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zusammen gedient. Derselbe habe sich überall der ößten Hochachtung erfreut und sei auch bei edlen Damen beliebt gewesen. Mehrere Monate lang habe er Gelegenheit gehabt» den Verkehr zwischen dem Grafen Moltke und dem Fürsten Eulenburg zu beobachten, aber niemals hätte er in den Beziehungen beider Männer etwas sexuelles oder etwas erotisches bemerkt. In der Verhandlung vor dem Schöffengericht habe Harden ausgesagt» der Chef des Militär-Kabinets Graf Hülsen-Häseler habe eine derartige Aeußerung über den Grafen Moltke gemacht, daß er sie nur unter Ausschluß der Oeffentlichkeit wiedergeben könne. Infolgedessen habe sich der Zeuge an den Grafen Hülsen um Auskunft gewandt und dieser habe ihm geantwortet» daß er niemals eine derartige Aeußerung getan hätte. Zeuge geht dann weiter ausführlich auf seinen Kartellauftrag bei Harden ein. Harden hätte damals erklärt, daß er seit längerer Zeit fest überzeugt sei, daß Graf Moltke geschlechtlich anormal empfinde. Seine Ueberzeugung sei durch die Ehescheidungsakten bestärkt worden, sowie durch Aussagen von Leuten, welche dem Grafen früher nahe standen. Graf Moltke habe dem Zeugen freiwillig sein Ehrenwort gegeben, dcß er niemals mit Männern geschlechtlich verkchrt Habs. Zeuge bade hiervon Harden Mitteilung gemacht, worauf Harden eine schriftliche Erklämng aurstellte, daß er keinen Anlaß habe, an dem Ehrenwort des Grasen zu zweifeln. — Der Oberstaatsanwalt teilt um 11 Vs Uhr mit, daß soeben Fürst Eulen- bürg erschienen sei und im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand bitten lasse, sofort vernommen zu werden. Nach kurzen Einsprüchen des Justiz- rats Kleinholz beantragt der Oberstaatsanwalt ferner, während der Vernehmung des Fürsten Eulenburg» des Grafen Kuno Mollke, der Frau von Elbe und eventuell noch anderer Zeugen die Oeffentlichkeit aurzuschließen. Nach kurzer Beratung verkündet der Präsident, daß der Gerichtshof die Oeffentlichkeit bis auf Weiteres ausschließe und daß auch die anwesenden Journalisten den Saal zu verlassen hätten.
Palermo 19. Dez. In einem Waffenladen in der Lazzarinistraße, in dem auch eine Niederlage in Pulver und Dynamit unterhalten wird, ereignete sich eine Explosion, infolge deren das Haus etnstürzte. 25 Personen wurden getötet, ungefähr 100 verletzt. Infolge der Explosion wurden alle Fensterscheiben in einem Umkreis vom 500 w zertrümmert. Zur Hilfeleistung traf Militär und die Feuerwehr ein.
Pittsburg 19. Dez. Inder „Pittrburg Coal-Company" gehörigen „Dare"-Kohlenmine fand heute vormittag eine heftige Explosion statt, die in weitem Umkreis vernommen wurde. Unmittelbar nach der Explosion entstieg eine dichte Rauchwolke dem Mineschacht. 400 Minen- arbeiter wurden verschüttet. Man befürchtet, daß sämtliche umgekommen find. Die Mine brennt. Ein späteres Telegramm besagt: Der Vizepräsident der Pittsburger Kohlenminen gibt an, daß sich in der Dare-Kohlenmine bei der Explosion vermutlich gegen 160 Personen befunden haben. Wegen des gleich nach der Explosion ausgebrochenen Brandes ist es bis Nachmittag nicht gelungen, den Verschütteten Hilfe zu bringen. Unter ihnen befinden sich gegen 100 Amerikaner; der Rest soll zum größten Teil aus Ungarn bestehen. Auch der Leiter des Werks ist unter den Verschütteten. — Eine von Gar field, dem Sekretär de» Innern, eingesetzte Kommission gibt in einer Zusammenstellung die Zahl der durch Unglücksfälle in den Kohlenbergwerken itt den letzten 17 Jahren um« Leben gekommenen Menschen auf 22 840 an, wovon die Hälfte der Todesfälle sich in den letzten 6 Jahren ereignet hat. Im Jahr 1906 wurden 6861 Menschen von Unglücks- sällen betroffen, von denen 2061 tödlich verliefen.
Vermischtes.
Lohnherabsetzungen inderEisen- industrte. In Dortmund haben eine größere Anzahl von mittleren und kleineren Betrieben des Eisen- und Metallgewerbe» im Einvernehmen mit ihren Arbeitern bi» auf weitere» eine Lohn, Herabsetzung von 15°/» vorgenommen. Die Betriebsleitungen gaben den Vertretern der Ar
beiter Aufschluß über den gegenwärtigen Stand der Arbeitsgelegenheit und stellten den Arbeitem folgende Wahl: entweder müßten die Betriebe Arbeiterentlaffungen vornehmen, oder es müßten jede Woche ein paar Feierschichten eingelegt, oder endlich es müßte eine 15prozentige Lohnherabsetzung für die nächste Zeit vorgesehen werden. Die Arbeiter waren grundsätzlich gegen Entlassungen, aber nach einiger Ueberlegung auch gegen die Einlegung von Feierschichten. Sie entschieden sich für eine vorübergehende allgemeine Lohnherabsetzung, wobei ihnen zugesichert wurde, daß bei einer entsprechenden Hebung des Auftragsbestandes die alten Löhne alsbald wieder in Kraft treten sollten. Es ist nicht ausgeschloffen, daß dis jetzige Lohnherabsetzung schon zum Frühjahr wieder wegfallen kann. Das Vorgehen der Dortmunder Betriebe ist in jeder Beziehung beachtenswert: einmal deshalb, weil die Betriebsverwaltungen den Vertretern der Arbeiter die augenblickliche Lage mit weitgehender Offenheit darlegten und nicht über die Köpfe der Arbeiter hinweg beschließen, sondern mit diesen zusammen sich über die zu ergreifenden Maßregeln besprechen wollten. Sodann aber haben auch dis Arbeiter dadurch, daß sie Entlassungen auf alle Fälle zu vermeiden suchten, ein gutes Beispiel gegeben. Ob in dem vorliegenden Falle die Lohnhercbsetzungen der Einlegung von Feierschichten vorzuziehen war, das entzieht sich für den Fern erstehen den einer richtigen Beurteilung.
Eingesandt.
In der vom „Gemeindeverband zur Erstellung eines Elektrizitätswerks für den Bezirk Calw" am 13. Dezember einberusenen öffentlichen Versammlung hat der Unbeteiligte zum ersten Mal Gelegenheit gehabt, nicht nur allgemeine Taten, sondern auch Ziffern über diese, gegenwärtig alle Gemüter in Stadt und Land bewegende Frage zu erhalten. Die hauptsächlichen Ausführungen des technischen Beraters des Gemeindeverbands find in dem Bericht über diese Versammlung in No. 200 des „Calwer Wochenblatts" wiedergegeben; da es selbstverständlich für den Zuhörer bei der Menge von Zahlen und bei der Kürze der zur Verfügung gestandenen Zeit sehr schwer, ja überhaupt unmöglich war, eine abweichende Meinung über verschiedene Angaben de« Gemeindeverbands in der Versammlung selbst zur Sprache zu bringen, so sei gestattet, an dieser Stelle eine sachliche Erwiderung zu bringen.
Zunächst werden wohl die meisten Woffer- werksbesttzer an der Nagold einer Meinung sein, nämlich der, daß die vom Gemeindeverband seiner Rechnung zu Grund gelegten Waffermengen von durchschnittlich 3,8 cbm. per Sek., ebenso die angeblich niedrigste Wafsermenge von ca. 2 obm. per Sek. ganz bedeutend zu hoch gegriffen find.
Die jahresdurchschnittliche Wassermenge bei Talmühle wird knapp 3 edm. per Sek. betragen und der niederste Wasserstand ebendaselbst beträgt für 2 Monate pro Jahr 1 ebm. (ganz abgesehen von dem Ausnahmsjahr 1907, in dem diese Kalamität 3 bis 4 Monate gedauert hat). Bei 11,38 m Nutzgefälle werden also statt der vom Gemeindeverband angegebenen, mittleren Jahresleistung von 466 ?8 nur 340 bis 350 ?8 in Rechnung zu nehmen sein und da die Kosten für die Wafferwerkserstkllung einschließlich der benötigten elektrischen Maschinen minimal 500000 ^ betragen, so stellt sich die fertige mittlere Pferdekraft auf ca. 1400
In unserer Gegend darf ein Wasserwerk nicht über 1000 ^ pro ?8 kosten; darüber hinaus ist die Wasserkraft jeder anderen motorischen Kraft wirtschaftlich unterlegen.
In dem Vortrag find ferner Angaben über das benachbarte Herrenberger Elektrizitätsunternehmen gemacht worden, welche bei einem Vergleich mit den hiesigen Verhältnissen zu folgenden Zahlen führen:
Herrenberg Calw
Zahl der Ortschaften: 44 ?
abzügl. der be- e reits versorgten
Einwohnerzahl: 39 000
^ 22 000
Kilometer Fernleitung: 150 170
Anschlüsse: Motoren
771
?
?8 nominell
2400
?
Glühlampen
5000
?
Er treffen auf 1 km Fernleitung: a. Einwohner
260
130
b. Anschlüsse
6
?
Die angegebene durchschnittliche Monats- einnahme aus Strombezug betrug in Herrenberg 8000 ^; es sind also in 30 Tagen ü 15 Betriebsstunden gleich 450 Betriebsstunden W gleich 17,7 ^ stündliche Einnahme erzielt worden; der Tarif beträgt für Tagesbetrieb 20 iZ. für Abend- und Nachtbetrieb 45 pro LIV-Stunde; rechnen wir also noch günstig nur 25 ^ Mittelpreis, so find im Mittel -U gleich 70 LM per Stunde tatsächlich verbraucht worden: ein unglaublich geringer Kraftbezug, dem ein Aufwand von ganzen 90 Pferdestärke« im Mittel am Kiebiuger Werk entsprochen hat.
Selbstverständlich sei damit nicht gesagt, daß diese 90 ?8 jede Stunde gleich geblieben find; es können an besonders strengen Stunden 200 I>8 abgenomrnen worden sein, während zu anderer Zeit vielleicht nur 20 ?8 durch die Zähler geflossen sind; aber feftnageln wollen wir, daß selbst eine günstige Rechnung für die Versorgung einer vorwiegend ländlichen Bevölkerung von beinahe 40 000 Menschen den mittleren Kraftbedarf von 90 ?8 ergibt!
Für den Bezirk Calw würden, auf dieser Vasts gerechnet (22 000 Einwohner einschließlich der Stadt Calw gegen 39000 in Herrenberg) exklusive der vertragsmäßigen Versorgung der Spinnerei Keniheim und der Talmühle 50 bis 60 ?8 durchschnittlich genügen; dies sei deshalb hervorgehoben, weil der Gemeinde- verband von Anfang an mit so verdächtig großen Zahlen für Krasttedarf operiert hat. In der Versammlung wurde noch ausgesprochen, daß dem Gemeindeverband garnichts übrig geblieben sei, als selbst ein Wasserwerk zu errichten, während es genügsam bekannt ist, daß ihm noch dieses Frühj chr angeboten war, jedes Quantum Kraft, das der Bezirk je benötigen würde, für Dezennien hinaus zu gleichem Preis, wie die Herrenberger in Kiebingen, ebenfalls von einem Privatwerk beziehen zu können.
Damals hat es geheißen: „ja man braucht so viel Kraft, daß es viel billiger ist, wenn der Gemeindeverband dis Kraft in einem eigenen Werk erzeugt".
Und nun stehen wir vor dieser rechnerischen Tatsache, daß der ganze Bedarf eines Bezirks wie Calw mit einer im Durchschnitt lächerlich kleinen Kraft gedeckt werden kann und gedeckt wird.
Die Herrenberger haben» ganz abgesehen von der doppelt so großen BevölkerungSziffer pro Kilometer Fernleitung, insofern noch eine günstigere Rechnung, als sie lediglich mit elektrischer Energie handeln; sie kaufen den Strom von einem Privatgeschäft zu 2'/-- bis 3'/r --Z pro L^V-Stunde und geben ihn auf ihrem Leitungsnetz, das ca. 80000 ^ Verzinsung und Amortisation rc. pro Jahr kosten mag, zu einem entsprechend höheren Preis ob; wie würde sich jedoch ihre Rechnung stellen, wenn sie auch das Kiebinger Wasserwerk, welches selbst bei kleinerem Ausbau ca. V- Million gekostet hätte, als „eigen" mitzuschleppen hätten? Man kann allerdings ein Defizit vermeiden, wenn man nichts ab schreibt, allein nach wenigen Jahren wird man bei einem derartigen Unternehmen vor die bittere Notwendigkeit gestellt, auf schreiben zu müssen, da wo man es sich garnicht gedacht hat und mehr, als man sich träämen ließ!
Man gebe sich auch nicht der Hoffnung hin, daß Gewerbtreibende und Fabriken, welche irgend eine Kraft mehr als 6 Stunden täglich das ganze Jahr hindurch benötigen, sich bei 20 pro Stunde jemals an das Werk anschließen können, den in diesem Fall arbeitet ein eigener Sauggas-, Diesel- oder Dampfmotor bei direktem Antrieb um den vierten Teil bis höchstens die Hälfte der obigen Satzes.
Nur da, wo ganz vorübergehend, d. t. für Minuten oder kurze Stunden, täglich kleine Kräfte benötigt werden, hat der elektrische Motor seine unleugbaren Vorzüge.