Samstag den 8. Juni 1940

Der Enztäler

98. Jahrgang Nr. 132

Die »Phalanx" -er Alten

die Vorfahren der ..Tanks" Massivangrifse in der Kriegsgeschichte

Dertechnische Krieg" ist keine Erfindung von heute und gestern. Stets herrschte das Bestreben kriegführender Völker, durch Massenetnsatz gewaltiger Truppenmengen und durch Be­nutzung von zugleich schützenden und schreckenden Kriegs­maschinen schnelle Enlscheidungen zu erzwingen. Beide Prin­zipien der Wehrgeschichte aber sind im Laufe der Jahrtausende sehr unterschiedlich angewandt worden, und ein kurzer histo­rischer Rückblick möge es dartun, daß der Einsatz selbst riesig­ster Massensormationen und technisch bestfundierter Krichs- geräie nur dann Erfolg haben kann, wenn in dem Kolossal- verbande begeisterte Männer unter sachkundiger Führung kämpfen und kundige, kühne, kernige Soldaten die Maschinen bedienen.

Zur Schlacht ordnen sie sich in keilförmigen Hausen, den sogenannten Eberrüsseln", schreibt Tacitus von unseren ger­manischen Vorfahren. Diese Notiz des römischen Historikers zeigt deutlich, daß unsere Vorfahren es bereits unternahmen, ein technisches Prinzip eben das der Keilwirknng strate­gisch auszuwerien. Der Keil ist, physikalisch gesehen, ein Mit­tel zum Eindringen und Durchbrechen. Und da das Ziel fast jedes militärischen Angriffes im Eindringen in die Feind­front und in ihrer Zerspaltung besteht, so ist die Bildung des geschilderten germanischen Stoßtrupps als höchst zweck­mäßig anzusprechen. Beim Angrisf, mehr noch aber bei der Verteidigung. kann auch der Einsatz einer möglichst breiten Masse, die aus eine sehr ausgedehnte Frontlinie zugleich ein­wirken soll, zweckdienlich und erwünscht sein. Deshalb wand­ten die Völker der Antike auch mit Vorliebe das mechanische Prinzip der Walze an Festgefügte Großsormationen, die bei Verlusten sich immer wieder neu zu engster Fühlung anein­anderschlossen. richteten die makedonischen Könige ein. Eine solchePhalanx" bestand jeweils aus 16 000 Mann, die Schild an Schild hallend wie eine lebende Mauer vor­drangen: vor der Schildmauer aber bildeten die vorgestreck­ten Sperre der hintereinander marschierenden Gruppen je weiter hinten der Mann, desto länger sein Spieß! eine stachlige Wehr, in die der Feind erst eindringen mutzte, ehe er zum Schwertkamps kam. Die Landsknechte des Mittelalters, die ähnlich vorgingen, nannten solch ein im Vormarsche und bei der Verteidigung oft bewährtes Kampsmassiv denIgel"; und wirklich das zeigen alte Stiche sah ein Heerhaufen mit den starrenden Spießen einem Niesenigel durchaus ähn­lich. Wurde er selbst angegriffen, so bildeten die Landsknechte einen dichten Klumpen mit ausgestreckten Spießen und abge­rundeten Ecken im Gegensätze zum neuzeitlichen viereckigen Karree und selten glückte dem Feinde ein Nahangrisf. Aller­dings spielt auch bei dieser Kampfart die seelische Haltung der Truppe und der Heroismus des einzelnen eine entschei­dende Rolle. Das beweist die Heldentat Arnold Winkrlrieds bei Sempach. 1386. Als die Schweizer Bauern gegen das Ritterheer Herzog Leopolds von Oesterreich vergeblich andran- gen, weil diese Eisengepanzerten einen sehr stattlichen Igel bildeten, da sprang der kühne Freiheitskämpfer vor, drückte ein ganzes Bündel der feindlichen Spieße mit gewaltiger Armeskrast zusammen und gegen die eigene Brust, so datz seine Kameraden blitzschnell in die Bresche eindringen und die schwer beweglichen Eisenmänneraufrollen" konnten. Geist besiegt die furchtbarste Kriegstechnik.

^ Noch wesentlicher auf technische Massenwirkung waren aver ote Slrcittvagcn des Altertums eingerichtet. Ursprüng­lich zwar fuhren nur die Heerführer und Kommandanten auf Kampfwagen, von denen ans sie aus die fliehenden Feinde einhieben. Dann aber erschien der Masseneinsatz zweckmäßig, und man kann es wohl in etwa mit einer Tankschlacht von heute vergleichen, wenn Hunderte von Fahrzeugen ans das feindliche Fußvolk einstürmten, es niederwalzten und dann von rückwärts noch einmal angrisfen! Die allägyptischen Pharaonen hatten zeitweise bis zu sechshundert Streitwagen zur Verfügung, waren mit dieser für damalige Zeiten statt­lichen Zahl aber doch den Hethitern unterlegen. Diese vor­derasiatische Sonderwafse war das Kampfwagen-Massen- aeschwader; doch war auch dies besiegbar durch Mut lind durch List! Als nämlich einmal die ägyptische Infanterie es liegt 4000 Jahre zurück vor einer Schlacht mit dem furchtbaren Gegner stand, kam ein ägyptischer Feldherr auf eine glänzende Idee: er wußte, daß die hethitischen Streit­karossen mit edelsten, feurigen Hengsten bespannt waren, drum besorgte er sich einige Stuten, jagte sie den angreifenden Wagenkolonnen entgegen und erzielte bei den erregt wittern­den Hengsten solche Unruhe, datz diese die Frontglatt um- schmissen", den weiblichen Tieren zustrebten, die Wagen um- Warfen und das eigene Heer in eine Verwirrung brachten, der es zum Opfer fiel.

Es beschränkte sich übrigens die Streitwagentaktik keines­wegs auf den Orient. Funde der Eisenzeit in Böhmen- Mähren förderten eiserne Streitwagen, vielleicht die ältesten europäischenPanzerwagen", zutage: und von den britischen Kelten berichtet Cäsar imGallischen Kriege", datz sie 2000 Kampfwagen, jedeir mit zwei Mann besetzt,'ins Feld stellten! Schrecklich waren besonders die Streitwagen der Perser, die Sensen und Schwerter an Wagenbrüstung, Achsen und Pferde­geschirr herausragen ließen, die sogenannten Sichelwagen, die nicht nur die töteten, denen sie unmittelbar enigeaenfuhren. sondern auch aus Reichweite von ungefähr sechs Metern die Feinde niedermähten, wie heute unsere friedlichen Mäh­

maschinen auf dem Kornfelde die Aeyrenschwaden ntederiegen.

Ein unmittelbarer Vorläufer des Tanks ihm durch seine unheimliche Wucht ähnlich ist auch der Kriegselefant. Während solche zuerst mehr im Einzelgefecht eingesetzt wur­den. aus dem Rücken einen Panzerturm, in dem sich oft ein Dutzend Bogenschützen bargen, setzte man sie später auch zu Massenangrifsen an; wie eine lebende Dampfwalze legten die gut dressierten Tiere nieder, was ihnen in den Weg kam. Perser, Karthager und Inder bedienten sich letztere bis in die Neuzeit der Kriegselefanten, die auch heute noch für die Gebirgsartillerie Verwendung finden.

Der moderne Tank ehedem auchSchützengrabenroller" genannt ist eine Erfindung des Weltkrieges.Stahl­kolosse", schreibt Hindenburg,wirken weniger physisch ver­nichtend durch das Feuer von Maschinengewehren und leich­ten Geschützen, das aus ihnen sprüht, als moralisch aufrei­bend durch ihre verhältnismäßige Unverwundbarkeit. Ich be­zweifle dennoch nicht, daß unsere Soldaten sich auch mit die­ser gegnerischen Waffe abfinden werden." Und der Feld­marschall behielt recht. Mut ist mehr als Eisen.

Die Entscheidungsschlacht im Westen zeigt innner wieder, datz wir an Soldatengeist und Material, vor allem auch an Panzern, allen Feinden überlegen sind.

Aus dem Marsch hinter den Stacheldraht

PK.-Bericht von Kriegsberichter K. H. Britz.

Gent, Courtrai, Boulogne genommen ... Calais von deutschen Truppen erobert ... Bisher unübersehbare Beute ... Die Gefangenenzahl erhöht sich ständig ...", so meldet der Rundfunk in täglicher Folge dem deutschen Volke die Ereignisse im Verlaufe der größten Einkreisungs­schlacht aller Zeiten im Raume von Nordfrankreich und Belgien. Während unsere Truppen unaufhaltsam Vordrin­gen, marschiert eine andere Armee auf staubigen Straßen in schier endlosen Kolonnen nach Osten, die Armee der ge­fangenen Belgier, Franzosen, Marokkaner mit ihrem roten Fes auf dem Kopfe, und zuerst weniger, jetzt immer häufi­ger, Engländer, die alle einmal zum Marsch nach Berlin angetreten waren und jetzt diesen Marsch beenden, jedoch mit umgekehrtem Vorzeichen.

Der Marsch hinter den S^cheldraht wird zu Fuß ge­macht. Die Eisenbahr.cn sind noch nicht zu benutzen und die Transportkolynnen haben gegenwärtig wichtigere Auf­gaben zu lösen. Tausende und aber Tausende sind es. die sich abends in ihre Mäntel hüllen, um irgendwo an der Marschstratze die Nacht zu verbringen. Morgens stehen sie dann wieder in langen Reihen an den Feldküchen, bis der Marsch gen Osten seinen Fortgang nimmt. Nur wenige deutsche Soldaten sind es, die hier als Begleitkommandos ihren Dienst verrichten müssen. Die Franzosen wissen auf die Frage nach dem Sinn dieses Krieges keine Antwort zu geben. Immer wieder heißt es:Ja. die Englän­der ..." Auf ihre Bundesgenossen sind sie nicht gut zu sprechen. In den ersten Linien der Front haben sie keine gesehen, und hinter der Front ist es in gemeinsamen Ouartieren oft zu schweren Auseinandersetzungen gekom­men. So groß ist die Abneigung, daß jeglicher gegenseitige Verkehr verboten wurde und man getrennte Kantinen entrichten mutzte. Die Meinung der gefangenen Engländer über die Franzosen? Der Soldat Andrews von den Buffs faßt sie kurz zusammen:Wir lieben sie nicht!" Sie haben uns nicht als Bundesgenossen behandelt. Seine Kamera­den nicken dazu. Ihre augenblickliche größte Sorge äußert sich jedoch in der ständigen Frage:Kriegen wir auch etwas zu essen?" Das alte Märchen von der Hungersnot in Deutschland hielten auch sie so lange für Wahrheit, bis deutsche Soldaten ihnen Brot gaben.

Ueberhaupt der deutsche Soldat. Die Engländer müssen seine Ueberlegenheit zugeben. Wie fast alle ande­ren Gefangenen dieser Kolonne hatten sie bisher kaum einen Schutz abgegeben, dann waren sie plötzlich einge­kreist und jeder weitere-Widerstand war zwecklos. Gegen die neue deutsche Taktik war ihre Führung machtlos. Mit Entsetzen sprechen sie v-on den deutschen Tieffliegern und Stukas, deren Angriffe auf die Truppe ungeheuer demo­ralisierend wirkten.

Neben diesen Kolonnen der Gefangenen ziehen die Flüchtlinge in ihre Dörfer und Städte zurück. Frauen, Kinder und Greise marschieren und fahren auf Pferde­karren in glühender Hitze täglich bis zu 30 Kilometer ihren Heimatorten zu und sind froh, wenn deutsche Soldaten ihnen von ihrer Verpflegung abgeben. Während die stäh­lerne Klammer um den in Nordfrankreich und Belgien ein­geschlossenen Gegner immer enger wird, marschiert eine geschlagene Armee nach Osten, ein Zeichen des nahen Sieges.

Slratzenkampf um Lille

Von Kriegsberichter Kiekleben-Schmidt

II.

(PA.). Ziemlich heftig ist die Begegnung der um den Besitz der Stadt ringenden Gegner in Richtung auf die nn Nordwesten liegende Zitadelle geworden. Bereits um >15.40 Uhr jedoch laust aus dem Regimentsgefechtsstand die Meldung ein, daß zwei Züge einer Kompanie in die von einem breiten Wasserlaus geschützten und durch Sprengun­gen und Minensperren schwer zugänglich gemachten Be­festigungen eingedrungen sind, noch 250 Mann der Be­satzung gefangengenommen und auf der Zitadelle di« Reichskriegsslagge gehißt haben.

In der Umgebung der Zitadelle gleichen die Straßen den Rückzugswegen aus den Schlachtfeldern draußen im Lande. Die Rue Solferino. der Quai Vauban, die Avenue de Dunkerque, der Boulevard de la Liberte und viele an­dere Gassen, Plätze und Straßen sind bedeckt mit Trüm­mern und Scherben, umgestürzten, verbrannten und ver­lassenen Fahrzeugen aller Art. Vor dem deutschen MG- und Pakfeuer zieht der Gegner sich zurück, unterläßt es aber nicht, sich an der nächstbesten Häuserecke wieder festzusetzen und weiter zu kämpfen. Einzeln und zu ganzen Gruppen wird der Feind aus seinen Stellungen und aus den Häu­sern herausgeholt. Was nicht fällt, verwundet wird oder flieht, wird gefangengenommen. Die Züge der Gefangenen, die sich nach hinten durch die schon eingenommenen Straßen bewegen, wachsen ständig. Sanitätswagen jagen vor und zurück. Und wenn auch nicht gerade zwischen den vorder­sten Linien, so doch kaum mehr als 200 oder 300 Meter da­hinter gehen neugierige Zivilisten mit einer verblüffen­den Sorglosigkeit spazieren. Was allerdings in der Haupt­sache zurückgeblieben ist, scheint vorwiegend lichtscheues Ge­sindel zu sein, das sich jetzt der Plünderung in den verlasse­nen Häusern ihrer Mitbürger solange hingibt, wie die kämpfende deutsche Truppe noch keine Zeit hat. sie in Ge­wahrsam zu nehmen. Dazwischen bewegen sich eillige bie­dere Bürger deren Zahl in dem Augenblick wächst, als die ersten gefangenen Kolonnen durch Lille ziehen. Sie reichen ihren Landsleuten Erfrischungen und brechen bei ihrem

Anblick immer wieder in Tränen aus, vor auem m« Frauen, die, wenn einmal die Frage fällt:Wo sind dte Engländer?". in leidenschaftliche Anklagen gegen die Freunde" ausbrechen. Auch die Männer halten mit abfäl- ligen Urteilen nicht zurück.

Diese Stimmung gerade in Lille anzutreffen. m oezeicy- nend für den Umschwung der Gefühle des Durchschnitts- franzosen, denn kaum eine andere Stadt in Frankreich war wohl so auf die britischen Bundesgenossen eingestellt wie diese. Kaum ein Geschäft ohne den Hinweis, daß hier eng- lisch gesprochen wird, in den Auslagen englisch-französische Wörterbücher, Puppen in der Uniform des Tommys, eng­lische Krawatten und englische Zigaretten, jedes Restaurant hat einenTearoom" und preist Original englischeDrinks" an, auf Plakaten gedruckt und auf die Fenster gemalt die Trikolore über dem Union Jack, und in den Kinos englische Filme. Ein Bahnpolizist hat soviel englisch gelernt, daß er einem auskunftwünschenden deutschen Soldaten auf eng« lisch antwortet. Doch die Freude war kurz. Die Zuneigung beginnt sich, oder besser hat sich schon in Haß und Verach­tung gewandelt. Aeußerlich erkennbar dadurch, daß man dabei ist, aus die Fenster gemalte Union Jack abzukratzen, dieEnglish Drinks" unter die Theke zu stellen und die bri­tischen Gefangenen keines Blickes zu würdigen. Nicht etwa, um jetzt das Hakenkreuz zu ziehen oder Münchener Bier an­zubieten. sondern aus ehrlich gemeintem Gefühl heraus.

Der erste Abend unter deutscher Besetzung breitet sich über Lille aus. Die Nacht bleibt unruhig. In das Infan­teriefeuer mischt sich die drohende Sprache schwerer Ge­schütze. Aus dem Nordteil der Stadt ist der Feind hinaus­gedrängt, aber im Süden im Faubourg des Postes, im Fall» bourg d'Arras-Bethune. wird noch schwer gekämpft, Der Druck der vom Süden her aus der Richtung Douai vor» gehenden deutschen Verbände wird immer stärker. In Lille gewinnen die eingedrungenen Deutschen neue Plätze un- weitere Straßenzüge. Da entschließt sich der französische Be­fehlshaber zur Kapitulation. 4000 Mann ergeben sich.

Großadmiral Raeder besichtigt die deutschen Truppen t« Norwegen. Dieser Abschaum-er Menschheit sollte das alte deutsche Kulturland erobern!

Der Großadmiral auf der Fahrt von Horten nach Oskarsburg. Französische Gefangene, Farbige aus den verschiedensten Erdteilen.

PK.-Schenk-Weltbild (By. PK.-Kofferje-Wcltbild (M).

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Dieser Abschaum der Menschheit sollte das alte deutsche Kulturland erobern!

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