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sich Eugen Böhringer. Nach den Ermittlungen kommt als Täter der 28 Jahre alte Fabrikarbeiter Eugen Thieringer von Sulgen OA. Oberndorf in Betracht, der vor längerer Zeit aus der Irrenanstalt entwichen ist und wegen verschiedener, seither verübter Diebstähle und Betrügereien steckbrieflich verfolgt wird. Er war im Besitze eines Automobils und hat sich wahrscheinlich in diesem geflüchtet.
Stuttgart 22. Okt. Kartoffelgroßmarkt auf dem Leonhardsplatz, Zufuhr 1000 Zentner, Preis 2 60 ^ bis 4 pr. Zentner. — Krautmai kt auf dem Leonhardsplatz, Zufuhr 1100 Stück. Preis 12 bis IS ^ pr. 100 Stück.
Eßlingen 22. Okt. Um 11 Uhr wurde heute Vormittag Großfeuer gemeldet, nachdem kurze Zeit vorher die Weckerlinie alarmiert worden war. In dem enggebauten Stadtteil der Pliensau- flraße war im Hause der Herren G. und R. Keim in einer Dachkammer auf bis jetzt unaufgeklärte Weise ein Schadenfeuer ausgebrochen. Da das noch neue Nebengebäude durch Brandmauern gedeckt war, konnten.Leim raschen Eingreifen der beiden Feuerwehren nicht nur die Nebengebäude gerettet, sondern auch dar Feuer auf seinen Ausgangherd derart beschränkt werden, daß nur der Dachfiuhl niederbrannte. Doch dürfte der Schaden immerhin beträchtlich sein, da das Gebäude durch die niedergegangenen Wassermaffen sehr gelitten hat. An dem über dem Gebäude sich befindlichen Telefonständer wurden sämtliche Leitungsdrähte zerstört.
Heilbronn 22. Okt. Das Salzwerk Heilbronn beschloß in seiner gestrigen Generalversammlung Heuer eine Dividende von 12°/° zu verteilen. Der Reingewinn des Betriebsjahres pro 1906/07 beträgt 740415 der Anteil der Stadtgemeinde hieran 62959
Pfullingen 22. Okt. Der Bau und die Ausstattung des hiesigen Gesellschaftshauses, ausgeführt nach den Plänen des bekannten Architekten, Professor Theodor Fischer, ist so gut wie vollendet. Der Eigentümer des Gebäudes, Privatier Louis Laiblin, beabsichtigt, den Prachtbau nebst dem dazugehörigen Platz der Stadgemeinde in Gestalt einer Stiftung zu überlasten. Zu diesem Zwecke sollen die bürgerlichen Kollegien von hier demnächst zu einer Be- fichtigung eingeladen werden. Das Gebäude soll künftighin den Namen „die Psullinger Hallen" tragen. Es kann sich mit den schönsten Versammlungsräumen Württembergs messen.
Kirchheim u. T. 20. Okt. Heute früh 4 Uhr wurde SchutzmannHeilemann hier
von mehreren in Oetlingen und Lindorf wohnenden Fabrikarbeitern auf einem Patrouillengang angegriffen und mit Prügeln und mit dem dem Schutzmann weggenommenen Säbel nicht unerheblich verletzt. Der Grund des Ueberfalls war wohl die Wut darüber, daß der Ueberfallene zuvor den Tätern, welche in der Wirtschaft zum „Deutschen Haus" lärmten, Ruhe geboten hatte. Der Schutzmann ist jedenfalls eine Zeitlang dienstunfähig. Die Täter wurden heute festgenommen und dem Amtsgericht eingeliefert.
Friedrichshafen 20. Okt. Das „Seebl." berichtet: Gestern nachmittag 4 Uhr kam im strengsten Inkognito Prinz Heinrich von Preußen im Automobil hier an. Der Prinz stieg im „Deutschen Haus" ab und begab sich alsbald mit dem Grafen Zeppelin nach der Ballonhalle bei Manzell. Heute früh 7 Uhr reiste der Prinz wieder ab. — Heute abend werden die hiesigen Vereine dem Grafen Zeppelin einen Fackelzug anläßlich seines 50jährigen Dienstjubiläums bringen.
Mannheim 20. Okt. In dem Wettbewerb zur Gewinnung eines Bebauungsplanes für die Weiterführung der Oststadt konnte das Preisgericht keinem von den 57 eingelaufenen Entwürfen einen ersten Preis zuerkennsn. Ein zweiter Preis von 2000 Mark wurde zuerkannt einem Entwürfe des Geometers Rudolf Linkenheil in Schramberg, ein dritter Preis von 1500 Mark dem Assistenten am Tiefbauamt in Freiburg Thomas Langenberger, je ein vierter Preis von 1000 Mark den Entwürfen von Louis Neuweiler und Eugen Schmidt in Stuttgart und Stadtgeometer Karl Strinz in Bonn. Angekaust wurde ein Entwurf des Regierungrbaumeisters Schrade in Mannheim. (Geometer R. Linkenheil ist bekanntlich aus Calw. D. R.)
Berlin 21. Okt. Das „Berliner Tageblatt" schreibt: Der Mordprozeß Hau beschäftigt wieder die Staatsanwaltschaft in Karlsruhe. In diesem Verfahren erhielt heute die Direktion der hiesigen „Allgemeinen Fleischer- Zeitung" von der Karlsruher Staatsanwaltschaft ein Schreiben betreffs der Vernehmung des bei ihr angestellten M. Brumm, der an dem Mord- Lage von Wertheim nach Oos gereist war und im Eisenbahnwagen mit Hau und von Lindenau zusammengetroffen ist. Diese Ermittelung ist wohl mit dem Wiederaufnahme-Verfahren in Verbindung zu bringen.
Berlin 21. Okt. Das „Berliner Tageblatt" hört aus bester Quelle, daß die Reichsregierung sich dahin entschieden hat, schon in der kommenden Session eine Branntwein-Mono
pol-Vorlage dem Reichstage zu unterbreiten. Die Verhandlungen mit dem Spiritus-Syndikat sind so gut wie abgeschloffen. Die Hauptpunkte find kurz folgende: Die Reichsregierung verstaatlicht das Spiritus-Syndikat in seiner jetzigen Form und empfiehlt, die großen Fabriken vom Reich anzukaufen; die kleineren werden entsprechend abgefunden. Die Reichsregierung bietet den Spiritus-Produzenten die Gewähr, für den zu liefernden Rohspiritus derartig hohe Preise zu zahlen, daß sie den unter den jetzigen Verhältnissen erzielten Preisen zum mindesten gleich kommen» wenn nicht gar darüber hinausgehen. Die Brannt- weinpreise werden entsprechend erhöht, die Mehrkosten sind also vom Konsumenten zu tragen. Der Reinertrag des Branntwein-Monopols wird für die nächsten Jahre auf ca. 70 Millionen bemessen. Später sollen die Einnahmen aus dem Monopol gesteigert werden.
Petersburg 22. Okt. Einige Kilometer von Zarskoje Selo, auf dem Schienenstrange, der von den Mitgliedern der kaiserlichen Familie benutzt wird, führten Jagdhunde den früheren Moskauer Gouverneur Kcisti beim Jagd- Pavillon, wo der Zar häufig aussteigt, zu einer mit Stroh, Erde, Lehm und Planken bedeckten Stelle. Beim Aufräumen fand man Grab-Jnstru- mente und stieß auf 2 Männer, die damit beschäftigt waren, eine Mine zu graben. Dis Leute trugen Pläne für diese bei sich, sowie Telegramme von Complicen, in denen diese sich nach dem Gang der Arbeiten erkundigten. Sie wurden beide verhaftet und der Gendarmerie in Zarskoje Selo übergeben. Anscheinend ist es damit gelungen, ein geplantes Verbrechen zu verhindern. Seit der Rückkehr des Zaren aus den Scheren wird die Residenz und ihre Umgebung außerordentlich scharf bewacht.
Warschau 21. Okt. Wie jetzt feststeht, hat die Gräfin Zamoyska, deren plötzliches Verschwinden aus einem Eisenbahnzuge so großes Aufsehen erregt hat, drei Tage bei dem früher in ihren Diensten gestandenen Kutscher Janik als Bäuerin verkleidet zugebracht. Der Skandal scheint noch im Wachsen begriffen.
New-D ork 21. Okt. General Booth, der Gründer und Leiter der Heils-Armee, liegt in Chicago im Sterben.
Reklameteil.
WriiDe 2^ HqMe. D
Der verlorene Sohn.
Roman von ElSb eth BorHart.
(Fortsetzung.)
Nichts Außergewöhnliches ereignete sich. Der Dieb mußte gewarnt worden sein. Da aber niemand außer den Hausbewohnern, und, wie ich glaubte, auch diese nicht «ntnal eine Ahnung von meinem nächtlichen Aufenthalt in der Nähe des Könkors hatten, so mußte es unbedingt jemand in meiner unmittelbaren Nähe sein, der den Diebstahl verübt hatte. Ich hatte den Diebstahl vor allen, selbst vor meinem Sohn geheimgehalten, um nicht vorzeitig den Dieb zu warnen. Da nun meine Wacht erfolglos blieb und ich bereits mehrere Nächte nicht geschlafen hatte, beschloß ich mich wieder, in mein gewohntes Schlafzimmer zu begeben.-
Als ich in der nächsten Zeit keine Fehlbeträge mehr bemerkte, wurde ich ruhig und vergaß die Angelegenheit beinahe.
Da stürzte eines Morgens meine Hausdame-meine erste Gattin
war damals bereits niehrere Jahre tot und ich war noch nicht zum zweitenmal verheiratet-in mein Zimmer. Sie stammte aus hochachtbarer
Familie, war die Repräsentantin meines Hauses und führte mir die Wirtschaft.
„Um Gotteswiüen, was ist geschehen," rief ich, als ich ihr bleiches, verstörtes Gesicht sah.
Sie zitterte so, daß sie sich setzen mußte, und es verging eine Weile, ehe sie sich so weit erholt hatte, daß sie sprechen konnte. Endlich brachte sie es stockend und zagend hervor.
„Herr Helmbrecht-was wollte-Ihr Sohn-in
der Nacht-in Ihrem Privatkontor?"
Ich sah sie sekundenlang schweigend an; ich begriff und verstand nicht,
was sie eigentlich wollte.-Plötzlich durchzuckte es mich mit jähem
Schreck, eine Erkenntnis war mir gekommen, so unglaublich, so hirnverbrannt. Ob die Dame mir gegenüber den gleichen Argwohn gehabt hat, vermag ich nicht zu sagen. Nach meiner Meinung wußte sie von den fortgesetzten Diebstählen in meinem Hause nicht». Ich suchte ihr darum auch meine Erregung zu verbergen und fragte sie nur, wann sie meinen Sohn gesehen
hätte, und wie es sich gefügt, daß sie ihm begegnete. Darauf erzählte sie
mir, sie sei in der Nacht um 2 Uhr an einer Herzbeklemmung erwacht und habe sich angezogen, um ihre Baldriantropfen aus dem Eßzimmer» wo sie sie vergessen hatte, zu holen. Dobei mußte sie an der Tür meines Kontors vorbei. Ihre leichten Filzschuhe hätten ihren Schritt gedämpft,
und sie wäre von Georg-das war mein Sohn-nicht bemerkt
worden. Als sie jemand im Korridor hantieren hörte, habe sie sich in einer Nische versteckt und gesehen, wie mein Sohn dis Tür zum Kontor leise aufgeschlossen habe und darin verschwunden sei. Als ich sie fragte, ob sie ihn bei der Dunkelheit auch richtig erkannt habe, erwiderte sie, daß er eine Blendlaterne in der Hand gehalten, und daß der Schein derselben gerade sein Gesicht getroffen habe. —
Ich wußte genug, gab aber meiner Hausdame irgend einen erfundenen Grund zu Georgs nächtlicher Anwesenheit in meinem Kontor an, um ihr meinen Argwohn zu verbergen. — — Kaum hatte sie mein Zimmer verlassen, eilte ich selbst in das Kontor und revidierte die Kaffe. Sie können
sich meinen Schreck nicht ausmalen, Mr. Williams-ich glaubte, der
Schlag träfe mich-in der Kaffe fehlte eine bedeutende Summe. —
— In meinem ersten grenzenlosen Zorn eilte ich in das Zimmer meines Sohnes-es war Sonntag, und er war daheim-und schleu
derte ihm wutentbrannt die Anklage ins Gesicht. Ich sah, wie er erbleichte und zmückzuckte und nahm das als ein Zeichen seines lösen Gewissens. Mit drohender Gebärde stand ich vor ihm und befahl ihm, die gestohlene
Summe herauszugeben. Da erst erwachte er zum Leben, aber er-
leugnete --er tat, als wüßte er von nichts. Ich befahl ihm, mir
alle seine Sachen zu zeigen-durchwühlte mit zitternden Händen seine
Schränke und Schubläden und fand in der Schublade seiner Kommode
einen-Nachschlüssel zum Kontor und-die Blendlaterne-.
Ueber die Szene, die nun folgte, lassen Sie mich schweigen. Georg behauptete in seiner Verstockheit-er wisse nicht, wie diese Gegenstände
in seine Kommode gekommen wären, und über den Verbleib der Summe stand er mir auch nicht Rede und Antwort. Da blieb mir nur ein Mittel;
ich mußte den ungeratenen Sohn nach Amerika verbannen.-
(Fortsetzung folgt).