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der schweren Lungenentzündung, an der er auf seiner Rückkehr von einer Orientreise in Venedig erkrankt war, erlegen. — Prinz Arnulf, der jüngste Sohn des Prinzregenten, General- oberst der Infanterie mit dem Rang eines Generalfeldmarschalls, ist am 6. Juli 1852 geboren, stand also im 56. Lebenrjahre. Der Prinz hatte am 17. April Münchenverlassen. umeineForschungs- reise nach Kleinasien und Kaschmir anzutreten, von der ihm keine Rückkehr mehr beschieden sein sollte. Mit Prinz Arnulf ist eine charakteristische Erscheinung aus der Reihe der Wittelsbacher Fürsten geschieden. Eine aufrechte Soldatenfigur, erschien er nach außen als eine strenge Natur. Im Dienst ließ er auch Strenge walten, nichtsdestoweniger war er in der ganzen Armee beliebt, wußte man doch, daß er durchaus gerecht und human war, daß er die Strenge auch gegen sich selbst anwandte. Seine rasche Laufbahn bis zum hervorragenden Truppenführer, als der er auch außerhalb der weißblauen Pfähle anerkannt war, verdankte er seinen eingehenden kriegsgeschichtlichen Studien und seiner allgemein bekannten militärischen Tüchtigkeit. Der angestrer gte Dienst in der Armee ließ ihm indessen immer noch Zeit für wissenschaftliche Arbeiten, denen er mit Vorliebe oblag. Nach dem Kriege 1870 besuchte er neben der Kriegsakademie auch die Maximilians-Universität und eine Zeitlang die Technische Hochschule in München, unternahm dann Reisen nach Italien, Großbritanien, Schweden, Kapland und nach dem Orient. In diesem Jahre unternahm er eine ostasiaiische Expeditionsreise, die ihm eine reiche Ausbeute und hohe Befriedigung brachte, von der er ober als Schwerkranker nach Italien zurückkehren sollte. (St. Mpst.)
München 10. Nov. Ein Hausbesitzer an der Fasaneriestraße, der die Metzgerei ausübt und dessen Tochter Inhaberin einer Krämerei und eines Milchgeschäftes ist, hat einen hausherrlichen Ukas erlassen, demzufolge jedem seiner Mieter sofortige Kündigung angedroht wird, der seinen Warenbedarf aus dem Konsumverein bezieht und, was Milch und Spezereiwaren betrifft, nicht bei seiner Tochter einkauft. Dieser Terro- rirmus wurde den Inwohnern zu bunt, so daß vier Parteien ohne Kündigung zu gleicher Zeit dem gestrengen Hausherrn Ade sagten und anderweitige Wohnungen bezogen. Der von ihm angedrohten Klage auf Einhaltung des Kündigungstermins sehen sie ruhig entgegen. Bis jetzt wartet der Hausherr immer noch vergeblich auf neue Mieter.
Hamburg 11. Nov. Heute Vormittag 11 Uhr ereignete sich auf dem Neubau des Atlantic Hotels ein schwerer Bau-Unfall. Eine im 3. Stock eingebaute Stahlkammer eines Bankgeschäftes brach durch und stürzte durch sämtliche Stockwerke herab. 12 Arbeiter gerieten unter die Trümmer. 10 der Verunglückten konnten von der Feuerwehr gerettet werden und sind
mehr oder weniger schwer verletzt. 2 Arbeiter werden noch vermißt und liegen wahrscheinlich tot unter den Trümmern. Das Unglück ist angeblich auf leichtsinnige Arbeit zurückzusühren. In Arbeiterkreisen verlautete bereits am Freitag, mit der Sicherheit auf dem Bau sei es nicht geheuer.
Warschau 11. Nov. In Radom wurde der Polizeikommissar während der Theater- Vorstellung erschossen. In Byalistok entdeckte die Polizei in der Wohnung des reichen Kaufmannes Mayer Schonberg 150 Pistolen, eine Menge Patronen sowie 10 Bomben, deren eine 40 Pfund schwer war. Dieses Waffenlager war für Lodz bestimmt. 8 Personen wurden verhaftet, bei denen viele Waffen beschlagnahmt wurden.
Wien 12. Nov. In Byelistok ist gestern die Nachricht eingetroffen, daß die Baronin Rosen auf ihrem Gute ermordet aufgefunden worden sei, wärend ihr Gatte lebenkgefährlichverwundet sei. Der Täter ist der 17 jährige Pflegesohn des Ehepaares, ein Realschüler.
Lemberg 12. Nov. In Jarorlau überfiel in der Militär-Reitschule der Ulanen-Leutnant Kahn, der vorgestern seiner Offiziers-Charge verlustig erklärt wurde, hinterrücks mit gezücktem Säbel den General Genningen. Offiziere fingen den Hieb auf, der einen Dragoner-Oberleutnant am Arm schwer verwundete. Kahn wurde durch Säbelhiebe unschädlich gemacht und liegt gefährlich verletzt darnieder.
Das -ratsche KaistlMr la Sa-Iaad.
London 11. Nov. Um */s2 Uhr dampfte der „Hohenzcllern" mit dem deutschen Kaiserpaar an Bord durch die Hafenbarre in Portsmouth. Die englische Armada lag buntbewimpelt in Paradeaufstellung. Der Prinz von Wales, der de utscheBotschafter und Lord Robert waren auf dem Torpedoboot der „Hohenzollern" entgegenaefahren und begaben sich an Bord derselben, wo sie den Kaiser und die Kaiserin begrüßten und mit ihnen das Frühstück einnahmen. Nach kurzer Zeit landeten die kaiserlichen Gäste und wurden mit großem Enthusiasmus begrüßt. Der Portsmouther Bahnhof war mit deutschen und englischen Fahnen geschmückt. Ehrenwachen bildeten von der Landungsbrücke bis zum Bahnhof Spalier und die britischen Musikkapellen spielten die deutsche Nationalhymne. Um V-3 Uhr dampfte der königl. Extrazug mit den hohen Herrschaften von Portsmouth nach Windsor ab. Kurz vor Eintreffen des Zuges war König Eduard in der Uniform eines Obersten des 1. preußischen Garderegiments auf dem Bahnhof angekommen, dessen ganze Front von Ehrenwachen und hohen Offizieren besetzt war. Zum Empfang
Verkauf und erlöste einen Durchschnittspreis von 108 °/° der neuen forstamtltchen Taxpreise. Das Forstamt Steinwald, das an demselben Tag über 4600 Festmeter Nadellangholz dem Verkauf aur- setzte, erzielte hieraus eine Gesamteinnahme von rund 99000 oder durchschnittlich 102°/° der neuen forstamtlichen Taxpreise.
Tuttlingen 11. Nov. Hier wurde ein Friseur wegen Abgabe eines Lotterieloses nach Achtuhrladenschluß polizeilich bestraft. Um sich zu rächen, sandte der Bestrafte sein Dienstmädchen an einem andern Tag nach Achtuhrladenschluß zu sieben anderen Friseuren und ließ je ein Lotterielos kaufen. Die Friseure, die zum Teil das Dienstmädchen kannten, glaubten, einem Kollegen aurhelfen zu müssen und gaben die Lose her; sie sehen aber nun ebenfalls einer Bestrafung entgegen und sind äußerst ungehalten über ihren Kollegen.
Tuttlingen 11. Nov. (Konkurs Storz und Manz) Wenn auch die Ueber- schuldung der in Konkurs geratenen Firma hier den Betrag von 800 000 ^ nicht erreichen wird, so ist bis jetzt doch so viel sicher, daß ganz bedeutende Wechselreitereien mit einer „Firma" in England getrieben worden find, welche sich zum Nachteil einer württembergischen, einer schweizerischen und einer badischen Firma auf zusammen etwa 300000 ^ belaufen. Auch die Nachricht, daß Waren nach England geschafft oder wenigstens zu Schleuderpreisen dorthin veräußert worden sind, bestätigt sich; dies geschah vermutlich, um jener „Firma" wenigstens einiges Entgegenkommen zu beweisen.
Ochsenhausen OA. Biberach 12. Nov. Im Laden eines Kaufmanns wurde ein 9 Jahre alter Bursche dabei ertappt, als er, während er bedient wurde, einige Pakete Cigarretten und einen Geldbeutel vom Ladentisch wegnahm und in seiner Tasche verschwinden ließ. Auf Zuredestellung gestand er zu, daß er im Laden schon öfter Cigarretten gestohlen und diese nachher mit gleichaltrigen Kameraden verraucht habe.
München 11. Nov. Heute früh wurde in dem Juwelier-Geschäft Greif ein Diebstahl verübt. Den Dieben fielen Uhrketten und Schmucksachen von großem Wert in die Hände.
München 11. Nov. Prinz Arnulf von Bayern ist auf der Rückreise aus Zentral- Asien in Venedig, wohin ihm seine Gemahlin bereits entgegen gefahren war, nicht unbedenklich erkrankt. Sein Sohn Prinz Heinrich ist gestern Nachmittag mit dem Leibarzt nach Venedig abgereist. Infolge der am späten Abend eingetroffenen Nachricht über eine Verschlimmerung im Befinden des Prinzen hat sich auch dessen Schwester, Prinzessin Therese nach Venedig begeben.
München 12. Nov. Prinz Arnulf von Bayern ist heute abend 8 Uhr
Der verlorene Sohn.
Roman vonElSbeth Borchart.
(Fortsetzung.)
Der Vater am Arm Grunow's näherte sich ihrem Platz und da der Wind von derselben Seite blies, vernahm sie es ganz deutlich, was gesprochen wurde.
„Versuchen Sie es nur, ich gebe Ihnen meine Einwilligung," hörte sie den Vater sprechen. „Der Wind ist nicht scharf, und wie Sie mir sagten, gehen auch die Wogen nicht zu hoch. Zu einer Befürchtung liegt darum auch wohl kein Grund vor, und Inge hatte es sich schon längst sehnlichst gewünscht."
Bei diesen Worten hatten beide Männer den Strandkorb, darin Frau Helmbrecht saß, erreicht. Grunow zog höflich grüßend den Hut.
„Elisabeth," rief Helmbrecht gut gelaunt. „Der Herr Rechtsanwalt will unsere Inge entführen, was sagst du dazu?"
Inge war aufgesprungen und zu ihrer Mutter und den Herren an den Strandkorb getreten. Ihr Gesicht hatte sich bei der Aeußerung ihres Vaters glutrot gefärbt, und ihr Herz schlug ängstlich, als ob ihm ein Angriff bevorstehe.
Grunow verneigte sich mit tiefster Ehrerbietung vor ihr. „Gnädiges Fräulein-ich komme heute mit einer Bitte."
„Und welcher?" fragte sie zaghaft.
„Gnädige» Fräulein äußerten neulich den Wunsch, eine Segelpartie mitzumachen. Heute bietet sich eine günstige Gelegenheit dazu. In einer Stunde geht das Segelboot des Schiffers Larsen ab. Es faßt zwölf Personen. Wollen Sie sich meinem Schutz und meiner Begleitung anvertrauen? Ihr Herr Vater gab bereits seine Zustimmung."
Inge sah über ihn hinweg in das schäumende Meer. Er hatte recht; sie äußerte neulich diesen Wunsch, und brennend gern wäre sie der Aufforderung gefolgt. Schon seit langem hatte sie eine wahre Sehnsucht, hinaus in die wogende See zu fahren, sich von den auf und niedergehenden Wogenkämmen tragen zu lassen. Doch heute rief trotz aller Lust eine warnende Stimme in ihrem Innern ihr zu: Tue es nicht. Sie gab dieser Stimme Gehör'und wandte sich jetzt dem Rechtsanwalt zu.
„Sie sind sehr gütig, mich dazu aufzufordern, aber — ich muß dennoch auf da» Vergnügen verzichten."
Grunow verbarg nur schwer seine Enttäuschung.
„Darf ich den Grund der Ablehnung wissen, gnädiges Fräulein?" fragte er.
Inge stand eine Weile unschlüssig, was sie sagen sollte.
„Sie hören, mein Töchterchen will nicht, das muß Ihnen genügen," rief Helmbrecht lachend, in der Absicht, Inge einer Verlegenheit zu überheben. „Inge tut nun einmal nichts ohne ihre Mutter, ich sagte es Ihnen im voraus, lieber Grunow, Sie sollten sich auf eine Absage gefaßt machen. Meine Frau aber kann keine Segelpartie vertragen; sie wird seekrank, gelt, Alte?"
Er hatte sich zu ihr in den Strandkorb gesetzt und nach ihrer Hand gefaßt.
Frau Helmbrecht lachte. „Mein Mann hat recht, Herr Rechtsanwalt ich könnte es nicht vertragen, und ohne mich mag Inge gewiß nicht."
„Aber Ihr Fräulein Tochter befindet sich unter dem Schutz von noch zehn anderen Badegästen, außer dem meinen," entgegnete Grunow.
„Hast du wirklich keine Lust, mitzusegeln, Inge?" fragte Frau Helmbrecht ihre Tochter.
(Fortsetzung folgt).