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Samstag den 27. August 1938
Der Enztäler
98. Jahrgang / Nr. 200
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In der Zeit, wo die Tage merklich kiirzer, die Schatten immer länger und die Stimmen in der gefiederten Sängerwelt immer seltener werden, finden Wanderungen in die nächste Umgebung unseres Städtchens mehr Anklang, als weitschweifige Touren. Bei den Rittern der Stahlrosse oder beim Auto-Onkel wird eine Verminderung der Kilometerzahl am Sonntag borläufig noch kaum eintreteu, aber das gemeine Fußvolk meidet bald die kühne Weite. Das bedeutet aber nicht, daß wir auf liebgewordene Genüsse verzichten müssen, nein, wir wenden unsere Aufmerksamkeit den Punkten zu, die von uus in der langen Sommerzeit vor lauter Wanderlust doch zu stiefmütterlich behandelt wurden und die uns. Was Reiz und Schönheit anbelangt, dieselben Saiten in die traute Schwingung bringen können, wie die Wunder der Ferne. Man muß nur sehen können, es gibt genügend schöne Fleckchen Heimaterde schon in allernächster Nähe. Wer wandert mit uns auf den Straubenhardt?
Bei halbwegs anständigem Wetter ein ganz ausgesucht prächtiger Spaziergang, der einen Sonntagnachmittag aufs augenehmste ausfüllen kann. Daß wir die alte Burgruine nicht mit dem kürzesten Kurs ansteucrn, ist klar, wir wollen uns auf dem Weg dorthin zu einer Fundgrube für Waldfreunde machen und können daher die
Miß
unmöglich übersehen. Wenn wir aber schon diesen Weg wählen, dann richten wir ihn so rin, daß wir auch über die
Waldenburg
kommen. Alle Wege führen nach Rom — heißt ein altes Wort, auch unser Aufstieg am „Hinteren Berg" ist auf vielen Wegen möglich. Am Schiitzenhaus, am früheren Wiedofen, von der Hafnersteige her, über die Wilhelmshöhe oder vom alten Jlgenbergweg aus. Aber alle haben eines gemeinsam: feste bergauf. Nehmen wir einmal den am Schützenhaus vorbei: Kaum jemand wird am
Schützenhaus nicht kehrt machen und sein Auge über das einzigschöne Panorama unseres Städtchens schweifen lassen. Tausendmal schon hat er es gesehen und tausendmal schon hat das Bild der Heimat ihn ergötzt. Mit jeder Wendung des bequemen Zickzack-Weges sinkt das Städtchen weiter in die Tiefe. Beim Weg nach der Waldenburg sind wir schon zu Dreiviertel auf dem Berg. In seinem Hinteren Verlauf steigt er forsch nach der Bergnase, wo Trümmer der alten Waldenburg über Zeitenwechsel träumen. Die Mauerreste von Burghof und Burg werden von Jahr zu Jahr niederer, der Wetterzahn nagt kräftig am ursprünglichen Bild, das aber heute noch den Beschauer in Bann und Ehrfurcht schlägt. Da raunen Jahrhunderte um uns herum und man wird still bei diesen schicksalsreichen Zeugen längst vergangener Zeit. Der Weg zur Miß von hier aus ist ein Gang auf dem Bergkamm. Ab und zu läßt der Wald einen Blick frei, der uns auf der einen Seite nach Norden weit ins Badische sehen läßt und ans der andern nach Osten Waldrennach. Der Bergkamm verliert sich nun der Miß zu in eine Hochfläche, die mit wunderschönen Juug- kulturcn bewachsen ist. Es ist der Lieblings- Wald der Neuenbürger. Es wird kaum ein Sonntag sein, wo nicht in den stillen Waldesdom seine eingefleischten Freunde schreiten. Die Miß ist für dep Neuenbür^er ein Begriff, unter dem er alle Vorzüge eines Wald- gcbietcs versteht. Wohin er sich wendet, der Waldgeist eröffnet ihm die geheimnisvolle Zwiesprache zwischen Mensch und Natur, er zeigt ihm tausend Wunder und legt das Säuseln in den Tannenwipfeln als Melodien- reiches Sonntagslied in das vielgeplagte Herz. Man könnte stundenlang durch die Kulturen streichen, mit jedem Wege wechselt das Gesicht und wollte man des Waldteils schönste Stelle zeichnen, ein Sonntag wäre viel zu kurz dazu, und immer blieb cs nur ein mangelhafter Versuch, die volle Schönheit und die Seele des Naturbildes auch nur annähernd zu erfassen. Nicht nur mit den Füßen, mit den Augen will die Miß durchwandert sein. Auch die Nachbarwälder un
serer Markung stehen nicht an Reichtum der Idylle ringsherum zurück. Der teppichweiche Waldweg, der uns nach den „Schwanner Schluchten" bringt, geht leicht bergein und stellt uns unvermittelt vor ein Wiesental mit einem quitschlebendigen Wässerlein.
das Rotenbächlein
Hier mag das Rotwild in der frühen Morgenstunde seine ungestörte Mahlzeit haben, die Einsamkeit der grünen saftigen Matten sind für die Kinder jener Wälder doch sicherlich ein Paradies. Es ist ein wunderschöner Anblick dort im Wiesentälchen und man möchte laut die Strophe in den Sonntagsfrieden singen: „O Täler, o Höhn, so wonnig, so schön, seid mir gegrüßt!". Am jenseitigen Waldrand beginnt nun der direkte Weg zur
Ruine Straubenhardt
Auch er ist gut imstande. Da die Burgen stets auf freien Höhen thronten, führt auch unser Weg bergauf bis an die Wendung des Berges dem Enztal zu. Dort sind wir auch alsbald am Ziel. Ein schmaler Pfad führt rechter- hand uns auf den hohen Trümmerhaufen und nur ganz klägliche Mauerrcste lassen erkennen, daß hier die Stammburg Straubenhardt einst stand. Alte knorrige Buchen haben ihre Wurzeln tief in den Schutt der Burgreste gebohrt, doch ist durch sie der Ausblick in das Enztal nicht versperrt. Tief unter uns liegt das Sägewerk Rotenbach, weit unten im Tal die Eisenfurt und der Neuenbürger Friedhof. Wäre es Werktag, man würde sicherlich das Lied der blanken Säge hören und wenn die alte Schwänner Säge noch stünde, das Rauschen der Wasser um das uralte Wasserrad mischte sich in den metallenen Sang. Wie Silberfäden glänzen die schnurgeraden Eisenbahnschienen im Sonnenglanz herauf zu uns, das Echo von „Halli" und „Hallo" hallt an Berg und Schluchten Wider und die viel tausend Steine aus der ehemaligen Burg schweigen und träumen beharrlich weiter. — Was liegt nun selbstverständlich klar für uns? Natürlich ein Besuch bei unserem Landsmann auf der
„Eyachbrücke"
Wenn wir schon so nahe bei ihm sind und so
wenig zu ihm kommen, kann es nichts andres geben. Es geht etwa eine halbe Stunde leicht bergab und schon sind wir an der Stätte unserer Sehnsucht. Es ist, als hätte schon der Wirt auf uns gewartet und dank seiner Rührigkeit und Umsicht sind die verschiedenen Wünsche bald erfüllt. Gäste von nah und fern füllen sein Haus und werden bestimmt zu eifrigen Werbern für das gutgeführte Gasthaus. Da ist kaum eiu Wunsch für Durst und Hunger, der nicht erfüllt werden kann. Frohgelaunt verläßt man die gemütlichen Gaststuben und verspricht aus Freude baldiges Wicderkommen. Autofahrt, Bahnfahrt oder Fußmarsch, was einem zusagt, alle drei Gelegenheiten sind von der Eyachbrücke aus geboten. Gast der „Ehach- brücke", nirgends findest du's schöner mehr!
Ein anderer Vorschlag. Ans anderen Höhen.
Rund um den Sägkopf
Es ist schon eine lohnende Mühe, wenn wir uns aufraffen und 800 Meter näher an die Sonne rücken. Ein Spazierweg rund um den Sägkopf hat nicht weniger schöne Reize, nicht weniger herrliche Ausblicke und nicht weniger angenehme Pfade, als die Nachbarhöhen. Auch hier ist bei der Mannigfaltigkeit der Aufstiege die Wahl des einen oder andern Weges nicht etwa von besonderen Ueberraschungen abhängig, jeder Pfad hat seine Eigenart, seinen eigenen Vorzug. Da ist zunächst die Alte Waldrennacher Steige mit Angelsteinweg oder Deichelhangweg, die Happey mit Wäsche oder die Neue Waldrennacher Straße. Auf dem einen Weg gehts steiler, ans dem andern dauerts länger. Greifen wir nach dem ersten und. zweigen in den Deichelhangweg ab. Hat die Waldrennacher Steige ordentlich die Lungen geweitet, so ist der Deichelhangweg eine angenehme Ablösung. Wie auf einem Teppich läßt es sich auf der Grasnarbe wandern, durch die verhältnismäßig geringe Benützung dieses Weges durch Fuhrwerke ist er in sehr gutem Zustand und daher der Liebling für Fußgänger. Langsam geht es höher und höher. Auf der Talscite hat Jungholz den Hochwald abgelöst und gibt den herrlichen Ausblick nach dem Tale frei. Wohltuender Waldesfrieden liegt auf diesem Teil des Berges und die Spätsommersonne spart nicht
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