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zurückgebracht. Wegen des neuen Einbruchs erkannte die Strafkammer auf 2 Jahre 6 Monate Zusatzstrafe.
Horb 17. Nov. Ein schweres Unglück ereignete fich gestern abend auf-dem hiesigen Bahnhof. Bei der Ausfahrt des letzten Zuger nach Tübingen sah man eine Dienstmütze auf einem Wagenpuffsr des letzten Wagens hängen. Alsbald entdeckte man auch die gräßlich zermalmte Leiche des 24jährigen, ledigen Bahnhoftaglöhners Johann Henne, Sohn des hiesigen Bahnwärters Henne. Den betagten Eltern, welchen der Getötete eine wesentliche Stütze war (die Familie zählt noch immer 15 Köpfe) wendet sich allgemeine Teilnahme zu.
Waldhausen i. R. 17. Nov. Gestern abend 7 Uhr — 6 Wochen nach dem letzten Brand — brach in dem Wohn- und Oekonomiegebäude des Gotttlieb Schunter Feuer aus, dem das Gebäude zum Opfer fiel. Den Bemühungen der Wehren von Waldhausen und Weitmars gelang es, trotz des herrschenden Wassermangels das Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Außer dem Vieh konnte nichts gereitet werden; der Abgebrannte ist versichert. Die Aufregung der Einwohnerschaft ist groß. HoffentlichBgelingt es bald, des ruchlosen Brandstifters habhaft zu werden.
Hall 17. Nov. Gestern nachmittag beschäftigte sich der ca. 7 Jahre alte Sohn des Pflästerers Kreß hier mit einer Dynamit- Patrone, die er von den bei den hiesigen Wafferleitungsarbeiten zur Anwendung kommenden Sprenggeschossen zu bekommen wußte. Das Ge- schoß entlud sich, wobei dem Kleinen dis Hände verstümmelt und dar Gesicht derart zugerichtet wurde, daß das Augenlicht gefährdet ist.
Hall 14. Nov. Bei den Grabarbeiten an der neuen Wasserleitung wurden in letzter Zeit im sogen. Acker in der Nähe des Kochers mit Menschenknochen zwei alte Bronzeringe gefunden, von denen der eine vollständig, der andere zur Hälfte erhalten ist. Nach dem Gutachten des Landerkonservators stammen die Fundgegcnstände von der gallischen Kultur des letzten halben Jahrtausends v. Ehr., Ia ll'öne.Zeit. Die Grabungen an der Fundstelle sollen baldigst fortgesetzt werden.
Heilbronn 17. Nov. Für das Oberamt Heilbronn wird die Errichtung einer Automobillinie geplant, die ungefähr 10 Orte mit der Stadt verbinden würde. Die Anregung ging vom Oberamtsvorstand aus.
Schramberg 17.Nov. Zu der Erhöhung des Mtlchpreises von 17 auf 20 hat die Gemeindeverwaltung Stellung genommen. Es handle fich um eine übermäßige Verteuerung der Lebensunterhaltung, und zudem olle Lebensbedürfnisse in Schramberg teurer als anderswo und auch die Mietzinse sehr hoch sind. Es wurde
eine Preiskommisfion ernannt, die mit den Milchlieferanten in Unterhandlungen eintreten soll, um eine Verteuerung der Milch zu verhindern. Es soll unter keinen Umständen über 18 hinaus- gegargen werden, andernfalls die Gemeindeverwaltung die Milchbeschaffung vermitteln würde.
Saulgau 14. Nov. In den letzten Tagen fanden hier und in Mengen die alljährlichen großen Holzverkäufe aus den Fürst!. Thurn- und Toxis- schen Waldungen und aus denen der Stadtgemeinde Saulgau statt. Das Fürst!. Forstamt Heudorf brachte in Saulgau 9067 Festmeter zum Verkauf mit einem Durchschnittserlös von 113,91 Prozent, in Mengen 4985 Festmeter mit einem Durch- schnittserlös von 116,75 Prozent der Revierpreise. Bei beiden Verkäufen wurde bis zu 125°/° gesteigert. Die Stadtgemeinde Saulgau veräußerte 1962 Festmeter und erzielte 111—119, durchschnittlich 113,83°/« des Revierpreises.
München 16. Nvv. Oberlandesgerichts' Präsident Reichsrat v. Hessert wurde heute früh in dem außerhalb der Stadt gelegenen Garten eines Verwandten tot aufgefunden, nachdem man ihn einen Tag lang vermißt hatte. Reichsrat v. Hessert, der seit Jahresfrist wegen Melancholie in ärztlicher Behandlung stand, hat in einem Anfall geistiger Umnachtung seinem Leben ein Ende bereitet.
Frankfurt 16. Nov. Einen frechen Gaunertrick vollbrachte heute eine Frau und ein Mann bei zwei hiesigen Juwelieren. Sie ließen sich zur Auswahl Brillantringe ins Hotel kommen und der Mann ging mit den Ringen in ein Nebenzimmer um sie seiner Frau zu zeigen. Das würdige Paar verließ aber durch einen anderen Ausgang das Haus und kam nicht wieder. In zwei Fällen gelang es ihnen, Ringe im Werte von 10000 ^ zu stehlen. Die Polizei ermittelte, daß das Paar in einer Auto- rnobildroschke nach Wiesbaden gefahren war. Dort wurden beide verhaftet. Sie nannten sich Vsran Vermandia, auch Vergär a.
Mühlhausen i. Elf 16. Nov. Auf dem sogenannten Ochsenfelde, nördlich von Mühlhausen wurden im Jahre 1905 Bohrungen auf Steinkohlen angestellt. Das Ergebnis war aber, daß nach 15 Bohrungen ein Steinsalz- und Kalilager erschlossen wurde. Im Laufe des Jahres 1906 wurden durch 42 Bohrungen überall steinsalzführende Schichten gefunden. Dabei wurde festgestellt, daß sich das Gebiet der Steinsalzlager 200 Quadratkilometer ausdehnt und eine Gesamtmächtigkeit von 200 m hat. Das oberste Lager liegt 500—700 w tief und ist 1 m mächtig. Das untere liegt 25 m tiefer hat aber 5 w Mächtigkeit. In diesem Jahre wird der erste Schacht in Angriff genommen; die erforderlichen Gebäude sind bereits erstellt.
Berlin 16. Nov. Dr. Paul Lindau teilt der hiesigen Presse in einer längeren Zuschrift mit, daß das Strafverfahren gegen ihn wegen Beleidigung des Fräulein Olga Molitor von der Staatsanwaltschaft in Karlsruhe betrieben werde und daß in deren Aufträge gestern Abend eine Haussuchung stattgefunden habe. In der Zuschrift heißt er: Fräulein Olga Molitor hat sich durch meinen „Karl Hau und seine Schwägerin" übsrschriebenen, Ende August von der Neuen Freien Presse veröffentlichten Artikel beleidigt gefühlt. Die großherzogliche Staatsanwaltschaft in Karlsruhe hat in dieser Angelegenheit ein öffentliches Interesse erblickt und die Verfolgung in die Hand genommen. Sie hat der Sache den denkbar stärksten Nachdruck gegeben. Sie hat sich nicht damit begnügt, mich durch einen Berliner Richter zur Vernehmung vorladen zu lassen. Sie hat es für nötig erachtet, eigens zu diesem Zweck einen richterlichen Beamten mit einem Protollführer aus Karlsruhe hierher zu senden. Die Durchsuchung meiner Wohnung währte über zwei Stunden. Von den auf die Affäre Hau bezüglichen Briefen wurden nahezu alle beschlagnahmt, darunter zahlreiche Schreiben allsrintimsten Inhalts, die mir unter selbstverständlicher Voraussetzung meiner absoluten Verschwiegenheit zugegangen waren, Schriftstücke, von denen sich kaum ein einziges in Zusammen. Hang mit dem unter Anklage gestellten Feuilleton bringen läßt.
Berlin 16. Nov. In der Audienz die der Kaiser heute dem früheren Lordmayor von London, Trelloar, und seinen beiden Sheriffs gewährte, kam, nach dem Berliner Tageblatt, die Rede auf die Jugend der beiden Länder. Trrlloar meinte, in England liege diese zu viel dem Sport ob und arbeite wenig. Die deutsche Jugend arbeite mehr. Der Kaiser gab das zu und sagte, das richtige sei auch hier, die Mitte zu halten.
Hamburg 16. Nov. Als der um 3.45 Uhr von Friedrichsruh fällige Personenzug Nr. 390 im Altonaer Bahnhof einltef, stieß er infolge Versagens der Bremse und Schlüpfrigkeit der Schienen auf dem Gleise III Bahnsteig 2 auf den pneumatischen Prellbock auf. Hierbei drü ckt e ein in der Mitte des Zuges laufender Gepäckwagen das nachfolgende Abteil 2. Klasse ein, wobei fünf Personen mehr oder weniger schwer verletzt wurden.
Hamburg 17. Nov. Soeben erhalten wir die telegraphische Meldung von einem großen Feuer in Hamburg in der so überaus gefährlichen Steinwärdergegend. Die Lagerschuppen der Firma für Erze und Phosphate von Nathan Philipp u. Co. schweben in äußerster Gefahr. Trotzdem 24 Spritzsnrohre gewaltige Waffermaffen in den Feuerherd schleudern, ist es bisher nicht gelungen, des Feuers Herr zu werden.
selben Ort, in so unmittelbarer Nähe leben zu müssen, schien ihr undenkbar, ebenso wie auch der Rat der Mutter, den Vater zu seiner Entlassung zu bestimmen» unausführbar war. Es wäre grausam gewesen, den Vater, ja dar Wohl der ganzen Fabrik und ihrer Arbeiter um ihrer törichten Liebe willen zu opfern. Ob Williams vielleicht freiwillig gegangen wäre, wenn sie zurückkäme? — Sie erschrak bei dieser Frage, denn sie mußte die Bejahung annehmen. Er war ja vor ihr geflohen, als sie noch in Buchenau war; an eine so eilige Geschäftsreise hatte sie nie geglaubt. Wenn er aber nun hört, daß sie verlobt war, würde er bleiben?
Sie lächelte bitter und schmerzlich: Natürlich, dann hatte er ja nicht mehr zu fürchen, daß — sie —
Ein Klopfen an der Tür ließ sie erschreckt zusammenfahren. Der Diener brachte die Meldung, Herr Rechtsanwalt Grunow ließe fragen, ob da» gnädige Fräulein ihn empfangen wolle.
Eie gab eine bejahende Antwort und stand von ihrem Platz auf. Ein Schleier legte fich über ihre Augen; sie konnte fich kaum auf den Füßen halten. Nach einigen Minuten ging die Tür auf, und Grunow, in tadellosem Gesellschaftranzug, trat über die Schwelle.
„Inge!
Er eilte auf sie zu, ergriff ihre Hand und küßte sie.
„Inge, ich nehme mein Schicksal heute aus Ihrer Hand. Machen Sie mich zum glücklichsten oder unglücklichsten Menschen."
Jetzt sah sie auf seine vor Erregung funkelnden Augen. Sie erschrack und ein Schauer durchrieselte sie. Instinktiv wandte sie sich ab.
„Inge!"
Weich und bestrickend klang ihre Name. Für eine liebende Braut mußte der Klang Wonne und Seligkeit in fich bergen.
„Inge, welche« ist ihre Antwort aus meine gestrige Frage? Nur eine« Wortes bedarf es: Ja oder nein?"
„Ja."
Das Wort war gefallen. Es entfesselte einen Sturm von Leiden- schaft in seiner Brust. Er legte seinen Arm um ihre Schulter beugte sich zu ihr herab.
Wie eine Mimose zog sie sich unter der Berührung zusammen. Sein Gesicht war dem ihren so nahe — sein Atem berührte ihre Stirn, und mit Schauder und Schrecken wurde es ihr jetzt erst klar, wozu sie ihm ein Recht gegeben hatte. Sie hatte das Gefühl und Bestreben, ihn mit aller Gewalt zurückzustoßen, doch nur ein leiser Quallaut entrang sich ihrer Brust.
»Inge, was hast du?" fragte er bestürzt und ließ sie los.
Gotllob, daß sie wieder frei war; sie atmete ordentlich auf.
„Nichts, gar nichts» Herr Rechtsanwalt", antwortete sie aufseine Frage.
„Herr Rechtsanwalt? Inge, willst du deinen Verlobten nicht ander« nennen — weißt du meinen Vornamen nicht?"
Inge war wie mit Blut übergcssen und senkte die Augen zu Boden.
Grunow weidete sich sekundenlang an dieser mädchenhaften Schüchternheit, an dem holden Befangensein.
„Soll ich dir helfen, Inge? — Ha -"
„Hansl" sagte sie.
Da überkam ihn ein Rausch. Er zog die jetzt Willenlose in seine Arme und bedeckte ihren Mund mit Küssen.
„Hast du mich lieb, Inge?"
Zu grausamer Wirklichkeit erweckte sie die Frage. Die Betäubung wich von ihr und machte einer heißen Angst Platz. Daß sie die Möglichkeit zu einer solchen Frage auch nie in Erwägung gezogen hatte! Die Liebe ist doch der Anfang der Ehe, und sie wußte nichts von Liebe zu diesem Manne. Mit einem Schlage kam es ihr zum Bewußtsein, was sie im Begriff stand zu tun.
Betrüge den Mann nicht, sei wahr und ehrlich, wie du es stets warst