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nicht gestört werden möge. Kaiser Wilhelm antwortete, er sei nicht nur von dem Wunsche beseelt, daß zwischen beiden Herrscherfamtlien sondern auch zwischen der Bevölkerung beider Länder gute Beziehungen bestehen. Solche Beziehungen, fuhr der Kaiser fort, dienen zur Aufrechterhaltung des Friedens und das ist stete Bemühung Euer Mojistät sowie meine selbst. Der Kaiser schloß mit einem Tank an den König für seine freund­lichen Worte und für den herzlichen Empfang, der ihm und der Kaiserin bereitet worden sei.

London 13. Nov. Die herzlichen Worte Kaiser Wilhelms bei dem gestrigen Staatrbankett werden hier mit leb­hafter Befriedigung begrüßt und der Eindruck von der hohen Bedeutung des Kaiser­besuches für die Beziehungen beider Länder vertieft sich von Tag zu Tag.

Windsor 14. Nov. Der Kaiser pflanzte gestern eine Gedöchtnireiche bei Flemisch- Farm. Wie derDaily Mail" aus Windsor telegraphiert wird, galt der Besuch des Professors Semons im Schloß nicht der Gesundheit des Kaisers sondern war ein rein privater Besuch lei dem Leibarzte vr. Jlberg, der ein alter Univerfitätsfreund Semons ist. Die Erkältung habe sich in der milden englischen Luft vollständig verloren.

London 14. Nov. Die Kaiserin, die den Donnerstag in London zubringen will, ist heute früh um 10.05 Uhr auf dem Bahnhof Paddington eingetroffen.Standard" schreibt über die Aufrichtigkeit der Rede des Kaisers in derGuildholl": Wilhelm II. ist nicht der Mann, der Freundschaft kundgibt gegenüber einer Regierung, die er im Verdacht hat, in Ränke gegen sein Vaterland verwickelt zu sein.Daily News" schreiben: Wir hätten keine treffendere Aeußerung des Kaisers wünschen können, noch eine, die mehr geeignet ist, die unvernünftige Erbitterung zu beseitigen, die einige Jahre hindurch die englisch­deutschen Beziehungen gekennzeichnet hat. Es war an der Zeit, daß diese Stimmung zerstreut wurde.

London 14. Nov. Tie Kaiserin besuchte das deutsche Hospital und dann das deutsche Lehrerinnenheim, wo ihr ein Bukett überreicht wurde. Um 12 Uhr 15. Min. kehrte die Kaiserin von Station Paddington nach Windsor zurück.

London 14. Nov. Nach den Anstrengungen des gestrigen Besuches in der City von London hat König Eduard für heute einen Ruhetag für seine kaiserlichen Gäste eingelegt. Der Kaiser und der König, begleitet von dem Prinzen von Wales und dem Herzog von Connaught werden während des Vormittags in den Wäldern von Windsor jagen. Abends findet ein Diner im Schloße statt und nachher eine Tßeater.Vor- stellung in der Waterloo-Gallerie des Schlaffes.

Der Kaiser wird bei dieser Gelegenheit Sir John Hare mit seiner Truppe kennen lernen.

London 14. Nov. Sir Campbell Bannerman hielt gestern eine politische Rede, in welcher er an den Besuch des deutschen Kaiserpaares in London anknüpfte. Der Kabinetrchef erklärte, durch seine Teilnahme bei dem Bankett anläßlich der Anwesenheit des deutschen Kaisers habe er die Gefinnnng der englischen Regierung zum Ausdruck bringen wollten, welche mit den patriotischen Gefühlen der städtischen Behörden Lbereinstimmt. Er schätze sich glücklich, erklären zu können, daß die gesamte Bevölkerung Londons, wie vorauszusehen war, den Standpunkt der Regierung teile und daß der Empfang des deutschen Kaiserpaares einen überaus herzlichen Charakter getragen habe. Die herzlichen Gefühle und Sympathien des englischen Volkes gegenüber dem deutschen Kaiser seien zum Ausdruck gekommen. Besuche dieser Art und Uebereinstimmung der Gesinnungen zwischen Höfen und Nationen übten einen wichtigen Einfluß aus und knüpften die Bande des Friedens in der ganzen Welt immer enger aneinander.

Vermischtes.

Die heurige Damenhutmode. Aus Wien wird geschrieben: Von allen Extravaganzen, welche sich die Damen innerhalb der letzten zehn Jahre von Frau Mode haben diktieren lassen, ist ohne allen Zweifel die heurige Hutmode die über­raschendste und, wenn man will, auch die originellste. Ganz abgesehen von der Form, der es an Viel­fältigkeit fehlt, ist schon die Größe der Hüte eine so abnorme, daß man glauben möchte, die Hälfte der Damenwelt würde entsetzt ausrufen: Solches Ungeheuer setze ich nicht auf mir hat zeitlebens nur der kleine Hut gestanden! Aber nein, alle, alle ohne Ausnahme, krönen fis den Bau ihrer sorgfältig ausgesuchten Toilette mit dem riesigen Dach, dessen häufigster Schmuck einen Schlag ins Gesicht derer bedeutet, die sich seit Jahren der armen Vogelwelt annehmen und meinen, Bänder und Blumen täten denselben Dienst wie Federn. Es graut einem, wenn man bedenkt, was muß da geschossen, gefangen, gerupft und geschunden worden sein, ehe die Tausende und Abertausende von Riesenhüten ihren Federnschmuck erhalten haben. Früher sprach man von einemGesteck", einemReiher",einem Flügel", heut trägt ein einziger Hut die Flügel von sieben Eulen, die gebogenen Schweisfedern von einem Dutzend Gockeln, das ganze reiche Gefieder eines aus­gewachsen Marabouts. Der Glockenhut, der an sich den Charakter großer Bescheidenheit trägt, wird durch den nach zwei Seiten in die Breite abstehenden Federnschmuck zum Walkürenhelm oder er weckt die Erinnerung an die schmetternde Fanfare der italienischen Jäger, derBersaglieri",

indem der reiche Busch von krummen Hahnen­federn sich übers linke Ohr senkt und dort lustig im Winde flattert. Dem Regimentsarzt, dem General scheinen die Feder büsche abgeborgt zu sein, welche die ollerneuesten Winterhüte schmückten. Und wenn das lustige Federgewimmel erst gar weiß ist. oder ein weißgelber Paradiesvogel sich im kühnen Bogen über die Hutkrempe schwingt, dann scheint das heurige Ideal die Vermeidung des Unscheinbaren glücklich erreicht. Es ist schwer, die jetzt von den Damen getragenen Hüte anzu­sehen und dabei nicht die Wiener Redensart zu gebrauchen:Höcher geht's nimmer!"

Gottesdienste.

25. Ko««1og «ach Hrinil., 17. Nov. (Grnte-Wavkftst).

Vom Turm: 14. Kirckenchor: Sollt ich meinem Gott nicht singen rc. Predigilied 5: Womit soll ich rc. 9'/s Uhr: Vormitt.-Predigt, Dekan RooS. 1 Uhr: Christenlehre für die Söhne. 5 Uhr: Liturgischer Gottesdienst, Stadtpfarrer Schmid. Ao«nerat«s, 21. Nov., 8 Uhr abends: Bibelstunde, Dekan Roos.

Mnsikalien.

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brechenden wie betäubt still. Vor ihren Augen flimmerte es und in ihren Ohren brauste und summte es. Doch nicht die Wogen waren es, die in wilder Brandung die Ufer bespülten, sondern das Blut, das ihre Adern durchkreiste.Inge, ich liebe Sie." Wie berauschende Musik klang es an ihr Ohr. Auf diese Morte hatte sie einst so sehnsüchtig gehofft, in ihnen oll ihr junges Glück geträumt. Nun klangen sie wirklich doch ein anderer sprach sie, ein Mann, von dem ihr Herz und ihre Gedanken so fern waren, wie das jenseitige Ufer des Meeres.

Sie sah nur eine Gestalt vor sich, eine liebe hohe Gestalt, ein gereiftes und gebräunter Männerantlitz mit warm leuchtenden Augen. Jetzt erst wurde es ihr klar, was sie in ihrem kindischen Herzen alle die Wochen hindurch noch immer gehofft hatte: Er würde kommen, sie an seine Brust ziehen, sein damaliges, sonderbares Wesen und Tun erklären und alles würde wieder gut werden.

Doch die Hoffnung trog sie jeden Tag aufs neue. Er kam nicht.

Er schrieb zuweilen an den Vater, geschäftliche Mitteilungen waren es, die die Mutter ihnen dann vorlas. Fieberhaft lauschte sie dann, ob ihr Name nicht ein einziges Mal darin genannt würde. Aber zum Schluß kam nichts weiter als stets dieselbe stereotype Phrase: Einen höflichen, ehrerbietigen Gruß an Frau Gemahlin und Fräulein Tochter."

Er liebte sie nicht er verschmähte ihre Liebe.

Eiskalt überlief es sie, und ein Frösteln machte sie zusammenschauern.

Mit Befremden und verzehrender Ungeduld betrachtete Grunow den wechselnden Ausdruck ihrer Züge, und als sie sich jetzt gleichsam zu versteinern schienen, wagte er erst, das beängstigende Schweigen zu unterbrechen.

Fräulein Inge welche Antwort geben Sie mir? Darf ich auf Erfüllung meiner sehnlichsten Wunsches hoffen?"

Sie zuckte erschreckt zusammen und einen Augenblick war es, als wenn sie sich vergeblich besänne, was der Mann vor ihr eigentlich von ihr wolle.

Sie hatte ihn über einem anderen ganz vergessen. Als ihr die Erinnerung kam, befiel sie ein heißer Schreck.Nein," schrie es in ihr auf,hoffe nicht darauf, ich kann die deine nicht werden niemals." Aber sie sprach die Worte nicht aus.

Eine jähe Erkenntnis, ein jäher Gedanke war ihr gekommen: Wenn du jenem andern zeigtest, daß er sich getäuscht hat wenn du die Schmach» zu denken, er habe an deine Liebe geglaubt und sie zurückgewtesen, von dir werfen ihm beweisen könntest, daß daß?" Ein schmerzliches Stöhnen kam aus ihrer Brust.

Inge," drängte Grunow von neuem.

Der Kampf war übSrstar den. Der Stolz hatte über jedes andere Gefühl gesiegt. Keine warnende Stimme in ihrem Innern brachte sie jetzt noch von ihrem Ziel ab.

Langsam wandte sie ihr bleiches Gesicht dem Rechtsanwalt zu, und ihre blutleeren Lippen bewegten sich kaum. ,

Es kam mir sehr überraschend," brachte sie stockend hervor.

»Ja, Fräulein Inge, das merke ich. Zürnen Sie mir nicht, wenn ich Sie erschreckte. Vielleicht hätte ich meine Gefühle noch länger ver­borgen wenn nicht die Zeit drängte. Ich ertrug es nicht mehr ich mußte Gewißheit haben, denn morgen reise ich nach Berlin zurück."

Morgen schon?" Es war, als wenn eine Zentnerlast von ihrer

Ja doch will ich Sie nicht drängen Sie sollen mir heute noch nicht auf meine Frage antworten. Ich warte bis morgen. Nur die Hoffnung lassen Sie mir, daß Sie mich nicht ganz zmückweisen. Geben Sie mir Ihre Hand darauf, Inge."

Fast mechanisch reichte sie ihm die Hand und er führte sie so zart und ehrfürchtig an die Lippen, als ob er etwas Heiliges berühre. Sein ganzes Wesen hatte etwas wohltuend Zurückhaltendes. (Forts, folgt.)