Montag de« 28. Dezember 1940
Der Enztäler
SS. 3ahrga«g Rr. 301
cs
Im Hafen von Äarvik
Pie heldenhafte Zerstürerbefatzuug. — Vor der ersten Polarnacht im hohen Vörden.
Von Kriegsberichter Karl Schwarz.
DNB... (Pk-f In einer der Kanalbrücken im Hasen von Narvik klafft eine gewaltige Lücke. Ein englischer Torpedo riß die halbe Anlage mit sich fort. Längst aber ermöglicht eine von den Üeutjchen Truppen gebaute Notbrücke wieder das ordnungsmäßige An» und Ablegen der vielen kleinen und großen Schiffe, die den Hasen mit ständigem Leben erfüllen.
Es ist halb drei Uhr nachmittags. Die Sonne hat nicht mehr die Kraft, über den Rand der Berge hinauszusteigen; sie sank, ehe sie sich den Blicken überhaupt ganz gezeigt hatte. Abendliche Dämmerung hüllt Hafen. Stadt und Berge ein, verdunkelt und verwischt die Spuren des heftigen Kampfes, der hier vor fünf Monaten getobt hat In beredtem Schweigen ragen die Mastspitzen und Schornsteine versenkter Frachter und Transporter aus dem reglosen, blei- grauen Wasser. Sie sind ebenso ein Symbol für das heutige Narvik wie die zerschmetterten Erzkais Ein kleines seefestes Boot hat sich vor mir in die klaffende Lücke der hölzernen Kaibrücke geschaukelt, wird vertäut- Ein Taucher steigt langlam über Bord, verschwindet. Da höre ich dicht neben mir unverkennbare Hamburger Laute- Zwei Kameraden von der Kriegsmarine. „I a. h i e r w a r e s," sagt der eine. Und dann erzählt er seinem Kameraden, der wohl erst seit kurzem hier ist, vom Kampf der Zerstörer in der Bucht non Normt.
Ja. hier war es: Ich folge mit den Augen dem ausgestreckten Zeigefinger, der direkt zu unseren Füßen in das klare, grüngraue Wasser weist. Da liegt der aufgerissene Leib eines Kriegsschiffes, dem bloßen Auge deutlich sichtbar, vom Oberflächenspiel der Wellen hin- und Hergeichoben, als handle es sich um ein schwereloses Stück Kork Es ist ein deutscher Zerstörer. Zusammen mit den Schwester- schisfen erzwang er in der Flottille Bonte am 9. und 10. April gegen schwerste englische Streitkräfte die Einfahrt nach Narvik und führte ebenso wie die anderen den gegebenen Befehl bis zum letzten Opfer aus Die Truppen wurden gelandet Mehrmals schwer in der Wasserlinie getroffen, gelang es dem todwunden Zerstörer noch an der Pier festzumachen. Fieberhaft wurde gepumpt. Und solange hielt sich das Schiff noch, wie die Mannschaft brauchte, um die Funkanlage. die Geschähe und die wertvollen nautischen Geräte zu bergen und sich selbst mit den Truppen des Genera Dietl zur Verteidigung Narviks vor dem britischen Angiii- nach der Erzbahn zu vereinen Als sie ihr Werk vollbracht, das für den zu erwartenden Kampf !o wichtige Gut und Material gerettet hatten, nahmen Offiziere und Mannschaften Alstchied von ihrem Schiff. An der Pier wurde es gesprengt. Nichts durfte dem Feinde in die Hände fallen.
Dann begann der Kampf zu Lande und in der Luft. Himmelhohe Felsenberge umgeben die Hafenbuchl von Narvik, ziehen sich bis zur schwedischen Grenze hin Es erscheint menschenunmöglich, daß hier deutsche Soldaten zwei schwere Monate lang aushielten, kämpfen und siegen konnten ^rst der, der Narvik gesehen hat, kann dieses größte Heldenlied dieses Krieges begreifen. Seit Mitte Juni ist nun Narvik fest und endgültig in deutscher Hand. Reges Truppsnleben spielt sich jetzt' hier ab. Auf schwierigstem vorgeschobenen Posten nördlich des Polarkreises bereiten sich deutsche Männer aus ihreerstePolarnacht vor. Der Kampf gegen die Elemente, der sie nun erwartet, wird hart und schwer sein. Aber sie sehen ihm ebenso unerschrocken ins Auge wie vorher dem Kampf der Waffen.
Bevor ich bei eintretender Dunkelheit das kleine Frachtschiff besteige, das mich in der Nacht weiter nordwärts nach Hmstadt bringen soll, blicke ich noch einmal in Vas dunkle Wasser zu meinen -Füßen. Langgestreckt, gleich einem Rifs liegt das Achterschiff jenes tapferen deutschen Zerstörers unbewegt auf dem Meeresgrund. Doch sieh — auch dieses tote Stück Stahl und Eisen trägt noch Leben in sich. Perlend steigt eine Kette Luftblasen an die Oberfläche Und nun wie
ner und wieder. So geht es seit April. Rein, das ist nicht tot. Zwischen den gespenstisch ragenden Masten der vielen Handelsschiffe, die aus dem Grunde des Hafens von Narvik liegen, fahren eilig und geschäftig die Trampschisfe und Routendampfer umher, kommen und gehen. Der starke Arm der deutschen Wehrmacht schützt setzt Norwegens Küste. Das Leben geht weiter.
Lieber -er Irischen See
Von Kriegsberichter von Danwitz.
DNB.... tV-K-1 Während aus Steuerbord goldroi die Sonne aufging, stand aus Backbord noch der Mond, und sein Silberglanz füllte den westlichen Himmel, als wir, aus den Wolken stoßend, die Irische See unter uns sahen. Das also ist Britanniens ureigenste Fahrstraße- Aber auch in Liefe buchtenreiche See, die sich gerade aus der Lust gewissermaßen als die uralte Wiege der englischen Seemacht ansieht, dringen unsere Kampfflugzeuge ein. Selbst hinter den eigenen Pforten sind die unter Britanniens Flagge fahrenden Schiffe nicht mehr sicher.
Im Tiefflug zwischen lockeren Wolkenfetzen jagt unser Fernbomber über das Wasser. Im grauen Morgenlicht liegt es unter uns. Ein schwacher Wind kräuselt kaum merklich die See. Und nur hier und da taucht eine silberne Schaumkrone auf. Den Schiffern mag es so recht sein. Dieser Morgen scheint ohne alle Gefahr, und nicht einmal das Moto- rengeräusch unserer Maschine scheint die Briten in ihrer selbstgefälligen Sorglosigkeit zu stören. Ohne die gerinMn Anzeichen eines Erschreckens setzen die kleinen Dampfer ihre Fahrt fort, und heute sollen sie in der Tat von uns aus nicht belästigt werden. Unsere schweren Brocken brauchen eiste lohnendere Beute. Immerhin sollen auch die Kleinen wissen, daß wir da siiK>. Und das Balkenkreuz unter dm Tragflächen unseres-Flugzeuges läßt ihnen keine Zweifel darüber, daß sogar auf ihrer Irischen See die britis he Flagge auf das schwerste bedroht ist. Mit der Ruhe und Sicherheit des alterfahrenen Piloten steuert der Hauptmann den Fernbomber über das Wasser. An die 60 000 BRT britischen Handelsschiffsraumes sind bisher durch Hauptmann D. vernichtet worden. Nur selten kehrte er ohne Erfolg von seinen Langstreckenflügen über Atlantik und Irische See heim, und auch heute soll die Bombenlast nicht umsonst die vielen hundert Kilometer geschleppt worden sein. To oft unter uns ein britisches Schiff auftaucht, beginnt ein kurzes Kalkulieren. Da sehen wir eines mit riesigen dunklen Rauchfahnen daherziehen, aber die kleinen machen offenbar den meisten Oualm.^Kin ganz kleiner Fisch" sagt der Haupt- mann, „den lassen wir in Ruhe. Vielleicht ist es sogar ein Ire, und die haben von uns nichts zu befürchten". Die Intel Man ist schon vorüber. Steuerbord liegt die Küste Nordirlands. Wir sind mitten über dem Nordkanal, heute dem wichtigsten Versorgungsweg der Intel.
Am Ausgang des Nordkanals finden wir endlich einen britischen Handelsdampfer, auf den sich ein Angriff lohnt. Im Nu ist jeder von uns an seinem Gefechtsstand. Die Bomben sind scharf. Ein paar Kurven, in denen der Hauptmann die Maschine ganz tief auss Wasser drückt. Rote Leuchtspur zischt vorbei. Aber nur der Bruchteil einer Sekunde bleibt mir zu einem solchen Gedanken. Schon sind wir über das Schiff hinweg, die Bombe ist gelöst, schlägt ins Vorschiff hinein und schäumendes Wasser in weitem Kreis verrät, daß sie dann detoniert ist. Der Brite stoppt. Er war gerade am Auslaufen, vor wenigen Stunden erst kann er die Anker gelichtet haben, und schon ist ftiner Fahrt ein jähes Ende bereitet. Noch einmal greisen wir an. Der Bordwart deckt den Briten mit der Kanone ein, und jeder von uns jagt Feuerstoß auf Feuerstoß aus feinem MG. sobald er den feindlichen Dampfer ins Visier bekommt. Dann fällt die zweite Bombe, detoniert hart neben der Bordwand. Der Brite hat gerade noch soviel Kraft, daß er wenden kann, um an die Küste zu flüchten. Ob er kie erreicht bat — hinter ihm verbleibt ein riesiger dunkler Oel- fseck. Wir aber wenden zur Heimkehr. überfliegen das bri-
tllche Rordirland. Irgendwo in der Ferne sieben ein paar Flakwölkchen. Ob sie uns gegolten haben — lächerlich Nein sind sie. und schon ist unter uns wieder das Meer. Eins weiße Wolkenlandschaft — wir eine Unmasse weißer Wolle sieht sie aus — nimmt uns auf für die langen Stunden des Rückfluges. Und als wir nach der Landung erfahren haben, daß auch der Gruppenkommandeur heute In der Irischen See einen Brltendampser schwer beschädigt hat, ist di» Freud« natürlich doppelt groß.
Am halenlai von Droutheim
Von Kriegsberichter A. Ruppert.
PK. In Drontheim. der alten Hauptstadl Norwegens, erlebten deutsche Soldaten eine unvergeßliche schöne Stunde. Soldaten in großer Zahl. Infanteristen, Flieger und Blaue Iungens, umjubelten das glückhafte Schiff, als es am Kai sestmachte. Das Mrisikkorps eines in Drontheim stehenden Regiments spielte einen Begrüßungsmarsch, während Vertreter des Reichskommiffars Norwegen das Schiff verließen. Der Beauftragte des Neichskommissars Terbyven wandte sich an die Vertreter der Wehrmacht. Die Weihnachts- .chiffe, die in diesen Tagen ihren Zielhäsen zusteuerten, seien gemäß der Initiative des Reichskommissars zur zusätzlichen Betreuung der Truppen während der Weihnachtsfeiertage ausgerüstet worden.
Gebirgsjäger in Narvik umjubeln das Weihnachtsschiff.
Das Wachtschiff läßt uns passieren. Nur noch kurze Fahrt, dann sind wir am Hafen von Narvik. Alle sind an Bord, senn der Name dieses Hafens und dieser Stadt erinnert jeden Deutschen an den Heldenkampf der Flottille des Kommodore Bonte und der Gebirgsjäger des Generals Dietl. Hier ist der denkwürdigste Schauplatz des kühnsten Unternehmens der deutschen Kriegsgeschichte.
Da klingt ein Lied zu uns herüber, ein Marschlied, gelungen von Gebirgsjägern, die in dichten Reihen am Kai stehen und uns zuwinken. Der Weihnachtsmann erhält vorn Musikmeister den Taktstock und dirigiert. Und alle Landser stimmen ein. So eine Weihnachtsfeier ans dem Stegreif und ein so jubelnd gesundes Lied hat ein Hafenkai nirgendswo in der Welt je erlebt. — Inzwischen waren viele Gebirgsjäger und Blaue Jungs auf das Bootsdeck geklettert, rin enges Spalier von Landsern drängte auf dem Kai bis an die Reeling heran, als der Vertreter des Reichskommiffars Norwegen und des Reichsministers Dr. Goebbels herzliche Grutzworte sagte.
Zur größten Stadt der Polarzoue.
Weiter geht die Fahrt. Vorbei an Harstadt, dem Kohlenplatz des Nordens und Ausgangspunkt der jährlichen Jenissei- Expedition. Zur Linken erhebt sich die felsige Insel Senia. schneebedeckt, aus dem Meer. Den Norden der Insel schließt ein Gebirge von alpiner Größe ab. Von hier aus unternahmen wagemutige Wikinger im frühen Mittelalter die ersten Umseglungen des Nordkaps und drangen weit vor ins Weiße Meer. Die bis zu tausend Meter sich erhebende Insel Kvaloy ist durch einen schmalen Sund von Tromsoesund vom Festland getrennt. In diesem Sund liegt aus einer kleinen Insel die größte Stadt der Polarzone. Tromsoe. *Von hier aus hat Roald Amundsen seine letzte Expedition begonnen. Unser Weihnachtsschisf liegt wenige Meter entfernt von der Kaistclle, an der sein Schiff angelegt hatte.
Wiederum ein festlich buntes Bild; Soldaten am Ufer gedrängt bis an die Lagerhäuser heran, eine Kompanie marschierte mit klingendem Spiel auf. Und wieder wird die Äeibnachtsladung gelöscht, für Tromsoe, das Hinterland und die venachbarten Inseln. Keiner wird vergessen, auch der einsamste Wachtposten nicht, der viele Kilometer entfernt im Innern des winterlichen Landes seine Pflicht erfüllt, über dem großartigen Gebirgspanorama verglüht in gedämpftem Farbenspiel daS Morgenrot, das in diesen kürzesten Tagen zugleich das Abendrot ist.
Der Erkolg der deutschen Zielavsrisse
Ausfall zahlreicher englischer Rüstungsbetrkebe.
In New-Porker Industrie- und Handelskreisen ist man davon überzeug,, daß die englische Kriegsproduktion infolge des Ausfalls zahlreicher Rüslungsbemebe durch die Zielangriffe der deutschen Bombengeschwader beträchtlich hinter dem Sollbcftand zurückgeblieben ist und von Woche zu Wacht weiter hinter dem von Lord Beaverbrook aufgestellten Pro- ^iktionsproaranim niriickfällt.
Vas Velieimnts der heiligen Laufe
Roman von Viktor von Ranke
Bcrtriebsrccht bei! Senteal-Burea» kurble deutsche Presse BmbH., Berlin SW «8. Friebrichstr. IN 3
lieber dem Kraton uegr eme nervöse Spannung. Die weiten, flachen Hallen der Häuser der javanischen Prinzen liegen still, Glut aushauchend, unter den sengenden Strahlen der Nachmittagssonne. Die grünblauen Gipfel der Feuerberge ragen atemlos, zitternd in das fahle,, gelbe Weiß des Himmels.
Palmen und Pisangs, Waringibäume und Riesen- sarne heben ihr hartes Grün empor und rufen verschmachtend das glasigweitze Gefiedergewölk am Horizont heran. Die heiße Luft ist erfüllt vom Geruch welkender Früchte, zerlaufenden Asphalts und dem Dust silbriggoldenen Blütenstaubes. In der Ferne, um den Konus des Vulkans Merapi, liegt eine erstarrte, schwere Schwefelwolke.
Noch ist es still in der weiten, schier unübersehbaren Halle des Sultans, nur der Gamelan, das javastische Orchester aus Becken und Gongs, das irgendwo draußen unaufhörlich spielt, wirst seine Töne in den Raum hinein. Diese Töne springen gleich läutenden Bällen aus Edelmetall über den kühlen Marmor der Halle. Der Geruch überreifer Früchte mischt sich hier mit dem Duft und Ernst eines alten Gebäudes. Weit, weit grollt der tiefe Baß des ersten Donners, und das perlende Stakkato einer Lachsalve aus dem Frauengemach springt in die tönenden des Gamelan. - -
Draußen stehen und hocken die Edlen von Solo. Ruhig, zart und liebenswürdig, gedämpft und doch heiter ist ihre Unterhaltung. Wie Brüder, gleich groß, zart, dunkel und schön. Um die Hüften tragen sie dunkle, seidene Sarongs, goldseiden mngürtet, den geflammten Kris im Kreuz.
Die Sonne sinkt hinter den blauen Kulissen der Berge, spritzt Flecke aus Purpur und Gold auf die Hänge der Vulkane. Der Himmel flammt auf, noch einige, sekundenlange, von Blütenstaub schimmernde Strahlen schießen durch die reglosen, stolzen Wedel der Palmen, und dann jagt die Nacht heran, funkt brennende Sterne ln den dunklen Azur.
Roh und frech fließt die schwarzbefrackte Woge der europäischen Gäste in die Lalle des „Naaels Grde".
Doch hier verstummen die Stimmen. Es ist wie in einer Kirche, ernst, still und feierlich.
Vorn, auf dem Podium, werden die beiden Thronsessel zurechtgerückt» links der des Sultans, rechts der des Residenten, des „Netteren Bruders" des Sultans. Ein junger Offizier der niederländisch-indischen Armee tritt zur Seite der Sessel und überprüft schnell, ob sie auch in einer Linie stehen. Eingeweihte in den langen Reihen der Gäste lachen Verhalten, denn man erinnert sich der amüsanten Hofgeschichten über diese beiden Throne. Einmal ließ der Sultan seinen Sessel um einige Zoll vorschieben, um so seinem „Netteren Bruder", dem Residenten, gegenüber erhaben zu wirken, ein andermal versuchte er es mit vielen Kissen auf dem Sitz oder einer hohen Kopfbedeckung... -Das darf nicht sein, darum die Sorgfalt.
Das Stimmengewirr raunt, der Gamelan spielt, und seltsam leuchten die griechischen Göttinnen, hoch in den Händen bronzene elektrische Leuchter haltend. Dunkel und traurig hängen noch die alten schönen Oelleuchter neben holdlächelnder Banalität...
Jetzt erscheinen zugleich der Sultan und der Resident. Alles erhebt sich, wartet, bis die hohen Herren Platz genommen haben.
Der Sultan ist alt nnd fett. Er trägt javanische Tracht, in seinem goldseidenen Gürtel steckt auch ein kostbarer, geflammter Kris. Seine Stimme ist hoch, überfeinert, dünn, jedoch immer noch sonor. Er begrüßt den Residenten, die Gäste, die Würdenträger, er heißt sie alle willkommen zu seinem Hochzeitsfeste...
Wieder ein Schmunzeln aus den Gesichtern der Eingeweihten, denn der alte Sultan mutz heiraten! Zwar gebar die erste Frau des Sultans einen Thronfolger, aber eine Rebenfran schenkte ihm einen Sicbenmonatsknaben. Wer ist nun der Thronfolger, der Knabe der ersten Frau, oder jenes Siebenmonatskind?
Dir langwierige Zeremonie geht ihren Lauf. Die Würdenträger rutschen auf den Knien zu den Füßen des Herrschers, berühren sein Gewand, sprechen einige Worte, aeben w'»^er anderen
Auch der ältliche Prinz Kossomo, der Schatzkanzler des Sultans, ist hier. Er hat gerade ein: kurze Rede gehalten und steht nun an der Tür, vor einer Gruppe der höchsten Würdenträger. Da tritt auf Zehenspitzen der junge Offizier zu ihm und flüstert einige Worte. Beide gehen hinaus. und sofort ist es still im großen Saal, so still, daß
man das ferne Läuten der Dampfstratzenvayn hören kann. Auch der Sultan blickt auf die Tür, durch die Kossomo hinausging.
Was ist geschehen? Niemand weiß es. Doch der überfeinerte Ur-Jnstinkt der javanischen Seele weiß, daß etwas Böses geschehen ist, gleich dem elektrischen Strom erfaßt es sie alle, diese vornehmen, zarten Brüder...
Kossomo tritt mit dem Offizier vor die Tür. Es ist dunkel draußen, und die Sterne brennen heiß am weichen Nachthimmel. Irgendwo dröhnt ein Ochsenfrosch, und hell fällt der Ruf eines Tjitjaks die silberne Tonleiter hinab, jener kleinen, durchsichtigen Eidechse, die das indische Haus belebt.
Jetzt bleibt der junge Offizier stehen, tritt ganz Vicht vor den alten Prinzen und sagt in Javanisch so leise, daß Kossomo es kaum hören kann:
„Raden Kossomo, die heilige Lanze ist fort!"
Kossomo bleibt ruhig. Die angeborene Vornehmheit verrät ihn auch jetzt nicht, nur zucken seine vollen Lippen, nnd es brennen die Augen wie die Sterne dort oben.
„Eben meldete es mir die Wache", flüsterte der Offizier erregt. „Ich war drüben, sie ist fort! Man Halle sie, wie alle diese Tage, durch die Straßen getragen, und das Volk flehte sie an, inbrünstiger denn je, um Hilfe vor der Pest. Man hatte sie bei dem alten Gamelan cinsgeslclit und,... nun ist sie fort!"
Kossomo schweigt. Ein Ehaos wirbelt durch seinen Kopf. Ihm ist, als drücke eine brutale Hand fein Herz zusammen. Die heilige Lanze ist fort, ist fort, ist fort... hämmert der Puls immer denselben Gedanken, und plötzlich weiß er, daß es nur ein Weißer getan hat, denn nie wird ein Javane sich an dem heiligsten Gegenstand seines Volkes vergreifen.
Da klingt eine hohe, klingende Stimme durch die Nacht: „Hell der Mond, blaß der Sumpf..."
Und die Nacht scheint dieser Stimme zu lauschen. Gau; still wird es..."
„Verdammt!" flucht der junge Offizier. „Was ist das?"
„Es ist Promo, der blinde Tänzer", sagt Kossomo leise, blickt in die Richtung der Stimme, wartet, und wie antwortend singt wieder jene klirrende Stimme:
„...Krokodile schlafen wie tot..."
Die Nacht zirpt nnd hie Sterne brennen.
(Fortsetzung folgt.)