179. Amts-
und Anzeigeblatt für den Kezirk Calw. 82 . Jahrgang.
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Sonntag, den 10. November 1907
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Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Abhaltung von Unterrichtskursen im Hufbeschlag.
Um Schmieden die Vorbereitung zu der durch das Gesetz vom 28. April 1885, betreffend das Hufbeschlaggewerbe, vorgeschriebenen Prüfung behufs des Nachweises ihrer Befähigung zum Betrieb dieses Gewerbes zu ermöglichen, finden an den Lehrwerkstätten für Hufschmiede in a) Hall, b) Hellbraun, c) Ravensburg, cl) Reutlingen und e) Ulm dreimonatliche Unterrichtskurse im Hufbeschlag statt, welche am Freitag, den 3. Januar 1908 ihren Anfang nehmen.
Die Anmeldungen zur Aufnahme in einen dieser Kurse find bis 8. Dezember ds. Js. bei dem Oberamt, in dessen Bezirk sich die betreffende Lehrwerkstätte befindet, vorschriftsmäßig einzureichen.
Dem Zulassungsgesuch find in Form urkundlicher Belege anzuschließen:
1. ein Geburtszeugnis;
2. der Nachweis der mit Erfolg bestandenen Lehrzeit im Schmiedhandwerk und einer zweijährigen Tätigkeit als Schmiedgeselle, wobei der Bewerber schon im Hufbeschlag beschäftigt gewesen sein muß; die Zeugnisse hierüber müssen von den betreffenden Meistern selbst ausgestellt und von der Ortsbehörde beglaubigt sein;
3. wenn der Bewerber minderjährig ist, eine Einwilligungserklärung des Vaters oder Vormunds;
4. ein von der Gemeindebehörde des Wohnsitzes des Bewerbers ausgestelltes Prädikatszeugnis, sowie eine Bescheinigung derselben darüber, daß dem Bewerber die erforderlichen Geldmittel zur Bestreitung seines Unterhalts während des Unterrichtskurses zu Gebot stehen werden;
5. eine von dem Bewerber, und wenn derselbe minderjährig ist, auch vom Vater oder Vormund Unterzeichnete Erklärung, durch welche die Verbindlichkeit übernommen wird, die der Staatskasse erwachsenen Kosten zu ersetzen, wenn von dem Schüler der Unterrichtskurs vor seiner Beendigung ohne Genehmigung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft verlassen oder durch eigenes Verschulden die Entfernung aus demselben veranlaßt oder die Prüfung binnen einer gesetzten Frist nicht erstanden wird (Z 4 Abs. 2 der Verfügung des K. Ministerums deS Innern vom 11. Juni 1885).
Stuttgart, den 2. November 1907.
v. Ow.
Tagesnenigkeiten.
Calw. (Grundstückskauf.) Handelslehrer Zügel, birher Lehrer an der hies. Höheren Handelsschule, erwarb sich um die Summe von 34,400 ^ 5,7 Morgen Wiese, oberhalb dem Gasthaus z. Schwane gelegen, um ein Handels- schulgebäude darauf zu erstellen.
Bondorf (O.-A. Herrenberg) 6. Nov. Heute morgen ist in Hailfingen der ledige Bauer Kaiserin seiner Schlafkammer im Blute liegend tot gefunden worden. Wie der Tod eingetreten ist, dürfte die schon etngeleitete Untersuchung ergeben. Das Gericht und die Staatsanwaltschaft werden stündlich erwartet.
Stuttgart 8. Nov. Ihre Majestät die Königin wohnte gestern nachmittag in Begleitung der Palastdame Exzellenz von Uxkull der Jahresfeier des PaulinenvereinS zur Bekleidung armer Landleute in dessen Arbeitszimmer im Königrbau an. Nachher verweilte Ihre Majestät noch Zeit, nahm an der Erledigung der eingelaufenen längere Gesuche und an der Besprechung von Vereins angelegenheiten regen Anteil und ließ stch die
seit der vorigen Jahresfeier neueingetretenen Mitglieder vorstellen.
Stuttgart 8. Nov. Beim Löwentor geriet gestern mittag ein Automobil beim Vorfahren an einem Fuhrwerk in den Straßengraben. Zwei Insassen und der Chauffeur wurden au» dem Wagen geschleudert; eine der Personen hat eine unerhebliche Kopfverletzung erlitten. — Gestern abend kurz vor 10 Uhr sprang von der König Karlsbrücke aus eine unbekannte Frauensperson in den Neckar; trotz sofortiger Rettungsversuche konnte sie nicht mehr gefunden werden.
Lorch 5.Nov. Der Feuerbestattungsverein Gmünd veranstaltete im Adlersaale einen sehr gut besuchten Lichtbildervortrag. Die verschiedenen Begräbnisarten wurden durch tadellose Lichtbilder veranschaulicht, ebenso die Einrichtungen der Krematorien. Der Redner H. Schürmann erntete für seinen Vortrag reichen Beifall.
Crailsheim 6. Nov. Der Viehmarkt war vom Landvolk zahlreich besucht und auch mit Vieh besser befahren. Es wurden 139 Stück zugeführt, von denen 55 Stücke abgesetzt wurden. Begehrt waren Rinder und Stiere, von denen je die Hälfte verkauft wurde. Von den Kühen wurde schwach ein Drittel verkauft, von 19 Ochsen nur 1 Stück. Bezahlt wurde pro Stück: Ochsen 580 Stiere 130—381 Kühe 120—400 Rinder 80—400 Gesamtumsatz 12948
Wilhelmsdorf 6. Nov. Heute ereignete sich hier ein schwerer Unglücks fall. Schüler de« hiesigen Knabeninstituts vergnügten sich auf dem Spielplatz damit, daß sie sich gegenseitig mit Speeren aus Eschenholz bewarfen, wobei sie zur Deckung Schilde trugen, die aus Kistendeckel hergestellt waren. Bei diesem Spiel warf der 14 Jahre alte Willy Michel von Mühlhausen im
Der verlorene Sohn.
Roman vonElSbeth Borchart.
(Fortsetzung.)
„Aha, du meinst eine Geldheirat. — Hm, nicht Übel I Indessen, die reichen Frauen laufen einem nicht gerade in den Weg — oder — hast du vielleicht eine auf Lager?"
Sie zögerte sekundenlang.
„Ja."
„Da bin ich aber begierig. Nenne sie."
„Inge — Helmbrecht."
„Ahl Die — die schlägst du mir vor?"
Beate sah nach der anderen Seite zum Fenster hinaus.
„Inge muß jetzt erwachsen sein. Sie versprach als Kind — ich sah sie einmal zufällig - hübsch zu werden."
„Zufällig?" fragte er lauernd dazwischen.
„Frage nicht so dumm, Hans."
„Und du meinst, sie wäre reich genug — für mich?"
„Sie ist die einzige Erbin — e» müßte denn sein — der Verschollene käme wieder. Doch das ist kaum anzunehmen. Achtzehn Jahre verstoßen seit er nichts von sich hören ließ. Er wird irgendwo verdorben und gestorben sein." "
„Verdorben — gestorben."
Rechtsanwalt Grunow sprach die Worte wie geistesabwesend nach und seine Augen bekamen plötzlich einen leeren, stieren Ausdruck.
„Hans."
Er schreckte empor: „Was willst du?"
„Ich glaube, du träumst am Hellen Tage. Braucht die verlockende Aussicht so langer Ueberlegung?"
Ein Blick kalten, tödlichen Haffes traf Beate. Sie erbebte unter diesem Blick, aber sie lächelte. Es sah verzerrt aus.
„Ja — allerdings," sagte Grunow langsam, jedes Wort betonend. „Das bedarf der Ueberlegung, reiflicher Ueberlegung sogar. Ich glaube
— ich lasse meine Hand lieber von dem Spiele."
„Wie du willst — so kann ich dir nicht helfen."
Da trat er dicht auf sie zu, und seine Augen funkelten.
„Du hast nichts anderes im Sinne, als allein — mir zu helfen?" „Nein. Was sollte ich sonst haben?"
Eine unheimliche Pause entstand. Beate zog ihr Tuch fröstelnd um die Schultern.
„Ich traue dir nicht," stieß er endlich hervor.
„So tue es nicht." Sie zuckte die Achseln. „Mir ist er gleich." Wieder stand sie auf und machte eine Bewegung nach der Tür zu. „Bleibe," herrschte er.
Sie blieb unwillkürlich stehen und wandte sich ihm zu.
„Du gibst mir die Summe — heute, sogleich — wenn ich einwillige
— einen Versuch zu machen?"
„Ja — denn das wäre mir die einzige Sicherheit, daß du sie mir zurückzahlst."
„Und — wenn sie mich verschmäht?"
Sie sah ihn mit einem eigentümlichen Blick an. „Du verstehst e« doch vorzüglich, dir Frauenherzen zu gewinnen."
Grunow seufzte.
„Ja, — aber —"
„Kein Aber Han». Du bist kein übler Mann. Du hast etwa» an dir, was besonders ganz jungen Mädchen, wie Inge ein» ist, gefällt — ich