Mittwoch den 23. November 1938

Der Enztaler

96. Jahrgang Nr. 274

/Ins Württemberg

Dätzingen, Kr. Böblingen. (Vier Füchse erlegt). Kreuzwirt Heinkele aus Dätzingen hatte aus der Fuchsjagd besonderes Glück. Innerhalb von zehn Minuten gelang es ihm. vier kapitale Füchse zur Strecke zu bringen-

Benningen, Kr. Ludwigsburg. (Mutige Lebens­rettung). Ein 7 Jahre alter Junge, der mit gleichaltri­gen Kameraden am Ufer des Neckars gespielt hatte, war ins Wasser gefallen und von den Fluten fortgerissen wor­den. Der auf die Hilferufe der Kinder herbeigeeilte 15 Jahre alte Lehrerssohn Wolfgang Hinderer sprang kurz entschlos­sen in das kalte Wasser und konnte den schon Versinken­den fassen und an Land bringen. Zusammen mit der hin­zukommenden Anneliese Riedel gelang es dem Retter in sofort angestellten Wiederbelebungsversuchen, das bereits bewußtlose Kind ins Leben zurückzurufen.

Nürtingen. (Bürgermeister Weilenmann tritt in den Ruhestand.) Dem Antrag des Bürger­meisters Weilenmann auf Versetzung in den Ruhestand zum 31. Januar 1939 stimmten in der letzten Sitzung die Beigeordneten und Ratsherren zu. Von allen Seiten wur­den die Verdienste des Bürgermeisters anerkannt und ge­würdigt.

Laupheim. (Vom Zug zermalmt.) Auf der Strecke LaupheimRißtissen sprang ein etwa 60 Jahre alter Mann aus Finningen in selbstmörderischer Absicht vor einen Schnellzug- Er wurde vom Zug völlig zermalmt. Als der Lokomotivführer den hinter einem Pfeiler hervor- sxringenden Mann sah, brachte er den Zug nach kurzer Strecke zum Halten. Das Unglück war aber schon geschehen. Die Gründe für die Tat sind unbekannt.

Erbach b. Ulm. (Kopf eingeklemmt.) An der Bahnunterführung bei den neuen Siedlungshäusern eveig. nete sich ein schrecklicher Unfall. Ter Lastwagen der Ziegelei fuhr zur Kiesgrube durch die Eleisunterführung. Durch den Gleis- und Brückenumbau war die Unterführung etwas niedriger. Als der Wagenlenker sah, daß er nicht durchkam, wollte er wieder zurückzahren. Der auf dem Wagen befind­liche Arbeiter Franz Reyinger wollte in diesem Augenblick nach der Ursache des Rückwärtsfahrens sehen uns richtete sich auf. Er wurde mit dem Kopf zwischen dem Fahrerhaus und einer Schiene der Bahnunterführung eingeklemmt. Ter Unglückliche, dem dabei dis obere Gesichtshälfte völlig weg­gerissen wurde, kam sofort in das Krankenhaus Ulm.

Birkenhard, Kr. Biberach. (Schwerer Sturz), llls der Landwirt Rapp seinem Nachbarn beim Dreschen sals, wars ihn ein Bund Stroh aus dem Gleichgewicht und Ser Getrofsene stürzte durch das Orbetloch aus den Scheu- nenboden. Er zog sich dabei schwere Verletzungen, u. a. einen Beckenbruch und einen Oberschenkelbruch, zu.

Wain, Kr. Biberach. (Unglücklicher Sturz.) Die Kriegerwitwe Anna Stetter aus Wain fiel mit einer Milchkanne im Hof so schwer, daß sie mit Kopfverletzungen bewußtlos zusammenbrach. Die Angehörigen fanden sie in diesem Zustand nach kurzer Zeit und verbrachten sie zum Arzt.

Riedlingen. (Aus dem Haushaltsplan.) Bei der Aufstellung des städtischen Haushaltsplans wurden u. a. auch verschiedene Rücklagen bekanntgegeben. So sind vorhandene Rücklagen für den Bau einer Samnielkläran- lage, die Erweiterung der Wasserversorgung, für einen HJ-Heimbau und die Erstellung einer Leichenhalle. Der Schuldenstand der Gemeinde, der Heuer noch 46 000 Mark beträgt, wird im Rechnungsjahr 1940 abgedeckt sein. Der Altschuldenstand, eine Aufwertungsverpflichtung aus der Zeit des Schulhausneubaues 1903, wird Ende 1938 auf 35 000 Mark herabgedrückt sein.

Wangen i. A. (Mit 75 Jahren noch hin­term Schreihpult) In voller geistiger und körper- sicher Rüstigkeit konnte Frau Angelike Eigenst Witwe, die zusammen mit ihrem Sohn den amtlichen Rollfuhrdienst betreibt, ihren 75. Geburtstag feiern. Die betagte Frau ist noch heute aktiv im Betrieb tätig.

Würtiembergische Chronik

Di« Apotheker tagen in Freudenstadt.

Freudenstadt. Unter Leitung von Reichsapotheker, sichrer SA.-Brigadeführer Schmierer, eines Sohnes der Stadt Freudenstadt, hält die Führerschaft des deutschen Apo­thekerstandes in den Tagen vom 24. bis 27. November zum fünften Maie ihre Tagung ab. An ihr werden erstmals offi­ziell auch die Berufskameraden aus der Ostmark und aus dem Sudetenland teilnehmen. Im Rahmen der Tagungsfolge ist auch eine Großkundgebung und eine damit verbundene Weihestunde vorgesehen, bet der der Leiter des Rassepoliti­schen Amtes der NSDAP-, Dr. Groß, und ReiHsapotheker- führer Schmierer sprechen werdni.

Die eigene Tochter getötet. Unglück beim Spatzenschietzen Siglingen. Kr. Heilbronn. Ein Siglinger Einwoh­ner war in seinem Garten damit beschäftigt. Spatzen zu schießen. Plötzlich kam seine Tochter um die Hausecke. Sie wurde unglücklicherweise von einem Schuh getroffen, wo­bei dem 13jährigen Mädchen, wie sich später herausstellte, die Lungenschlagader lebensgefährlich verletzt wunde. Das Kind sank in den Armen der herbeieilenden Mutter tot zu­sammen.

Straßenglätte verursachte Verkehrsunfälle Wangen l. A. Innerhalb kurzer Zeit ereigneten sich in Wangen zwei Unglücksfälle, von denen einer tödlich ver­lief. An der Gablunq Jsnyer- und Bregenzew-Straße wurde der Lenker eines Motorrades durch die Glatte der Straße unsicher Als er zu stark bremste, stürzte lein Beifahrer Kempter aus Engelitz (Gde. Wohmbrechts) auf die Straße Mit einem schweren Schädelbruch wurde er ins Kranken­haus gebracht, ldo er starb. Der zweite Unfall trug Och aus der Lindauer-Straße zu. Aus einer Kette von stadt­auswärts fahrenden Kraftwagen bog plötzlich ein Wagen nach links aus, um zu überholen Ein entgegenkommender Radfahrer und ein Motorradfahrer kamen dadurch ln schwerste Bedrängnis. Beim Ausweichen fuhren sie einen Fußgänger an. Der Radfahrer zog sich bei dem Sturz so schwere Verletzungen zu. daß er in das Krankenhaus ge­bracht werden mußte Der Krastwagenfahrer, der den Un­fall verschuldet hatte, entkam unerkannt.

Aus der Gau^auvtffsdi

Stuttgart, 22. November.

Beim Spahenschietzen ins Auge getrossen. Ein 13 Jahre alter Schüler schoß in einem Hofraum der Hohenheimer- straße mit einer Luftbüchse nach Spatzen.' Dabei traf er ein acht Jahre altes Mädchen ins Auge. Das schwerverletzte Kind wurde in das Krankenhaus gebracht.

Bon der Maul- und Klauenseuche

Die Maul- und Klauenseuche ist weiter ausgebrochen in einem Teilort der Gemeinde Meßbach (Kr. Oehringen), Unterweißach (Kr. Backanag), Roßwälden und Bezgenriet (Kr. Göppingen), in 17 Teilorten der Gemeinden Wangen i- A., Amtzell. Eglofs, Göttlishofen, Kißlegg. Leupolz, Neu­ravensburg, Neutrauchburg, Niederwangen, Ratzenried. Schomburg (sämtl. Kr. Wangen), je einem Teilort der Ge­meinden Rosenberg und Westhausen sowie in Ellwangen- Jagst (sämtl. Kr. Aalen). Hohengehren (Kr. Eßlingen).

Erloschen ist die Seuche in je einem Teilort der Ge­meinden Lautenbach. Slimpfach, ferner in Jagstheim. Wald­tann und Schrozberg (sämtl. Kr- Crailsheim), in 192 TeU- orten der Gemeinden Wangen i. A., Amtzell. Christazhofen, Deuchelried, Eglofs, Eisenharz, Göttlishofen, Großholzleute. Jsny,. Kißlegg. Leupolz, Neuravensburg, Neutrauchburg, Niederwangen, Ratzenried, Schomburg und Waltershofen (sämtl. Kr. Wangen i. A.), Wurmlingen (Kr. Tuttlingen), einem Deilort der Gemeinde ^rickenbofen (Kr. Backnang), einem Teilort der Gemeinde Waldenburg (Kr. Oehringen), Hegnach (Kr. Waiblingen).

Hochlandroman vonTnhWebeo

uerkreisderMe

Lrheberrechtsschutz durch Verlagsanstalt Manz, München

57. Fortsetzung. Nachdruck verboten.

16.

Es dunkelte schon, als sie die Weggabel bei der Blauen Quelle erreichten. Andermatt blieb stehen, drückte seinen Begleiterinnen die Hände.

Vielen Dank für den schönen Tag," sagte er, Inge in die Augen schauend.Grüße an Mareii Ich mutz jetzt gehen. Es wird ohnedies stockfinster werden, bis ich auf mein Jagdschloß komme."

Und wann sehen wir uns wieder, Konrad?" Geertje zwinkerte ihm zu.

Ja, wann? Ich glaube, wir wollen das dem Zufall überlassen, das wird am besten sein."

Sonntag reise ich wirklich. Ich hofse, daß das doch ein Anlatz ist, Sie in St. Martin zu sehen."

Sie reisen nicht."

^,O doch! Einmal mutz es sa sein. Also spätestens Sams­tag! Sie würden mich sehr kränken, wenn Sie nicht kämen."

Ich werde kommen. Auf Wiedersehen!"

Er winkte den beiden Mädchen zu und ging mit langen Schritten in den Wald hinein. Nach etwa zehn Minuten stand er vor einer mächtigen Fichte, die in Griffhöhe mit einem Vaumbsil angeschlagen war.'Dort hing eine Schnur. Der Baron knüpfte Rucksack und Gewehr daran, zog an dem zweiten Ende, bis die Last im Grün der Äste verschwunden war, und wickelte die Rebschnur um einen Nagel, den er, auf den Zehenspitzen stehend, gerade erreichen konnte. Dann machte er kehrt und ging, nur den Feldstecher umgehängt, wieder zur Blauen Quelle zurück.

Im Schattendunkel verborgen, suchte er den ihm wohl- bekannten Mea ins Tal nacki Jnae und Eeertie ab. Endlich

entdeckte er ihre Hellen Kleider zwischen Buschwerk und Baumstämmen. Die beiden schritten tüchtig aus, sie waren fast schon auf der Nückfallkuppe, von welcher der Weg steil bergab führte.

Andermatt wartete eine Viertelstunde, eine halbe. Die Nacht fiel ein. Kühler Bergwind strich durch die Baum­wipfel, dah sie leise zu sausen begannen. Diese Abendmusik des Waldes sprach in hundert Erinnerungen zu seinem Herzen. Als er sich erhob und den Weg nach St. Martin nahm, glaubte er Mareis flüsternde Stimme an seinem Ohr zu hören: Du! Ich Hab dich lieb! Ich werde dich immer lieb haben, immer...

Er ging durch Wiesen und Felder. Taufeuchte Halme berührten seine bloßen Knie, überall war das kleine Leben der Nacht rege, es raschelte, huschte, surrte tausendfältig um ihn her. Wie in Gut und Böse geteilt, wölbte sich das halbe Firmament voll zuckender Lichter, während die andere Hälfte von einer langsam aufziehenden Wolkenbank be­deckt war.

Niemand begegnete ihm. Er kannte diese Steige an den Rainen besser als die Bauern. Bald links, bald rechts ab­zweigend, erreichte er den halb verfallenen Steg über die Ache, die Straße, den Kreuzweg nach Maria Schnee. Wäh­rend er langsam auswärts schritt, fühlte er die süße Be­klommenheit, die Mareis Nähe heute wie immer in ihm auslöste.

Heute hatte er sie eingeladen zu einer letzten Aussprache.

Sie war noch nicht da. Andermatt ging auf die Kapelle zu. Durch die kleinen Fenster über dem Altar fiel der röt­liche Schein des ewigen Lichts, das in einer Ampel brannte. Weiches Gras nahm seine Schritte auf. Und da war ihm, als hörte er Seufzen, Murmeln...

Dicht an die Mauer geschmiegt, beugte er sich vor, blickte durch das Gitter der Eingangstür ins Innere der Kapelle. Eine dunkle Gestalt kniete auf dem Betschemel, nein, sie kauerte dort, die Stirn auf die gefalteten Hände gestützt, ganz in sich zusammengesunken Marei!

Aus den Aachdargauen Novembersturm fegte durch Baden

Große Schäden in Mannheim und Karlsruhe. Mehrere groß« Gerüste eingestürzt.

m Mannheim. Ter Herbststurm, der in der vorletzten Nacht weite Gebiete Südwestdeutschlands heimsuchte, hat auch in der Rhein-Neckarstadt ziemliche Schäden angerichtet. Ein Gerüst, das zur Durchführung von Erneuerungsarbeiten am Rathaus ausgestellt worden war, stürzte unter riesigem Ge­töse zusammen, wobei auch die Fensterscheiben des gegen­überliegenden Hauses zerbrachen. Es war ein großes Glück, daß die Straße in diesem Augenblick von Passanten frei war. Ferner wurde die Zelthalle, die im Hof der RHein-Nek- kar-Haile als Ehrenhalle der Südwestdeutschen Rund­funkausstellung aufgerichtet worden ist, oben aufgerissen. Es bestand Gefahr, daß der Sturmwind das ganze Zelt zum Einsturz bringen könnte. Tie Berufsseuerwehr sicherte den Bau durch Seile. Der Sturm hat auch dem Zirkus Var­ia y aus dem Meßplatz während der Vorstellung übel mit­gespielt. Die Besucher wurden angesichts der immer mehr zunehmenden Windstärke unruhig. Plötzlich vernahm man einen heftigen Krach: Ein Teil der Zirkusfas'ade hatte unter dem Angriff des Sturmes nachgegeben und war eingestürzt. Bald daraus wurde die Abendvorstellung abgebrochen und das Zirkuszelt geräumt. Um weiteren Schaden zu verhüten, wurde die Zirkusfassade ganz abgebaut. Tie Berufsfeuer­wehr sicherte aber auch das große Zeit, indem sie es von außen bespritzte; dadurch wurde es schwerer, sodaß ihm der Sturm nichts mehr anhaben konnte.

Wie aus Karlsruhe gemeldet wird, richtete der nächtliche Sturm auch in der Landeshauptstadt Schaden an. Durch «inen Windstoß kam das Gerüst an der auf der Hans-Sachs- Stratze gelegenen Hausfront desKaffee des Westens" kur; vor 21 Uhr zum Einsturz.

Ein Teil flog auf die gegenüberliegenden Häuserfronten, ohne größeren Schaden anzurichten. Auch zwei Kraftwagen, die von den Trümmern des Gerüsts bedeckt wurden, kamen glimpflich davon. Zum Glück befand sich zur Zeit d--;,Ein­sturzes niemand auf der Straße.

In Frei b n r g und Umgebung ging ein regelrechtes Gewitter nieder. Zwischen 19 und 20 Uhr trieb ein heftiger Weststurm schwarze Walken vor sich her, am denen in kurzen Abständen Blitze hervorzuckten und für Sekunden den nacht- schwarzen Himmel beleuchteten, gefolgt von dumpfem Don­nergrollen. Das Unwetter, das teilweise von kurzem Hagel­schlag begleitet war, zog sich ziemlich lange hin.

Drei Jahre^Zuchthaus für einen jungen Hochstapler.

9 Freiburg. Mit seinen 25 Jahren hat der wiederum vor dem Richter stehende Emil Lämmie aus Waldrems, Kr. Backnang, bereits fünf erhebliche Vorstrafen im Register Mhen. Nunmehr hatte er sich wegen Betruges, Betrugsver­suchs, Erpressungsversuchs und Unterschlagung in 27 Einzel- fällen zu verantworten. Der Angeklagte, der im allgemeinen arbeitsscheu ist, trieb sich wochenlang im badischen Oberland herum und lebte auf Kosten seiner Mitmenschen. Er legte sich falsch« Namen und hochtrabende Titel zu und er fand immer wieder Leute, die auf diesen alten Trick hereinfielen. Flott und vergnügt lebte er in den Tag hinein, machte Auto­fahrten, die er niemals bezahlen konnte, bis ihn schließlich der Arm der Gerechtigkeit erfaßte. In einer außerordent­lichen Sitzung der Großen Strafkammer wurde der Ange­klagte zu drei Jahren Zuchthaus, drei Jabren Ehrverlust und 150 Mark'Geldstrafe verurteilt. Vier Monate der Un­tersuchungshaft werden angerechnet.' Ebenso gilt die Geldstrafe als durch die Untersuchuim-Haft verbüßt. Von der bean­tragten Sickerunasverwahrung glaubte das Gericht wegen der Jugendlichkeit des Angeklagten nochmals absehen zu wol­len, bei nochmaliger Rückfälligkeit habe der Angeklagte jedoch mit dauernder Verwahrung zu rechnen.

Ulm. (Betrunkener Radfahrer.) In oer Nacht mußte ein betrunkener Radfahrer, der in übler Weise den Verkehr gefährdete, von einem Krastwagenführer an­gehalten und einer Polizeistreife übergeben werden. De: Betrunkene wurde ins Polizeigefängnis eingeliefert.

Andermatt bebte vor Erregung. Die Hand, an der er vorgebeugt hing, begann allmählich lahm zu werden; abei er konnte sich nicht losreißen von diesem ^Anblick, der sein Innerstes durcheinanderwarf, er tauschte atemlos, um ein Wort von diesen murmelnden Lippen zu erhaschen, von dem Zwiegespräch eines Menschen mit Gott.

Marei betete in fliegender Hast. Das Flüstern setzt.« kei­nen Augenblick lang aus, es klang rührend und beängsti­gend zugleich. Wie die rasend bewegten Beine eines Läu­fers jagten unverständliche Laute hintereinander her, nur selten unterbrochen durch ein tiefes Atemholen, das wie ein Seufzer klang. Und plötzlich stockte das Gebet, ging in ein wimmerndes, leises Weinen über, in ein herzzerreißendes Schluchzen. Mareis Schultern zuckten, sie hatte das Gesicht in ihre Hände verwiihlt, das Haar bedeckte ihre Wangen wie ein goldener Schleier...

Der Baron wagte nicht mehr zu atmen. Behutsam rich­tete er sich auf, ging um die Kapelle herum und zu der Bank zurück. Ein Sturm widerstreitender Gefühle ver­wirrte seine Gedanken: Liebe, Haß, Grauen vor dieser Frau; und dann wieder Mitleid, Rührung, Reue... Nein, Marei war nicht die kalte Sünderin, die Geertje in ihr sah! Auf dem Grund ihres seltsamen Wesens lag das Juwel, das er einmal besessen und dann im Rausch der Sinne verloren hatte. Er mußte sie nur befreien aus dem Wust ihrer Um­welt, aus dem Gestrüpp drückender Erinnerungen; er mußte fort mit ihr, hinaus aus der Enge dieses Tales, in die Ferne, in die Weite, ins Licht!

Eine Ewigkeit verstrich. Es wär nach und nach so finster geworden, daß er nicht die Hand vor den Augen sah. Die letzten Sterne verschwanden hinter der drohenden Wolken­decke.

Wie lange er so da saß und mit pochendem Herzen war­tete, wußte er später nicht. Aber auf einmal klang Mareis , Stimme hinter ihm, heiter, unbefangen, süß, berauschend: Konrad!"

Marei!"

(Fortsetzung folgt.)