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Elsaß seinen Speer so unglücklich auf den 12 Jahre alten Walter Oberlorkamp von Mühlhausen a./Ruhr, daß der obere Teil des Schildes, den dieser trug, abfprang nnd der Speer den Knaben in den Hals traf, so daß er sofort tot umsank. Der Spielplatz liegt auf badischem Gebiet auf der Markung Niederweller.
Jmmendingen 5. Nov. Die Einfuhr von Mo st ob st aus dem Ausland über unsere Station nahm dieses Jahr einen großen Umfang an. Die Hauptetnfuhr erfolgt diesmal aus Italien und Frankreich, weniger aus der Schweiz, wo die Ernte nicht sehr ergiebig war. Seit Ende September bis jetzt wurden von der Grenzstation Schaffhausen ca. 2500 Eisenbahnwagen Mostobst je zu 10 — 12000 kx über unsere Station eingeführt, meist nach Tuttlingen, Stutt- gart, Reutlingen und Heilbronn gehend. Die Ware, meist in Mostäpfeln» weniger Birnen bestehend, war von guter, trockener Beschaffen, heit. Tafelobst wurde weniger eingeführt. Der Wagen mit 10 000 kx italienischem Mostobst kostete 890—1200 aus Oesterreich-Ungarn 1050—1100^. Im Kleinverkauf 5 30—6 50 ^ pr. Ztr. Tafelobst 12—13 Das gelieferte Mostobst war teilweise so schön, daß es als Tafelobst ausgesucht wurde. Da das italienische Obst dieses Jahr ziemlich trocken ausgewachsen ist, war dis Saftgewinnung keine allzuhohe, ca. 25—28 1 Saft auf den Zentner. — Die Ein- fuhr von etngestampften Weintrauben zur Kelterung im Inland ist dieses Jahr weit hinter den Vorjahren zurückgeblieben, woran einesteils der hohe Zoll mit 10 ^ per Doppelzentner, andernteils auch der mittlere Herbstertrag im Inland die Ursache ist. Spanier kosteten Ankauf 22—24 per äs, verzollt mit Fracht 34—36 ^ per är. Tiroler Trauben und Kälterer See Ankauf 25—30 ^, verzollt ca. 37—42 ^ per llr. Französische Trauben Ankauf ca. 24—28^, verzollt mit Fracht ca. 35—40 per är.
Wiesloch 7. Nov. Einen Kampf mit Löwen hatte ein hiesiger Fuhrunternehmer zu bestehen. Die Menagerie Wieser wurde gestern von hier mit ihren Löwenwagen nach Schwetzingen gefahren. Aus dem dritten Wagen, den Fuhrmann Karl Dangel jun. führte, brachen in der Nähe de« Staatsbahnhofs auf bisher noch unaufgeklärte Weise drei großeLNven aus und überfielen die Pferde. Her« Dangel warf sich den Löwen entgegen und beärbeitete die wilden Tiere mit der Peitsche und den Füßen, während er um Hilfe rief. Es dauerte einige Zeit, bis die Angestellten der Menagerie erschienen und die 3 Löwen wieder einfingen. Ein Pferd hatte mehrere Wunden erhalten, auch Hr. Dangel ist nach der „Wlch. Ztg." an der linken Hand durch einen Krallenhieb verwundet. Die auf dem Feld
arbeitenden Leute, welche dem Kampf zusahen, wurden von Furcht ergriffen und entflohen.
Berlin 6. Nov. Ueber die Indisposition, an der der deutsche Kaiser leidet und die ihn veranlaßt, die Insel Wight aufzusuchen» erfährt der Korrespondent der „Neuen Fr. Pr." folgendes: Kaiser Wilhelm leidet, wenn auch in bedeutend milderer Form, an ähnlichen Erscheinungen, wie sie sich bei Kaiser Franz Josef grzeigt haben. Der Unterschied ist vor allem der, daß sich keinerlei Influenza verratende Anzeichen gezeigt haben. Die Aerzte haben dem Kaiser einen längeren Aufenthalt auf der Insel Wight empfohlen, und lediglich der Rat der Aerzte war für die Aen- derung der Reiseabsichten des deutschen Kaisers maßgebend. Kaiser Wilhelm leidst an einem Hustenreiz, der sich seit längerer Zeit behauptet. Dies hindert den Kaiser aber nicht, das vollständige, schon früher festgesetzte Programm für den Aufenthalt in England zu erledigen. Auf der Insel Wight wird der Kaiser nach den letzten Verfügungen fich zwei bis drei Wochen aufhalten. Die Insel Wight hat oft heitere November und Dezember. Sollte jedoch das Wetter ungünstig sein und sollten namentlich Regengüsse eintreten, dann wird der Kaiser seinen Plan abermals ändern müssen.
Berlin 8. Nov. Aus London wird angekündigt, das deutsche Kaiserpaar treffe in Portsmouth am Montag, 11. Ls. Mts., ein. Die Marinebehörden werden zur Unterhaltung der Offiziere und Mannschaften der deutschen Kriegsschiffe, welche die „Hohenzollern" begleiten, Festlichkeiten veranstalten. Es find auch besondere Theatervorstellungen in Aussicht genommen. In Vlissingen trifft das Kaiserpaar am Samstag nachmittag 3 29 Uhr in einem aus 12 Wagen bestehenden Sonderzug ein. Der Bahnsteig ist verlängert worden, weil der kaiserliche Zug für den alten Bahnsteig zu lang ist. Im Gasthof Zeeland in Vlissingen ist eine Flucht Zimmer bestellt worden.
Berlin 8. Nov. Der Prinz von Wales wird das deutsche Kaiserpaar sofort nach der Ankunft der „Hohenzollern" in Portsmouth im Namen des englischen Königspaares begrüßen. Am Bahnhof von Windsor wird das Kaiferpaar von dem König und der Königin von England, sowie von den Mitgliedern der K. Familie begrüßt werden. Anschließend daran findet Familiendiner im Schloß Windsor statt. Am Mittwoch erfolgt die Fahrt nach London.
Berlin 8. Nov. Im weiteren Verlaufe des Moltke-Harden-Prozefses wird, wie die Nat.-Ztg. hört, Justizrat vr. Sello den Nebenkläger Grafen Moltke ver
treten. Harden läßt einen BriefProfessor Schwenningers an fich in der „B. Z." veröffentlichen, woraus hervorgeht, das Harden sich ziemlicher Intimität im Hause Bismarcks erfreuen durfte.
Berlin 8. Nov. Die Mordanfälle, die am Nachmittag des 26. Juli an kleinen Mädchen verübt wurden, haben weit über die Grenzen Berlins hinaus allgemeines Entsetzen hervorgerufen. In allen Ländern wurden verdächtige Personen deshalb grundlos verfolgt und verhaftet. Jetzt hat sich der an epileptischen Krämpfen Leidende 22 Jahrs alte Buchdrucker Paul Minow, der auf Veranlassung seiner Mutter seit Kurzem zur Beobachtung in der Irrenanstalt Herzberge fich befindet, selbst als Täter gemeldet und einen unwiderleglichen Beweis seiner Angaben beigebracht.
Berlin 8. Nov. Ein origineller Mensch scheint der Schneider Hans Hellich aus Budapest zu sein, der in Berlin verhaftet wurde. Er hatte hier ein „Versandhaus Merkur" etabliert, das aber höchst einfach eingerichtet war. Hellich erließ großspurige Ankündigungen, daß er gegen Einsendung von 55 in Marken im ganzen 6000 halbseidene Schirme abzugeben Habs. Der Erfolg war ganz überraschend. In kürzester Frist liefen 1381 Briefe und Postanweisungen ein. Hellich besaß aber nur einen Schirm, noch dazu einen baumwollenen. Da nun viele Kunden mit dem Staatsanwalt drohten, falls sie nicht umgehend ihren halbseidenen Schirm erhielten, bestellte sich Hellich 150 baumwollene Schirme, oie er an die ungestümmsten Besteller versandte. Da er aber auch diese 150 Schirme nicht bezahlte, und da zahlreiche Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft einliefen, wurde Hellich gestern nach Moabit gebracht.
Hamburg 8. Nov. Das Seeamt verhandelte gestern über den Anschlag, der auf dem Packetdampfer „Kronprinzessin Cecilie" gegen die Tochter des Marschalls Bazaine verübt wurde. Die Verhandlung ergab, daß der 21jährige Steward Schäffer den Ueberfall aurgeführt hatte. Kapriä i Schülke erklärte, daß der Angriff in einem Anfall von Geistesstörung ausgeführt worden sein müsse. Das Seeamt gab den Spruch ab, daß Niemand von der Schiffsbe- satzung ein Verschulden an dem Vorgänge trifft.
Bordeaux 8. Nov. Hier tötete ein 80- jähriger Greis seine 45 jährige Frau aus Eifersucht und beging dann Selbstmord.
Warschau 8. Nov. Die Polizei hat hier ein revolutionäres Waffenlager entdeckt und 20 sozialistische Revolutionäre verhaftet. Das Waffenlager enthielt auch eine große Menge Dynamit und fertige Bomben. — Die hiesige polnische Sozialistenpartei hat einen Aufruf er«
weißglicht, wie ich mich ausdrücken soll — etwas Forsches — Bezwingendes — Interessantes — im Blick — im ganzen Auftreten."
„Hahaha — danke für das Kompliment — du hast mich großartig gezeichnet, Tante. Schade nur, daß diese Eigenschaften bei dir so wenig verfangen. — Also, bei dem jungen Mädchen meinst du, würden sie siegen? Wenn ich nur wüßte, wo ich meine mir von dir so liebenswürdig bestimmte Zukünftige kennen lernen soll. Nach Buchenau bringen mich keine zehn Pferde."
„Das sollst du auch gar nicht. Helmbrechts haben eine Villa in Misdroy und verbringen jeden Sommer daselbst. In diesem Jahre find sie schon dort."
„Woher weißt du das? Du unterhieltest meines Wissens keine Verbindung mehr mit dem Hause Helmbrecht."
„Ich habe aber in der Stadt noch einige gute alte Bekannte. Die schrieben es mir. Für sie ist ja der kleinste Umstand von Wichtigkeit.
Was passiert auch sonst in dem Nest!-Du nimmst dir also Urlaub —
oder vielmehr du gibst ihn dir selbst, reist nach Mißdroy, triffst zufällig
mit Helmbrecht's zusammen, näherst dich ihnen-und das übrige
wird fich schon machen.
„Du bist außerordentlich klug, Tante, und machst mir alles sehr bequem. Schade nur, daß du mir nicht auch noch den letzten und schwierigsten Teil abnehmen kannst."
„Vielleicht wird er dir weniger schwer werden, als du denkst: Sieh sie dir nur erst an."
„Und wann befiehlst du, daß ich abreise?" fragte er, während ein spöttisches Lächeln seine Lippen kräuselte.
„So bald wie möglich. Morgen-übermorgen."
„Und wer erledigt unterdeß meine Geschäfte hier in Berlin?"
„Hans, ich glaube gar, du willst dir jede Last ab und auf meine
Schultern wälzen.-Als ob du dafür nicht allein sorgen könntest,"
rief Fräulein Wegner jetzt ungeduldig.
„Na gut." machte er resigniert. „Die wichtigen Prozesse werden vertagt -für die unwichtigen habe ich einen Vertreter. Nur eins
möchte ich dir noch zu bedenken geben: die Angelegenheit, die uns zu unserer heutigen Zwiesprache geführt hat, muß vor meiner Reise erledigt sein. Stellen wir sie richtig."
„Meinetwegen. Doch ich knüpfe die Bedingung daran, daß du mir die geliehene Summe sofort nach deiner Hochzeit mit Inge zurückgibst."
„Gut, es gilt."
„Begleite mich denn zu meinem Bankier, du kannst den Schuldschein dort sogleich unterschreiben."
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Es war Mitte Juli, die Hauptsaison in den Ostseebädern.
Am sonnenheißen Strande von Misdroy wogten allerlei Gestalten auf und nieder, teils in eleganter Toilette, teils im eleganten Morgenkostüm.
Nur die Strandmütze, ob auch bei jedem verschieden in Farbe und Form,, dieses typische Zeichen des Seebades, gab dem Gesamtbild etwas durchaus einheitliches.
Plaudernd zu zweien und dreien oder auch in ganzen Gruppen promenierten die Badegäste am Strande auf und ab, während in dem auf der Promenade erbauten Pavillon die Musik spielte.
Der Strand war hier an dem Pavillon, dem Haupisammelplatz der Badegäste, ganz flach, und der Hauptverkehr des Bader mündete gerade darauf zu. Weiter im Osten stieg jedoch die Düne terrafsenartig auf.
Und hier im Walde halb versteckt, lagen einzelne Villen, deren blendende Weiße fich leuchtend von dem dunklen Waldergrün abhob.
Eine dieser Villen gehörte dem Kommerzienrat Helmbrecht. Vor ihren Fenstern sah man die wogende See, und in unmittelbarer Nähe strömten die Kiefern ihren harzigen Dust aus.
(Fortsetzung folgt).