Schöne kleinere Spaziergänge
Nicht alle Naturfreunde können große Wanderungen unternehmen und doch möchten sie sich erquicken am Busen der Natur. Oft sprechen besondere Umstände wie Zeit, Alter, Leiden oder Gebrechen, oder auch der jugendliche Anhang viel eher für eine kleinere Runde. Und weil nun der Sonntag voraussichtlich als einer der kalendermäßigen Hundstage sehr heiß zu werden verspricht, flüchten wir in die Kühle der Wälder. Ob mit oder ohne Ehestandskapriolett, wir ziehen dem
Riegertswasen
>u. Wir haben verschiedene Möglichkeiten. Wir können die Wilhelm-Murr-Straße heraus, den Dietrichsweg benützen, den Fußweg oberhalb der Eisenbahn entlang gehen und dann auf den: Obernhäuser Bahnhofwegle nach dem Riegerts-Wasen zustreben. Es ist nicht absolut ein Weg dem andern vorzuziehen, wie gesagt, es kommt auf die oben angeführten Umstände an. Die Hauptsache ist der Wald. Am häufigsten wird Wohl die Alte Pforzheimer Straße (Verlängerung der Wil- Helm-Murr-Straße) begangen. Der Jungwald draußen an der „Gräfenhäuser Platte" spendet nun wieder kühlenden Schatten und bringt uns in nicht zu sehr anstrengender Weise auf die Höhe. Beim neuen Steinbruch haben wir auf der Talseite ein wunderbares Panorama vor uns. Tief drunten im Enztal liegt die Parzelle „Schwarzloch", rechts der tiefe Einschnitt des Grösseltales, der stets beliebte Pionierweg am Waldrand entlang, weiter unten die Engelsbrander Haltestelle mit der gleichnamigen Wirtschaft, dann das hohe Massiv des Sauberges und des Sägkopfs uns gegenüber. Blank grüßt der Schienenstrang der Eisenbahn zu uns herauf, aber er kann uns nicht verführen heute, wir gehen auf Schusters Rappen. In schneller Folge weicht ein Bergvorsprung dem andern aus, stellen sich kulissenartig hinter einander auf und zwingen so die friedliche Enz, in mildem Bogen sich um die Füße der Berge zu schlängeln. Das frische Grün der Talwiesen macht das Gesamtbild außerordent
lich freundlich und weich. Viele wußten diesen Ausblick nicht? Nun, dann ist unser Vorschlag heute erst recht wertvoll. Es ist bloß schade, wenn uns der wachsende Jungwald uns dieser Perle beraubt. Weiter gehts. Nach einigen hundert Metern sind wir auf der Straßenkreuzung am Riegerts-Wasen. Sonderbar, der Papa spürt schon wieder Durst. Aber es ist ja leicht zu erraten, warum. Ihn lockt entweder die wunderschöne Gartenwirtschaft an der Haltestelle Engelsbrand, oder die einzigartige Waldfchenke, wie sie ganz selten sind, auf der „Wilhelmshöhe". Nun, wir machen den einen den Vorschlag, zur Engelsbrander Haltestelle zu gehen, den andern empfehlen wir die Wilhelmshöhe. Vom Rie- kerts-Wasen aus ist beides leicht zu erreichen. Beginnen wir mit dem Abstieg. Zunächst führt ein teppichweicher Waldweg von der Straße rechts in den Birkenfelder Wald hinein. Wenn wir auf diesem Pfad an allen Abzweigungen rechts halten, kommen wir zuletzt an einen Waldweg, der sein Gefäll von Birkenfeld her hat und nach dem Tal zeigt. In diesen biegen wir ein und sind erstaunt, wie bald wir zum Bild unserer Träume kommen. In der Nähe -er Haltestelle Engelsbrand nimmt uns die Hauptstraße auf und zur angenehmen Erfrischung in der Gartenwirtschaft ist nur noch eine Geduld von 5 Minuten nötig. Also, die eine Hälfte ist am Ziel. Die andere Hälfte steuert der Wilhelmshöhe zu. Eine ganz erstklassige Straße führt durch herrlichen Hochwald. Am Anfang gehts kprz bergauf, um dann wieder leicht der Wilhelmshöhe zu zu fallen. Um diese Jahreszeit hat es fast durchweg an der Straße entlang die schönen Wald-Erdbeeren, die für die Jnsaßen unseres kleinen Fahrzeuges immer ein Leckerbissen sind. Hinterm „Junkerwald" sind wir vollständig im Schatten. Fein kühl ist es da, ein angenehmes Lüftelein umweht uns aus der Höhe, und schon sieht man durch den Wald die Häuser der Parzelle „Ziegelhütte". Rechts an unserem Weg und vorne an seinem Ende ist die Waldschenke. Wohlgemerkt: auf historischem Bodenl Man hat da gleich Gelegenheit,
den Zwcn, vaS Alter und so der Richtstätte und der Schanze, die beide mit schönen Wegen und neuen Brücken zugänglicher gemacht worden sind, zu studieren. Wir z. B. machen das aber erst nach der Labung mit Speise und Trank. Von weitem schon hört man, daß „Betrieb" in der Waldschenke ist. Obwohl die immer freundliche und um ein Scherzwort nie verlegene Frau Wirtin alle ihre Sitzgelegenheiten aufgeboten hat, ist es manchesmal schwer, Platz zu bekommen. Sie lacht schon von weitem und freut sich, daß wir noch Unterkommen können. Es ist wunderbar schön, dort im Freien, am d. h. im Waldrand bei herrlicher Luft, bester Bedienung, im kühlen Schatten, sich von der wohleingedeckten Wirtin alle gastronomischen Wünsche erfüllen zu lassen, und dann nach köstlicher Rast ihr dankverbundenes „Auf Wiedersehn" zu hören. Nicht allein der Umstand, daß die Waldschenke der Wilhelmshöhe überhaupt der einzige Wirtschaftsbetrieb im Freien von allen hiesigen Gaststätten ist, macht ihn so besuchenswert, sondern auch nicht zuletzt die einmalige herrliche Lage. Keine künstliche Anlage, keine unnötige Ziererei, einfach im Walde, wie ihn der Herrgott wachsen läßt, stehen fein säuberlich und gastbereit die zahlreichen Tische und Stühle, und deshalb fühlt sich jedermann Wohl dort. Es ist aber auch der Wirtin zu gönnen, wenn ihr der Sommer auf ihrem Vorposten für Neuenbürg die Entschädigung oder den Ausgleich für den Winter bringt.
Zwei schöne Spaziergänge haben so leicht uns zu schönen Stunden verholfen, daß wir schon gierig auf den nächsten Sonntag warten.
Atttee/iLrAe-tties
Ei« Denksportaufgabe
Wohl kaum jemals hat es längere Gesichter bei einer Testamentserösfnung gegeben! Die vier Söhne des verstorbenen Bäckermeisters Mergner sahen sich kopfschüttelnd an, als der Notar den Wortlaut des Testaments Lekanntgab. Das hätte man dem Vater nie
und nimmer zugetraut, um so weniger, als er stets wieder versichert hatte, daß er jedem seiner Söhne mit gleicher Herzlichkeit zugetan war. Dennoch hieß es im Testament wörtlich:
„Von meinem Vermögen, das sich auf insgesamt 16000 Mark beläuft, hinterlasse ich meinem ältesten Sohn den Betrag von eintausend Mark und ein Fünftel des Restes, dem Zweitältesten Sohn den Betrag von zweitausend Mark und ein Fünftel des Restes, dem drittältesten Sohn dreitausend Mark und ein Fünftel des Restes, und dem jüngsten Sohn viertausend Mark und ein Fünftel des Restes."
„Da sieht man's ja", rief einer der ältesten Söhne, „daß der Vater das Nesthäkchen doch viel lieber hatte als alle anderen!"
Ueber dem Antlitz des Nesthäkchens aber lag ein Glanz von Stolz und Freude; ja, die höchst unerwartete Ueberraschung, als Bester von allen abzuschneiden, veranlaßt«: den Jüngsten schließlich zu der Erklärung:
„Mein überschießendes Fünftel, Herr Notar, soll ihnen als besonderes Honorar für Ihre Mühewaltung gehören. Die viertausend Mark genügen mir durchaus."
Der Notar jedoch kniff ein Äuge zu und schmunzelte still in sich hinein.
Wer vermag nun zu sagen, weshalb der Notar nur ein Schmunzeln für das Angebot übrig hatte?
Bitte, genaue Antwort
Gottfried Keller versuchte einmal nicht mehr sehr nüchtern durch die nächtlichen Straßen Zürichs nach Hause zu finden. Er hatte aber die Richtung verloren und fragte einen Mann, der ihm entgegen kam:
„Können Sie mir nicht sagen, wo Gottfried Keller wohnt?"
„Aber der sind Sie ja selber!" entgegnete der andere belustigt.
„Schafskopf I" brummte Keller, „ich habe Sie nicht gefragt, wer ich bin, sondern wo ich wohne!"
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