekt,kommen Sie nur mit."

Du wirst begreifen, daß ich einigermaßen gespannt war.

Ganz oben unter dem Dache herrliche Ausficht auf die Stadt und das Gebirge in die Fenster hinein nickt die Krone eine« blühenden Akazienbaume«.

Solche blaue Tapeten, solche blaue Rouleaus macht man heute nicht mehr. Es ist ein Farbenton zum Verrücktwerden, bei Tageslicht» in der Dämmerung und Lampenschein gleich wunderbar, unheimlich und phan­tastisch. In dieser Stube könnte das Unmögliche wahr werden; Kriminal­romane könnten hier spielen sie übt eine merkwürdige, suggestive Wirkung auf alle aus, die sie betreten, ohne daß es jemand gelungen wäre, sich da« Rätsel zu erklären. Ein blauer Reflex fällt auf die weißen Blütenbüschel der Akazien, und langsam, langsam kriecht er mir blau durch die Adern, durch da» Gehirn.

Lache nur nicht, Liesel, und denke nur nicht, daß ich gewisse literarische Impressionisten kopieren will.

Frau Kornhas beobachtete mich aufmerksam und etwas ängstlich, ich erklärte jedoch, den Kampf mit der blauen Gefahr aufnehmen zu wollen. Und wäre die Nuance noch viel infamer gewesen, durch eine Farbe läßt man sich doch nicht aus dem Felde schlagen.'

Mein Koffer ist da. Ich drapiere, war zu drapieren ist, an den verdächtig leuchtenden Wänden. Mit Handtüchern, Hals und Taschentüchern aus Böhmen, Ungarn und Persien, aber . . .

In der ersten Nacht hütete ich mich wohl, die Rouleaus niederzulaffen. Der Mond zog über meine Akazie hin, ihr starker, süßer Duft erinnerte mich an die Kinderzeit und Großonkels Garten und ich weiß nicht warum plötzlich dachte ich an den Frey eisen, dessen Bild sie vernichtet hatten . . . irgend wie hatte der Akazienduft mich darauf gebracht. Ich