758
wird. So wird uns berichtet, daß ganze Bäume von diebischer Hand geplündert werden. Es dürste sich empfehlen, auch in geringeren Obstjahren neben dem Feldschützen einen Obsthüter aufzustellen, damit die Zahl der Obstdiebstähle vermindert würden. Es ist zu ärgerlich für die Baumbesttzer, die viel Geld und Mühe auf ihre Güter verwenden, wenn ihnen die Frucht ihrer Arbeit kurz vor der Ernte weggenommen wird.
:: Calw 28. Sept. Bei dem soeben beendigten Examen für Einj.-Freiwillige vor der König!, Prüfungskommission in Stuttgart hat die hiestge Höhere Handelsschule abermals einen recht erfreulichen Erfolg erzielt; von 13 von der Lehrerkonferenz zum Examen zugelassenen Schülern bestanden 10, außerdem bestand noch ein weiterer Zögling der Anstalt, der auf eigene Verantwortung am Examen teilnahm.
Unterreichenbach 27. Sept. Gestern Nacht auf heute früh wurde in einem Metzgcr- undKaufmannrladen eingebrochen; als die Diebe, die wie jetzt festgestellt, nicht lokalkundig waren, nichts wertvoller, sondern nur einiges Eßbare fanden, machten sie sich von hier auf den Weg nach Dennjächt, wo sie in der Lehrerwohnung einbrachen, jedoch auch ohne den gewünschten Erfolg. Den rastlosen, emsigen Bemühungen des hiesigen Oberlandjägers Gerold ist es endlich ge- lungen, die Bande heute abend in Brötzingen zu verhaften und dieselben heute nacht noch ins Kgl. Amtsgericht Calw einzuliefern.
— Am 27. September ist von der Ev. Oberschulbehörde die Schulstelle in Maubach- Waidrems, Bez. Backnang, dem Schullehrer Kim mich in Aichhalden, Bez. Calw, übertragen worden.
Nagold 28. Sept. In der letzten Ge- meindcratrsitzung kam eine Klageschrift der Württ. Baugewerkgenoffenschaft in Stuttgart gegen die Stadtgemeinde Nagold zur Verlesung. Termin ist auf 28. Okt. vor der Zivilkammer des K. Landgerichts Stuttgart anberaumt. Es handelt sich um das Unglück beim Einsturz des Gasthofs zum Hirsch. Die Berufsgenossenschaft hat an die bei der Hebung beschäftigt gewesenen Personen Renten zu bezahlen und verlangt jetzt einen Ersatz durch die Stadtgemeinde. Sie stützt die Klage darauf, daß seitens des Baukontrolleurs (Stadtbaumeister Lang) Nachlässigkeiten vorgekommen seien. Die Stadt ist in der Haftpflichtversicherung und überläßt die Führung des Prozesses dem Allgemeinen deutschen Versicherungsverein.
Herrenberg 25. Sept. Auf dem heutigen Schweinemarkt waren zugeführt 187 Stück Milchschweine und 68 St. Läuferschweine. Erlöst wurden für Milchschweine 20—40^, für Läuferschweine 45—80 ^ per Paar. Verkauf mittelmäßig.
Herrenberg 29. Sept. Der Bauer Böckle von Oeschelbronn wurde, als er nach Hause kam, wegen des Brandes in seinem Hause verhaftet und in das Gerichtsgefängnis hieher gebracht.
Merklingen OA. Leonberg 28. Sept. Ein bedauerlicher Unfall erreignete sich gestern auf der Würmtalstraße Merklingen-Hausen, die zur Zeit frisch angeschüttet und gewalzt wird. Der 40 Jahre alte Straßenwart Wieland von Haufen, der der Dampfwalze zu nahe kam, wurde von dieser erfaßt. Das linke Bein der Unglücklichen war im Nu zur formlosen Masse zerquetscht. Wieland ist Vater von 6 zum Teil noch unmündigen Kindern; die Mutter starb vor etwa einem Jahr.
Stuttgart 29. Sept. (Vom Volksfest.) Dank dem schönen Wetter war der Besuch am 2. Volksfesttag ein sehr starker. In den Wirtschaften ging es hoch her, auch die Schaubuden, und Karusselbesitzer machten glänzende Geschäfte. Im Hausierhandel florierte das Geschäft mit Ansichtskarten, doch zeigt sich wenig Originelles, auch an Scherzartikeln wurde nichts besonders Neues feilgeboten. Die Sanitätswache mußte mehrfach eingreifen, doch waren es meistens nur unbedeutende Unfälle, die hauptsächlich durch die große Hitze veranlaßt wurden. Am 1. Volksfesttag wurde ein Italiener von einem Landsmann nach vorausgegangenem Wortwechsel durch Messerstiche schwer verletzt. Der Täter ist verhaftet. — Nachmittags fanden im Kreis die Heuer zum erstenmal veranstalteten Turnübungen und Jugendspiele statt, wobei etwa 2000 Schüler der ver- schiedenen Lehranstalten mitwirkten. Erschienen waren Kultusminister von Fleischhauer, Präsident von Sandberger, mehrere Oberstudienräte und verschiedene Offiziere. Zunächst wurden von etwa 1000 Schülern Freiübungen ohne Stab aufgeführt. Dann folgten verschiedene Spiele wie Tauziehen mit Wettlauf, Barlauf, Fußballwettspiel, ein Preiswettlauf und ein Eilbotenlauf. Die ganze Schuljugend lief in Abteilungen von 15 und die zwei ersten von jeder Abteilung, erhielten als Preis die einbändige Ausgabe von Schillers Werken. An alle Teilnehmer wurden zum Schluß Denkmünzen verteilt, auch wurde ihnen ein Vesperbrot gereicht.
Cannstatt 28. Sept. Eine merkwürdige Erscheinung konnte am heutigen Mittag im Neckar beobachtet werden. Durch den außerordentlich niederen Wasserstand wurden die Fische genötigt, ihren gewöhnlichen Platz zu verlassen und günstigere, sauerstoffreichere und kühlere Stellen Neckar- abwärts aufzusuchcn. In dichten Scharen zogen die Flüchtlinge durch die noch vorhandene enge Wasserstraße in einer solchen Anzahl, daß größere
und kleinere Exemplare auf das trockene Ufer gepreßt wurden. Natürlich fehlte es an beutegierigen Fischliebhabern nicht. Die Erscheinung dauerte über eine halbe Stunde.
Rottweil 28. Sept. Der Schuhfabrikant Johann Evangelist Würthner von Dußlingen hiesigen Oberamts wurde am Mittwoch von der Hamburger Polizei als verdächtig angehalten; er hatte etwa 1500 ^ teils in amerikanischem, teil» in deutschem Gelds bei sich. Würthner soll eine Anzahl Wechsel gefälscht haben, von denen die ersten gestern zur Vorzeigung kamen, auch hätte er seinen Konkurs anmelden müssen, was jetzt geschieht. Würthner, der sich anfangs dieser Woche von Deißlingen entfernte, angeblich um eine Ge- schäftsreise ins Badische zu machen, wird heute von Hamburg ins hiesige Untersuchungsgefängnis gebracht werden.
Biberach 29. Sept. Während einer Noteinquartierung von drei Eskadrons Stuttgarter Dragoner in Ringschnaidt am 13. d. M. wurde ein Dragoner im ersten Dienstjahr von einem sog. „alten Mann" wegen eines geringfügigen Umstandes blutig gehauen, so daß er sich am Bach reinigen mußte; seitdem ist nun der Verletzte, der als ein ordentlicher und braver Soldat geschildert wird, verschwunden. Es ist für den Kenner des inneren Militärdienstes heutzutage außer allem Zweifel gelegen, daß der junge Soldat seitens vieler seiner älteren Kameraden ungleich roher behandelt wird, als von seinen Unteroffizieren, die sich durch solche Delikte ihre Existenz zerstören würden. Noch mißlicher und geradezu verwerflich ist es aber, wenn Vorgesetzte die „Alten" direkt oder indirekt anweisen, solche Züchtigungen an den jüngeren Soldaten auszuführen, um sich auf diese Weise in ihren militärischen Erzieherpflichten unterstützen zu lassen.
Friedrichshafen 28. Sept. Das Luftschiff des Grafen Zeppelin stieg auch heute empor und zwar unter schwierigen Wetterverhältnissen. Während des Aufstiegs wehte vom Lande eine Bö von 7 bis 9 Meter; trotzdem vollzog sich das Hinausbringen aus der Halle und der Aufstieg selbst besonders glatt. Nach 6 Minuten war da« Luftschiff bereits in voller Fahrt. Die ganze Fahrtdauer aber währte heute nur eine Stunde, weil in der Hinteren Gondel ein Schraubenflügel in Unordnung geraten war. Der Graf veranlaßte den Abstieg, um noch auf dem Wasser oder an Land die Reparatur vorzunehmen. Der Ballon wurde sonst unversehrt in die Halle gebracht. Von der beabsichtigten zweiten Auffahrt wurde abgesehen, weil durch Havarie des Schlepp. Kampfers „Buchhorn" die Rückkehr des Flugschiffes in die Halle verzögert wurde. An der Fahrt nahmen u. a. teil: Regierungskommissar und
Mr. Williams verfolgte die Straße nicht weiter. Er bog links ab und ging außerhalb des Zauns am Garten entlang, einen schmalen Wiesensteg. Seine Augen hingen an dem mit einer dichten Hecke bepflanzten Zcun, als suchten sie etwas darin. Und da war es endlich auch — ein kleines Psörtchen. Es mußte wrhl kaum noch als Eingang in den Garten benutzt werden, denn Gestrüpp und Unkraut umwucherten er, und dos Schloß mar rerrostet. Erst ein kräftiger Stoß hob die Tür aus den Angeln.
Mit einem leise erschauernden Gefühl trat er ein und blieb zögernd
stehen.
Ein breiter Weg tat sich vor ihm auf.
Er machte einige Schritte — langsam — sehr langsam. Es war, als wenn sich ein bleiernes Gewicht an seine Füße hängte — sein Blick umflorte sich — sein Atem kam gepreßt aus der breiten Brust.
Mechanisch schlug er einen Seitenpfad ein. Dieser führte ihn wohl, ohne daß er es gewollt hatte, in jenen Teil des Gartens, der zur Obst, und Gemüsekultur verwendet wurde.
Eine Reihe Kirschkäume bildete auch hier die Einfassung des Weges.
Da — etwas Seltsames — Leuchtendes, Weißes in den Zweigen eines Kirschbaumcs: Mit magischer Gewalt wurden seine Blicke angezogen. Welche seltsame Furcht! Ein Lächeln flog über seine eben noch so finsteren Züge.
Es war ein holdes Menschenkind mit langen goldenen Zöpfen, mit lieblichem Antlitz und dunklen, lachenden Augen. Es saß auf einem starken Ast des Baumes, während die Füße — auf der oberen Sprosse der an dm Baum gelehnten Leiter standen. Seine Augen hingen wie gebannt an diesem Bilde.
Hatte das Wesen sein Näher kommen jetzt bemerkt? Welches Erschrecken ging durch die zarten Glieder, mit welcher Angst wurde das weiße Kleid zusammengerafft!
Schnell senkte Williams den Blick zu Boden. Er wollte nichts gesehen und nichts bemerkt haben. Eilig schritt er vorüber.
Doch kaum hatte er eine Anzahl Schritte zurückgelegt, als ihm ein leiser Schrei entfuhr. Es war ihm etwas an das Ohr geflogen. Er blieb stehen, bückte sich nach dem Pfeilgeschoß und hob es auf. Wieder flog ein Lächeln über sein Gesicht. Ein Kirschenpaar lag in seiner Hand. Eine Sekunde zuckte es in ihm, als wenn er sich umwenden wollte, aber er unterließ es.
Danach schritt er weiter. Aber in seinem Herzen war er Sonnenschein geworden. Der dichte Nebel war zerrissen, die finsteren Wolken verschwunden.
„Schwärmer!"
Er sagte es laut und tadelnd vor sich hin; aber die Lüfte fingen die Laute auf und trugen sie fort-
Als Mr. Williams außer Hör- und Sehweite war, glitt es plötzlich von dem bewußten Kirschbaum herab auf die Erde, ein merkwürdiges Ding. Halb Backfisch, halb Jungfrau, sehr schlank gewachsen und mit großen dunklen Augen, in denen ein Mutwillen und Schelm ohne gleichen lachte.
Nun stand es unten und hielt sich die Seiten vor Lachen.
„Gut getroffen — hahaha — famos getroffen. Das war die Strafe für das unbefugte Eintreten in fremdes Eigentum, mein werter Herr."
Und wieder klang das silberhelle Lachen. Plötzlich verstummte es — die lieblichen Züge wurden ernst und nachdenklich. Eigentlich doch „furchtbar" fatal, sich von einem Fremden in solcher Lage überraschen zu lassen. Eine junge Dame — das wollte man mit seinen siebzehn Jahren doch unter allen Umständen sein — gesteht es nicht gern ein» daß sie sich einem wilden Knaben gleich, selbst in die Neste eines Baumes schwingt. Am wenigsten aber durste dieses Geheimnis ein Fremder kennen. Wer mochte dieser Fremde nur sein, und was hatte er im Garten zu suchen? Allem Anschein nach kam er von der Bahn; Koffer und Plaid, die er in der Hand trug, deuteten darauf hin. Aber die Fremden wählten die Straße» die zur Villa und zum Fabrikhof führte. Durch den Garten kannte sonst niemand den Weg.
(Fortsetzung folgt.)