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^§ 163. ÄmLs- und Änzeigeblatt für den SezLrk Lalw. 82. Jahrgang.

Lrschtinmigrtaze: Dienttnz, Donnerstag, Sams­tag, Sonntag. JnserttonSpret» 10 Pfg. pro Zeile für Stadt and »eztrkSorte; außer Bezirk ir Pfg.

Sonntag, den 13. Oktober 1907

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Tagesnenigkette«.

Unterreichenbach OA. Calw 11. Okt. Am Mittwoch nachmittag fand hier die gerichtliche Leichenschau der unter verdächtigen Umständen verstorbenen Frau Friedericke des Wirtes Schis er vomDeutschen Kaiser" statt. Es nahmen daran teil die Aerzte Dr. Autenrieth und Mediz.-Rat Dr. Müller sowie der Staatsanwalt von Calw. Die Leichenschau spricht für das umlaufende Gerücht, daß die Frau den Miß­handlungen ihres Mannes zum Opfer gefallen sei. Es fand sich nämlich in der linksseitigen Schädeldecke ein Eisensplitter vor, der vermutlich von einem Schürhaken hercührt. Dieser Splitter hatte Eiterungen und Blutergüsse ins Gehirn herbeigeführt und dadurch die zehn Tags dauernde Bewußtlosigkeit der Frau und schließlich den Tod verursacht. Nach diesem belastenden Ergebnis wurde der Mann, wie bereits gemeldet, natürlich sofort verhaftet und vom Oberlandjäger ins Calwer Amtsgefängnis gebracht. Es wird jetzt immer mehr bestätigt, daß sich die Eheleute sehr oft stritten. Die Wirtschaft zumDeutschen Kaiser" ging gut und Schifer, der in die, den Eltern der Frau gehörende Wirtschaft hineingeheiratet hatte, war ein guter Koch. Zwischen den beiden be­stand auch kein zu beträchtlicher Altersunterschied, er ist 36, sie war 28 Jahre alt. Aber dis Ehe war kinderlos, der Mann war jähzornig, er durfte keinen Alkohol genießen und wurde lange Zeit.au Herznervosität behandelt. Die Frau dagegen trank, sogar Branntwein. Die häufigen Streitszenen der Eheleute waren in der Ortschaft wohlbekannt.

Dornstetten OA. Freudenstadt 11. Okt. Die Obsternte ist in vollem Gange. Der Obstsegen ist Heuer sehr ungleich verteilt, manche Obstbäume sind vollauf beladen, während andere fast keinen Ertrag geben, doch ist der Durchschnitt

recht zufriedenstellend. Schönes Brechobst gilt 1012 ^ je nach Sorte, was sich für manchen Baumbefitzer zu einer ganz netten Einnahme ge­staltet.

Tübingen 11. Okt. Der Hochstapler Breitmaier kam heute wieder hierher, gab sich in einem Uhrengeschäft als Baron von Sternenfels aus und suchte wieder eine goldene Uhr zu er­langen. Bis die Polizei kam, war er entwichen, wurde aber auf dem Bahnhof abgefaßt. Es soll ein aus der Heilanstalt Winnenden entwichener Geisteskranker namens Hoß aus Stuttgart sein.

Stuttgart 11.Okt. Graf Zeppelin hat dem Deutschen Museum in München das Modell des Luftschiffes gestiftet, mit dem er für die Flugtechnik so bedeutungsvolle Ver­suche am Bodensee ausgeführt hat. Das Modell wird in München zunächst in der großen Halle für Landtransportmittel Aufstellung finden.

Reutlingen 11. Okt. Von der hiesigen Jungviehweide wurden dieses Jahr 92 Rinder und Farren abgetrieben. Die Gewichts­zunahme betrug durchschnittlich pro Stück einen Zentner 5 Pfund, pro Kopf und Tag ^ Pfund. Mehrere Stücke nahmen sogar um 2 Zentner 10 Pfund zu.

Neckargemünd 11. Okt. Ein Dragoner der ersten Schwadron des 1. Württ. Dragoner- RegimentsKönigin Olga" Ludwigrburg wurde als Leiche aus dem Neckar gezogen. Ob Unglücksfall oder Selbstmord vorliegt, ist noch nicht festgestellt.

Bad Mergentheim 11. Okt. Ein uraltes Naturdenkmal, die mächtige Linde inmitten des Ortes Markelsheim, mußte heute der Gewalt weichen. Durch die verschiedenen Wolkenbrüche des letzten Jahres war eine Korrektion des durch den Ort fließenden Lochbaches nötig

geworden und hiedurch der sog.Alten" ein Ende diktiert. Wohl wird sich mancher fragen:Hätte denn dies nicht vermieden werden können?" Eigent­lich Ja! Aber es wäre dann der Baum inmitten des Lochbaches zu stehen gekommen und die Unter­spülungen des Wassers hätten eben nur zu bald den Riesen zum Absterben gebracht. Lange Zeit sträubten sich die Bürger dagegen, ihren schönen Ortsschmuck, der wohl ein Zeuge des dreißig­jährigen Krieges sein dürfte, zu verlieren. So wäre nun wieder ein Ort um ein historisches Denkmal ärmer und mancher Fremde, dem die Linde bekannt war, wird jetzt auf die Stätte eines gefallenen Baumriesen mit Wehmut schauen.

Ulm 11. Okt. Der Heizer Riegert, der dieser Tage bei der Bedienung der Zentral­heizanlage im Rathause durch ausströmende Gase eine schwere Vergiftung erlitt, ist jetzt gestorben.

Ulm 11. Okt. Am 17. Oktober findet in Neu-Ulm die Uebergabe des Festungsgeländes an die Stadt statt.

Pforzheim 11. Okt. Frau Karoline Schmidt von Düren ließ sich Zähne ziehen, worauf sie sich zu einer Freundin begab. Dort fühlte sie sich plötzlich unwohl, was ihre Ueber- führung in das Städtische Krankenhaus nötig machte. Kurze Zeit später verschied sie dort.

Mannheim 10. Okt. Wie dasNeue Mannh. Volksblatt" erfährt, soll gelegentlich der Beisetzung des Großherzogs in Karlsruhe eine Besprechung zwischen Bassermann, Fürst Bülow und Staatssekretär Ttrpitz stattge­funden haben. Es habe sich um die neu einzu­bringende Flottenvorlage gehandelt.

Frankfurt a. M. 11. Okt. Zwei Eisenbahnunfälle ereigneten sich gestern Abend. Der 8 Uhr 20 Min. nach Darmstadt

Der verlorene 2ohn.

Roman vonElSbeth Borchart.

(Fortsetzung.)

O Gott, Franz, ist es wirklich, wie Sie sagen?" rief Inge ganz erschrocken und verwirrt.

Natürlich, Fräulein Inge; darum wollte ich ja die Entlastung Mr. Williams. Wie Sie wissen wurde ich damit abschlägig beschieden, aber noch ist nicht aller Tage Abend. Die Feiglinge, die heute zu Kreuze

krochen, find wetterwendische Gesellen-ich kenne sie, Fräulein Inge.

Morgen wohl schon weht der Wind ganz anders."

Um's Himmelswillen, sie werden doch nicht von neuem streiken?"

Meine Entlastung wird sie erbittern, und wenn sie nicht rückgängig gemacht wird, stehe ich für nichts "

Warum find denn Sie, gerade Sie nur entlassen? Er waren außer Ihnen doch noch zwei andere Anführer."

Das war auch nicht der Grund." Der junge Monteur trat näher an Inge heran, und seine Stimme nahm einen unheimlichen Flüsterton an.Er fürchtete mich und will mich los sein."

Verständnislos richtete Inge ihre Augen auf Franz Linden.

Mr. Williams fürchtet ftch?"

Er steht nicht danach aus, meinen Sie? Hahaha es gibt

sich mancher einen anderen Schein-Sie können glauben, daß er

sich vor mir fürchtet und er soll sich auch hüten."

Weit davon entfernt, diese Drohung zu verstehen, fühlte sie doch das Verlangen, das Gespräch abzubrechen. Es war ihr unbehaglich geworden.

Was suchen Sie eigentlich hier im Garten, Franz," lenkte sie ab.

Sie, Fräulein Inge."

Mich? Was wollen Sie von mir?"

Ich habe eine Bitte."

Welche?"

Verschaffen Sie mir eine Unterredung mit dem Herrn Kommerzienrat."

Mit meinem Vater? Warum soll ich Ihnen die erst verschaffen? Sie wissen, daß er immer gütig gegen Sie war, und daß er Sie em­pfangen wird auch ohne meine Bitte."

Ja-und diesmal-hat er mich abgewiesen."

Wie?"

Der Herr Kommerzienrat befände sich nicht wohl, gab mir der

Diener zum Bescheid; ich sollte mich an Mr. Williams wenden-

an den! Der Herr Kommerzienrat weiß augenscheinlich noch nicht, daß ich entlassen worden bin, sonst hätte er mich angehört."

Aber Papa ist leidend."

Das tut mir leid, aber ich muß Jhreu Herrn Vater sprechen ich muß ihn bitten, meine Entlassung rückgängig zu machen, schon um meiner armen, alten Mutter willen. Bitten Sie für mich, Fräulein Inge -Ihnen schlägt der Herr Kommerzienrat nichts ab."

Sie trauen mir zu viel zu-doch-ich will es versuchen

ein gutes Wort für Sie einzulegen, Franz."

Sie find ein Engel, ich weiß es längst."

Der junge Monteur hatte, ehe er Inge verhindern konnte, ihre Hände erfaßt und leidenschaftlich an die Lippen gedrückt.

Auf Knien will ich er Ihnen danken, wenn Sie mir helfen, meine Stelle zurückzugewinnen. Aber noch heute muß es sein, Fräulein Inge; denken Sie an meine Mutter! Nicht einen Tag länger könnte ich ihr die Wahrheit verhehlen."

Ich werde sogleich zu meinem Vater gehen," sagte Inge, von heißem Milleid ergriffen.