Hrer/e» Erst/
Weihvachlserzählung von LisdLa Reimer
Die Geschichte, die hier erzählt wird, hat jich vor mehr als 20 Jahren in meiner ost- jreußischen Heimatstadt zugetragen und gehört zu den schönsten Weihnachtserinnerun- »en, die mir aus der Kindheit haftenblieben. Schon im frühen Winter ist es sehr kalt in ien östlichen Landen. Nicht selten bereitet äch schon im November ein dickes Schncetuch »ber Stadt und Land und schützt die abge- . torbene, graue Erde bis in den März hinein »egen alle Winterskälte. In den Straßen rnd Gassen der Städte liegen dann die von >en Wegen zusammengeschanfelten Schnee- «erge wie große Wächter vor den Türen und Hauseingängen und dienen den Kleinen, die »och nicht mitgehen dürfen auf die großen kodelberge, als Uebnngsrodelbahn, wo sie mt dem Schlitten oder auf dem Hosenboden ssnunterfahrend bald mehr geschickt sind.
Der Schnee war unser bester Freund und Spielgefährte. Besonders aber liebten wir Hn vor Weihnachten. Wenn die ersten Pfef- erkuchendüfte aus der Küche m die Stuben »rangen und Mutter den Schlüssel von dem Weihnachtszimmcr abgezogen hatte, dann Landen wir, die kleineren wie die großen Kinder, drückten uns im Dämmerlicht an den Fensterscheiben die Nasen breit und baten: ^Lieber Petrus, laß es doch schneien, schick «och den Weihnachtsschnec!" Denn ein Weih- «achten ohne frisch gefallenen Schnee, der sich überall wie ein Mützchen auf die Dächer «nd Zäune setzte, konnten wir uns einfach aicht vorstellcn. Unser Bitten Hali auch Mmer.
Aber wir warteten nicht nur auf den Weih- »achtsschnee. Es war noch etwas arideres da, »ras unsere Gemüter erregte. In unserer Stadt war seit langen Zeiten der Brauch, daß vier Stadtmusikanten, die sonst gelegentlich vom Schloßturm herab ein Abendlied hielten, am Nachmittag des 24. Dezember ,ourch alle Straßen zogen und alt und jung mit den bekannten Weihuachtsliedern erfreuten. Schon aus den benachbarten Straßen Hörte man die Weisen erklingen und alle Familien versammelten sich dann an den Fenstern zur Straße, um die Weihnachtsmusik, !die bald näher kommen würde, zu erwarten. Es war nicht leicht, die Blasinstrumente bei der strengen Kälte in Gang zu halten, aber niemand störte sich daran, wenn die Töne einmal versagten und eine Trompete erst wieder aufgetant werden mußte. In jedem Jahr aber hieß es einmal vor Weihnachten, die Stadtmusikanten würden diesmal nicht kommen, und das machte uns Kindern ernste Sorgen. Denn wie sollte Wohl ein Weihnachten anfangen, weil als Auftakt nicht die Weihnachtsmusik dagewesen war! Dann hieß es wieder, sie würden doch kommen. Weihnachten richtete sich unsere ganze Erwartung weniger auf die Geschenke als auf das Erscheinen der geliebten Weihnachtsmusik.
In einem Jahr nun trug sich folgendes zu. Weihnachten nahte mit allen deutlichen Zeichen. Der Schnee, den der Himmel aUs- schiittete, wollte kein Ende nehmen, und mitten in den Flockenwirbel hinein stimmten die Musikanten schon am frühen Nachmittag das erste „O du fröhliche" an. Die Hälfte der Stadt hatten die Musikanten schon spielend durchwandert, die Dunkelheit war schon hereingebrochen, als plötzlich ein kleiner Junge atemlos hinter den Bläsern hergelaufen kam. Nach Luft ringend, zog er den einen an seiner dicken Pelzjoppe: „Frieder Aßmann, Sie haben ein..." — „Ich weiß schon, laß los, du Bengel!" — „Aber Sie haben doch ein . . ." versuchte der Junge noch einmal mit aller Kraft die Bläser zu übertönen. Es war aber vergeblich, und etwas enttäuscht blieb er zurück. Er hatte auf ein kleines Weihnachtsgeld zur' Belohnung gehofft, und nun schien der Mann es schon zu wissen.
Der Bläser Aßmann, der immer als Letzter ging, war es gewöhnt, daß die Kinder ihn manchmal am Rock zogen. Sie sollten dann um ein besonderes Lied bitten oder wollten daran erinnern, daß ihre Straße von der Weihnachtsmusik ansgelassen war. Man konnte es nicht allen recht machen, deshalb hörte er gar nicht weiter hin.
Ein paar Frauen, die gerade nach Hause gingen und den kleinen Vorfall beobachtet hatten, fragten den Jungen, was denn los wäre. „Die Frau vom Fieder Aßmann hat doch ein Kind bekommen. Aber er sagt, er weiß schon, wo er's doch gar nicht wissen kann, es ist doch eben erst gekommen, und ich bin ihm gleich nachgelaufenl" —
Nein. So etwas Nettes, ein Weihnachts- kind . . .! Während die anderen Frauen nach Hause mußten, wollte die eine ihm nach und
es ihm sagen. Wenn nur drei weiterspkelen, das mußte auch genügen. Sie nahm den Jungen an die Hand und eilte der Weihnachtsmusik nach. Me Frau erzählte allen das freudige Ereignis, denn jeder mochte den Fieder Aßmann gern. „Die sind eben da drüben in die kleine Gasse eingebogen!"
Als die Frau die Musik erreicht hatte, wußte das ganze Stadtviertel von dem Weihnachtskind, nur der Vater nicht. „Hallo, hallo, Fieder Aßmann, hört doch mal auf mit dem Blasen. Ihre Frau ..." bei diesen Worten wandte Aßmann sich jäh um und setzte mit dem Blasen aus, „ja, ja. sie hat ein Weihnachtskind bekommen. Schnell, Sie müssen nach Hause!" —
„Was ist es denn? Jung oder Mädchen?" Unsicher blickte die Frau den Jungen an, den sie immer noch an der Hand hielt, und der besann sich auch nicht lange: „Die Leute sagten, es wäre Wohl ein Mädchen, es hat man bloß leise geschrien!"
„So — ein Mädchen, — na das hat ja Wohl nicht solche Eile. Ich muß hier noch werter mitblasen, ich kann die andern doch nicht allein lassen!"
So zog der Stadtmusikant Fieder Aßmann, der am Weihnachtstage Vater geworden ivar, zum Unwillen aller, die es wußten, weiter durch die Straßen. Man konnte die Enttäuschung eines Mannes, der den Jungen erwartet hatte, der, wie er schon immer erzählt hatte in den letzten Monaten, seinem Mengen die Trompete vermachen wollte, damit der auch einmal wie er die Weihnachtsmusik blasen konnte, zwar verstehen, aber man fand es doch nicht recht der Frau gegenüber.
Inzwischen war es ganz dunkel geworden
An den Fenstern sah man die Weihnacht») kerzen aufleuchten, und bald hörte man aus allen Häusern mit dunklem Gebrumm und. Hellen Kinderstimmen die Weihnachtslieder. — Die Bescherung mit all ihren Ueber- raschungen hatte uns so in Anspruch genommen, daß Fieder Aßmann und das Weihnachtskind ganz wergessen waren. Ueber lautem Jubel der Kinder und innigem Gesang der Erwachsenen wurde es Nacht und in den Häusern langsam stiller, als plötzlich draußen in der stillen Weihnachtsnacht „Vom Himmel hoch da komm ich her" erklang. Aufgeregt liefen wir ans Fenster, und der Vater öffnete es.
Nein, es war keine Täuschung; klare, Helle Töne, die vom Schloß her kamen, erfüllten die dunkle Nacht. Fast klang es so, als wenn es die Stadtmusikanten wären — nur leiser und schöner. Aber die konnten es nicht sein, sie hatten noch nie so spät gespielt. Nach und nach öffneten sich noch andere Fenster in der Nachbarschaft, und alles horchte ergriffen
m die Nacht. Uns Kindern benahm es fast den Atem und im stillen glaubten wir an ein Wunder. Aber es geschah nichts davon, nur unten auf der Straße kam jemand, den wir nicht sehen konnten, mit festen Männerschritten näher. Laut knirschte der Schnee unter seinen Stiefeln. Und dann hörten wir eine unbekannte Stimme von unten heraufsagen: „Das ist der Fieder Aßmann, der da spielt. Er ist auf den Turm gestiegen — alle sollen's wissen, daß es doch ein Junge war!"
So hatte das Wunder dieses Weihnachtsabends eine sehr einfache Erklärung gefunden, aber wir waren nicht traurig darüber Nein, im Gegenteil, wußten wir doch, daß. wenn Fieder Aßmann einen Sohn hatte,, dieser auch Stadtmusikant werden und die Weihnachtsmusik blasen sollte. Wir hielten das Fortbestehen der Weihnachtsmusik nun' für gesichert für alle Zeiten, und mit dieser Gewißheit, die unser Kinderherz glücklich machte, schliefen wir ein.
Der Weihnachtsbanm wird angeputzt
Photo: Uk.-Etzler (Scherl) - M
Markt und Straßen stehn verlassen, Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh' ich durch die Gassen, Alles steht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen Buntes Spielzeug fromm geschmückt, Tausend Kindlein stehn und schauen, Sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil'ges Schauen! Wie so weit und still die Pelt!
Sterne hoch die Kreise schlingen.
Aus des Schnees Einsamkeit Steigt's wie wunderbares Singen — O du gnadenreiche Zsit!
Joseph von Eichenüorff -aus „Ewiges Deutschland"
Was wird mit den schulentlassenen Kindern
Die Weihnachtsfeiertage und, wenn der Vater im Felde steht, sein Weihnachtsurlaub, sind in der Familie gewöhnlich die Zeit, in der man Ruhe und Sammlung findet, über die Zukunft der herangcwachsenen Kinder nachzudenken. Man soll nicht glauben, daß die festliche Stimmung durch solche ernsten Ueberlegungen gestört wird; die Zeit bis Ostern, wenn der Junge aus der Schule und das Mädel aus dem Pslichtjahr kommt, ist so schnell vorbei, daß man sich spätestens Weihnachten über die grundsätzlichen Fragen der Berufswahl im Klaren sein muß.
„Muß man sich denn heute noch um die Zukunft der Kinder ernste Gedanken machen? Bieten sich dem Nachwuchs nicht überall Möglichkeiten und wird nicht jede Hand so dringend gebraucht, daß kaum noch gefragt wird, was einer ist und was er kann?" Diese Einwände von Eltern sind häufig, aber es ist — gerade in der augenblicklichen Zeit — sehr gefährlich so zu denken. Wir haben schon einmal, während des Weltkrieges, ähnliche Verhältnisse gehabt. Für gewisse Berufe und Arbeiten herrschte ein solcher Mangel an Arbeitskräften, daß wahllos jeder genommen wurde: alle Ansprüche auf Ausbildung mußten zurückgestellt werden. Als dann wieder normale Verhältnisse herrschten, war essehr schwer, diese unansgebildeten Kräfte unterzubringen.
Heute ist die Lage, in groben Zügen gesehen, ähnlich. Wieder herrscht in verschiedenen Arbeitsgebieten ein großer Mangel an Kräften und es besteht die verlockende Möglichkeit, ohne viel zu lernen, schnell gut zu verdienen. Als verantwortliche Eltern müssen wir uns aber darüber klar sein, daß die guten Verdienstaussichten für den Augenblick Wohl verlockend sind, für die Zukunft jedoch eine große Gefahr bedeuten, wenn nämlich dadurch versäumt wird, daß der Junge oder das Mädel zuerst einmal etwas ordentliches- lernt. Das ist das Grundsätzliche, worüber wir uns jetzt in ruhigen Feiertagen klar werden müssen. Nicht ob die Kinder jetzt gleich etwas mitverdienen und den Haushalt unterstützen können, ist das Richtige. Unsere letzte große Aufgabe als Eltern besteht darin, der Jugend durch einen erlernten Beruf einen Halt fürs Leben zu geben. Denn es hat sich in allen Zeiten gezeigt, daß tüchtige Menschen, die etwas rechtes gelernt hatten, immer ihr Brot fanden!
Was wir für den Jungen als richtig erkennen, muß auch für das Mädel gelten. Selbst wenn das Mädel früh heiratet, gegen die Wechselfälle des Lebens gibt es nur die eine Sicherung, einen erlernten Beruf, den man als Frau zu jeder Zeit und in jedem Alter ausüben kann.
„Was soll die Nute hier bedeuten . . , das dunkle Reis bricht Frost und Eis.
Den neuen Saft birgt fromm die Rind! Im Mutterschoße schläft das Kind."
Symbole des ewigen Lebens
Die weihnachtlichen Bräuche sind uns s» vertraut, daß wir über ihren ursprünglichen Sinn kaum noch Nachdenken, und viele von uns haben es vielleicht nie gewußt, was die einzelnen Dinge bedeuten, die wir in jedem Jahr zum Weihnachtsfest besorgen. Seit vielen Jahrhunderten ist es immer wieder . von den Eltern auf die Kinder übergegan« , gen, wie wir es jetzt wieder unseren Kinder« von klein auf Vorleben.
Die Bedeutung des grünen Tauucnbaums' und der Weihnachtslichter ist Wohl jedem be»> kannt. Die immer grünen Nadeln gebe» Hoffnung auf neues Leben, das unter der» erstarrten Erdkruste nicht tot ist, sondern nur - schlummert und auf die Sonne wartet, diel es wieder erwecken wird. Auch mit den Lichten, die wir anzünden, bekunden wir unsere' Hoffnung auf die Wiederkehr der Sonne und - ihrer Wärme, ohne die es kein Leben auf der Erde geben kann.
Warum aber können wir uns kein richtiges > Weihnachtsfest ohne Aepfel und Nüsse vorstellen? Jeder muß etwas davon auf seinem, bunten Teller haben oder wir schmücken damit auch den Lichterbaum. Auch in diese«, beiden Früchten sehen wir Symbole des Lebens. Sie bergen den neuen Keim in sich. Sie halten das Leben in sich verschlossen, das bald wieder zu schönster Pracht und Fruchtbarkeit hervorguellen soll.
„Da Hab ich ein Nüßlcin in der Hand . . /
Ist hart die Schal'
Wie Wintergual, /
Doch tief im Innern liegt versteckt
Der Kern, der neuen Frühling weckt."
Und wie steht es denn mit der Rute, die jeder echte Weihnachtsmann bei sich trägt, er zu den Kindern kommt? Sie ist nicht nur Wm Strafen der Unartigen und Faulen, obwohl wir beim Weihnachtsfest und zur Jahreswende stille Einkehr bei uns selber halten und das Unrechte erkennen sollen. In > erster Linie aber ist auch die Rute immer - ein Sinnbild des neuen Lebens gewesen. Sir ist die Lebensrute, in deren Reis sich schon neuer Saft und neues Keimen verbirgt und deren Kraft auf den übergehen soll, der damit berührt wird. Auch hier deutet ein alter Vers den Sinn, über den wir heute erst Nachdenken müssen-