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Nr. 284

Neuenbürg,Dienstag deu 3. Dezember 1948

S8. Jahrgang

Sinkende Geleitzüge

NSK. Die VerjorFung der kriegführenoen Staaten mit den für sie notwendigen Rohstoffen hat zu allen Zeiten eine ausschlaggebende Bedeutung für den Verlauf großer Krieg, gehabt. Das alte Rom mußte zum ersten Mate in feiner Geschichte freiwillig einem Mann Pompejus die un- umschränkte Macht des Staates zur Verfügung stellen, als die Piratengefchwader die römischen Handelsflotten im Mit­telmeer in einem solchen Maße vernichteten, daß die Ver» sorgung der Weltstadt Rom in Frage gestellt war- Es ist heute eine geschichtlich bewiesene Tatsache, daß eme der Hauptursachen des Zusammenbruchs des Römischen Welt­reiches in dem Versagen seiner Kriegsflotte bestan­den hat. Nur ihren Flotten verdankten Vandalen und Go­ten ihre wenn auch kurze Großmachtstellung im Zeit- alter der Völkerwanderungen.

Die deutsche Hanse wurde zum Einsatz ihrer letzten Kraftmittel gezwungen, als dieVitalienbrüder" See­räuber im 14. und 15. Jahrhundert die Ost- und Nord­see fast beherrschten. Die Englän-der erkannten unter der Königin Elisabeth die einzigartige Möglichkeit zur schnellen Bereicherung, die ihnen das Schicksal in Gestalt der spanischen Silber- und Goldtransporte aus der Neuen Welt rot. Wie Wölfe fielen sie in die Herde der spanischen Eoldschiffe ein und raubten, wie eben nur Engländer plün­dern und stehlen können.

Mit dem Beginn der großen Weltkriege, also dem Zeit­alter Cromwells und de Ruyters, wird dann das Geleit- zugsystem erfunden, das dem Gegner eine Störung der überseeischen Handelsbeziehungen erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen sollte. Der heroische Kampf des gro­ßen holländischen Admirals mit seinen bedeutenden engli- schen Gegnern kreist in der Mehrzahl seiner .strategischen Probleme um die Frage nach dem Schutz bezw. dem best- möglichen Angriff auf eben dieseConvois", wie man da­mals die Geleitzüge nannte. Eine Reihe der bedeutendsten Seeschlachten, der von England so geprieseneruhmreiche 1 Juni", ist eine solche typische Seeschlacht, die aus dem Kampf um die sichere'Heimbringung eines Convois ent­stand. Betrachten wir diesen Kamps etwas näher, dann ha­ben wir die richtige Grundlage zur Würdigung der ge­waltigen Taten unserer Flotte in der letzten Zeit.

Im Seekrieg zwischen Frankreich und England stellten die Franzosen zu Beginn des Jahres 1794 in der Chesapeake-Bai in Virginien einen riesigen Geleitzüg von über hundert Getreideschiffen zusammen. Die französische Schlachtfiotte aus Brest sollte diese Getreide­schiffe unter ihren Schutz nehmen und nach Frankreich ge­leiten. Am 28- Mai 1794 stellte die englische Flotte unter Admiral Howe die französische Flotte. Die Engländer wa­ren mit 26 Linienschiffen ebenso stark wie die Franzosen unter Admiral Villaret-Joyeuje. Dieser Kampf fand seinen Höhepunkt am 1. Juni. Hier ereignete sich jener so berühmte Toüeskampf des französischen DreideckersVen- gieur" gegen dieBrunsvick". Das Hauptziel der Englän­der wurde aber nicht erreicht. Trotz der Niederlage der fran­zösischen Geschwader gelang es der Getreideflotte, den fran­zösischen Hafen von Rochefort zu erreichen. Man sieht aus diesem klassischen Beispiel der Seekriegsgeschichte, daß es eine hohe Kunst ist. einen gegnerischen Geleitzug im richti- den Augenblick anzupacken und zu vernichten.

Erst wenn wir diese Tatsache voll ins Auge fassen, kön­nen wir ganz ermessen, welch großes strategisches Können und welche Einsatzbereitschaft die heutige deutsch« Kriegsflotte beseelt, wenn es ihr z. B. gelang, einen feindlichen Geleitzua von 86 000 Tonnen im nördlichen At­lantik zu stellen und zu vernichten. Diesen Schlag wird ge­rade der seemännische Teil der britischen Bevölkerung be­sonders tief empfinden. Hier ist Albion nämlich von Ueber- wasserstreitkräften ein vernichtender Schmg ver­setzt worden. Neben der U-Boot-Waffe erscheinen jetzt deut­sche Ueberwasserstreitkräfte an einer Stelle des Welttneeres, die die britische Admiralität vorher für völlig sicher hielt.

Genau wie bei dem einzigartigen Unternehmen gegen Norwegen dürfen wir nie vergessen, gegen welch ungeheure Uebermacht unsere Kriegsmarine zu kämpfen hat. U-Boote, Flugzeuge und jetzt auch Ueberwasserstreitkräfte greifen planmäßig die Geleitzüge Englands an. Dank der Erfolge unserer Wehrmacht stehen heute unserer Kriegsmarine die Stützpunkte der Küsten von den Pyrenäen bis zum Polarkreis zur Verfügung. Waren wir im Weltkrieg noch eingeschlossen in das berüchtigte nasse Dreieck, so steht heute fast die ganze Westküste Europas als Aktionsbasis unseren blauen Jungen zur Verfügung. War einst der sieg­reiche Kampf desruhmreichen 1. Juni" des Jahres 1794 der stolzeste Erinnerungstag der britischen Flotte neben dem von Trafalgar, so ist der Wandel der Dinge durch nichts besser gekennzeichnet, als durch den Sieg der deutschen Flotte im November 1940.

Die ganze Welt hat diesen Wandel der Dings begriffen, nur England noch nicht.

Hilferuf eines torpedierten Dampfers.

Newyork, 2. Dez. Mackay-Radio hat einen Funkspruch ausgenommen, aus dem hervorgeht, daß der 5448 BRT. groß« britische DampferGoodleigh" torpedier! morden ist.

Auch in -er Nacht zum Montag Großangriff

Explosion in Southampton bis nach Nordfrankreich sichtbar

Berlin, S. Dez. Nach beim OK. vorliegenden Mel­dungen setzten deutsche Kampfverbände in der Nacht zum Montag die Angriffe auf Southampton in gleicher Stärke fort und erweiterten die noch anhaltenden Brände systema- tisch. Explosionen in den Lagerhäusern der Hafenviertel waren weit über den Kanal bis nach Nordfrankreich ficht, bar. Die Schwäche der britischen Abwehr erhöhte die Treff­sicherheit unserer Flugzeuge.

Southampton ein Flammenmeer"

Bristol ein einziges glühendes Inferno".Alles Bisherige ein Kinderspiel".

Die umfangreichen Berichte neutraler Augenzeugen, die trotz der britischen Zensur in immer größerer Zahl ins Ausland durchdringen, vermitteln ein ungeheuer eindrucks­volles Bild von der gewaltigen Wirkung der verheerenden Großangriffe, denen die wichtigsten Industriezentren und Hafenstädten Englands in den letzten Tagen ausgesetzt wa­ren.

Unter großen Ueberschriften, wie z. B.Ein Flammen­meer in Southampton", bringen die schwedischen Blätter vom Montag Einzelheiten über den deutschen Großangriff auf die wichtige südenglische Hafenstadt.Svenjka Dagbla- det" verzeichnet die schweren Schäden, die die harten Schläge der deutschen Luftwaffe Southampton zugefügt ha­ben, und schreibt dazu in einem Londoner Eigenbericht u- a.:

Der total« deutsch« Bombevkrieg gegen England hat erst jetzt ernstlich begonnen. Alles, was seit Beginn der Mqs- senangriffe gegen London am 7. September sich ereignet hat. ist ein Kinderspiel gegenüber dem. was eine englische pro­vinzsladt nach der anderen während der letzten Tage er­leben muß."

Coventry habe den ersten Stoß aufnehmen müssen. Was jedoch dann an anderer Stelle passiert sei, bringe eine Vernichtung mit sich, die ebenso weitgehend sei wie. in Co­ventry. Die Schäden in Bristol und Southampton seien ebenso groß wie die Zerstörungen in Coventry. Southamp­ton, das früher schon einmal angegriffen worden sei. habe seinen schwer st en Angriff jedoch am vergangenen Samstag erlebt. Neben alten Bränden, die zu löschen es mehr oder minder schnell gelungen sei, seien diesmal zahl­reiche äußerst ernsthafte Großbrände entstanden. Noch am Sonntag habe es wie ein dichter Nebel über dem ganzen tiefergelegenen Teil der Stadt gelegen. Innerhalb eines ein­zigen Stadtbezirkes sei ein Gebiet von ungefähr 1200 Me­ter Länge und 600 Meter Breite völlig abgebrannt. Das sei aber nur ein Gebiet unter einer ganzen Reihe an­derer. Die Zahl der Opfer sei sehr beträchtlich. Der Angriff habe unmittelbar nach Einbruch der Dunkelheit mit dem Ab­wurf von Fallschirmraketen begonnen, die die ganze Stadt hell erleuchtet hätten. Dann sei ein Platzregen von Brand-undSprengbomben gefolgt, der die Stra- . ßen mit Steinmassen angefüllt und die Ruinen in Flammen gesetzt hätte.

Das sei jo welkergegangen, srunoe auf srunoe, uno cme zentralen Teile der Sladl seien ohne Unterschiedverpfef­fert" worden, bi» ganze Stadtviertel nur noch ein einzige« Flammenmeer gewesen seien. Der schwedische, Korrespon­dent schreibt, es sei beklemmend gewesen, in Straßen auf und ab zu gehen, wo sede» Haus nur noch als verbrannte» Skelett stehe und wo die zusammengestürzken Reste von dem. was einst Kontore. Geschäfte oder Lagerhäuser waren, al» glutheiße schwelende Masse in den Kellern lägen.

Bristols Eeschäftsviertel verschwunden.

Ein weiterer Eigenbericht vonSvenska Dagbladet" be­handelt die schweren Schäden, die der vernichtende Arm der deutschen Luftwaffe Bristol zugefügt hat. Der Korrespon­dent schreibt, daß Bristol bereits vor fünf Tagen den schwe­ren Angriff über sich habe ergehen lassen müssen. Trotzdem yallen die Brandherde unrer oen Stemmassen immer noch geraucht. Die Gebäude, die beschädigt seien, seien meisten» völlig vernichtet. Das Geschäftsviertel von Bristol sei so gut wie vom Erdboden verschwunden. Innerhalb eines Gebieter von mehreren Quadratkilometern habe das Feuer so gewü­tet, daß es kein einziges Gebäude mehr gebe, das nicht ab­gebrochen werden müsse. Der Korrespondent meldet, daß er ein Gebiet von mehreren Kilometern Länge und 800 Metern Breite durchwandert habe, das einstmals da» Geschäftszentrum von Bristol gewesen sei.

hier habe ein einziges glühendes Inferno geherrscht. Die Hitze sei so unfaßbar und phantastisch gewesen, daß sich selbst die dicksten Eisenträger verbogen hat»n und aus ein« Art und Weise, wie mau sie kaum je zuvor hätte sehen köa- " nen. Die Masse zusammengestürzten Mauerwerks hätte in Bristol ungeheure Formen angenommen, daß es noch immer nicht, nach fünf Tagen, gelungen sei. aufzuräumen. Viel« der Straßen seien noch vollkommen unpassierbar. Außer diesem Geschäftszentrum ln Bristol seien noch drei weiter« Stadtbezirke total niedergebrannt. Dazu gehört auch ein« dee wickkiolten Gesckäktsktraken der Stadt.

Auch die Newyorker Presse steht stark unter dem Eindruck des abermaligen deutschen Luftangriffes auf Southampton Di« Blätter weisen in großen Ueberschriften auf die Wiederholung des Angriffs hm und bringen Einzel­heiten aus der schwer zerstörten Stadt. DieNewyork Ti­mes" glaubt feststellen zu können, daß die Deutschen ein« neue Strategie anwendeten. Ihre Luftwaffe führ« schwere Schlägemal hier, mat da". Die Verteidigung werde somit schwieriger. Viele wichtige Industrieanlagen und militärische Ziele würden dadurch bedroht und Tod und Zerstörung auf ganz England ausgedehnt. Aus Southamp­ton berichtet der Vertreter derNewyork Times", daß di« Stadt ähnlich wie Coventry ausgesehen habe. Im Zentrum sei eine Masse von Ruinen. Ueberall habe der Ge­ruch von Brand, Pulver und Tod einen verfolgt. Die Be­völkerung Liverpool, habe in der Nacht zum 29. November wohl die schlimmste Nacht ihre» Lebens und di« Stadt den icklimmsten Anarisf des Krieaes durckaemacht.

Vernichtete englische Aiistungszentralen

Ausländische Augenzeuge» berichte«: Southampton in Trümmer« Steinskekett ausgebrannter Ruinen Zerstörungen in Bristol müssen denen in Coventry gleichgestellt «erden

Berlin, 3. Dez. (Eig. Funkmeldung.)Neuer deutscher Luftangriff legt Southampton in Trümmer", so überschreibt New 8)ork Sun" den Augenzeugenbericht ihres Londoner Korrespondenten, der von der vernichtenden Wirkung des deutschen Bombardements berichtet, das zwei Nächte hinter­einander mit verheerender Wucht auf die südenglische Hafen­stadt niederging

Der Berichterstatter eines schwedischen Blattes hat sich zwei Tage lang in den Ruinen der beiden industriellen Groß­städte Southampton und Bristol aufgehalten. Mit vor Schmerz brennenden Augen und mit starkem Brandgeruch in den Kleidern habe er seine Schilderung niedergeschrieben. Dunkle Wolken bedeckten nach seiner Rückkehr aus Southamp­ton den Horizont über dem Kanal. Alle Einfahrtswege seien in Rauch und Dunst gehüllt gewesen. Am meisten zerstört sei das Zentrum Southamptons. Es sei gar nicht möglich, die Brände zu löschen. Die Gluthaufen müssen sich selbst über­lassen werden, damit sie ausbrennen. Die Feuerwehr sei machtlos, denn die Hitze sei völlig unerträglich. Die Straßen seien voll von Steinblöcken, über die sich die Schlauchleitungen der Feuerwehren aus allen benachbarten Orten yinzögen. Es sei dem schwedischen Korrespondenten gelungen, bis an einen der Hanptbrandhcrde zu gelangen. Er habe eine Fläche von einem Quadratkilometer umfaßt. Straßcnzüge um Straßen­züge mit allen Gebäuden, Lagerhäusern, Werkstätten usw. seien durch die Wirkung der deutschen Bomben in einigen Stunden in ein Stcinskelett ausgebrannter Ruinen verwan­delt worden. Es sei unmöglich gewesen. Len Riesenbrand zu löschen. Allein in Southampton seinen hundert große Feuers- brünstc entstanden.

Die Zerstörungen in Bristol, so schreibt der schwedisch« Journalist weiter, müssen denen von Coventry gleichgestellt werden. Jetzt nehme man in den ausgebrannten Ruinen der Industriestadt Sprengungen vor, um beim Aufräumen voran zu kommen. Autos werden mit Stahlseilen angesetzt, um dt« brüchig gewordenen Häuser einzureißen. Im Zentrum Bri­stols umfasse ein Brandherd ein Gebiet von anderthalb Quadratkilometern.

Bemerkenswert ist noch ein britisches Eingeständnis. Wi« Sydsvenska Dadbladet" meldet, spricht der LondonerOb­server" in einem Aufsatz aus, daß die deutschen Bombenan­griffe in erster Linie den Werken der englischen Flugindustri« galten. Damit wird erneut von englischer Seite zugegeben, daß das Ziel der deutschen Luftangriffe die militärischen un- kriegswichtigen Anlagen des Gegners sind.

Ansprache des irische« Ministerpräsidenten

Wir müssen uns für alle Fälle vorvereiten

Genf, 2. Dez. Wie der irische Rundfunk meldet, sagt« de Valero in einer Ansprache in Waterford u. a., daß Irland in einer gefahrvollen Zeit lebe und daher alles Mn müsse, was zur Verteidigung des Landes notwendig sei. Ich er­warte, sagte de Valero, daß alle jungen Männer zwischen 20 und 25 Jahren den örtlichen Verteidigungstruppen bcitreten werden. Weiter wies er darauf hin, daß Irland nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich vorbereitet sein müsse. Wir müssen uns für alle eintretcnden Fälle vorbcreiten, er­klärte de Valero. Wenn wir das tun, so werden wir die Krise überwinden.