MEZ
RMLWUM
Ä'MW
166 . Amts-
und Änzeigeölatt für den Bezirk Calw. 82. Jahrgang.
Krscheinungrtage: Di«n»tllg, Donnerstag, Sam». to», «ionnta-. JnsertionSprei« 10 Psg. pro Zeile für Stadt nnd »«jirUorte; außer Bezirk 12 Dsg.
Samstag? de» 19. Oktober 1997.
LbonnementSpr.ind. «tablpr.iSierielstMk.t.ioin-l.rrLgerl. McrteljLhrl. Postbezuglr-ret» ohne Bestell^, s. d. Ort», u. Nachbar. ortSoerkehr 1 Wi., s. d. sonst. Berir-r Mi. 1.10, Bestellgeld 30 Big
Amtliche Bekarmtmschirirgeri.
Bekanntmachung.
Da gegenwärtig das Wasserreservoir in Aichelberg mit Jnertol angestrichcn wird, so kann nur eine Kammer desselben benützt werden, es muß daher bet dem Wasserverbrauch größte Sparsamkeit beobachtet werden.
Die Ortsbehörden der Gemeinde» der Schwarzrvaldwafserversorgung haben den Feuerwehrrommandanten alsbald zu eröffnen, daß bis ans Weiteres keine Feuerwehrproben unter Verwendung von Wasser vorgenommen werden dürfen.
v" Calw, 18. Oktober 1907.
K. Oberamt.
V o e l t e r.
TageZnenigkeiten.
Calw. (Eingesandt ) Der Kirchliche Hilfsfonds, für welchen das Kirchenopfer am nächsten Sonntag bestimmt ist, wurde vor einigen Jahren zu dem Zweck gegründet, um arme evang. Kirchengemeinden zu unterstützen beim Bau von Kirchen und Pfarrhäusern. Die Gemeinde Neuheng, stell, in der gegenwärtig die Kirche erneuert und ein neues Pfarrhaus gebaut wird, hätte diese Bauten ohne kräftige Unterstützung aus diesem Fonds nicht unternehmen können. Es ist deshalb als ein Werk christlicher Bruderliebe zu betrachten, diesen Fonds durch Opfergaben zu stärken.
(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.) Se. König!. Majestät haben allergnädigst geruht das Forstamt Mönchsberg dem Forstamtmann Remmlinger in Liebenzell zu übertragen.
Stuttgart 16. Okt. Der Polizeibericht bemerkt zu dem gestrigen Bauunglück. Von 7 italienischen Arbeitern, die teils im Souterain, teils im 4. Stock beschäftigt waren, find einige
mit abgestürzt, die anderen wurden im Souterain verschüttet. 4 der Verunglückten konnten verhältnismäßig bald geborgen werden; ein fünfter wurde erst später und der sechste und siebte heute früh tot aus den Trümmern geholt. Von den im Spital befindlichen Verunglückten ist einer gestern abend noch gestorben, während das Befinden der übrigen ein befriedigendes ist. Tot find: Morganti Leo 46 Jahre alt, Basoli Gio- vani 37 Jahre alt, Ferini Andreas 24 Jahre alt, Marzionetto Luigi 26 Jahre alt.
8.6. Stuttgart 17. Okt. Zum Bauunglück am Platze der ehemaligen Legionskaserne erfahren wir, daß das Befinden der drei Verletzten, die sich noch im Katharinsnhospital befinden, ein ordentliches ist. Nichtig zu stellen ist noch, daß die Architektenfirma Bihl und Wolz mit der Bauausführung nichts zu tun hat. Es wurden von der Firma nur die Pläne zu dem Neubau ent- warfen. Die bauausführende Berliner Firma Krüger, Hellmuth.Lauermann, die ihr Bureau zur Bebauung des Areals der ehemaligen Legionskaserne in der Tübingerstraße 13 hat, hat ihrerseits die Bauausführung an einen Unterakkordanten, einem Italiener, übertragen. Die letzten Feststellungen sollen ergeben haben, daß unter anderem auch zu den Arbeiten ein minderwertiger Mörtel verwendet wurde. Die Kommission zur Untersuchung des Unfalls, die aus Sachverständigen und aus Regierungsvertretern zusammengesetzt ist, war gestern und heute auf der Unglücksstelle tätig. Morgen wird ihr Gut- achten erwartet.
Stuttgart. 17. Okt. Das Schwäb. Korr.-Bur. berichtet über folgenden eigenartigen Fall: Am 10. März 1895 brannte in Kirchheim u. T. ein der Bäckerrwitwe Katharine Maier gehöriges Stall- und Scheuergebäude nieder.
Wegen angeblicher Brandstiftung wurde ein angeblicher Bäckergeselle namens Eugen Faul unter Anklage gestellt. Trotzdem er beteuerte, er habe nicht angezündet, bejahten die Geschworenen die Schuldfrage, worauf das Gericht den Mann zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren verurteilte. Eugen Faul wurde ins Gefängnis abzeführt. Dort erkrankte er so schwer, daß er nach Verbüßung eines Jahrs begnadigt wurde. Wenige Wochen darauf, am 21. Mai 1896, starb er. Noch auf dem Totenbett beteuerte er seine Unschuld. Seither ruht der Fall. Im Januar d. I. schrieb nun ein Geistlicher, der protestantische Stadtvikar in Aschaffenburg, dem evangelischen Stadtpfarramt Kirchheim u. T.: „Ein erkrankter Gemeindemitglied, dar seinen Namen zu verheimlichen wünsche, habe ihm erzählt, Faul sei unschuldig verurteilt worden, der wahre Täter leide schon lange an Gewiffensqualen, habe aber auch noch nicht den Mut gefunden, öffentlich die Tat einzugestehen. Das erwähnte kranke Gemeindemitglied sei von dem Wunsche beseelt, doch zur Ehrenrettung des Faul etwas bei- zutrcrgen, und würde sich im Herzen erleichtert fühlen, wenn am Ort der Tat bekannt würde, daß der Verurteilte unschuldig gewesen sei. Daraufhin reichten die Angehörigen des Verstorbenen — dessen hochbetagte, unter der Verurteilung ihres Sohnes schwer leidende Mutter noch lebt, — durch die Rechtsanwälte Haußmann und Heusel den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ein. Im April beschloß die Strafkammer der Landgerichts Mm, die Wiederaufnahme abzulehnen. Auf sofortige Beschwerde des Anwalts hob das Oberlandesgertcht diesen Beschluß und in der Folge noch weitere abweisende Beschlüsse der Strafkammer Ulm auf, ordnete Zeugenvernehmung an und erkannte auf Grund derselben am 9. Oktober durch Beschluß auf Frei«
Der verlorene Sohn.
Roman vonElSbeth Borchart.
(Fortsetzung.)
Der Einfluß Mr. Williams auf Helmbrecht war ein außerordentlich starker; aber auch Frau Helmbrecht konnte fich diesem Einfluß nicht entziehen. Seine gewinnende Art flößten ihr Sympathie ein, und durch den Gatten bestärkt, zog sie ihn immer mehr in die Familie.
So hatte fich Williams die Herzen seiner Vorgesetzten wie seiner Untergebenen schnell erobert. Nur mit Inge stand er auf Kriegsfuß.
Seit jener Szene im Park, wo sie fich seinem so energisch ausgesprochenen Willen hatte fügen müssen, befand sich Inge in einem beständigen Kampfgelüste ihm gegenüber. Jedes Wort, das er sprach und darin sich sein Zielbewußtsein, die Kraft seines Willens und Denkens kundgab, reizte sie zum Widerspruch und Trotz.
Anscheinend legte Williams diesem Kampfspiel» das für Uneingeweihte den Stempel einer lustigen Neckerei trug, keine Bedeutung bei. Doch die tieferen Gründe zu dieser offenbaren Feindseligkeit mochten ihm wohl nicht verborgen sein.
Der Unterricht, den Inge und ihre Freundinnen genossen, hatte wieder seinen Anfang genommen.
Inge saß bei einer schwierigen englischen Aufgabe. Die Arbeit des Nachschlagens im Lexikon war so ermüdend, so langweilig. Und darüber verging der köstlich schöne Morgen, den sie sonst so gut aurzunützen verstanden hatte.
Da fiel ein Schatten auf ihr Buch. Erschreckt sah sie auf.
Vor ihr am Eingang der Laube stand Mr. William».
Das fehlte grade noch, daß dieser sie in ihrer Klemme sah.
Williams zog grüßend den Hut.
«Verzeihung-ich störe."
Inge war sofort kampfbereit.
„Allerdings-ich arbeite."
«Ich wollte nur einmal Nachsehen — — ich ließ nämlich — ein Buch hier liegen."
«Hier in dieser Laube? Sitzen Sie denn manchmal hier?" fragte sie erstaunt.
„Ja-zuweilen," log Williams äußerst kaltblütig.
„Ihr Buch ist jedenfalls nicht hier liegen geblieben — ich müßte es sonst bemerkt haben."
„Was studieren Sie denn da?" fragte er ablenkend und beugte fich
etwas über den Tisch auf ihr Buch, „ah-ich sehe Dickens, da»
interessiert mich. Lieben Sie Dickens?"
„Lieben? Haha! Abscheulich,-gräßlich ist er mir-
er ödet mich an mit seiner langwelligen Schreibweise," fuhr Inge jetzt erbittert los. „Ueberhaupt ist mir die ganze englische Sprache ein Eckel, wie die Engländer selbst," setzte sie höchst anzüglich hinzu.
„Was haben Ihnen denn die Engländer getan?" fragte er und biß fich auf die Lippen, um ein Auflachen zu unterdrücken.
„Mir?" Der Spott, den sie durch seine Stimme zu hören meinte, reizte sie. „Ich Haffe sie allesamt, seitdem sie die armen Buren so schänd- ltch unterdrückt und unterjocht haben."
„Der Grund ließe fich hören, gnädiges Fräulein find also Burenfreundin ?"
„Selbstverständlich mit Leib und Seele."
„Ich bin auch Burenfreund," sagte er ruhig.
„Sie?"
„Gewiß!' Vergessen Sie nicht, daß ich Amerikaner und nicht Engländer bin."