S94
Kaiser einen in herzlichen Worten gehaltenen Trinkspruch in französischer Sprache aus, den Kaiser Wilhelm in deutscher Sprache ebenso herzlich erwiderte.
Amsterdam 14. Dez. Kurz vor 10 Uhr gestern Abend fuhr der Kaiser von einer dicht gedrängten Menschenmenge trotz strömenden Regens stürmisch begrüßt, nach dem Zsntral-Bahnhof und trat kurz nach 10 Uhr die Rückreise nach Deutschland an. — In der gestrigen Audienz der deutschen Vereins unterhielt sich Kaiser Wilhelm mit jedem Einzelnen, fragte noch seiner Heimat und Verhältnissen und hatte für jeden ein freundliches Wort. Der Kaiser dankte für die in der ihm überreichten Adresse ausgesprochenen Gefühls und hob hervor» daß auch der im fremden Lande wohnende Deutsche sich die Liebe zur Heimat bewahren müsse.
London 14. Dez. Der seit gestern wütende Sturm hat längst der Südküste von England viele Schiffsunfälle zur Folge gehabt. Ein unbekannter Schooner ist in der Höhe von Swampe gesunken. Die Besatzung ist wahrscheinlich verloren. Der deutsche Dampfer »Harald" verlor gegenüber Dunge-Neß Schraubenflügel und erbat Schlepphilfe aus Dowsr. Die Telegraphendrähte find heruntergerissen. Der strömende Regen hat in den letzten Tagen Themse und Severn über die Ufer treten lassen, Weite Strecken Lander find überschwemmt, die Wege sind unpassierbar. Der Schaden ist bedeutend.
London 15. Dez. In der Grafschaft Wales erfolgte in der vergangenen Nacht eine Gruben. Explosion. Bis jetzt sind fünf Leichen geborgen. Die Gesamtzahl der Opfer ist noch unbekannt.
Tierquälerei!
Nachstehender Artikel geht uns mit der Bitte um Verbreitung zu:
Der Winter naht mit all seinen Beschwerden und Plagen namentlich auch für unsere Pferd e. Wenn man da so oft sehen muß, wie lange die Pferde, namentlich des Abends, unnötig vor den Wirtshäusern stehen müssen, so muß man sich immer wieder fragen: Wo bleibt der Tierschutzverein?! Wo bleibt die Landjägermannschaft?! Wo bleiben die Polizeibehörden?! Und hauptsächlich: Was tun die K Oberämter gegen diese Art von Tierquälereien?! Und überall wo man hinkommt, bekommt man immer die gleiche Antwort „sie tun alle nichts oder nicht genügend Energisches gegen diese Tierquälerei" Wie froh und dankbar wäre gewiß jeder Fuhrweiksbesitzer (es sollen nur z. B. die Bierbrauereien und Mühlenbefitz-r genannt sein), die die oft sehr teuren Pferde den Kr cLten anvertrauen müssen und denen es nicht möglich ist, die letzteren zu kontrollieren, wenn
sich die Polizeibehörden und Landjäger mehr um die armen Tiere bekümmern würden. Man denke sich z. B. ein Mühlefuhrwerk, das aus dem Tal das Mehl auf die Berge hinaufbringen muß. Schweißgebadet gelangen die Pferde im Orte an; 15—20mal müssen sie ca. V« Stunde vor den Häusern stehen, bis abgeladen und wieder aufgeladen ist. Das kann freilich nicht verhindert werden. Dazu kommt dann aber, daß die Pferde frierend auch noch stundenlang vor den Wirtshäusern herumgestellt werden, und das nicht nur einmal, sondern in einem Orte sehr häufig mehrmals.
Aber nicht nur Knechte machen er so; leider auch sehr viele Fuhrwerksbefltzer selbst. Sie führen Holz, Frucht usw. in die Stadt und lassen dann die Pferde vor den Wirtshäusern frieren, obgleich warme Ställe wohl zur Verfügung wären. Diese Leute denken nie daran, daß auch die Pferde warmblütige Geschöpfe sind, denen Kälte, Regen und Schnee, wie große Hitze wehe tun, gleich den Menschen.
Wir bitten darum dringend in allererster Linie die K. Oberämter, den Tierschutzverein und die Ortspolizeibehörden alle Mittel anzuwenden, um diese Tierquälerei aus der Welt zu schaffen. Werden auch die Landjäger dementsprechend instruiert. so daß sie es nicht bloß für ihre Pflicht erachten, einen Handwcrksburschen der bettelt, oder einen Hund der keinen Maulkorb hat, oder einen Fuhrmann, der bei Nacht kein Licht an seinem Wagen hat, anzuzeigen, dann würde sicherlich bald dieser Unfug aufhören.
Reklameteil.
UZfsrmei'ü Keismeiil Lrünker-nmek? TspiokZ »luliesine 8lMpsn-Mi-Ltckeri I'sZtin-^sccai'Onj.
Orösstc Lrßäebi§I<eit unci tiöcbster V^okIxescbmsclL als ssol§e sorgfältigster k^abrilistion u. Verwendung bester k^obprociukte sind die unbestrittenen Vorzüge der blnorr'scben k^abrilcate. ^____,_
Ittkk
kervorrsgend kein und su8giedig, 100 Qrgrnm-?slcete 45-125 ?kg.
Nt. Ssvli», vorm. Lostendader,
VSsuii,
und nachmittags 3 Uhr das Verkehrsmuseum besichtigen. Abend» 8 Uhr folgt Prinz Ludwig mit dem Kaiserpaar einer Einladung des Reichs- kanzlers Fürsten v. Bülow zum Souper. Am Mittwoch nachmittags wird der Prinz im Abge- ordnctenhause einer Auischußfitzung des Zentral- verbände» zur Hebung der deutschen Fluß, und Kanalschiffahrt beiwohnen.
Berlin 14. Dez. Die „National-Zeitung" schreibt: Von Vergleichsverhandlungen im Moltke- Harden-Prozeß lesen wir in verschiedenen Blättern Notizen, die systematisch von einer bestimmten Stelle aurgegeben zu werden scheinen. Demgegenüber stellen wir fest, daß kein Vergleich geschlossen ist und daß auch von Seiten des Privatklägers und seiner Anwälte niemand mit irgendwelchen Vergleichsrorschlägen an den Angeklagten oder an die Anwälte herangetreten ist.
Berlin 14. Dez. Der ..Morgenpost" zufolge schreibt der Reichstagsabgeordnete August Bebel schon seit einigen Monaten an seinen Memoiren. In einem umfangreichen Werke wird der langjährige Führer und Vorkämpfer der Sozialdemokratie seinen Lebenrgang und seine reichen politischen Erfahrungen schildern.
Berlin 15. Dez. Seitens der Verteidigung Maximilian Hardens ist nun schließlich doch der Reichskanzler Fürst Bülow als Zeuge geladen worden, ebenso der Chef des Militäc-Kabinet» Graf Hülsen-Häseler.
Paris 15. Dez. U-b-r die Verheerungen, welche der gestrige Sturm angerichtet hat, laufen aus allen Teilen Frankreichs zahlreiche Hiobsposten ein. In Nancy wurde durch den Sturm eine im Bau begriffene Fabrikmauer zum Einsturz gebracht, als 30 Maurer daran arbeiteten. Einer wurde getötet, mehrere andere schwer verletzt. Unter den Trümmern sollen sich noch einige Arbeiter befinden, In Lille und Umgebung hat der gestrige Sturm gleichfalls großen Schaden angerichtet. Zahlreiche Schornsteine wurden um- geworfen, Dächer abgedeckt, Bäume entwurzelt.
Amsterdam 14. Dez. Nachdem der Kaiser und die Königindie Six'sche Gemälde- Kollektion besichtigt hatte, erfolgte der Besuch der städtischen Waisen-Anstalt. Sodann kehrten die Fürstlichkeiten unter lebhaften Ovationen der Bevölkerung ins Schloß zurück. Bald darauf begab sich Kaiser Wilhelm in Begleitung des Prinzgemahls zur neuen Kirche, wo er einen Kranz am Grabe des holländischen Seehelden De Ruyter niederlegte. Um 5 Uhr nachmittags fand das Galadiner statt, zu. dem außer dem deutschen Gesandten im Haag und dem Vertreter der holländischen Regierung in Berlin die Spitzen der Behörden cingeladcn waren. Das ganze Schloß war mit Stearinkerzen beleuchtet. Im Verlauf der Tafel brachte die Königin auf den
seiner Beweggründe — — oder vielleicht eine Anklage gegen ihn, der ihm die Mittel, seine Schulden zu decken, verweigert hatte? Ach, wenn er hätte helfen können. Die Summen, die Grunow von ihm gefordert und deren Höhe ihn verblüfft hatte, hatten so wie so schon ein gewaltiges Loch in das Betriebskapital der Fabrik gerissen, und er mußte fleißig gearbeitet werden, um sie wieder einzubringen.
Helmbrecht trennte den Umschlag auf und machte so seinen Gedanken selbst ein Ende.
„Sehr geehrter Herr Kommerzienrat."
Helmbrecht beachtete diese fremdklingende Anrede — Grunow pflegte
ihn sonst „mein lieber Schwiegervater" anzureden-nicht, sondern
las weiter.
Da — was war das?-
Seine Augen öffneten sich immer weiter, sein Gesicht wurde kalkweiß und seine Hände zitterten — — er las — und las — plötzlich entrang sich ein furchtbarer Aufschrei seiner Brust, und das Papier glitt zu Boden. Sein Kopf aber sank wie niedergeschmettert auf die Tischplatte.
Die starke Eiche, die allen Stürmen der Lebens bi« hieher tapfer getrotzt hatte, lag nun zerschmettert, gebrochen am Boden. Wie ein Wahn- sinn packte cs ihn; er ballte die Fäuste und ein wilder Fluch drängte sich auf seine Lippen. Der Tote hatte ihm olles geraubt, was ihm teuer war, jetzt nahm er ihm noch den mühsam errungenen Frieden seiner Seele.
Es dauerte lange, ehe Helmbrccht sich so weit überwand, den Brief aufzuheben, und zu Ende zu lesen. Sein Geist weilte weit ab, er suchte da» Bild des Einen, der unvergeßlich in ihm lebte und den seine eigene Verblendung, seine grausame Strenge für immer aus seiner Nähe verbannte.
Der Brief Grunows lautete:
„Sehr geehrter Herr Kommerzienrat!
Wenn Sie diese Zellen in den Händen halten, weilt der Schreiber
bereits unter den Toten, Schmach und Reue drückten ihn zu Boden, da» Leben war ihm verhaßt.
Ehe ich aber scheide, will ich mein Herz von der Gewissen? quäl langer Jahre erleichtern. Nicht von der Schuld, dis mich jetzt an den Abgrund und ins Gefängnis brachte, will ich reden, obwohl sie schwer genug wiegt. Der erste Schritt vom Wege führt zum Verderben. So war es auch diesmal. Als ich mich zum erstenmale an fremden Gelds vergriff, geschah es mit der Absicht, es nur für unbestimmte Zeit zu entlehnen. Doch die Schulden häuften sich, mit der einen Summe deckte ich die andere, bis mir die Schlinge am Halse saß und ich meine einzige Rettung in der Flucht sah. — Doch nicht davon wollte ich sprechen. Lassen Sie mich kurz sein — — die Zeit drängt.
Sie wissen, daß ich der Freund Ihre» Sohnes Georg war und daß meine Tante Beate Wegner die Stelle der fehlenden Hausfrau bei Ihnen vertrat. Ich verkehrte viel in Ihrem Hause und war mit allem vertraut, was darin vorging. Ich hatte trotz meiner Jugend — ich war achtzehn Jahre, also zwei Jahre älter als Georg — schon allerlei Passionen.
Ich machte heimlich Schulden und sah keinen Ausweg, sie bezahlen zu können. Meine Tante, die ich um Hilfe anging, schlug sie mir rund- weg ab; sie hätte nicht so viel, um auch noch für einen leichtsinnigen Neffen zu sorgen, sagte sie. Mein fortgesetztes Drängen ließ sie mir endlich einen Weg zeigen, mir Geld zu verschaffen. Es war ein teuflischer Plan, und hätte ich ihn damals schon in seiner ganzen Tragweite durchschaut, wäre ich nimmermehr darauf eingegangen. Als mir die Sache klar wurde, war es zu spät — es war geschehen. Ich will mich nicht weiß waschen und meine Schuld nicht zu beschönigen suchen. Dennoch muß ich es aus- sprechen? Ich bin das Opfer eines ehrgeizigen, leidenschaftlichen Streben», dem keine Hindernisse unüberwindlich geworden waren.
(Fortsetzung folgt).