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sprechung des »erst. Faul. Der Beschluß spricht auf Grund einer sorgfältigen Nachprüfung yus, daß da« verurteilende Erkenntnis des Schwurgerichts nicht aufrecht erhalten werden könne und schon auf Grund der früheren Beweismittel an- fechtbar gewesen sei. Das Gericht spricht aus, daß ein begründeter Verdacht gegen den Verurteilten nicht mehr vorliegt und daß die Staatskasse zur Entschädigung der Personen, denen gegenüber Faul krast Gesetzes unterhaltungspflichtig gewesen sei, verpflichtet sei.
Stuttgart 15. Okt. Am 31. Dezember verjähren die meisten Forderungen, welche im Jahre 1905 entstanden sind. Da die bei den Gerichten gegen Jahresschluß vermehrte Geschäftslast die rechtzeitige Erledigung der in den letzten Tagen des Jahres eingereichten Anträge zweifelhaft macht, empfiehlt es sich, derartige Forderungen in Bälde geltend zu machen.
G Die Strafkammer in Tübingen verurteilte den Schreiner Johannes Ktrchherr in Stammheim wegen Wild er ei und Widerstands zu 9 Monat Gefängnis. Der Verurteilte hatte in der Früh vom 8. September, im Waldteil „Doma" bei Stammheim, obwohl schon zweimal wegen Wilder ei vorbestraft, wieder gewildert. Von dem Waldhüter Katzmaier ertappt widersetzte er sich gegen denselben, ergriff aber schließlich die Flucht. Katzmaier hatte ihn aber erkannt. Das Leugnen half dem Wilderer nichts.
Tübingen 17. Okt. In vergangener Nacht hat sich der Untersuchungsgesangene Gipser Fischer von Neuhengstett, der im Gefängnis schon öfters alles demoliert und die Fesseln zerbrochen hat, selbst die Freiheit gegeben und ist entflohen. Ein Dienstmädchen der Nachbarschaft bemerkte das Bemühen des Gefangenen eine Lücke am Gitter zu schaffen, aber der Gefängniswärter maß der Sache keine Bedeutung bei. Nun hat er das Nachsehen.
Reutlingen 17. Okt. Die allgemeine Weinlese wurde vom Gemeinderat auf Freitag den 18. Oktober festgesetzt.
Reutlingen 17. Okt. Auf dem Güterbahnhof waren an Obst gestern zum Verkauf gestellt: Aepfel: 28 Wagen aus der Schweiz, 8 aus Italien, 1 aus Oesterreich; 2 Wagen Birnen aus Bayern und 1 aus Luxemburg. Der Preis bewegte sich für Aepfel zwischen 6.80 und 7.00 für Birnen zwischen 6.20 und 6.50
Urach 17. Okt. Zwischen Sondelfingen und Oferdingen stritten sich junge Burschen um die Mädchen. Ein 17-jähriger Sondclfinger zog den Revolver und jagte dem Bruder seiner 14- jährigen Geliebten eine Kugel in den Rücken. Der Revolverheld ist in Haft.
Dürrmenz-Mühlacker 16. Okt.
Gestern vormittag V-12 Uhr fand man in einem Nebengebäude des Landwirts Gottlob Hasenauer hier, dessen 12 Jahre alte Tochter Sophie auf dem Fruchtboden erhängt vor. Da es nicht wahrscheinlich ist, daß das Kind Selbstmord begangen hat und da das Gerücht ging, das Kind sei hart behandelt und außerordentlich viel zur Arbeit verwendet worden, wurde der Vater der Getöteten verhaftet. Dieser ist etwa 40 Jahre, alt und in zweiter Ehe verheiratet. Er sind noch zwei Kinder von 5 und 6 Jahren da. Vor Jahren soll sich in der Familie ein ähnlicher Fall zugetragen haben.
Dürrmenz. Mühlacker 17. Okt. Dieser Tage ist, wie gemeldet, das Töchterchen des Landwirts Hasenauer erhängt auf dem Boden des elterlichen Hauses aufgefunden worden. Hasenauer wurde s. Zeit verhaftet. Nachdem die gerichtliche Oeffnung der Leiche stattgefunden hat, ist nun auch die Ehöfrau des Landwirts Hasenauer, eine Stiefmutter der Toten in Haft ge- nommen worden. Durch Zeugenaussagen ist festgestellt, daß die Stiefmutter dar Kind früher mißhandelt hat- Vor 3 Jahren stand Hasenauer wegen Verdachts der Brandstiftung vor Gericht. Er wurde aber damals wegen ungenügender Beweise freigesprochen. Das Kind war in einer Sterbekasse mit 1000 versichert.
WeikerSheim OA. Mergentheim 17. Okt. Gestern abend ereignete sich auf dem hiesigen Bahnhof beim Rangieren ein Unglücksfall. Ein mit Hä mm ein beladener Viehwagen entgleiste, fiel um und sperrte das Hauptgeleise. Die Türen des umgestürzten Wagens konnten zwar sofort geöffnet werden, trotzdem mußte eine größere Anzahl der Tiere notgeschlachtet werden. Die Nachtzüge hatten meist große Verspätung. Bis Tagesanbruch war die Strecke wieder fahrbar.
Großsachsenheim OA. Vaihingen 17. Okt. Der am Dienstag abend zwischen 3 und 4 Uhr gewitterartig aufgetretene Sturmwind hat an einem hiesigen Fabrikneubau einen bedauerlichen Unglücksfall herbeigeführt. Auf der Nordseite des Neubaues stürzte ein etwa 15 Meter langes Stück vom Backsteingemäuer ein. Zwei Arbeiter wurden verschüttet. Einer, der verheiratete Erdarbeiter Setzer von Sersheim, wurde lebensgefährlich verletzt, der andere kam mit leichteren Verletzungen davon.
Heilbronn 16. Okt. Vor einigen Tagen wurde eine 23 jährige Frau in einem hiesigen Hause infolge Gasvergiftung bewußtlos aus- gefunden. Obgleich zwei Aerzte sofort zur Stelle waren, mußte die Bewußtlose doch dem Krankenhaus übergeben werden. Jetzt ist dis junge Frau an den Folgen dieser Gasvergiftung gestorben.
Heilbronn. (Automobilbrand). Am Samstag nachmittag ist das Automobil des
Herrn Bankier Richard Rümelin auf der Jägerhausstraße in der Nähe des Trappensees vollständig verbrannt. Das ging so zu: als das Automobil die Steige herabgefahren war, bemerkten einige Spaziergänger, daß eine Flamme unter dem Wagen hervorzüngelte; sie versuchten, den Chauffeur und die Insassen (Herrn Gg. Rümelin samt einem zu Besuch weilenden Ehepaar) durch Zurufe davon in Kenntnis zu setzen; aber ohne Erfolg. Erst Brandgeruch und Rauch machten die Insassen darauf aufmerksam, daß etwas nicht stimme: ein Blick nach rückwärts überzeugte sie, daß dort schon eine Flamme emporstieg. Es reichte gerade noch, rasch halten zu lassen und ebenso rasch herauszuspringen und schon schlugen die Flammen über dem Automobil zusammen: eine mächtige Lohe stieg auf, genährt vom Benzin, das sich aus dem Behälter ergoß. Löschungsversuche waren vergeblich: das ganze Automobil verbrannte bis auf die Eisenteile. Eine Benzin- explofion erfolgte nicht; der Knall rührte von den platzenden Reifen her. Ueber die Brandursache lassen sich nur Vermutungen anstellen: wahrscheinlich, daß der Wagen warmgelaufen war. Der Wagen war erst vor kurzem aus der Fabrik, wo er repariert worden war, zurückgekommen und hatte mit dieser Fahrt seine erste größere Tour gemacht.
Karlsruhe 16. Okt. Karl Hau hat das Urteil des Reichsgerichts mit Ruhe und ohne Zeichen seelischer Erregung entgegen genommen. Da mit der gestrigen Entscheidung des Reichsgerichts das Todesurteil rechtskräftig ist, wurde Hau, den man bis gestern als Unter- suchungsgefanzenen behandelte, mit Gefängniskleidung angetan und auf die übliche Gefängniskost gesetzt.
München 17. Okt. In der nächsten Nähe Münchens wurde mehrereschwere Verbrechen aufgedeckt, deren Urheberin die 14 jährige Dienstmagd Jda Schnell ist. Anläßlich des Todes eine» neugeborenen Bauernsöhnchens erinnerte man sich» daß in kurzer Zeit mehrere der Pflege der Schnell anvertraute Kinder gestorben waren. Die Leichenöffnung bei dem letzt gestorbenen kleinen Kinde bestätigte den Verdacht gegen das Mädchen. Die Schädeldecke des Kindes war mit einer starken Nadel durchstochen und so der Tod herbeigeführt worden. Nach längerem Leugnen gestand die Kindsmörderin weinend ein, nicht nur das ausgegrabene sondern noch 4 weitere Kinder ehemaliger Dienstherrschaften in gleicher Weise ermordet zu haben, da sie eine unüberwindliche Scheu vor der Pflege kleiner Kinder habe. Die jugendliche Ktndermörderin wurde ins Untersuchungsgefängnis eingeliefert.
Breslau 16. Okt. In Mährisch- Altstadt entstand eine Feuersbrunst während
„Das ist doch dasselbe."
„Fräulein Inge!"
Mit einer plötzlichen Bewegung hielt er ihr die Hand hin.
„Warum find Sie mir so feindlich gesinnt? Können Sie mir denn noch immer nicht vergeben, daß ich einmal gezwungen war, in einer Angelegenheit bestimmend auf Sie einzuwirken? — Nun, Fräulein Inge — — Sie schweigen — — soll ich auch heute wieder vergebens bitten?"
In Inge vollzog sich etwas Gewaltsamer. Eine künstliche Etsrinde, mit der sie ihr Herz umpanzert hatte, schmolz langsam dahin. Warmes feuriges Blut drang stürmisch in die Herzkammern und raubte ihr fast den Atem, und dann flieg es höher hinauf und tauchte ihre Wangen in Glut.
Verwirrt durch diesen ungewohnten Vorgang senkte sie die Augen zu Boden, aber die Hand hob sich langsam. Schon auf halbem Wege kam ihr die andere entgegen. Williams hatte sie mit seinen beiden kräftigen Händen ergriffen und an seine Brust gedrückt.
Mit einem heftigen Ruck entzog Inge sie ihm.
„Ich-ich muß arbeiten, Mr. Williams-die Uebersetzung
ist furchtbar schwer und muß zu morgen fertig sein."
„Die englische?"
„Ja."
„Darf ich Ihnen behiflich sein? Ich habe dm Dickens schon wiederholt gelesen und-ich beherrsche ja beide Sprachen."
„Sie wollten mir helfen?-Ach-da« wäre ja — —
--aber haben Sie denn Zeit?"
„Gewiß."
„Sie haben doch jetzt immer so furchtbar viel zu tun-bis spät in
die Nacht hinein — — neulich sah ich noch um ein Uhr in Ihrem Zim- mer Licht."
„In meinem Zimmer? Können Sie das denn von der Villa aus
sehen, und Sie find so spät noch wach?" fragte er verwundert. Er zog einen Gartenstuhl heran und setzte sich an ihre Sette.
Inge befand sich in unbeschreiblicher Verlegenheit. Was hatte sie da verraten, und was sollte er von ihr denken, wenn sie ihm die Wahrheit gestand, daß sie neulich in der Nacht aufgestanden war, um zu sehen, ob noch Licht in seinem Zimmer war! Sie überwand nur mühsam ihre Verlegenheit. Warum war sie, die stets eine schlagfertige Antwort in Bereitschaft hatte, gerade Mr. Williams gegenüber immer wie auf den Mund gefallen?
„Von meinem Zimmer aus, das im Oberstock liegt, kann ich recht gut auf den Fabrikhof sehen," erwiderte sie endlich, „und neulich, als ich zufällig erwachte und sah, daß ich die Gardine zuzuziehen vergessen hatte
-stand ich auf-um das nachträglich zu tun-und ja,
dabei-sah ich eben das Licht in Ihrem Zimmer. Arbeiten Sie
immer so lange?"
„Meistenteils.-Und nun, Fräulein Inge-wollen Sie
nachschreiben? — — Ich werde übersetzen."
Inge griff zu ihrer Feder, und während Williams langsam, aber fließend übersetzte, schrieb sie die Vokabeln nach.
In kurzer Zeit war die Arbeit getan, und sie atmete froh auf.
„Ich danke Ihnen, Herr Williams."
Treuherzig reichte sie ihm die Hand.
„Es war eine Kleinigkeit für mich, und wenn Sie meiner Hilfe je wieder bedürfen, — ich bin mit Freuden bereit."
„Das ist riesig nett von Ihnen-und gerade diese englischen
Uebersetzungen sind so schwierig und zeitraubend für mich."
„Aber-ich verlange eine Gegenleistung." Er sah sie mit
lächelndem Blick an.
„Welche?" fragte sie zaghaft und wich seinem Blick aus.