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Stuttgart.) Diese Woche sind eingegangcn An­gebote in Aepfeln aus Stuttgart, Rottweil, Friedrichshofen, in Birnen aus Oppenweiler, in Quitten aus Breitenholz, Hessigheim. Ln gro8 Markt bei der Markthalle am 9. Nov.: Zwetschgen 1214 --z, Aepfel 1820^, Birnen 923^, Quitten 815 -iZ, Nüsse 1422 -H, per Pfd. Zufuhr ziemlich stark. Verkauf lebhaft. Most­obstmarkt auf dem Wilhelmsplatz am 9. Nov.: Zufuhr 160 Ztr., Preis per Ztr. ^ 5 bis 5.40.

Rottenburg 9. Nov. Zu dem Todes­fall des Bauern David Kaiser in Hailfmgen wird weiter gemeldet: Kaiser hat ror kurzem sein Anwesen verkauft und lebte bet einem Ver­wandten. Er brachte sich gestern vor Tages­anbruch mit einem Rasiermesser Wunden am Hals bei und als diese nicht zum Tode führten, suchte er sich mit einem Beil, das aus der Werksiätte seines Bruders flammt, die Hirnschale einzuschlagen. Unter seinen Bemühungen muß er ohnmächtig geworden sein und sich verblutet haben. Die Leiche wurde mit dem Beil in der Hand gefunden.

Tübingen 9. Nov. Bei der ersten Immatrikulation des laufenden Wintersemesters wurden 175 Neuangekommene Studierende in den Universitätsverband ausgenommen. Die Ner anmeldungcn übersteigen die Zahl 500, so daß jetzt schon auf eine stärkere Frequenzzahl gerechnet werden kann ols im letztvergangenen Winterhalbjahr.

Balingen 10. Nov. Der von Geislingen OA. Balingen gebürtige verheiratete Provistons- reisende Friedrich Lohr wurde von dem Schöffen­gericht hier wegen Betrugs in 11 Fällen zu einer Gefängnisstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten ver­urteilt. Er hatte sogen. Schweizer-Uhren, die er um den Preis von 56 ^ bezog, unter schwinde!- haftem Anpreisen um 1014 verkauft, oder unter dem Vorgeben versetzt, daß die Uhr mindestens 30 wert sei und er sie innerhalb 14 Tagen wieder einlösen werde, was er natürlich nicht tat.

Aus Bayern 9. Nov. In Memmingen versuchten einige Personen, die spanischen Schatzschwindler zu fassen, indem sie auf eingelaufene Briefe derselben das verlangte Tele­gramm absandten, gleichzeitig aber, das deutsche Konsulat in Madrid benachrichtigten. Von diesem ging dann die Antwort ein, daß es bei den herr­schenden Polizeiverhältnifsen in Madrid, nicht in der Lage sei, etwas zur Ergreifung der Schwindler zu tun.

Trier 9. Nov. Durch die Explosion eines Dampfrohres wurden auf der Dür- linger Hütte 4 Arbeiter schwer und 4 leichter verletzt. Zwei liegen im Sterben.

Berlin 9. Nov. Das Kaiserpaar hat gestern Abend 11 Uhr 15 Minuten vom Potsdamer Bahnhofe aus die Reise nach Eng­land angetreten. Tie zahlreich erschienenen englischen Journalisten brachten ein Hurra aus.

Berlin 10. Nov. Zur Englandreise des Kaiserpaares schreibt dieNorddeutsche Allgemeine Zeitung": Wie in dem Besuch seiner Majestät des Königs von England in Wilhelms- höhe, so werden in dem Aufenthalt der kaiser­lichen Majestäten als Gäste des britischen Königs­hofes jenseits des Aermelmeercs die Bestrebungen geklönt, frühere Mißverständnisse zwischen den beiden Mächten endgültig zu überwinden und ihre Beziehungen auf die Basis eines friedlichen und freundlichen Verhältnisses zu stellen. Unzweifelhaft ist der bevorstehenden Begegnung der britischen und der deutschen Majestäten insofern eine nicht zu unterschätzende politische Bedeutung beizumessen, als durch sie der auf beiden Seiten gehegte und deutlich zu Tage getretene Wunsch nach Erhaltung ungetrübter Beziehungen neue und wichtige Förderung erfährt. Diese Bedeutung wird keines­wegs geschmälert durch die Tatsache, daß entgegen der hie und da laut gewordenen Meinung die Behandlung spezieller politischer Probleme während des Kaiserbesuches in England weder angeregt noch beabsichtigt ist. Ter warme Empfang, der unserem Herrscherpaare in England zugedacht ist, wird bei uns einen gleich gestimmten Widerhall finden und seinerseits den geweckten freundlichen Gesinnungen zwischen den beiden Nationen neue Kräftigung verleihen.

Berlin 9. Nov. An das Kaiserpaar wurde die Nachricht von der Niederkunft der Kronprinzessin nach Wesel telegraphiert. Der kaiserliche Hofzug war indessen schon weiter gefahren und so wurde die Depesche nach der holländischen Station Ginnip abgesandt. Von dort ist alsbald ein herzliches Glückwunschtelegramm in Potsdam eingegangen.

Berlin 9. Nov. Heute Vormittag ist der Buchdrucker Minow, der sich selbst beschuldigt hat, die Verletzungen der Kinder in der Prenzlauer Allee begangen zu haben, der Staatsanwaltschaft vorgeführt worden. Zwei der Kinder find be­kanntlich an den Verletzungen gestorben. Die Annahme, daß Minow der Täter ist, gewinnt an Wahrscheinlichkeit, denn die einzelnen Kennzeichen und Merkmale die Minow von den Oertlichkeiten gab, stimmten genau mit den Tatsachen. Die sexuellen Motive fallen vollständig fort. Minow erklärte, er würde auch einen Knaben gestochen haben, wenn er einen getroffen hätte.

Kiel 9. Nov. Bei der heutigen Bei­setzung der Opfer derBlüchers-Kata­strophe ließ sich der Kaiser durch den Oberwerfts- Dmktor, Admiral vcn Usedom vertreten, der im Namen des Kaisers einen Kranz am Grabe

niederlegte. Die Kaiserin sandte an das Kommando der Ostsee-Station folgendes Telegramm: Ich bitte, den Hinterbliebenen der bei der Katastrophe Verunglückten meine innigste Teilnahme aurzu- sprechen und bei der heutigen Feier in der Kapelle einen Kranz nieder legen zu lassen.

Hamburg 9. Nov. Die Erdbebenwarte in Claustal registrierte gestern Abend 2 äußerst starke Erdbeben in 6000 km Entfernung. Ein dritter heftiger Erdstoß wurde heute früh registriert.

Marseille 9. Nov. Ein furchtbares Gewitter ist gestern hier niedergegangen. In wenigen Minuten standen die Straßen unter Wasser. Da auch die Gasanstalt unter Wasser stand, blieb die ganze Stadt gestern unbeleuchtet. Im Stadtteil St. Marguerite war eine Tuch­fabrik vom Wasser isoliert. Truppen und Feuer­wehr mußten die Arbeiter mittels Kähnen in Sicherheit bringen.

Warschau 10. Nov. Soeben entdeckte die Geheimpolizei einen Fall des Verrat- militärischer Geheimnisse. Die Affäre wird streng geheim gehalten. Es handelt dabei um mehrere höhere Offiziere, welche eine Anzahl Befestigungkpläue an Oesterreich ausgeliefert haben. Als Vermittler dienten Juden. Die ausgelieferten Dokumente wurden mit Hilfe von Wiener Bahn­beamten ins Ausland gebracht. Tie in die An­gelegenheit verwickelten Offiziere hatten durch ver­schwenderisches Leben die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Mehrere Verhaftungen wurden vor- genommen, weitere stehen bevor.

Warschau 10. Nov. Gestern wurde in Lodz eine kleine Fabrik von Arbeitern demoliert aus Rache für die von dem Besitzer angekündigte Herabsetzung der Löhne. Es wird befürchtet, daß trotz der scheinbaren Beruhigung der Arbeiterschaft solche Excesse sich wiederholen werden, da namentlich ein Teil der kleineren Fabrikanten nicht im stände ist, bei der während der früheren Streikunruhen erzwungenen Lohn- erhöhung mit den Fabriken Ost- und Südwest- Rußlands zu konkurrieren und daher bestrebt ist, die Löhne, welche fast das doppelte der russischen Löhne erreichen, zu ermäßigen.

Petersburg 9. Nov. Wie verlautet, wird die Thronrede für die dritte Duma im Georgsaale des Winterpalais verlesen werden. Die Eröffnung der Duma wird durch den Präsidenten des Reichsrates, Akimow, erfolgen. Der vorgestrige Vortrag Stclypins in Pcterhof betraf hauptsächlich die Thronrede, die von Stolypin und dem Staats­sekretär Tannjew verfaßt ist. In der Thronrede wird der unerschütterliche Wille des Zaren zum Ausdruck gebracht, das Oktober-Manifest zu ver­wirklichen. Der Zar soll gesagt haben: Was ich einmal gegeben, das werde ich nie wieder fortnehmen

O, das ist ja prächtig. Ich freue mich, mit Ihnen plaudern zu können, von meinem Georg."

Und Helmbrccht hatte ihn mit in seine Villa genommen und Frau und Tochter als den besten Freund seines Sohnes vorgestellt. Als solcher besaß er schon das Privilegium, freundlich und liebenswürdig ausgenommen zu werden. Frau Helm brecht ließ es daran auch nicht fehlen. Sie hieß ihn herzlich willkommen und lud ihn ein, ihr Haus als das seine zu be­trachten. Der Gatte zeigte sich über dieser Wiedersehen so beglückt, daß sie schon deshalb alles aufgeboten hätte» ihm zu Gefallen zu sein.

Seitdem war Rechtsanwalt Grunow häufiger, ja täglicher Gast in der Villa am Strande.

Er nahm sich des blinden Mannes mit nimmermüder Liebenswürdig­keit und Hilfsbereitschaft an. Er war sein Führer und Gesellschafter auf Spaziergängen, er erzählte ihm von seinem Sohn, als sie noch Schulkame­raden waren, so manchen lustigen Streich, den sie zusammen aurgeführt hatten. Nie anders, als mit dem Ausdruck höchster Freundschaft und Ach­tung sprach er von ihm. An seine damalige Schuld, die ein einziges Mal zwischen beiden Männern erwähnt wurde, glaubte er nicht. Er nannte das ganze ein dunkles Verhängnis, ein unaufgeklärte« Rätsel. Auf nähere Einzelheiten ging man nicht ein.

Damals, vor achtzehn Jahren, als das Schreckliche geschah, hatte der Vater den Freund ja nach allen Richtungen verhört. Ihm und jener Tante, die in seinem Hause die fehlende Hausfrau vertrat, hatte er darauf das Versprechen abgenommen, unverbrüchlich über die Vorgänge in seinem Hause zu schweigen. Sie hatten es beide bis heute treulich gehalten. Kein Wort, keine Andeutung war in die Oeffentlichkeit gedrungen, und da» konnte Helmbrccht ihnen nicht hoch genug anrechnen.

Zehn Jahre hatte er kein Lebenszeichen von ihnen empfangen. Um so größer war die freudige Ueb erraschung de» Wiederfinden». Hans Grunow

war ja außer seiner Tante der einzige, der sein trauriges Geheimnis mit ihm teilte, und stand ihm schon darum näher, als jeder andere. Aber er fand in ihm auch einen sehr liebenswürdigen interessanten Mann.

Auch Frau Helmbrecht konnte sich nicht ganz dem fesselnden Wesen de» Rechtsanwalts entziehen; nur Inge schien völlig unberührt davon. Sie blieb stets dieselbe, ernst, gemessen und kühl.

Kein Zeichen verriet, daß ihr der Mann, der täglich in ihrem Hause ous und einging, auch nur da« geringste Interesse einflößte, zum großen Leidwesen Grunow's. Vergeblich bot er alles auf, fie mit seinen Geistes­gaben zu fesseln, alle seine Künste, die er oft Frauen gegenüber erfolgreich benutzt hatte, scheiterten an ihrem spröden Wesen.

Drei Wochen war er nun schon in Misdroy, ohne in seinen Plänen auch nur einen Schritt weiter gekommen zu sein. Er wußte wohl, daß nichts ihm schädlicher und hinderlicher gewesen wäre, als ein vorzeitiges Merkenlassen seiner geheimsten Wünsche und Empfindungen. Daß er überhaupt etwas empfand und zwar eine unbezwingliche Leidenschaft zu dem schönen, kalten Mädchen, bezeichnete er selbst als lächerlich und vermochte dieses Gefühl doch nicht zu bannen. Schon als er ihr zum erstenmale gegenüber stand, war er von ihrer eigenartigen Schönheit so gefangen genommen, daß er darum vergaß, wclche unlauteren Absichten ihn in ihre Nähe getrieben hatten. Er begehrte jetzt nicht mehr die reiche Erbin allän, er begehrte sie selbst mit heißer Glut und der eisernen Beharrlichkeit, die zum Ziele führen muß und auch führt.

Inge saß, nichts ahnend von dem begehrlichen Verlangen, das ihrer Person galt, noch immer träumend am Strande. Plötzlich erwachte fie daraus und wurde aufmerksam auf wohlbekannte Stimmen, die in ihrer Nähe laut wurden.

(Fortsetzung folgt).