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welcher vom Gemeinderat und Bürgerausschuß gewählt wird. Die Grundlage für die Erfüllung der Berbandszwecke bildet das Projekt zur Erstellung einer Wafserkraftanlage behufs Gewinnung elektrischer Energie im Nagoldtal auf Altbulacher Markung. Die Erstellung zur Leitung der Energie von dem Werk bis zu den Gebäuden der Abnehmer übernimmt der Verband. Für Zuleitung zu Gebäuden, die weiter als SO m von der Hauptleitung entfernt liegen, hat die betreffende Markungsgemeinde, sofern die Zuleitung mit ihrer Zustimmung erfolgt, dem Gemeindeverband beim erstmaligen Ausbau einen Beitrag von SO"/» der Leitungskosten zu bezahlen. Die Erstellung und Unterhaltung der erforderlichen Einrichtungen innerhalb der Gebäude der einzelnen Abnehmer ist Sache der letzteren. Für die Verbindlichkeiten des Verbands haften die im Verband vereinigten Gemeinden. Im Falle der Inanspruchnahme der Haftung verteilt sich dieselbe auf die einzelnen Gemeinden nach dem Umfang der Stromabnahme für sich und ihre Einwohner in den letztvorangegangenen 5 Rechnungsjahren. Die Verbandsgemeinden übernehmen die Verpflichtung, die Gebühren auf Grund der ihnen übergebenen Nachweise von den Abnehmern ihres Gemeindebezirks gegen eine angemessene Entschädigung einzuzteben und an die Verbandskasse abzulu fern. Nach Bekanntmachung dieser Satzungsbestimmungen hielt Ingenieur Wahlström seinen Vortrag über das Elektrizitätswerk bei dem Waldecker Hof. Der Redner erläuterte zunächst den Begriff Kilowatt rnd gab sodann auf Grund der bei der elektrischen Genossenschaft Herrenberg gemachten Erfahrungen nähere Angaben über Kosten und Rentabilität eines Elektrizitätswerkes. Die elektrische Genossenschaft Herrenberg umfaßt 44 Ortschaften mit 39000 Einwohnern. Sie bezieht ihre elektrische Kraft vom Neckar von einer Anlage der Gebrüder Junghans und Thomas Haller in Schramberg. Zu den 44 Ortschaften werden noch in Bälde 21 weitere mit 29000 Einwohnern hinzukommen. Das Elektrizitätswerk findet immer größeren Avklang; ans dem anfänglichen Mißtrauen ist starker Zuspruch entstanden, denn die Vorteile einer elektrischen Kraft treten täglich offen vor die Augen. Landwirtschaft und Gewerbe erzielen durch Aufstellung von Motoren bedeutende Ersparnis an Leuten, die Arbeiten vollziehen sich einfacher und leichter. Für gewöhnliche Verhältnisse genügen 1—2 Pferdekräfte, größere Motoren mit 3—4 Pferdckiäfte sind nur bei größeren landwirtschaftlichen und gewerblichen Verhältnissen notwendig. Die wichtigste Sache bei Einführung elektrischer Leitungen sei nicht die Beleuchtung sondern die Kraft. Gewiß sei aber, daß elektrisches Licht billiger sei als Petroleum und auch als Ges, namentlich bei Metallfadenlampen, aber unter der Voraussetzung, daß mit elektrischem Licht gespart werde. Die Genossenschaft Herrcnberg habe 771 Motoren mit 2400 Pferdekräften ausgestellt und 5000 Glühlampen angebracht. Der Strompreis für Licht und Kraft betrage in der Tageszeit 20 A in der Nachtzeit 45 A per Kilowattstunde. An Baukosten haben sich ergeben 150 km Leitungen ä 2564 „4L; für ein Transformatorenhaus 6130 „4L und für die Ortsnetze 6 „4L pro Kopf der Einwohner. Als Jahreseinnahmen seien bis jetzt 96000 „4L onzunehmen, später sollten 5 „4L pro Kopf der Bevölkerung er
reicht werden. Ueber das Elektrizitätswerk beim Waldecker Hof sprach sich der Redner folgendermaßen aus. Es sei vom Gemeindeverband beabsichtigt die Wasserkraft von der Talmühle bis zum Einlauf der Teinach in die Nagold auszubauen und auszunützen. Zu diesem Zweck soll schon oberhalb der Talmühle ein Stollen durch den Berg getrieben werden; die Berechnungen hätten nämlich ergeben, daß ein Stollen billiger komme als ein offener Kanal, da bei letzterem sehr teure Grunderwerbungskosten in Betracht kämen; in Kohlerstal werde der sehr hohe Satz von 4,2 „4L pro qm verlangt. Bei einem offenen Kanal käme der laufende m auf etwa 135 „L, bei einem Stollen auf höchstens 100 „4L zu stehen; zudem sei ein Stollen zweckmäßiger, da man dadurch ein höheres Gefälle erreichen werde. Am besten werde es sein, wenn der Stollen nicht bei der Teinach sondern bei der Eisenbahnbrücke zur Auswündung komme, es könne daun wahrscheinlich ein Unterwasserkanal entbehrt werden. Der geplante Stollen würde eine Länge von 1650 m und ein Gefälle von m erhalten; das ganze Gefälle von
der Talmühle bis zum Werk würde 11,38 m betragen; beim Bau eines Unterwasserkanals werde sich das Gefälle auf ca. 13 m erhöhen; der Unterkanal würde 700 m lang werden. Als Wassermenge werde 3,82 cbm pro Sekunde im Mittel angenommen. Die Leistung werde maximal 6,6 cbm, im Mittel 3,82 und minimal 1,97 cbm pro Sekunde sein. Es würden demnach bei minderem Wafferstand 240. bei mittlerem 460 und beim höchsten Stand 800 Pferdekräfte zur Verfügung stehen; beim Bau eines UnterwasserkanalS könnte eine Steigerung bis zu 1000 Pferdekräften erfolgen. An Baukosten für die Werkanlage kämen im ganzen 800000 „4L in Betracht, darunter für den Stollen 165000 „4L, für das Wehr bei der Talmühle 20000 „4L, für einen Unterwasserkanal 52500 für ein Tmbincnhaus 80000 „4L, für Grunderwerb 27000 „4L, für Maschinen, Turbinen, Motore, Reserveanlagen über 400000 ^ u. s. w. Es sei aber nicht nötig, das Werk sofort ganz auszubauen, nötig sei im Anfang nur eine Reservemaschine mit 200 Pferdekräften. Vorerst werden 500000 „4L für den Bau genügen. Die Leistung des Werkes werde einschließlich einer Reservemaschine bei niederstem Wafferstand 440 Pferdekräfte sein und auf rund 500000 „4L z» stehen kommen, bei größerer Reserve auf 800000 „4L Der Verstand kann auf ein großes Absatzgebiet rechnen. Das natürliche Gebiet reiche im Westen bis an die Enz. im Norden bis nach Baden, im Osten an die Ortschaften der Hcrrenberger Genossenschaft und im Süden an die Anlage von Klingler in Nagold. In Betracht kommen 65 Ortschaften und wenn noch Gemeinden im Oberamt Nagold sich an das Werk anschließen, so werde die finanzielle Seite des Unternehmens noch günstiger werden. Ein Elektrizitätswerk sei nur rentabel, wenn eine größere Anlage gemacht werden kann; Anlagen mit 100060 „4t seien zu klein und z» teuer. Redner kommt auf die Erstellung eines eigenen Elektrizitätswerkes seitens der Stadt Calw zu sprechen und glaubt nicht, daß eine solche Anlage jemals rentabel sein werde, da Städte sogar mit doppelter Einwohnerzahl schwer an derartigen Unternehmen zu trogen haben. Die Ausnützung einer eigenen Wasserkraft werde die Stadt nicht viel nützen und keine Renta
bilität abwerfen; ein Anschluß an das Gaswerk würde auf mindestens 180000 „4L zu stehen kommen. (Ueber die Kosten eines Elektrizitätswerkes für die Stadt Calw gab der Referent in der Sitzung der bürgerlichen Kollegien noch nähere Aufschlüsse.) Am billigsten werde die Stadt fahren, wenn sie dem Gemeindeverband sich anschließe, denn die Landzentrale werde ganz sicher rentieren; ein Risiko übernehme die Stadt nicht. Die Kosten der Landzentrale berechnet der Referent auf rund 1200000 „4L, nämlich für 170 km Leitungen 450000 „4L, für 69 Transformatorenhäuser 425 000 „4L, für 69 Ortsnetze 223000 „4L und für sonstige Erfordernisse 86000 „4L An Betriebskosten für Oel und Bedienung, sowie für Aufbringung der Zinsen seien 91000 „4L erforderlich. Als Einnahmen werden 106000 „4L angenommen; es verbliebe somit ein Ueberschuß von 15000 „4L; hievon find noch abzuziehen die Zinsen für den Ankauf des Waldecker Hofes und der Wasserkraft der Talmühle. Der Referent faßt seine Ausführungen dahin zusammen: Das neue Werk kann bet einer Reserve von 800- pferdigen Maschinen bet niederstem Wafferstand eine Leistung von 1000 Pferdekräften übernehmen; die Gemeinden riskieren gar nichts; bei großer Beteiligung kann der Preis für Stromlieferung wahrscheinlich ermäßigt werden; eine gute Rentabilität wird sicher eintreten, selbst wenn in den ersten Jahren kein Ueberschuß sich einstellen wird. An den Vorrrag schloß sich eine lebhafte Diskussion an. Stadtschultheiß Müller-Neubulach forderte die noch abwartenden Gemeinden, namentlich die Stadt Calw, zum Eintritt in den Verband auf, indem er mit eindrmg- lichen Worten die Vorteile eines größeren Verbandes hervorhob. Stadtschultheiß Conz-Calw erwiderte hierauf, die Stadt behalte sich nähere Prüfung der Grundlagen über das Elektrtzüärsweik vor, sie stehe dem Verband durchaus nicht unfreundlich gegenüber, das Bedürfnis für elektrische Kraft sei auch hier vorhanden, Aufklärung sei aber noch notwendig über die Wasserverhältnisse der Nagold und über den Grund des Nichtabschreibens der Abnützung des Werks in den ersten 5 Jahren. Der Redner wünschte offene Aussprache von Freunden und Gegnern des Projekts in Anwesenheit der technischen Sachverständigen, da nur diese die Sache richtig beleuchten können. Fabrikant Gustav Wagner-Calw bezweifele die angenommene Stärke der Wasserkraft der Nagold und berechnete den Gesawtdurchschnitt der Wasserkraft auf höchstens 360 Pferdekräfte. Regierungsbaumeister Schaal- Stuttgart entgegnet« hierauf, machte Mitteilungen über- die Aufschriebe der Wasserverhältnisse in 15 Jahren, vom Jahr 1891—1905, hielt die Aufstellung und Berechnung von Ingenieur Wahlström für richtig und betonte, daß der Staat pflichtgemäß keine Nebenabsichten kenne und durchaus sachlich verfahr e. Er gab sodann noch nähere Aufschlüsse über die Waffermengen der Nagold oberhalb und unterhalb des Einlaufs der Nagold. Er fügte seinen Ausführungen noch bei, daß die Angaben von Ingenieur Wahlström über Bau- und Betriebskosten eher zu hoch als zu nieder gegriffen seien und daß nach seiner Ansicht eine Ersparnis gemacht werden könne, da der km Leitung wohl nicht auf 2600 „4L, sondern nur auf etwa 2000 „4L kommen werde. Hugo Rau-Calw befürwortete das Projekt in Hinsicht auf die Interessen
Der verlorene Sohn.
Roman vonElSbeth Borchart.
(Fortsetzung.)
Aber all ihr Bitten und Flehen, alle vorgebrachten Vernunftsgründe hatten keinen Erfolg, Inge blieb fest. Sie wollte nicht einmal davon wissen, mit den Eltern nach Buchenau zurückzukehren; sie müsse in seiner Nähe bleiben, könne ihn vielleicht im Gefängnis besuchen und ihm Mutzusprechen, meinte sie. Doch Frau Helmbrecht drang so lange in sie, bis sie endlich einwilligte, vorläufig mit nach Buchenau zu kommen.
Die Befürchtungen, die Frau Helmbrecht infolge der erklärenden Aussprache mit Inge gehegt hatte, trafen nicht ein. Im Gegenteil nahmen Inger Kräfte jetzt rapid zu.
Auch mit Helmbrecht ging es schnell bergauf. Da» Glück, sein Augenlicht wieder zu haben, gab ihm seine alte Kraft und Energie zurück, und er konnte es kaum erwarten, bis der Professor ihm endlich die erste Aus- fahrt gestattete.
Sein erster Weg war natürlich zu Frau und Tochter. Er hatte ihnen vorher nichts gesagt und wollte sie überraschen. In bester, frohester Laune langte er in der Rathenowerstraße an.
Die beiden Frauen begrüßten ihn denn auch mit der erwarteten, freudigen Ueberraschung und es entging ihm, wieviel Schmerz und Furcht dieser Freude beigOnischt war. Helmbrecht nahm nun Inge in seine Arme und sah ihr prüfend ins Gesicht.
„Du bist kränker gewesen, als man mir mitteilte, Inge-dein
Gesicht ist schmal und blaß."
Inge lächelte.
„Ich soll ziemlich krank gewesen sein, Väterchen-doch jetzt bin
ich gesund und bald wieder deine alte Inge." Sie lehnte sich schmeichelnd an seine Brust.
„Wo steckt eigentlich Grunow? Ist er noch immer verreist?" fragte er jetzt.
Inge schwankte plötzlich in seinem Arm, so daß er sie festhalten mußte.
„Was hast du, Kindchen, ist dir nicht gut?" Er geleitete sie sorgsam zum Sessel, und sie sank erschöpft darauf zurück.
„Komm, Karl!" nahm Frau Helmbrecht jetzt das Wort, „lassen wir Inge eine Weile allein; sie bedarf noch immer der Ruhe."
Helmbrecht folgte seiner Gattin willig in ein anderes Zimmer, das außer Hörweite des elfteren lag.
„Was ist mit Inge, mit Grunow, Elisabeth? Ihr verschweigt mir etwas", fragte er, ols sie allein waren.
„Ja. Karl-allerdings", gab sie zur Antwort und suchte mit
Mühe ihre Ruhe aufrecht zu halten. Die Aufgabe, die ihr jetzt bevorstand, dem ahnungslosen Gatten da« Furchtbare zu enthüllen, war wohl eine der schwersten, die sie zu erfüllen hatte. Und sie itat es schonend und gefaßt.
Helmbrecht war kräftig genug, das Gehörte zu ertragen, aber sein Gesicht wurde fahl vor Schreck und Entsetzen, und anfangs fand er kein Wort darauf. Aber dann brach es aus ihm los, ein Sturm der Empörung.
„Das arme Kind soll frei werden!" schloß er endlich, „nichts soll es mehr an den Verbrecher ketten."
Es wurde Frau Helmbrecht sehr schwer, ihm daraufhin Inges Entschluß, zu ihrem Gatten nach Verbüßung seiner Strafe wieder zurückkehren zu wollen, mitzuteilen.
Helmbrecht fuhr denn auch» wie sie erwartet hatte, zornig auf.
„Niemals-ich dulde es nicht. Inge muß vor allen Dingen
aus dieser Umgebung, die sie an ihr herbes Geschick erinnert, fort!" Er