Dienstag den 2S. April 1939
/ins Württemberg
— Heilbronn. (Sechs Personen verletzt.) !vei einem Zusammenstoß zweier Personenkraftwagen auf der Kreuzung Moltke- und Oststraße wurden nicht weniger als sechs Personen — vier Kraftwageninsassen und zwei Fußgänger — so verletzt, daß sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen muhten. Auch entstand großer Sachschaden.
— Heilbronn. (StürzendeKulisseverursacht Achäd elbruch.) Im Kulifsenraum des Heilbrunner Stadttheaters kam ein Elektrotechniker schwer zu Schaden, als durch den Bruch eines Drahtseiles eine Kulisse einfiel und ihn am Kopfe traf. Der Arbeiter mußte mit einem komplizierten Schädelbruch in bewußtlosem Zustande in das Städtische Krankenhaus eingeliefert werden.
Kundgebung -es Schwäbischen Handwerks
Der Reichshandtverksmeister spricht.
— Stuttgart, 24. April. Aus Anlaß der Eröffnung der Reichsgartenschau veranstaltete das württembergisch-hohen- Mernsche Handwerk eine machtvolle Kundgebung. Nachdem Las Vorspiel zu den Meistersingern verklungen war, sprach üandeshandwerksmeister und Handwerkskammerpräsident Baetzner herzliche Begrüßungsworte. Sein besonderer Willkommensgruß galt Gauleiter Reichsstatthalter Murr, der stets ein lebhaftes Interesse für das Handwerk bekundet habe, und deyz Reichshandwerksmeister Schramm, der zum erstenmal in den Mauern Stuttgarts weilte.
Reichshandwerksmeister Schramm äußerte sich so- hann in längeren Ausführungen über die Ziele und Wege >es Handwerks im Reiche Adolf Hitlers. Eine Tagung, so ährte er u. a. aus, die im Zeichen des wirtschaftlichen Leuns unseres Lölkes stehe, müsse gleichzeitig auch im Zeiten der nationalsozialistischen Politik stehen, denn die ge- Mltigen Impulse auf allen Gebieten des deutschen Lebens, also auch auf dem der Wirtschaft, hätten ihren Ausgangspunkt in dem gewaltigen Erneuerungswerk des Führers. Reichshandwerksmeister Schramm zeigte sodann die gigantischen Leistungen seit dem Jahre 1933 in außen- und innenpolitischer. in wirtschafts- und sozialpolitischer, in wehrund kulturpolitischer Hinsicht auf, und wies nach, wie die nationalsozialistische Forderung nach Schaffung eines gesunden Mittelstandes Schritt für Schritt verwirklicht werde. Oer Führer habe durch diese Forderung die geschichtlich wertvollen Verdienste des Handwerkerstandes in den Aufbau der ganzen Nation einbezogsn, und dem Handwerk erwachse daraus die Verpflichtung, am Ausbau des deutschen Kolkes in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht mitzuwirken. Bei Behandlung der gesetzlichen handwerklichen Organisationen betonte der Redner, daß dieser Apparat Durchaus geeignet sei, das ganze Handwerk zu einem geschlossenen Arbeitseinsatz zusammenzufassen. Cs sei möglich gewesen, aus dem Handwerk einen wesentlichen Faktor im deutschen Wirtschaftsleben zu machen, den Ehrenmeister Ge- mralfeldmarschall Göring neben der Industrie einzusetzen vermöge. Reichshandwerksmeister Schramm erinnerte auch
Le Maßnahmen zur Entlastung des Handwerksmeisters Ech Modernisierung der Betriebe, durch die Linführung einer strafferen Buchführung, an den Ausbau M genossenschaftlichen Gedankens, an die Gründung von 2V handwerklichen Bauaktiengesell- schaften usw. Mit der Altersversorgung sei vom Handwerk ein Stück Nationalsozialismus als erstem deutschen Wirtschaftsstand aus freien Stücken verwirklicht worden.
Nach dem Huldigungsmarsch von Grieg dankte Landeshandwerksmeister Baetzner dem Reichshandwerksmeister und versicherte ihm, daß der schwäbische Handwerker auch in Zukunft den Ehrgeiz habe, zu den Treuesten und Fleißigsten M zählen.
Der Enztöler
Vom Gchwarzwalöverein
- Haiiptausschuhsihnng in Oberkirch.
, 0 Obrrlirch, 24. April. Die Teilnehmer an der Be- Weinpfades kamen über die Höhen erblühten Bottenauer Tales und über den Rebort des Renchtales, dem alten idyl- Irschen Weinstadtchen Oberkirch. Hierher hatte auf den Nachmittag der Schwarzwaldveretn die Vertreter der 151 Zweia- Eeine aus Baden-Württemberg zur Hauptausschußsitzung eingeladen. Bei der Eröffnung der Tagung, der eine Sit- zung des, Hauptvorstandes oorausgegangen war, konnte der Präsiden , UnwersitStsprofessor Dr. Schneiderhöhn-Freiburg, erne stattliche Mitglkderzohl begrüßen.
. 2)^ Tagesordnung brachte zunächst die Bekanntmachung
ns umfassenden Jahresberichts, der bereits früher verösfeut- lrcht wurde. Die Beratung des Haushalts für 1939, der nach Beschlüssen des Verrvaltungsausschusses aufgestellt wor- krgab eins Einnahme- und Ausgabesumme von 73100 Mark. Neben den Verwaktungs» und Verlagsausgaben wurden namhafte Summen für die Unternehmungen des Hauptvereins - hauptsächlich zur Unterhaltung der Wanderwege und Einrichtungen — und für Zuschüsse an die Zwergvereins bereitgestellt. Jnr Verlauf« der Sitzung wurde die Tagesordnung für die 75. Hauptversamm- kung, die m großem Rahmen am 10. 11. und 12. Juni Jmn 1939 als Jubiläumsversammlung auf dem Feldberg stattfinden wird, belanntgegeben.
Als Vertreter der Badischen Landesnaturschuhstelle berichtete Dr. Oberndorfer über Na- türlchntzfragen. Es soll eine „Rühr mich nicht an- Karte" unter Mitwirkung aller einschlägigen Stellen geschaffen werden, in der die Gesamtfläche des Schwarzwaldes erfaßt wird und auf der zusammenhängende Gebiete, die unter Naturschutz gestellt werden sollen, einzuzeichnen sind. In den infolge ihrer landschaftlichen Reize zu schützenden Gegenden dürfen keine Hütten erstellt und keine Stembrüche angelegt werden. Bei der Schaffung dieser Karte soll der Schwarzwaldverein Mitwirken. Für die einzelnen Landschaftsgebiete wurden sofort Mitglieder beauftragt. — Beim letzten Punkt der Tagesordnung „Verschiedenes" wurde bekannt, daß als Tagungsort für die 76. Hauptversammlung die Schutterstadt Lahr festgesetzt wurde. Ferner wurde bekanntgegeben, daß die Bezeichnung „Ortsgruppe" für die einzelnen Vereine in „Zweig verein" geändert wurde. Nach einer regen Aussprache beendete der Präsident mit einem Schlußwort die Hauptausschußsitzung in Oberkirch. Anschließend vereinte «in Kameradschaftsabend die auswärtigen Gäste mit dem Zweiavsrein Oberkirch.
Schwäbischer Sängertag
Die Rachwuchssrage. — Silcherlieder im Silcherjahr.
— Reutlingen. Der Gau XVI (Schwaben) im Deutschen Sängerbund kam am Samstag und Sonntag zu seinem diesjährigen Sängertag in Reutlingen zusammen. Die zahlreiche Beteiligung und der harmonische Verlaus der Tagung waren ein Zeichen des echten kameradschaftlichen Sängergeistes. In der Friedrich-List-Halle fand ein Begrüßungsabend statt, der wieder durch seine wertvollen Darbietungen Beweis war, wie vortrefflich das deutsche Liedergut in der alten Reichsstadt Reutlingen gepflegt wird. Der Gausängerführer, Innen- und Wirtschaftsmmister Dr. Schmid, hob in einer kurzen Ansprache hervor, welch tiefe Quelle der Volkskraft das deutsche Lied darstellt. Es sei aus dem Leben des Volkes nicht wegzudenken, weil sonst ein bester Teil des seelischen Lebens fehle.
Der eigentliche Sängertag begann am Sonntag vormittag 10 Uhr. Nach kurzer Begrüßung durch Kreisführer Dr. Leuze wies Gausängerführer Dr. Schmid auf das beispielgebende Vorbild des Reutlinger Pimpfenchors und der
97. Jahrgang Nr. 96
Äetzinger Sanger>chast beim Begruhungsabend hin. Hier hatte nämlich der Reutlinger Pimpfenchor Frühlingsweisen und dann in Gemeinschaft mit der Betzinger Sängerschaft Karl Löwes wuchtigen Chor „Segne den Führer" gesungen. In einem wundervollen Zusammenklang hätten sich hier die Jungen und die Alten die Hand gereicht. Gerade die Nachwuchsfrage, so hob der Redner hervor, bereite dem Schwäbischen Sängerbund die größte Sorge- Hier in Reutlingen hätte man gesehen, wie die Verbindung zwischen Alt und Iuna wiederhergestellt werden könne.
Stellvertretender Bundessührer Autenrieth streifte in seinem Jahresbericht einige wichtige Fragen. Vom Schwäbischen Liederfest in Stuttgart 1938 ist festzustellen, daß es alle Erwartungen übertraf und sich getrost mit manchem deutschen Sängerfest messen konnte. Die Sängerfeste haben in erster Linie die Aufgabe, die hohen kulturellen Werte des deutschen Liedgutes zu pflegen, das u. a. auch die einzige Brücke zwischen der Heimat und den Volksdeutschen in der Welt ist. Die N a ch w u ch s f r a g e ist eine Existenzfrage für den Schwäbischen Sängerbund. Der ziffernmäßige Rückgang ist nicht so einschneidend, aber die Ueberalterung der Chöre wirft einen Schatten auf die Arbeit der Sängerschaft. Eine gemeinsame Marschlinie zwischen Jugend und Sängerschaft ist festgelegt worden, und es ist zu erwarten, daß die sangesbegabte Jugend den Weg zu uns findet. Andererseits muß aber auch den Idealen der Jugend entsprechendes Verständnis entgegengebracht werden. Das Jahr 1939 muß unter der Parole einer planvollen Werbung stehen. Dann streifte der Redner noch das Verhältnis zwischen Sängerschaft und Werkchören. Wir haben, so sagte er. das größte Interesse, daß überall, vor allem in den Betrieben, gesungen wird. Aber wir müssen uns dagegen wehren, daß unsere Vereine nei- ner werden, da die Zersplitterung an sich schon groß genug ist. Es darf nicht sein, daß der Sängerkamerad seinem Verein den Rücken kehrt, weil er gleichzeitig einem Werkchor angehört. Auch die Frage der Verschmelzung der Vereine wurde von dem Redner behandelt. Seine Feststellung, daß eine Verschmelzung um des reinen Organi- sterens willen abgelehnt werden müsse, fand den einmütigen Beifall des Sängertages. Der stellvertretende Bundesführer ging dann noch auf den 150. Geburtstag Friedrich Silchers ein, der vom Schwäbischen Sängerbund mit der Universität Tübingen zusammen in würdiger Form gefeierj werde. An der Errichtuna des Silcher-Denkmals in Tübingen wird sich der Schwäbische Sängerbund mü einem namhaften Betrag beteiligen. Im Silcher-Iahr dürsten bei keiner Veranstaltung Silchers unsterbliche Liedei fehlen und auch das Silcher-Inbiläum in Schnait müsse starke Beachtung bei der Sängerschaft finden. Am Schluß dankte der Redner dem Gausängerführer für seine unermüdliche Tätigkeit und Treue.
Der Beitrag wurde für 1939 in der bisheriges; Höhe bemessen. Kreisliederfeste finden 1S3S statt in Biberach (Oberschwaben), Heidenheim (Ostkreis), Eislingen-Fils (Hohenstaufenkreis), Heilbronn (Neckarkreis), Munderkingen (Donaukreis). Gruppeil
liederfeste werden in Mnrrharot und Besigheim abgehalten.
Bannführer Köttgen, Leiter der KuUuravretlung der Gebietsführung 20 Württemberg der HI sprach dann über das Thema: Hitler-Jugend und Chorarbeit. Die HI habe als Kampforganifatlon Kampflieder gesungen, denn mit mehrstimmigen Gesängen habe man die politischen Gegner nicht bezwingen können. Nach dem Siege sei aber die HI in ein anderes Stadium eingetreten, und bei ihren Feiern werde der Kampfgesang auch durch mehrstimmige Chöre und Instrumentalmusik ergänzt.
Gausänaerführer Dr. Schmid teilte am Schluß mii, daß der nächst« Sängertag in Friedrichshasen flalk- sindet. Kreisleiter Rauschnabel-Tübingen ist mit der Werbung innerhalb des Bundes betraut und Kreisführer Kuhle- Stuttgart wurde in Anerkennung seiner Verdienste in den Führerrat berufen.
Lj tNachvruck verbalen.1
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Auch, daß er Lilo nicht so niit Schmuck und Luxus verwöhnen konnte, wie er es gewünscht hätte und wie sie es auch verdiente, ärgerte ihn. Der alte Hoppensack hielt ihn doch wirklich zu knapp. Lächerlich, war man nicht sozusagen ein reicher Junge? Unwürdiger Zustand, daß man erst allerhand Ausreden und Vorspiegelungen ersinnen mußte, um von seinem eigenen Gelbe mal ein paar Mark, zum Beispiel für den Ring, der Lilo so erfreut hatte, herauszuquetschen.
So gingen seine Gedanken immer wieder andere Wege, als die Arbeit von ihm verlangte, und er war so verträumt, daß er das Heranlretcn seines Vaters nicht bemerkt hatte.
„Hör' mal, mein Junge" — Rolf fuhr erschrocken auf und sah gerade in das strenge Gesicht seines Vaters —, „schlafen und dösen kannst du zu Hause. Hier im Betrieb tvird gearbeitet, nicht wahr?! — Hier, prüfe mal die Unterlagen zu diesem Kostenanschlag! Nach flüchtigem Ueberschlag habe ich den Eindruck, daß wir da zu teuer sind und die Konkurrenz mit den Amerikanern nicht aushakten werden. Die Schweden bestellen diese Wasserversorgungsanlage bestimmt nicht unserer schönen blauen Augen wegen in Deutschland, sondern nur, weil sie hier bestes Material und beste Arbeit erwarten, und zwar zu einem Preise, bei dem die Amerikaner selbst bei ihrem Rohmaterialreichtum nicht mitkönnen. Rechne jeden Posten nach — vielleicht haben die in der Katkulationsabtellung sich vertan. In einer Stunde wirst du wohl damit fertig stin. Komm dann zu mir herein damit! Ich will den Kram dann gleich mit Dr. Wegner durchsprechen. Aber: dalli, dalli, dalli, mein Junge."
Hartmann sen. wandte den Rücken, und Rolf machte Uch an die Arbeit. Er fühlte sich etwas ertappt und ärgerte Uch über die Art. wie der Pater ihn behandelte. Verdammt nochmal, war er nicht eigentlich der Jumorches dos Hauses? Ach, hätte er doch nur erst die Verfügung über sein Geld, dann wollte er schon zeigen, daß er uch uicht als Lehrling oder Botenjunge hier behandeln ist.»
. ^ Bei diesen Erwägungen ging ihm die Arbeit natürlich Ulcht von der Hand, und die Stunde war fast verstrichen, «hne daß ein Ende der Berechnung abzusehen war. Der alte Hoppensack, der den Chef bei Rolf stehen ge,chen halte,
am heran, und als der Jüngere ihn in komischer Verzweiflung bittend ansah, tat er das, was er schon so oft ,etan: er machte schweigend die Arbeit, die Rolf tun sollte, ind schickte ihn bald mit der gefundenen Fehlerquelle ns Chefzimmer.
Wenn Hartmann sen. in Berlin war, mußte Rolf eine Bürostunden ordnungsmäßig absttzen, denn auch ein Vater ließ es sich nicht nehmen, pünktlich wie ein lngestellter im Betrieb zu erscheinen und sogar manchen Lag bis in die späten Abendstunden in langen Konfe- enzen mit den anderen Herren der Geschäftsleitung zu- ammenzusitzen. Er mußte die Tage ausnutzen, die ihm ür den Berliner Betrieb zwischen seinen großen Reisen ach England, Schweden und Holland blieben! War er der wieder einmal auf einer seiner großen Geschäftseisen. dann gab es für Rolf kein Halten. Die faden- cheinigsten Ausreden mußten herhalten, damit der alte wppensack Urlaub für ganze Tage oder mindestens Nach- nttage bewilligte. Oftmals suchte er gar nicht erst nach lusreden, sondern erklärte einfach, daß er „heute nach- littag" oder „morgen" nicht käme. Die Bedenken des Prokuristen über diese Pflichtversäumnis wußte er immer lieber zu zerstreuen:
„Hoppensäckchen, nicht böse sein! Man ist doch nur ein- ml jungl Lassen Sie mich doch gewähren. Ob ich nun lese nebensächliche Kleinarbeit tm Kontor mache oder nicht, i doch so unwichtig! Wenn ich in zwei Jahren in die ietriebsleitung ausgenommen werde — so ist's ja wohl orgesehen —, dann wird mein alter Herr mich schon ichtig einspannen, und dann werde ich nur noch leise leinend auf diese schönen Tage der Freiheit zurückblicken innen und mir wird jede Stunde leid tun, die ich nicht chtig gelebt habe. Wie sagt doch der olle Wilhelm Busch: ,Toch schmerzlich denkt manch alter Knaster, der von vergangenen Tagen träumt,
an die Gelegenheit zum Laster-
die er versäumt?"
Gewöhnlich endeten diese kleinen Anscinander- tzunaen mit dem Prokuristen noch mit einer Bitte um ield das der Alte zunächst regelmäßig verweigerte, nach nlaer sieit aber genau so regelmäßig herausruckte. Es cschien ihm zwar recht bedenklich, daß Rolf bereits mit der zweitausend Mark im „Vorschuß" war. aber nn «ep- mber bekam der junge Hartmann sowieso das Ver- iquiigsrecht über sein Vermögen; dann wurde das schon lles wieder in Ordnung kommen.
Gottfried Hoppensack war nn ge chastlichen Leben ein bcraus gewissenhafter und energischer Mann. Rolf Hart
mann gegenüber aber, der eine kräftige Hand zur Führung gebraucht hätte, war der Prokurist von einer nachsichtigen Schwäche, dre für den jungen Menschen geradezu verhängnisvoll war. Er hatte ihn heranwachsen sehen, hatte miterlebt, daß der noch nicht Siebenjährige oie Mutier verlor, wußte den Vater fast die Hälfte des Jahres ans Reisen und bemitleidete den Jungen, der inmitten eines reichen Hauses doch so arm an Liebe und Wärme, immer nur von bezahlten Kräften betreut, heranrciste.
Als Rolf ihm einmal diesen Busch-Vers von der verpaßten Gelegenheit zugerufen hatte, lächelte Gottfried Hoppensack em wenig schmerzlich und wiederholte für sich: „...die er versäumt." Er vergaß dabei nur, daß cs ihm an diesen Gelegenheiten zum Laster im Leben völlig gefehlt hatte...
Drittes Kapitel
Lilo stand an den Mastbaum gelehnt und blickte zmn Ufer hinüber, wo die weißlackierten Geländer und Tische eines Terrassenrestaurants aus dem dunklen Grün der Bäume herausleuchteten. Segelboote belebten wie Nicscn- möwen die glitzernde Wasserfläche, ein rostbraunes hier und ein blutrotes da, stachen eigenwillig aus der Menge der weißen Segel heraus. Ein „Achter" schnitt durch sie Wasserfläche, der Takt der Ruderschläge war präzise wie das Schlagen einer Uhr, die Kommandos des BooiS- führers knallten durch die Lust.
Ueber dem ganzen Bild lag wie ein hauchfeiner Silberschleier die müde Stimmung eines heißen Hoch- fommernachmittages. Die leichte Brise, die das Boot sanft vorwärts trieb, umkoste Lilos knabenhaft schlanke Gestalt, so daß sich ihre feinen Formen unter der dünnen Seide ihres blauen Strandanzuges plastisch abzeichneten. Sie langweilte sich herzlich und betrachtete die ganze Segelei, wie überhaupt jeden Sport, nur als Mittel, ihr eigenes Persönchen recht herauszustellen. Sie liebte es, daß Rolfs Freunde, zum Beispiel Hans Riedel oder Willi Beyer oder auch andere, mit von der Partie waren, so daß ihre Koketterie ein reiches Betätigungsfeld nach verschiedenen Seiten fand. Aber Rolf segelte am liebsten mit ihr allein. Jetzt hockte er bequem auf einem Bodenklssen, hielt lässig Segel und Steuerruder und ließ seine Blicke über Lilos Gestalt gleiten. Wie schön das Mädel war! Wie zart ihre jünglinghaften Formen, wie sanft geschwungen die Linie ihrer schmalen Hüften, wie fein der Knöchel, der unter der weiten Hose hervorsah, wie rassig diese feste» kleinen Füße mit dem hohem Spann.
(Fortsetzung folgt.)