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auf unsere europäische Kulturstufe emporzuziehen; Kulturarbeit wollen die Missionare auch nicht leisten, nur die Seele zu Gott führen. Ein kultureller Verdienst des Missionars sei es aber, wenn er vor dem ohne seine Schuld eingeführten Alkohol warne.) (Schw. M.)
Eßlingen 14. Nov. Einen Brotaufschlag haben auch die hiesigen Bäckermeister in folgender Weise eintreten lassen: Der vierpfündige Laib Hausbrot kostet statt bisher 48 künftig 52 A der dreipfündige Halbweise statt 42 — 46 und der dreipfündige Weißlaib statt 44 — 48 Die Wecken dürften nur noch ein Gewicht von neunzig Gramm aufweisen.
Vaihingen a. E. 13.Nov Viehmarkt. Zufuhr 93 Ochsen und 625 Stück sonstiges Vieh von auswärts, dazu von hier 50 Stück. Erzielt wurden bei ziemlich flauem Handel: für 1 Paar Ochsen bis zu 1100 für 1 Paar Stiere bis zu 800 für 1 Kuh bis zu 450 ^; Kleinvieh entsprechend billiger. Preise sind dem letzten Markt gegenüber ziemlich gleich geblieben.
Aus Oberschwaben 13. Nov. Der hereinbrechende Winter verschlimmert Heuer in besonderem Maße die Laune d :r Handwerksburschen; wahrscheinlich trägt hiezu auch die nachlassende Konjunktur auf dem Jndustriemarkt bei. In Waldsee wies ein Bettler auf der Polizeiwache das sog. Stadtgeschenk mit 20 H zurück, wurde später mit dem Schutzmann handgemein und zerriß dessen Waffsnrock von oben bis unten. Erst mit Hilfe eines zweiten Schutzmanns gelang es, dem renitenten Burschen Gelenkfesseln anzulegen und ihn ins Amtsgefängnis einzuliefern, wo er sofort den Tisch zerschlug. Bei seiner Vernehmung wies er sich als 22-jähriger Kupferschmied Jakob Henne von Owingen OA. Hechingsn aus. — Jn Ennetach bei Saulgau kamen zwei Hrndwsrksvurschen in der Wohnung des Polizeidiensrs Sigg mit diesem ins Handgemenge und versuchten dann den Beamten in die Dunggrube zu werfen. Auch hier gelang es mit Hilfe einiger Nachbarn, den Widerstand der Hanvwerksburschen zu brechen.
Vom Bodensee 13. Nov. Ein „Heller" Maulwurfsfänger hantierte im Bezirk Ueberlingen. Mit seiner Gemeinde hatte der „Schermauser" einen Vertrag zur Ablieferung von Mäusen gemacht. Eines schönen Tages bemerkte der Gemeinderechner, daß die abgelieferten Tiere keine Schwänze hatten. ^Nun stellte es sich heraus, daß der schlaue Maulwurfsfänger noch mit einer anderen Gemeinde einen Vertrag abgeschlossen hatte, wo er nur die Maulwurfsschwänzs zu liefern hatte. Der Schlauberger erhielt also für einen abgelieferten Maulwurf immer doppelte Gebühr» und er soll es geraume Zeit so getrieben haben.
Frankfurt a. M. 14. Nov. Der in München verhaftete internationale Hoteldieb Peter Carlsohn, der heute zur Vernehmung nach Wiesbaden transportiert wurde, ist hier auf dem Frankfurter Polizeipräsidium einem Verhör unterzogen worden. Er gestand, in einem Wiesbadener Hotel eine Psrlennadel im Wert von 11000 ^ gestohlen zu haben und gab zu, daß er auch hier in allerersten Hotels gewohnt habe. Ferner ist er verdächtig, einer Dame in einem Hotel am Bahnhof ein Paar Ohrrings im Wert von 5000 ^ gestohlen zu haben. Carlsohn ist Schwede und von Beruf Bauernknecht; nachher wurde er Maurer, Hotel-Portier, Billard-Markeur und endlich Hochstapler. Er wohnte nur in größeren Städten und befand sich fortgesetzt auf Reisen.
Berlin 14. Nov. Der Reichskanzler Fürst von Bülow hatte am Mittwoch mit dem aus Afrika zurückgekehrten Staatssekretär des Reichrkolonialamts Der n bürg, eine längere Besprechung.
Paris 14. Nov. Die Morgrnblätter betonen in ihren Bemerkungen zum Kaiserbesuch den friedlichen Charakter der Rede Kaiser Wilhelms in der Guildhall, während die beiden Reden in Windsor ihnen bedeutungslos erscheinen, Toaste bei einem Familienfest, sagt „Petit Republique": der gute Onkel begrüßt den lieben Neffen im alten Ahnenschloß. Aehnlich sind die Asußerungen auch anderer Blätter. Erheblich wichtiger erscheint allen die Antwort des Kaisers auf den Begrüß ungs« Sprach des Locdmayors. Selbst das antideutsche „Echo de Paris" muß zugeben, daß diese Rede in London große Aufmerksamkeit erregte. Man betrachtet diese Friedensworte als den ersten Schritt Deutschlands einer Versöhnungs-Politik entgegen.
Rotterdam 14. Nov. Das Ende des langwierigen Streiks imRotterdamerHafen ist endlich in Sicht. Eine Deputation der deutschen Getreide-Importeure kam hierher, um die Messer und Wiegsr an die kontraktlich übernommenen Verpflichtungen den Importeuren gegenüber zu erinnern, und erhielt das Versprechen, daß die Wieger und Messer sich bis 1. Januar 1908 nicht der Löschung und Abwägung des Getreides mittels Elevatoren widersetzen wollen. Morgen wird die Arbeit auch seitens der noch streikenden Dockarbeiter allgemein ausgenommen und damit ist der Frieden vorläufig zustande gekommen.
Rom 13. Nov. Die Königin Helene von Italien ist heute Morgen von einer Prinzessin entbunden worden, die den Namen Johanna erhalten wird. Mutter und Kind befinden sich wohl.
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London 13. Nov. Der Extrazug mit dem Kaiserpaar traf um 11.48 Uhr auf dem Paddington-Bahnhofe ein. Da; Kaiserprar stieg unter den Klängen der Nationalhymne aus. Der Kaiser inspizierte die Ehrenwache und nahm die Adresse vom Bürgermeister von Prddington in Empfang. Der Monarch erwiderte darauf: Wir danken Ihnen für Ihren so freundlichen Empfang und wir freuen uns sehr, wieder in London zu weilen. Hierauf setzte sich der Festzug der Kaiserpaares unter der Eskorte der Leibgarde des König und unter brausenden Ovationen der ungeheuren Menschenmenge in Bewegung. Auf dem Wege zur Guildhall begleitete gewaltiger Jubel das Kaiserpaar. Die Ovationen auf dem ganzen Wege überstiegen dar Maß der bei solchen Staatsfeierlichkeiten üblichen Kundgebungen bei weitem und bewiesen die große Popularität des deutschen Kaisers und der Kaiserin. Auf dem Oxford-Platz nahm das Kaiserpaar die Adresse der Stadtverwaltung von Westminstsr und Mary- lebonne entgegen, ebenso bei den Holborn-Bar« die Adresse der Stadtverwaltung von Holborn. Die Szene bei der Einfahrt in die Guilohall war äußerst eindrucksvoll. Dis Begeisterung der Bevölkerung machte sich in nicht endenwollenden brausenden Hochrufen Luft. Die Lady Mayoreß empfing die Kaiserin mit einem prachtvollen Bouquet. Hierauf wurde sofort der Aufzug gebildet und man begab sich in den großen Saal, wo die Adresse der City von London dem Kaiser überreicht wurde. Hierauf ging der Festzug in den Bankettsaal. Der Kaiser führte Lady Bell und die Kaiserin schritt am Arme Sir John Bells. Dieser saß zwischen dem Kaiser und der Kaiserin. Das Bankett verlief aufs glänzendste.
London 13. Nov. Der Kaiser wird entgegen den ursprünglichen Dispositionen nicht die Insel Wight sondern Highcliffe Castle bei Christchurch ir^Hantshire, welche Oberst Wortley dem Monarchen zur Verfügung gestellt hat, von Montag ab auf 14 Tage zu seinem Aufenthalts- ort wählen. Der deutsche Botschafter Graf Wolfs- Metternich ist gestern in Hinton-Admiral eingetroffen, um die Arrangements für den Aufenthalt des Kaisers zu treffen.
London 13. Nov. Bei der gestrigen Galatafel im Schloß tauschten König Eduard und Kaiser Wilhelm herzliche Trinksprüche aus. Der König gab seiner und der Königin Alexandra Freude Ausdruck, das deutsche Kaiserpaar in dem alten historischen Schloß zu sehen, und sagte: Euer Majestät können überzeugt sein, daß Euer Besuch in diesem Lande, mir, der Königin und dem ganzen Volke eine aufrichtige Freude bereitet. Ich hoffe nicht nur, daß das Land über welches Eure Majestät herrscht, glücklich und blühend sei, sondern auch der Friede
Grunow begrüßte sie mit einem erstaunten Ausruf, als hätte er alles andere erwartet, als sie so früh allein am Strande, noch dazu in beträchtlicher Entfernung von ihrer Wohnung anzutreffen. „Was ist dabet so Verwunderliches?" fragte sie mit leichtem Lächeln. „Ich liebe einsame Spaziergänge und — wollte einmal allein sein."
Die Anspielung war deutlich, doch Grunow überhörte sie geflissentlich. Er verbeugte sich.
„Unsere Wünsche begegneten sich, gnädiges Fräulein, auch mich erfüllte heute der Wunsch nach einem Alleinsein. Ich habe er gründlich ausgekostet und begrüße mit Freuden den Zufall» der mir für den Rückweg eine so liebenswürdige Gefährtin schickte. Gnädiges Fräulein wollen doch auch umkehren. Wir sind jetzt ziemlich weit von Misdroy entfernt und kommen kaum zum Frühstück zurück."
„Ich hatte noch keinen Entschluß gesoßt," wich Inge aus.
Er sah sie mit einem schmerzlichen Blick an.
„So wollen Sie meine Begleitung auch diesmal wieder zurückweis en ?"
Sie errötete in dem Gedanken an die gestrige Abweisung und schüttelte den Kopf. „Nein, es ist Zeit, daß wir umkehren."
Schweigend schritten sie eine Weile Seite an Seite.
„Gnädiges Fräulein." unterbrach Grunow endlich das Schweigen. „Wissen Sie auch, daß sie mir mit ihrer gestrigen Abweisung sehr wehe getan haben?"
In seiner Stimme lag ein weicher Klang.
„O, das tut mir leid," sagte Inge bedauernd und sah zu ihm auf, um in demselben Augenblick ihre Augen erschrocken wieder zu senken. Sein Blick war ihr durch und durch gegangen.
„Sie hatten kurz vorher noch den Wunsch geäußert, eine Segelpartie zu machen," fuhr er fort, „und ich war so glücklich, Ihnen dazu meine Begleitung anbieten zu dürfen. Sie aber wiesen mich kurz — grundlos zurück."
„Grundlos?" fragte Inge.
„Ja — oder nennen Sie die Angabe, Sie hätten keine Lust — einen stichhaltigen Grund?"
„Entschieden," beharrte sie, „ich hatte gestern wirklich keine Lust zur Fahrt."
„Und wenn ich Sie bäte, heute diese Fahrt mit mir zu machen? Wir haben wieder Westwind und einen gleichmäßigen Wellengang."
„Nein — auch heute fehlt mir die Lust."
„Inge!"
Inge fühlte plötzlich alles Blut zu ihrem Herzen drängen. Was gab dem Manne ein Recht sie bei ihrem Vornamen zu nennen, noch dazu in einem Tone, der sie erbeben ließ? War es allein das Gekränktsein über ihre erneute Abweisung oder — hatte sie ihre dunkle Ahnung doch nicht betrogen? Das beunruhigende Gefühl, dar sie in der letzten Zeit stets in seiner Nähe empfunden hatte, wäre also doch berechtigt gewesen?
„Inge," wiederholte er und trat einen Schritt näher heran, „was haben Sie gegen mich? Was tat ich Ihnen, daß Sie mir so begegnen?"
„O, nichts," gab sie, von Angst und Bangen überfallen zur Antwort.
„Nichts? Wirklich nichts? So wäre es nur eine Laune, eine äugen- blickliche Laune gewesen? Inge, wie glücklich Sie mich machen! Lassen Sie mich aufrichtig sein. Ich leide und litt schon längst unter Ihrem herben, kühlen Wesen, und Sie ahnten wohl kaum, daß Sie gerade dadurch etwas in mir zu Heller Glut anfachten. Schon als ich Sie da» erste Mal sah — erschrecken Sie nicht — da packte es mich — etwas, was ich bisher nicht kannte, und es wuchs in Ihrer Nähe. Jetzt sprengt es mir die Brust, und ich kann dem Ausbruch nicht länger wehren. Inge, ich liebe Sie — werden Sie die Meine."
Das war ohne jeglichen Pathos, aber mit weicher, zitternder Stimme gesprochen. Und Inge stand vor diesem ganz Unerwarteten, auf sie Herein-