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Rotterdam 16. Nov. Der gestern in Nieuwen—Waterberg eingetroffene Dampfer „Pcruvia" hatte 8 Schiffbrüchige der Besatzung einer norwegischen Barke an Bord, die auf der Fahrt nach Gothenburg in der Nordsee untergegangen war. Die „Peruvia" rettete jene Leute von Wrackstücken, auf denen sie umherschwammen. Einer der Geretteten starb gleich rach seiner Bergung. Von den Schiffbrüchigen hatten schon 5 Mann den Tod in den Wellen gefunden.
London 16.Nov. Der Kaiser empfing gestern im Schloß Windsor eine Abordnung der Oxforder Universität, welche dem Monarchen die Ernennung zum Ehrendoktor überreichte. Kaiser Wilhelm wies in seiner Ansprache auf die Beziehungen hin, die ihn mit der Oxforder wutor verbänden und drückte seinen Dank für die Verleihung des Doktorgrades aus.
Windsor 16. Nov. Der Kaiser begab sich heute vormittag um 11 Uhr in Begleitung des Earl of Roberts nebst Gefolge nach London. Ter Kaiser sah sehr wohl aus und unterhielt sich vor der Abfahrt noch einige Zeit mit dem Mayor von Windsor. Vormittags 11 Vr Uhr traf er auf der Station Paddington ein und fuhr von dort nach der deutschen Botschaft. Bei der Abfahrt vom Bahnhof wurde der Kaiser von dem dort angesammelten Publikum lebhaft begrüßt. Die Kaiserin war schon um 10^4 Uhr vormittags aus Windsor auf der Station Padding- ton eingetroffen und fuhr im Automobil nach dem Wallace-Museum. Alsdann besichtigte die Kaiserin in den Geschäftsräumen der Firma Waring u. Gillows in der Oxfordstreet die Galerie mit Möbeldekorationen. Die Kaiserin sprach ihre Bewunderung über olles Gesehene aus.
London 16. Nov. Der heutige Besuch des Kaisers in London gab wieder zu außerordentlichen und begeisterten Kundgebungen des hauptstädtischen Publikums oller Klaffen Anlaß. Sowohl bei der Hinfahrt nach der Botschaft, als auch bei der Rückfahrt war der Weg von Zehntausenden dicht besetzt, die den Kaiser mit brausenden Hurras begrüßten. Der Kaiser dankte lebhaft und sichtlich bewegt. Freundlicher Sonnenschein begünstigte die Durchfahrt des Kai- sers durch London. In der deutschen Botschaft unterhielt sich der Kaiser äußerst angeregt mit vielen der ihm vorgstellten Herren, mit dem Vorsitzenden des Londoner Grasschaftsrater, Mister Harris, mit dem er eine lange und lebhafte Unterhaltung über Erziehungsfragen pflog. Mister Harris teilte dem Kaiser mit, daß der Grasschaftsrat den Charlottenburger Unterrichts- plan in London eingeführt habe. Der Kaiser ließ sich ihm gegenüber auch über die Wichtigkeit der Elektrizität bei der modernen Industrie aus und fragte nach der Anwendung derselben durch
den Grafschaftsrat. Besonders lebhaft unterhielt sich der Kaiser mit den britischen Journalisten und setzte dieselben durch seine Kenntnis des britischen Zeitungswesens in Staunen.
London 16. Nov. „Evening News" will wissen, daß der König und die Königin von England im nächsten Jahre in Berlin einen Staatsbesuch abstatten werden und daß die Beziehungen zwischen dem Kaiser und dem König nunmehr von besonderer Herzlichkeit seien. Auch berichtet das Blatt, daß bei einem der Privatdiner« König Eduad neulich einen überaus herzlichen Trinkspruch auf die Gesundheit des Kaisers ausgebracht habe.
London 17. Nov. Heute findet im Schlosse zu Windsor eine große Galatafel statt, zu welcher 90 Einladungen ergangen sind. Unter den Teilnehmern befinden sich sämtliche Mitglieder der königlichen Familie, die sich zur Zeit in Windsor befinden, das deutsche Kaiserpaar, das spanische Königspaar und die Königin von Norwegen.
Petersburg 16. Nov. Großes Aufsehen hat die gestern in Zarrkoje Selo vorgenommene Verhaftung von 5 Zivilisten hervorgerufen, welche den Plan hegten, auf den Zaren in seinem Audienzsaale ein Bo mben-Attentat zu verüben. Die Verhafteten hatten um eine Audienz nachgesucht. Sie schienen der Wache verdächtig und wurden festgenommen. Bei der an ihnen vorgenommenen Leibes-Durchsuchung fand man bei jedem der Audienzbewerber unter den Kleidern versteckt mehrere Bomben.
Lissabon 16. Nov. Ein heftiger Sturm, der gestern an der portugiesischen Küste herrschte, hat zahlreiche Schiffsunfälle verursacht. Unter Anderem ist ein Fischerboot mit 16 Personen gesunken. 12 Leichen sind bereits ans Ufer geschwemmt worden.
Verwischtes.
Eine Hinrichtung im letzten Augenblick verschoben. Als in Dortmund früh 6 V- Uhr die Hinrichtung des Bergmannes Adam Urschuß, der seiner Zeit einen Steiger ermordet hatte, erfolgen sollte, traf plötzlich ein Telegramm der Staatsanwaltschaft ein, das die Hinrichtung inhibierte. Sämtliche Vorbereitungen zur Hinrichtung waren bereits getroffen. Urschuß wurde wieder in seine Zelle geführt. Der Verteidiger hatte beim Landgericht Dortmund die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Dieser Antrag wurde vom Landgericht Dortmund ab- gelehnt. >Daraufhin hatte der Verteidiger am späten Abend telegraphisch beim Oberlandergericht in Hamm und beim Justtzminister Beschwerde eingereicht. Das Oberlandesgericht hat dann in einer in der letzten Nacht abgehaltenen Sitzung die
Entscheidung des Landgerichts Dortmund aufgehoben und die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet. Diese Entscheidung ging der Staatsanwaltschaft erst früh kurz vor dem festgesetzten Zeitpunkt der Hinrichtung zu. Urschuß war bereits vom Gefängnisgeistlichen auf seinen Tod vorbereitet worden.
Die Resultate des Frauenstimmrechts in Australien. Ueber die Wirkungen des australischen Frauenstimmrechts berichtet die demnächst erscheinende Internationale Revue „Dokumente des Fortschritts" folgendes: Die Einführung des Frauenstimmrechts hat keine bedeutsamen politischen Verschiebungen mit sich gebracht. Im wesentlichen stimmt derselbe Prozentsatz der Frauen für die konservative bürgerliche Mittelpartei und für die sozialistische Partei, wie bei den Männern. Wohl aber hat das Frauenstimmrecht die Temperenzgesetzgebung geschaffen und zu einer größeren Moralität der Vertretung; körper geführt in dem Sinne» daß die Frauen mehr als die Männer auf die persöu- liche moralische Qualifikation der Kandidaten — sowohl auf die öffeniliche Moralität, wie auch auf die private — Gewicht legen. Die Parteien haben infolgedessen mehr zweifelhafte Elemente aus ihrer Kandidatenliste eliminiert, und das Frauenstimmrecht hat auf diese Weise zu einer bedeutenden Erhöhung der persönlichen Integrität der Vertreter geführt. Nebenbei bemerkt, vollziehen sich auch die Wahlen selbst in einer viel geordneteren Weise, und die Blätter berichten, daß die Frauen „so zur Wahl gehen wie zur Kirche". Die üblichen Einwendungen, die Frauen besäßen ein viel geringeres politisches Interesse, ist durch die in Australien erzielten Erfahrungen vollkommen widerlegt. Es gibt in Australien Bezirke, in welchen viermal soviel Frauen gestimmt haben als Männer. Es scheint tatsächlich, daß bei den Frauen das Bewustsein der staatsbürgerlichen Pflichterfüllung viel stärker entwickelt ist. Des weiteren legt die Frau naturgemäß auf den Kinder- und Jugendschutz besonderes Gewicht, und dem Einflüsse ihrer Wahlstimme hat denn auch Australien seine Jugendschutzgesetz, gebung zu verdanken.
ReklameteiL.
Magenleidenden
teiltgerneundunem- geltlich Herr Christian Bühner jr. in Sigmarswangen (Württ.) mit, wie er auf einfache Weise von seinem langen und qualvollen Magenleiden befreit wurde.
MüDe Z H Aprelte. D
— auch um den Preis, daß er dich daraufhin freigibt — daß alle deine stolzen, trotzigen Pläne in ein Nichts versinken und du ewig vor jenem Andern gedemütigt bleibst!
So schrie es in ihr auf, und vor dieser Stimme versanken Trotz und Stolz. Wahr und ehrlich bleiben — kein Lug und Trug in das fernere Leben mitnehmen.
„Du liebst mich nicht", rief Grunow jetzt ernst, als sie solange zögerte.
Sie hob die Augen zu ihm auf.
„Hans." Weich und bittend klang ihre Stimme, so wie er sie noch nie von diesen stolzen Lippen vernommen hatte. „Nein — ich liebe dich nicht so — wie du es vielleicht erwarten mochtest."
„Inge."
Sie lächelte. „Ich hoffe, daß ich dich noch recht lieben lerne, und daß wir glücklich zusammen sein werden. Wenn du aber — meinst — es ginge nicht — so - so — ist cs noch Zeit. —"
„Mein Himmel, Kind, süße einzige Inge, wie sprichst du nur?" unterbrach er sie erregt. „Ich sollte dich darum aufgeben? Ich verlange ja garnicht, daß du mich liebst, wie ich dich liebe. — Daß du dich mir zu eigen geben, mein Weib werden willst, ist ja schon so unendlich viel. Alles andere findet sich später gewiß."
„Ich will dir ein treues Weib sein," erwiderte sie leise, aber mit einem befreienden Atemzug.
Da zog er sie von neuem an sich und küßte sie.
Sie duldete es als etwas Unvermeidliches, ohne jedoch die heißen Küsse zu erwidern. Er hatte ein Recht dazu und sie durste ihm nicht wehren.
Da trat die Mutter ein und brachte ihr Erlösung. In ihren Armen erst fühlte sie sich wieder wohl und geborgen.
Zusammen gingen sie darauf hinüber zum Vater.
Helmbrecht hieß seinen Schwiegersohn herzlich willkommen. Wohl
hatte er sich einst einen anderen Sohn gewünscht, einen, an dem sein Herz hing, wie an einem eigenen. Seine Gedanken hatten in letzter Zeit gar oft bei seinem Direktor, bei seinem „lieben Williams" geweilt, der mit nimmermüdem, selbstlosem Eifer für ihn wirkte und arbeitete. Die Zeichnung seiner neuen Erfindung wäre bis ins kleinste vollendet, schrieb er zuletzt, und in nächster Woche sollte mit der Fabrikation der einzelnen Maschinenteile begonnen werden. Welche Aussicht! Wenn dieser Mann sein Erbe hätte werden können! Er wäre seiner wert gewesen; er hätte das Werk in seinem Sinne weiter geführt.
Nun kam ein anderer, dem seine Interessen so fern lagen, und warb um Inges Hand; er ward der Erbe. — Doch Inge konnte ja darauf keine Rücksicht nehmen, was er, der alternde, blinde Mann, sich wünschte; sie mußte ihren Weg wählen nur nach ihrem Herzen. Hoffentlich hatte sie gut gewählt. Grunow war ihm ja als Freund seines Sohnes und auch durch sein liebenswürdiges Wesen in den kurzen Wochen, näher gerückt und doch — er wußte selbst nicht warum — als Mann seiner Inge hätte er ihn nie gewünscht.
Rechtsanwalt Grunow blieb den Tag über in der Familie. Erst mit dem letzten Zuge wollte er reisen. Es gab ja noch so viel zu besprechen und zu erörtern. Aber gerade das, was ihm am meisten auf dem Herzen log, kam nicht über Grunows Zunge: die Frage nach den Vermögensverhält- Nissen, nach Inges Mitgift.
„Inge ist meine einzige Erbin," hatte Helmbrecht, als er sich eine Zeit mit Grunow allein befand, geäußert und damit war der Geldpunkt nicht wieder berührt worden.
Dar genügte Grunow auch vorläufig. Von seiner Tante wußte er» daß Helmbrecht reich war. Freilich, daß diese Annahme seit den letzten zehn Jahren, wo die Krankheit Helmbrechts den Rückgang der Fabrik heraufbeschworen, nicht mehr zutraf, wußte keines von beiden. (Forts, folgt.)