Donnerstag den 16. November 1S3S
Der Enztäler
97. Jahrgang Nr. 2kg
Drei Eindecker im Quadrat 6032
Was unsere Lustnachrichtentruppe hinter den Kulissen des Krieges zu leisten hat.
„Am gestrigen Nachmittag konnten im Luftraum über X zwei feindliche Bomber von unseren Jägern abgeschossen wer- den, während südwestlich von der Stadt Y ein feindliches Aufklärungsflugzeug von einer Flakbatterie zum Absturz ae- bracht wurde!" ' ° "
Nur wenige Worte, mit denen im amtlichen Heeresbericht in sachlicher Art davon berichtet wird, wie unsere Jäger und die Flak wieder einmal erfolgreich tätig waren. Aber nichts ist zu lesen davon, daß noch weit mehr MensKn daran be- teiligt waren, den Gegner so schnell zu finden; denn sehr oft erhalten unsere Jäger und die einzelnen Flakbatterien erst von anderer Seite den richtigen Tip, — das Wann, Wie und Wo. Da treten dis Männer von der Luftnachrichtentruppe in Erscheinung, die den geheimen Maschenkrieg führen, den anderen Verbänden der Luftwaffe das Wild aufspüren und ihnen die Fährte zeigen.
Klaffend schlägt die Tür des Bunkers auf. Dicke Filzgewebe bedecken den Boden, machen unsere Schritte unhörbar. — „Ruhe!" In fetten Buchstaben steht dieses Wort an einer der Türen, durch die wir in den Hauptraum gelangen. Ein Wandtisch neben dem anderen. Vor ihnen, die Kopfhörer aufgestülpt, Männer mit den braunen Spiegeln unserer Luftnachrichtentruppe. Am laufenden Band schütten Fernschreiber, Fernsprecher und Funk ihre Meldungen aus. Meldungen, deren Inhalt die nächsten Kampfhandlungen bestimmen. In monotonen Abständen summen die Morsegeräusche durch den Raum, hackt der Fernschreiber seine Typen auf das schmale Papierband. Was geht hier vor sich?
Sehr oft werden wir uns in den vergangenen Wochen und Tagen gefragt haben, wie ist es möglich, daß unsere Flak und unsere Jagdverbände immer mußten, aus welcher Richtung sind feindliche Flugzeuge zu erwarten, wie groß ist die Anzahl und wann ist mit ihrem Eintreffen hier zu rechnen? Wie ist es möglich, daß auf dem denkbar kürzesten Wege sämtliche Abwehrmaßnahmen getroffen werden können? Fragen, deren Beantwortung wir unseren Luftnachrichtenleuten überlassen, dem liebenswürdigen Hauptmann dieser kleinen Zentrale.
Draußen — aus weit vorgeschobenem Posten an der Grenze stehen unsere Flugwachen. Gleich einem Spinneneh verteilen sie sich aus das gesamte Kampfgebiet. Suchen mit ihren Gläsern dauernd den Luftraum ab, versuchen auch das leiseste Motorengeröusch aufzunehmen.-Feindliche Flug
zeuge fliegen über die Grenze! Im Augenblick sind . . .zig Gläser gen Himmel gerichtet, ... dis Feldtelefone rasseln, die Zentralen werden alarmiert! „Drei Eindecker aus Richtung X gesichtet, vermutliche Höhe 2500 Meter!" So etwa meldet jede Flugwache ihre Beobachtungen der zuständigen Zentrale, die sofort die notwendigen Abwshrmaßnahmen trifft. Nur wenige Sekunden — und schon weiß das nächste Flakkommando Bescheid, kann die Batterien auf die ungefähre Richtung einrichten lassen. Die Kanoniere stehen schußbereit an ihren Geschützen. Vom nächsten Feldslughafen unserer Jäger starten sofort nach Erhalt der alarmierenden Nachricht hinreichend Maschinen, um den Gegner zu stellen.
Aber nicht immer wird der Nachrichtenmann draußen in der vorgeschobenen Flugwache über dis „Strippe" Verbindung bekommen. Feindliches Artilleriefsuer und MG.- Earben haben den Draht in Fetzen geschossen. Was dann?
-Nun, dann hilft der Funk! Ihm kann der Feind keine
Drähte zusammenschießen. Seine Meldungen werden nicht getroffen. Das ist der Krieg hinter den Kulissen.
Schaut man sich die Gesichter dieser Jungs an, die angestrengt horchend vor ihrem Gerät sitzen, dann weiß man, daß jeder von ihnen „Köppchen" haben muß und — hat! Oft ist eine solche Nachrichtenkompanie der Luftwaffe auf ein großes Gebiet verteilt, auf Kommandostellen verschiedener Aufgabengebiete, deren Nachrichtenzentren von diesen Männern beherrscht werden müssen. Wenn wir deshalb sehr oft dahin schauen, wo die Batterien dröhnen, wo die MGs. in der Lust hämmern, wo Flugzeuge sich im Lustkampf messen, dann wollen wir nicht die Männer mit den braunen Spiegeln vergessen, die solche Erfolge erst „eingefädelt" haben.
Aus Württemberg
Todesurteil rechtskräftig.
— Stuttgart. Aus Leipzig wird gemeldet: Das Reichsgericht hat die von dem 37jährigen Friedrich Pfersching aus Urach gegen das Urteil des Schwurgerichts Tübingen vom 26. September eingelegte Revision als unbegründet verworfen. Nunmehr ist der Beschwerdeführer wegen Mordes rechtskräftig zum Tode und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit verurteilt. Pfersching, der dem Trünke huldigte, wurde schon im Jahre 1036 wegen eines Brandes, de« er im Rausch gelegt hatte, zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Wegen des Trinkens machte ihm auch seine 32jährige Schwester Frieda Pfersching, die den mutterlosen Haushalt führt, öfter Vorhaltungen. Auch am 21. August d. I., an dem der Angeklagte einen „blauen Montag" gemacht hatte, hielt ihm seine Schwester seinen liederlichen Lebenswandel vor. Dadurch geriet der Angeklagte so in Wut, daß er mit einem Tischbein seine Schwester zu Boden schlug und hierauf die Bewußtlose an einer Tür- klinke aufhängte. Wie die Leichenöffnung ergab, war der Tod der bedauernswerten Frau auf Erhängen zurückzuführen. Nach der furchtbaren Tat hatte Pfersching die Schublade seiner Schwester erbrochen, einen erheblichen Betrag an sich genommen und dieses Geld in kurzer Zeit in Stuttgart und Metzingen verjubelt,
Vergütung bei Einquartierung
Zur Unterrichtung der Bevölkerung über die Vergütung, die für Gewährung von Quartieren für die Wehrmacht gezahlt wird, wird von zuständiger Seite mitgeteilt:
> Die Höhe der Vergütungssätze für die Gewährung von Unterkunft (Quartier) an Wehrmachtsangehörige richtet sich nach dem Dienstgrad des Eknquartierten, nach der Art der Belegung (Privat- oder Massenguartier) und nach der Jahreszeit (Sommer- oder Wintermonate). Nähere Auskunft hierüber erteilen die örtlichen Quartierämter. Die Vergütung für Verpflegung beträgt ohne Rücksicht aus den Dienstgrad m jedem Falle 1,35 Mark pro Tag. Die Einquartierung mit Verpflegung erfolgt zurzeit nur in besonderen Ausnahmefällen. Ankunsts- und Abgangstag gelten als ein Tag.
Die Zahlung der Ouartieroergütung erfolgt durch die Stadt- oder Gemeindeverwaltung. Die Quartiergeber müssen datier.naäi Abrücken der Truvve« die ihnen arrsqehändiqten Quartierzettel dem Städtischen Ouartieramt einreichen. Der Anspruch auf Quartiervergütung erlischt, wenn er nicht innerhalb eines Monats nach Freiwerden der Quartiere angemeldet worden ist. Bei längerer Einquartierung kann auf Wunsch auch eine Zwischenabrechnung vorgenommen werden. Die Quartierzettel könne« auch bei de« Verwaltungsstellen abgegeben werden zur Weiterleitung an das Quartieramt. '
lleber den Zeitpunkt der Auszahlung erfolgt in jedem Falle besondere Mitteilung.
Ha-ische Chronik
(!) Karlsruhe, 15. November.
(!) Schwerer Verkehrsunfall. Auf der Ettlinger Allee bei der Lauterseebrücke stießen ein Personenkraftwagen und ein Pferdefuhrwerk zusammen. Hierbei wurde eine Person schwer und eine leicht verletzt. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt.
II Mannheim, 15. November.
HI Von der Lokomotive gestürzt. Kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof Breiten fiel ein aus Mannheim stammender Heizer von der Lokomotive, wobei ihm ein Fuß abgefahren wurde. Trotzdem Hilfe alsbald zur Stelle war, starb der Verunglückte im Brettener Krankenhaus. Er hinterläßt Frau
tz? Bohlsbach b. Offenburg. (Der Tod aus den Schienen.) Der Eisenbahnbeamle Theodor Litterst von hier wurde, als er nach Feierabend im Begriff war, den Rangierbahnhof Offenburg zu verlassen, von einem Zug erfaßt und auf der Stelle getötet. Der Verunglückte hinterläßt Frau und vier Kinder
m Schwetzingen. (Seltenes Familienfest.) Die Familie Eund feierte ein seltenes Familienfest. Ein Sohn und zwei Töchter der Familie feierten an einem Tage Hoheit.
Q Höpfingen, Kr. Buchen. (Ehrenpatenschaft.) NS.-Reichskriegsopferführer Oberlindober hat die Ehrenpatenschaft für das 10. Kind von Konrad Hauck übernommen.
9 Kenzingen. (Vom Heuboden gestürzt.) Beim Ausladen von Fruchtgarben, di« auf dem Heuboden lagerten und zum Dreschen gebracht werden sollten, rutschte der SS« jährige Landwirt Karl Bueb aus und fiel in die Tenne. Der Verunglückte wurde in das Städtische Krankenhaus verbracht, wo man erhebliche Becken- und Rippenqueischungeil feststellte.
ln Neidenstein. (Ortsälteste gestorben.) Im Alter von 03 Jahren ist Frau Maria Trautmann, unsere ältest? Einwohnerin, gestorben.
LI Eichtersh.'jm. (Unglücksfall.) Beim Laden eines Strohwagens fiel der 60jährige Fuhrmann Schleckmann, der beim Hofgut beschäftigt ist, vom Wagen und zog sich schwere innere Verletzungen zu.
9 St. Blasien. (Tragischer Tod.) Beim Hantieren mit Sandsäcken, die er zum Ausbau seines Luftschutzkellers benötigte, zog sich der Bäckermeister Christian Hecklek schwere innere Verletzungen zu, denen er erlegen ist- .
Gewichte und Preise für Kleingebäck.
Der Getreidewirtschaftsverband Baden ordnet an: 1>r Preis für ein Stück Kleingebäck (Wasserware, z. B. Wasserwecke, Salzwecke, Staubwecke, also alle aus Wasserwecken- teig hergestellten Backwaren, ohne Rücksicht auf Form) im Normalgewicht von 46 Gramm beträgt 3,5 Pfg. Der Preis für ein Stück Kleingebäck (Milchware, die aus Magermilch ohne Zusatz von Zucker und Fettstoffen hergestellt ist, z.B. Milchwecke, Hörnchen, Mohnbrötchen also alle aus Milchweckenteig hergestellten Backwaren ohne Rücksicht auf Form) im Normalgewicht von 46 Gramm beträgt 4 Pfg. Der Preis für ein Stück Kleingebäck (Milchware, die als mürbe Backware bezeichnet wird und unter Zusatz von Zucker und' Fettstoffen oder Fett hergestellt wird, der Zusatz insgesamt jedoch nicht mehr als 10 Eewichtsanteile Zucker und Fettstoffe oder Fett beträgt) im Normalgewicht von 46 Gramm beträgt 5 Pfg. Der Gewichtsanteil an Zucker und Fettstoffen oder Fett, für mürbe Backwaren darf nicht unter den seitherigen Gewichtsanteilen liegen. Das Verhältnis der all Milchware (Mürbegebäck) hergestellten Menge darf nicht zum Nachteil der an Wasserware und gewöhnlicher Milchware her- gestellten Menge verändert werden. Beim Verkauf von Kleingebäck darf der Preis, sofern sich bei der Berechnung des Gesamtbetrages 0,5 Pfg. ergibt, auf den vollen Pfennia- betrag nach oben aufgerundet werden.
-lus -en Nachbargauen
Hirschhorn, Lessen. <B ermißt.) In Beerfelden wird der 70 jährige Werkmeister Chors vermißt. Vor einigen Tagen ist er spazieren gegangen und nicht wieder zurückgekehrt. Da der Vermißte an Arterienverkalkung leidet, nimmt man an, daß er in der Gegend umherirrt. Chors ist 1,M m groß, trägt Zwicker, dunklen Rock und dunkle Lose, Strickweste, Mantel und Mütze. Mitteilungen sind an die Volizei in Beerfelden zu machen.
Ludwigshafen. (Radfahrer tödlich verunglückt) Beim Ueberqueren der Bruchrvteienstraße an der Raschigstraße stieß am Dienstag abend ein Radfahrer mit einem stadteinwärts fahrenden Personenkraftwagen zusammen. Der Radfahrer wurde schwer verletzt und ist inzwischen gestorben.
Kaiserslautern. (Folgenschwerer Rat). Wegen fahrlässiger Tötung hatte sich eine Frau vor Gericht zu verantworten. Sie hatte einer anderen Frau zugeredet, sich nicht operieren zu lassen, als diese nach einer ärztlichen Untersuchung, die eine Gallensteinoperation für nötig hielt, zu ihr gekommen war. Die Kranke ist bald darauf gestorben. Die Strafkammer in Kaiserslautern stellte fest, daß ans Grund der vom Führer angeordneten Amnestie das Verfahren eingestellt werde, da keine höhere Strafe als drei Monate Gefängnis zu erwarten sei.
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Und wenn er einmal groß ist und sich eine Lebensgefährtin erwählt, dann versuche nicht, in das Schicksal einzugreifen, wie dein Vater es tat. Das röcht sich zu bitter."
Seine Hand lag in der ihren. Es war ihm, als müsse er die Knie beugen und den Kopf in ihren Schoß legen. Wie gut, daß er ihr das alles einmal hatte sagen dürfen. Ihm fiel der Spruch wieder ein, den er heute auf der Rückseite eines Kalenderblattes gelesen und der ihn so seltsam betroffen gemacht hatte:
„Sie haben dich fortgetragen,
Ich kann es dir nicht mehr sagen.
Wie oft ich bei Tag und Nacht Dein gedacht —
Dein und was ich dir angetan Auf dunkler Iugendbahn.
Ich habe gezaudert, versäumet,
Hab' immer von Frist geträumet. über den Hügel der Wind nun weht:
Es ist zu spät."
Ein Fröstpln rieselte über seinen Rücken. Wie gut, daß es bei ihm nicht zu spät gewesen war. —
Und dann kam der Tag, daß ein mit zwei prächtigen Füchsen bespannter Wagen vor dem Bormannschen Hause hielt. Ein jauchzendes Kind wurde hineingehoben, das mehrmals bat: „Mammi, kommst du denn nun auch bald?"
Ein alter Mann und eine junge Frau saßen im Wagen und nahmen es behutsam in ihre Mitte, liehen die kleinen Hände die Leine mit anfassen.
An der Hauswand aber lehnte eine totenblasse Frau, deren Kehle kein einziges armseliges Wort der Entgegnung
mehr hergab. Beide Hände hatte sie flach und wie haltsuchend an die kalten Steine gepreßt. Diese Hände, die der alte Mann vorhin dankbar und in scheuer Ehrfurcht gedrückt hatte. Der Mund war zu einem schmerzhaften Lächeln verzogen.
Als der Wagen um die Wegbiegung verschwand, glitt sie lautlos zu Boden. Und wenige Minuten später jagte Wilhelm Bormann zum Dorfe, um den Arzt zu holen.
*
Unablässig rinnt die Zeit, wenn auch die Menschen im Übermaß des Schmerzes manchmal meinen, sie müsse stillestehen.
Die Ereignisse auf dem Eickhofe hatten in der ganzen Gemeinde großes Aussehen erregt und bildeten wochenlang fast ausschließlich das Tagesgespräch. Viele verstanden Lenas Handlungsweise nicht; viele — besonders Frauen — sagten, sie hätten das nicht getan, den Eickhoffs das Kind gegeben, nein, nun gerade nicht.
Dann kamen durch die Dienstboten allerhand Einzelheiten über die Weiterentwicklung der Dinge in die Öffentlichkeit. Man erzählte sich, wie die vom Eickhofe sich mühten, Lena ihre Liebe und Dankbarkeit zu bezeigen. Besonders Hille sollte sehr oft bei ihr zu finden sein.
Der kleine Hermann sollte sich ja auch sehr wohl fühlen auf dem Eickhose. Die beiden Bormanns Mädel waren öfter da zum Spielen, damit er sich leichter in die veränderten Verhältnisse fand.
Und der Alte schien ja wirklich einen Narren gefressen zu haben an dem Jungen. Beide waren unzertrennlich: sie schliefen sogar zusammen. Hermann hatte bei niemandem sonst schlafen wollen. Ja, es war doch eine wunderliche Welt: Dieses Kind, das er verstoßen hatte, bevor es noch das Licht der Welt erblickte, wurde nun die Freude und das Glück seines Alters. —
In der Wohnstube des Bormannschen Hauses hing seit einiger Zeit ein großes Bild. Die beiden Mädel hatten es einmal mitgebracht vom Eickhs-r. Es zeigte Widren Hermann Eickhoff mit drss Jagdhund.Ltz^.'2«ch-nd, strahlend, ein Bild AHender-
Vor diesem Bilde saß Lena Bormann manche Stunde und trank seinen Anblick in sich hinein. Einmal hatte ihr Junge sie besucht; einmal hatte sie ihn wiedergesehen. Es war ein beglückendes und doch schmerzhaftes Wiedersehen. Er war so erfüllt von seinem neuen Leben. Er sprach von Opa und Oma, von Vater und Mutter und erzählte in kindlich-sprunghafter Art von seinen Erlebnissen. Wohl sagte er noch: „Mammi, wann kommst du denn?" Aber sie fühlte es doch, wie er ihr entglitt, wie er schon ganz fest dort wurzelte. Kleine Kinder passen sich leicht an, kleine Kinder vergessen leicht! Und hier kam noch die Stimme des Blutes hinzu, die doch übermächtig war.
Wohl tat das weh, aber es war doch gut so. Wenn einmal ihre Stunde kam, dann konnte sie beruhigt die Augen schließen in dem Gedanken, daß ihr Kind gut aufgehoben war. Niemand konnte wissen, wie nahe diese Stunde schon war. Vielleicht kam sie schon heute oder morgen, vielleicht auch erst in Monaten. Aber kommen würde sie. Lena wußte es ganz genau: Diese schweren Herzansälle würden sich immer wiederholen, und einmal würde sie davon nicht mehr erwachen. Auch der berühmte Arzt aus der Stadt, den der Alte vom Eickhofe für sie kommen ließ, konnte daran nichts ändern.
Aber dieses Wissen hatte nichts Schmerzhaftes oder Erschreckendes für Lena. Das arme, gequälte Herz würde dann endlich Ruhe haben. Und der Sinn ihres Aaseins war ja erfüllt, ihr Leben nicht umsonst gelebt. Ein anderes war daraus entsprossen, stand nun im sieghaften Lichte und würde den Namen eines alten Geschlechtes weitergeben an kommende Generationen. Liebe und Haß, Irrtum, Schuld und Reue, das alles lag weit zurück im milden Glanze der Versöhnung. Geblieben war nur die Sehnsucht, die erst mit dem letzten Atemzuge erlöschen würde.
Und immer wieder wandelten ihre Augen zum Fenster hinaus, dorthin, wo hinter dem Erlengehölz der Eickhof lag. Dorthin, wo ihr Kind jetzt spielte und lachte, schaute sie mit fernem Blick — lange — lange.
Ende.