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liegt, wird sich von dort nach Schloß Tallaus begeben, um die Prinzessin Pia Monica kennen zu lernen.

Berlin 30. Okt. (Zum Prozeß Moltke-Harden.) Aus dem Bureau des Justizrats v. Gordon wird dem Berl. Tagebl. mitgeteilt, daß Graf Moltke gegen das freisprechende Urteil Berufung ein- legen wird, sobald die genaue Abschrift der Urteilsbegründung in den Händen seines Rechts­beistands ist.

Berlin 30. Okt. Nach einem Telegramm des Berl. Tagebl. aus Neapel ist der heute mit dem Dampfer Prinzregent dort ein getrof­fene Staatssekretär Dernburg von den Strapazen der Expedition und der langen Reise nicht im mindesten angegriffen. Ueber die Er­gebnisse der Reise äußerte Dernburg unverhohlene Befriedigung. Ostafrika mit seinen 10 Millionen arbeitsamen Menschen und seinem Boden von höchster Fruchtbarkeit sei für Deutschland ein überaus wertvoller erfreulicher Zuwachs. Nur dürfe nicht zuviel hin sin­ke giert werden; es genüge, zu organisieren. Er komme mit keiner großen Geldforderung zu­rück, aber mit der Sicherheit einer außerordent­lich günstigen Entwicklung der Kolonie.

Berlin 31. Okt. Der Kaiser hat sich eine Erkältung zugezogen, die ihm Schonung auferlegt.

Berlin 31. Okt. Die erste Berliner Droschken-Chauffeuse erhielt heute Vor­mittag auf dem Polizeipräsidium den Fahrschein ausgehändigt. Sie bestieg sogleich eine Auto­mobil-Droschke und trat ihre erste Fahrt an.

Berlin 31. Okt. Harden hat sich interviewen lassen und zwar von dem Berliner Korrespondenten des Petit Puristen. Er erklärte, wie aus Paris gemeldet wird, er werde bei einer etwaigen zweiten Verhandlung seines Prozesses nicht nur alle in der ersten Verhandlung nicht verhörten Zeugen wieder vorladen, sondern noch weit mehr. Er habe nichts dagegen, wenn Graf Moltke sich dieser Eventualität aussetzen wolle und sei von einem neuen Freispruch überzeugt. Daß er keine gute Presse habe, kümmere ihn wenig. Die deutsche Presse lobe ungern, kritisiere aber umso lieber. Lob oder Tadel mache ihm nichts aus, da er die beabsichtigte Wirkung er­reicht habe. (St.' Mpst.)

Berlin 31. Okt. Zum Fall Hau wird aus Karlsruhe gemeldet: Die Akten im Prozeß Hau sind jetzt von Leipzig wieder zurück- gekommen und dem Justizministerium übergeben worden. Die Begnadigung Haus zu lebenslänglichem Zuchthaus dürste in wenigen Tagen erfolgen und sodann seine Über­führung nach dem Bruchsaler Zuchthaus stattfinden.

Die Verteidigung setzt ihre Bemühungen um Wiederaufnahme des Verfahrens fort.

Berlin 31. Okt. In nächster Zeit wird die erste Zeitung für das Schutzgebiet Kamerun erscheinen. Druck und Verlag liegt in den Händen des Gouvernement« Buea. Zur Veröffentlichung gelangen die amtlichen Verordnungen und Rsuter- depeschen, desgleichen sollen Anzeigen Aufnahme finden. In der Begründung, die der Gouverneur für die Notwendigkeit eines amtlichen Organs gibt, wird gesagt, daß sich die Arbeiten derart gehäuft haben, daß es nicht mehr möglich sei, die gouvernementalen Verordnungen auf dem bis­herigen Weg durch handschriftliche Rundschreiben zur Kenntnis der Firmen zu bringen. Recht er­freulich ist es, daß vr. Ssitz im Interesse der wirtschaftlichen Lage der Kolonie verschiedenen Wünschen der Kauflsute nachgekommen ist.

Innsbruck 31. Okt- Gestern Nachmit­tag ist der Nürnberger Tourist Haase beim Abstieg von der Sonnenspitze abgestürzt und wurde so schwer verletzt, daß er nach zwei Stunden starb.

Brixen 31. Okt. Prinzessin Pia Monica ist gestern hier angekommen und wurde vom Baron Schönberg in sein Schloß gebracht, wo die Prinzessin bis auf Weiteres verbleibt.

Neapel 32. Okt. Alle Teilnehmer an der Ostafrikafahrt des Staatssekretärs Dernburg äußern offen ihre Ueberzsugung, daß die Kolonie bei rationeller Bewirtschaftung vorzügliche Aussichten habe. Nur tue der Ausbau des Eisenbahnnetzes und dis Regulierung der Wasserverhältnisse not. Wie der Staatssekretär sich selbst äußerte, werde eine andauernde ver­ständige Ausnützung und Erschließung der reichlich vorhandenen Hilfsquellen zu großen Resultaten führen. Freilich meinte der Staatssekretär, die gebratenen Tauben fliegen einem in Afrika ebenso­wenig in den Mund wie in Europa. Seine Reise an Ort und Stelle werde übrigens zu wichtigen Verwaltungsmaßnahmen und Reformen führen. Welcher Art diese sein sollen ließ Dernburg un- erwähnt und auch über die Elsenbahnfrage wollte er sich nicht äußern. Einen vorzüglichen Eindruck machte auf ihn die schwarze Bevölkerung, der er das Zeugnis ausstellte, sie sei über Erwarten brauchbar und tüchtig. Als den interessantesten Teil seiner Expedition bezeichnet Dernburg dis Reise von Muansa nach Tabora, die für das Schicksal der Kolonie in hohem Grade nützlich und bestimmend war. Die Zukunft des Landes hängt natürlich von der Entfaltung seiner eigenen Hilfsquellen ab und nicht von dem au» Europa ausgepropften künstlichen Leben. Mit großer Anerkennung äußerte sich Dernburg über die Eng­länder, die ihm nicht nur ein weitgehendes Entgegen­kommen sondern auch ausgiebige Informationen erteilten. Dernburg bestätigte schließlich, daß er

sich auf der ganzen Reise der besten Gesundheit erfreute. Er äußerte, daß er mit großer Freude den Arbeiten in der bevorstehenden Session ent­gegen gehe. Der Staatssekretär bleibt noch einige Tage in Neapel.

Petersburg 31. Okt. Wie ausWladi- rvost ok gemeldet wird, reizten Agitatoren die Be­satzung des TorpedobootszerstöcersSkory" zur Meuterei auf. Dis Meuterer hißten die rote Flagge und eröffneten dar Feuer gegen die Stadt und die Truppen. Durch das Feuer de» Kanonen­bootesMandschur" und dreier Torpedobootszer­störer und mit Hilfe des herbeigeeilten 12. Schützen- Regiments wurde das meuternde Boot zerschossen. Die Meuterer wurden verhaftet. Die Agitatoren fand man als Leichen vor. Auch der Komman­dant des Skory war getötet worden, ebenso der des einen angreifenden Torpedobootes und einige Einwohner der Stadt. Ueber die Festung ist der Belagerungszustand verhängt worden.

London 31. Okt. Ueber die Erdbeben- Katastrophe in Karatag bringen die hiesigen Blätter ergänzende Einzelheiten aus Petersburg. Es scheint, daß das Erdbeben mit einem Vulkan- Ausbruch verbunden war. Die ganze Umgebung ist mit Asche und braunem Rauch angefüllt. Man neigt zu der Ansicht, daß die Stadt auf dem Krater eines erloschenen Vulkans aufgebaut war. Plötzlich erwachte der Vulkan zu neuem Leben. Die Stadt wurde durch den Ausbruch in die Luft gesprengt. Bisher wurde nicht ermittelt, daß mehr als zwei Personen von der Bevölkerung entkamen. Man hofft, daß mehr Einwohner sich gerettet haben. Die russische Regierung hat alle Maßnahmen an­geordnet, um eventuelle Flüchtlinge zu unterstützen und den Umfang der Katastrophe festzustellen.

Vermischtes.

Die Stadt Karatag mit 15 06V Men­schen durch einen Bergrutsch vernichtet.

Aus Rassssch-Zentralasien kommt die Nachricht, daß in Buchara, dem Gebiet südlich von Turkestan, die Stadt Karatag durch ein Erdbeben und durch einen gleichzeitigen Erdrutsch vollständig zerstört worden ist: die ge­samte Bevölkerung von 15000 Ein­wohnern ist unter den Trümmern be­graben. Nur der Gouverneur und seine Mutter sollen gerettet sein. Mit den Städtern sind auch einige Hundert Kirgisen umgekommen, welche zum Waffsneinkauf nach Karatag gekommen waren. Von Samarkand aus, sowie von Hin au aus werden Rettungsexpeditionen aurgeschickt; doch können sie vor Rauch und Flammen noch nicht in die Stadt Vordringen. Die Stadt Karatag gehört zur Gebirgslandschaft Karategin in Inner- asten, im Chanat Buchara, zwischen den Südab­hängen der Serafschan- und der Hlssarkette und dem Tale des Kifil-su; diese Gebirgslandschaft bildet eine schmale Zone hohen Berglandes, in

Gottlob"! Inge zitterte noch immer.Man muß dem Mörder nach man muß ihn halten. Mein Gott, wenn er noch einmal-"

Fürchten Sie das nicht, er wird den Mordanschlag nicht zum zweiten­mal wagen, besonders an dieser Stelle nicht mehr. Und wenn er es doch täte? Was habe ich zu fürchten, wenn ein Engel mich beschützt? Inge Inge."

Heiß und leidenschaftlich klang die Stimme von seinen Lippen. Er preßte die zarte Gestalt an seine Brust, er streichelte ihr Haar.

Inge-wo bist du? Woher kam der Schuß?"

Bleich und an allen Gliedern zitternd, stand Frau Helmbrecht in der Haustür. Ihre an die Helle des Zimmers gewöhnten Augen erkannten in der Dunkelheit die beiden sich umschlungen haltenden Gestalten nicht.

Da fuhr Inge wie aus einem Traum empor und machte sich mit jähem Ruck aus Williams Armen frei.

Mutti, sei ruhig, wir sind unversehrt-nur noch vor Schreck

erstarrt. Laß uns zu Papa ins Zimmer gehen, damit er sich nicht ängstigt."

Du bist nicht allein, Inge."

Nein, Mutti» Mister Williams-"

In diesem Augenblick trat Mr. Williams vor und erklärte mit wenigen Worten sein Hiersein.

Die Angestellten der Villa, Diener, Kutscher, Köchin und Stuben­mädchen waren unterdes ebenfalls herbeigestürzt und forschten mit angst­vollen Mienen, was es gegeben hätte. Sie hätten den Schuß gehört und geglaubt, die ganze Villa würde in die Luft gesprengt.

Wenige Worte genügten zu ihrer Beruhigung, wenigstens mußten sie sich mit Mr. Williams Erklärung, es sei nur ein Scherz gewesen, zufrieden geben. Erft als Williams mit Frau Helmbrecht und Inge zu dem blinden Fabrikbesitzer in die Stube trat, erzählte er den Vorgang, wie er wirklich gewesen war.

Wenn Fräulein Inge nicht die Geistesgegenwart gehabt hätte, mich im entscheidenden Moment zurückzuziehen, so würde mich die Kugel unfehlbar durchbohrt haben", schloß er seinen Bericht, indem ein herzlicher Blick das erötende junge Mädchen streifte.

Wie geschah denn das, Inge?" fragte Helmbrecht sehr erstaunt. Wie konntest du ahnen, was ein anderer im Hinterhalt führte?"

Papa-ich hörte Schritte-ich sah eine dunkle Gestalt

-und da erfaßte mich plötzlich eine furchtbare Angst eine

Ahnung, es köynte-Franz Linden sein."

Franz Linden?" riefen Helmbrecht und William» fast gleichzeitig in höchstem Erstaunen aus. Wie kommst du auf Franz Linden, Kind?"

Jiigs wurde jetzt bleich.

Weil-weil ich schon längst fürchtete, Franz Linden würde

noch einmal zurückkommen und seinen-Mordversuch wiederholen."

Inge, ich verstehe,-was sprichst du, war meinst du?" fragten

Vater und Mutter.

Fräulein Inge, woher wußten Sie?" forschte auch Williams und blickte gespannt in dar jugendliche Gesicht, in dem eine heftige Erregung zuckte.

Sie faßte sich jedoch schnell.

Ich erkannte ihn trotz des Dunkels an seinen funkelnden

Augen-ich sah den blitzenden Flintenlauf ich sah ihn das

Gewehr anlegen und da-zog ich Mister Williams mit einem Ruck

von seinem Standort fort.-Franz mußte wohl schon gezielt haben,

denn im gleichen Augenblick krachte der Schuß und-ging fehl.

Papa ich wollte dich nicht beunruhigen und unnötig erregen» jetzt muß ich dir wohl sagen, was ich weiß: Franz Linden bedrohte Mister Williams schon einmal mit dem Messer an jenem Streiktage."

(Fortsetzung folgt).