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der Landwirtschaft und Uhrmacher Zahn als Vorstand des Gewerbevereins in Hinficht auf die Erfordernisse des Gewerbestandes. An diese rege Aussprache schloß sich eine Sitzung der bürgerlichen Kollegien von Calw unter Anwesenheit der Sachverständigen an. In dieser Sitzung wurde namentlich die Errichtung eines eigenen Elektrizitätswerkes aufs eingehendste erörtert, alle hiebei in Betracht kommenden Fragen wurden aufgerollt und nähere Aufschlüsse über die Höhe des Ankaufspreises der Wasserkräfte gegeben. Als noch Oberamtmann Ritter in Nagold den Anschluß verschiedener Gemeinden des Oberamts Nagold an den Gemeindeverband in Aussicht stellte, einigten sich die Kollegien, die eine besondere Prüfung der Angaben über das Werk für absolut notwendig erachteten, einstimmig dahin, die von Ingenieur Wahlström gemachten Angaben und Vorschläge sollen von der Ministerialabteilnng für Straßen- und Wasserbau geprüft werden. Regierungsbaumeister Sch aal versprach eingehendste und sorgfältigste Prüfung durch den Staat, so daß die bürgerlichen Kollegien von Calw auf eine Prüfung durch einen weiteren Techniker verzichten könnten. Die Kollegien von Calw stimmten zu und werden ihre Entscheidung über den Beitritt nach eingelaufener Prüfung der Vorlage treffen. Nach den Verhandlungen ist es höchst wahrscheinlich, daß auch die Sradt Calw sich dem Gemeindeverband anschließen wird. Der Gemeindeverband erhält von der elektrischen Genossenschaft Herrenberg 3 Jahre lang elektrischen Strom, so daß nach Genehmigung seitens der Kceisregierung mit den Leitungsarbetten sofort begonnen werden kann. Die Teilnehmer können bis Herbst nächsten Jahres auf den Bezug von Elektrizität rechnen. Der Bau des Elektrizitätswerkes an der Nagold wird dann erst im Laufe der nächsten 3 Jahre zur Ausführung kommen.
Liebenzell 16. Dez. Gestern Abend um r/sl l Uhr brannte in der Nähe der Mathilden- straße eine Holzhütte mit Schweinestall total nieder.
Tein ach 16. Dez. Bei der dieser Tage stattgefundenen Gemeinderatswahl haben von 62 Wahlberechtigten 49 abgestimmt. Das seitherige Gemeinderatsmitglisd Zimmermsister Schechinger wurde mit 34 Stimmen wieder- gewählt, neu hinzukam Gasthosbesttzer Adolf Andler, welcher 15 Stimmen erhielt.
Zwerenberg 16. Dez. Am letzten Freitag abends °/«6 Uhr brach in dem Holzstall des Friedrich Hornbacher, Schneiders hier, Feuer aus. Durch auSaiebtge Bekämpfung aus unserer Wasserleitung blieb das Feuer auf seinen Herb beschränkt.
Stuttgart 15. Dez. Der König begab sich heute Abend 9 Uhr 25 Min. in Begleitung des Flügeladjutanten Oberstleutnant Hofacker zu mehrtägigem Besuch der fürstlich Wied'schen Familie nach Berlin. Von dort reist der König voraussichtlich am Freitag, einer Einladung des Großherzogs von Mecklenburg-Strelitz zur Jagd folgend, nach Nsu-Strelitz. Zur Verabschiedung hatte sich Generaladjutant Freiherr von Bilfinger auf dem Bahnsteig eingefunden.
Stuttgart 15. Dez. Heute abend geriet im Hoftheater während der Vorstellung auf
der Bühne ein Stück Leinwand in Brand, doch gelang es, das Feuer sofort zu löschen. Die Feuerwehr, die sofort alarmiert worden war, konnte wieder abrücksn. Eine Panik wurde dadurch vermieden, daß der Kapellmeister ruhig weiter spielen ließ.
Pfäffingen 15. Dez. Vom Schöffengericht Herrenberg wurde gestern die Bauernfrau Maria Hechler von hier wegen Nahrnngsmittel- fälschnng zu 10 Strafe verurteilt. Nach längerer Zeugen- und Srchverständigenvernehmnnz war als erwiesen zu erachten, daß die Angeklagte, die von ihr einem hiesigen Milchhäadler und von diesem nach Tübingen gelieferte Milch, teilweise entrahmte. Mit der Milchwage gewogen, zeigte diese Milch allerdings ein spezifisches Gewicht, nach welchem es ausgeschlossen erschien, daß Wasser zugesetzt sei. Aber die von der Tübinger Polizei veranlaßen, genauen chem schen Untersuchungen von Milchproben ergaben einen derartigen Unterschied deS Fettgehalts der gelieferten Milch, gegenüber der im Stall gemolkenen, daß Entrahmung unzweifelhaft feststeht. Da der Tochter der Frau Hechler und der Milchhändlersfcau, die wegen gleich en Verdachts angeklagt waren, eine Strafbarkeit nicht nachgewiesen werden konnte, mußten diese freigesprochen werden. DerTübinger Polizeiverwaltung, die mit anerkennenswertem Eifer und Schlauheit die Lieferantin der gefälschten Milch ermittelte, gebührt in gleicher Weise der Dank der reellen Produzenten, wie der Konsumenten. Die ersteren haben ein Interesse daran, daß die „Panscher" ermittelt und von der Lieferung ausgeschlossen werden, was aber das konsumierende Publikum betrifft, so weiß jede Hausfrau, welch üble Folgen beim Genuß unreeller Milch entstehen können, insbesondere bei Kindern. Andererseits erzielen die Bauern zur Zeit für ihre Milch, wie für ihre sonstigen Erzeugnisse so schöne Preise, daß man meinen sollte, sie haben nicht notwendig, die Milch zu fälschen. Bekanntlich sind die Kosten chemischer Untersuchungen in den Milchpantschprozeffen so groß, daß die „Profitmichel" durch ihre Fälschungen weit nicht auf ihre Rechnung kommen.
Tübingen 14.D;z. Eine Schwindlerin, die sich als Witwe Kreidler von Ulm ausgibt und auf Telegrammformularen bewegliche Briefe schreibt, hatte auch hier Erfolg; sie wendet sich hauptsächlich an Pfarrer und Krankenanstalten um Unterstützungen au« den Weihnachtsmitteln. 'Sie führt ein etwa 12jährig;s Mädchen mit sich, da» die Schwindelbriefe austragen muß.
München 14. D.'z. Der Prinzrsgent hat auf die Bitte des deutschen Kronprinzen die Patenschaft bei dessen jüngstem Sohne übernommen. Prinz Ludwig wurde mit der Vertretung betraut. Der Prinz ist nach Berlin abgeceist, um zunächst an der Tagung des deutschen Museum« und dann an der Taufe des Sohnes des Kronprinzen teilzunehmen.
Frankfurt a. M 14. Dez. Vergangene Nacht gegen 12 Uhr brachte sich ein 27-jährigsr Kaufmann namens Adolf Castan in der Taunusanlags einen Revolverschuß in dis
Herzgegend bei, dem Anscheine nach, ohne sich lebensgefährlich za verletzen. Prffinten, dis auf den Knall hrrbeikamen. fanden Castan auf einer Bank, wie er sich vor Schmerzen krümmte. Sie begleiteten den Lebensmüden nach dem Hauptbahnhof. Von hier aus verständigte die Polizei dis Rettungswache und diese brachte Castan ins Krankenhaus Castan. der früher als Kaufmann, zuletzt aber in einer chemischen Fabrik als Arbeiter arbeitete, gab in einem Brief an seine in Darmstadt lebende Mutter, den man bei ihm fand, Arbeitslosigkeit als Motto seine; verzweifelten Schrittes an.
Dresden, 1L. Dez. Die Königin-Witwe von Sachsen ist in der Früh: drZ heutigen Sonntags (3.46 Uhr vorm.) sanft entschlafe». Schon seit einigen Tagen war man durch bestimmt lautende und. besorgniserregende Drahtnachrichten auf dar Aeußwst? gefaßt gewesen und der in der Sountazsfrühr sanft eingstretene Tod der Königin-Witwe Karola, einer Tante des jetzt regierenden Königs Friedrich August von Zich'sn, brachte, namentlich für dis dem Sachsenhruse Nächststehenden, nichts überraschendes mehr; immerhin bedeutet es eine writklasfend; Lacke, dis lange schmerzlich empfunden wird im Hause derer ooa Wettin und bei seinen treuen Sachfenuntsrtrnsn. Auch da; ganze übrig; Drutschland, voran seine Fürsten mit denen das K. Srhsenhru; vielfach verwandt ist, blicken der Toten trauernd ins offene Grab. Königin Karola, Prinzessin von Wasa, war geboren am 5. August 1833 und war die Gemahlin des Königs Albert Friedrich, der im Jahrs 1902 gestorben ist. Auf diesen Fürsten folgte dann der Vater de; jetzt regierenden Königs.
Wildpark 14. Dez. Der Kaiser traf um 11 Uhr 20 Min. hier ein. Za« E npfang hatten sich eingefundsn: die Kaiserin, der Kronprinz. Prinz und Prinzessin E.tel Friedrich und Prinzessin Viktoria Luise, ferner der Polizeipräsident von Potsdam. v.Starck. Die Begrüßung war eine herzliche. Der Kaiser überreichte der Kaiserin einen Blumenstrauß Nach längerer Unterhaltung und Verabschiedung vom Gefolge fuhren die Herrschaften in Automobilen nach dem neuen Palais.
Berlin 14. Dez. Am Sonntag Abend trifft Prinz Ludwig von Bayern in Berlin ein. Der Prinz hat einen offiziellen Empfang abzelehnt. Wie man hört, wird der Kaiser gleiß wohl den Prinzen selbst am Bahnhof empfangen. Montag abend 8 Uhr nimmt der Prinz an dem von den Berliner Mitgliedern des Ausschusses des „Deutschen Museums" gegebenen Festmahl teil. Hierbei wird der Prinz den Toast auf den Kaiser au-bringen. Dienstag, 10 Uhr, wird Prinz Ludwig mit dem Kaiser der Ausschußsttzunz des Vereins des „Deutschen Museums" in der Technischen Hochschule beiwohnen
fragte deshalb den Arzt, ob eine Ueberfledlung nach Buchenau schon jetzt stattfinden könne.
„Mit Vorsicht kann es in einigen Tagen geschehen", antwortete dieser.
Und nun machte Helmbrecht seine Familie mit seinem Entschluß bekannt. Inge war bleich vor Schreck geworden und wollte davon Nichtwissen. Sie begegnete diesmal aber einem so entschiedenen Machtspruch des Vaters, wie sie ihn ihr gegenüber kaum je gehört hatte. Sie bat darum nur unter Tränen, wenigstens noch so lange bleiben zu dürfen, bis das Gericht entschieden habe.
Der Arzt riet Helmbrecht, ihr zu Willen zu sein, und da die Verhandlung bereits in drei Tagen stattfand, so legte er diese Zeit höchst widerwillig zu.
Es war am Morgen des Tages, der das Verdammungrurteil über ihren Gatten sprechen sollte.
Inge lag nach Vorschrift des Arztes noch im Bett und trank den Kaffee, den die Mutter ihr gebracht hatte.
Da wurde draußen an der Entreetür geläutet.
Amtsrichter Volkmann fragte nach Hern: Helmbrecht.
Helmbrecht empfing den ihm bereits bekannten Amtsrichter freundlich und fragte, was ihn so früh zu ihm trieb.
Volkmann sah außergewöhnlich blaß und verstört aus und reichte ihm die Hand.
„Herr Kommerzienrat-ich bin der Ueberbringer einer schlimmen
Botschaft, und es ist gut, daß ich Sie allein sprechen kann."
„Was ist geschehen? Sprechen Sie, Herr Amtsrichter! Kann es noch schlimmeres geben, als uns bereits widerfahren ist?"
„Rechtsanwalt Grunow — — hat in dieser Nacht-seinem
Leben-durch Erhängen ein Ende bereitet."
Helmbrecht griff nach der Lehne des Stuhls, um sich darauf zu stützen. Im nächsten Augenblick richtete er sich empor und drückte die Hand des Amtsrichter». .
„Ich danke Ihnen", sagte er dumpf. „Sie brachten mir allerdings eine Schreckensbotschaft, und ich zitterte in dem Gedanken an meine arme Frau, an meine arme Inge. Wie werden sie den neuen Schicksalsschlag aufnehmen?"
Volkmann zog langsam zwei Papiere aus einer Brusttasche.
„Herr Kommerzienrat, diese beiden Briefe gab mir der Staatsanwalt soeben zur Beförderung mit; ste wurden in der Zelle des Unglücklichen gefunden."
Helmbrccht nahm die Briefe und las mechanisch die Aufschrift.
„An Frau Inge Grunow" — — der zweite „An Herrn Kommerzienrat Helmbrecht." Ich werde sie einstweilen behalten und weitergeöen. wenn die Zeit dazu gekommen ist."
Amtsrichter Volkmann verabschiedete sich mit teilnahmsvollem Händedruck und Helmbrecht suchte schweren Herzens die Seinen auf.
Es war eine erschütternde Szene, die nun folgte. Inge lag. nachdem sie begriffen hatte, was geschehen war, besinnungslos und bleich wie eine Leiche in ihren Kiffen. Sie erholte sich schneller als damals, aber sie saß mit starren, glanzlosen Augen teilnahmslos und apathisch da.
Helmbrecht glaubte mit der Erledigung seiner Aufgabe, die Seinen von dem vorgefallenen zu unterrichten, das Schwerste übecstanden zu haben.
Er ahnte nicht, daß auch ihm noch etwas beschieden war, da» wie ein gewaltiger Sturm an ihm rütteln, seinen Mut zum ferneren Leben untergraben, den Gleichmut seiner Seele erschüttern sollte.
Den Brief an Inge legte er unerbrochen beiseite; ste sollte ihn erhalten, so bald sie stark und kräftig genug war. Was hatte aber Grunow ihm noch zu schreiben? Ein Bekenntnis seiner Schuld — eine Schilderung