Ontsrhoikung

krrMunsen kür den feierabend

Dichtung un«ü !.st»sa

Schwöre Grippe am KWeilchorn

i^rrävlunz von Karl LpringensciimiS

Draußen lag ein sabelhaster Pulverschnee und herinnen erklärte Professor Friedrich Kreißelmayer. was Tarius im Jahre 494 vor Christi Geburt veranlaßt hatte Histäos von Milet zu verdächtigen und in ehrenvoller Geiangenschasl zu halten. Draußen, am oberen Rande des Fensters war auch ein Eiszapfen sichtbar. An diesem Eiszapfen hing ein Wassertropsen und spiegelte sich in der Sonne. Ter Tropfen wurde großer, größer und blitzke durch die Luft herab Inzwischen war bereits der Aufstand der Punier in vol­lem Gange. Histäos schrieb aus die Kopfhaut eines Sklaven seine geheimen Weisungen und das ganze griechische Küstenland war in os- fenem Aufruhr.

Es hatte sich ein zweiter Wassertropfen ge- bildet. Schon hing er schwer an dem Zapfen und tanzte durch die Lust. Ich warf wieder einen Blick aus die Uhr. Während noch der Tropfen vor einer halben Stunde von der Entstehung bis zum Absturz zwölf Sekunden gebraucht hatte, benötigte er jetzt nur mehr siebeneinhalb Sekunden. Ties war wohl ein einwandfreier Beweis dasür. daß das Tau­wetter rapide Fortschritte machte.

Tarius beschloß, sich an den Eretriern zu rächen. Ich warf einen Blick zu meinem Freunde Kax zurück. Kax hatte seine be­rühmte Haltung. Er war vollkommen und ganz einwandfrei bei der griechischen Ge­schichte. Er hatte den rechten Arm aufgestützt, heftete seiue Augen auf Herrn Prosestor Kreißelmayer und lauschte andächtig auf die Vorbereitungen des Perserkönigs Tarius. Von Zeit zu Zeit, wohl um sich Notizen zu machen, warf er mit dem Bleistift etwas, das ich nicht sehen konnte, auf das Blatt Papier.

..Streber!" pfauchte ich wütend zurück. Kax verzog keine Miene. Er nahm nur mit spitzen Fingern das Blatt auf und reichte es mir hinterrücks herüber.

Auf dem Blatte war ein fabelhafter Berg ausgezeichnet. Kühn stieß sein Horn in die Luit während sich an seinen Steilhängen weite, unermeßliche Schneefelder dehnten. Weit herunten. kaum erkennbar bei diesen wuchtigen Entfernungen, lag eine Alm. tief- verschneit.

Ich machte ein Fragezeichen aus das Blatt und gab es zurück. Es kam wieder und trug den Vermerk ..Kitzsteinhorn!"

Gott sei Tank, daß Tatis und Artaphrenes geschlagen wurden und bereits die Rückfahrt antraten so daß die Pause nicht mehr ferne war. Ter Wassertropsen benötigte nur mehr sechseinhalb Sekunden. Wenn das so weiter­ging. schmolz das ganze Kitzsteinhorn noch zusammen. Ich zeichnete Kax eine tadellose Statistik dieses Tropfens auf. Er sagte bloß- Schmarrn!"

Gleich hinter Herrn Professor Friedrich Kreißelmayer sprangen wir ins Freie auf den Ttadtplatz hinaus. Föhn? Nein, noch nicht! Aber vielleicht nicht mehr lange, und er kam. Dann mar alles zu Ende. Noch war der Schnee auf den Dächern der Marktweiber schönster Pulver, noch war es klar und kalt nur in der Sonne taute es.Und?" fragte ich Kax.

Kax überlegte. Tann sagte er:Heute ist Dienstag. Die nächste Möglichkeit ist also Samstag nachmittag, das heißt in vier Ta­gen. Bis dorthin kann alles Psutsch sein. Wenn dann morgen!"

Aber die Perserkriege? Aber die heronische Formel? Aber die Einteilung der Wirbel­tiere? Stand nicht dahinter Karzer. Kon­ferenz und Klassenbuch? Und Butz, der Spür­hund der alles herausschnüsselte. Butz, unser Klassenvorstand?

Butz schmeißt »ns hinaus!" sagte ich. ..Memme" gab Kax zurück.Butz schmeißt uns nicht hinaus. Butz fährt selber Schi!" Glaubst du?" zögerte ich.

Tas weiß ich. und übrigens, wir bekom­men eine schwere Grippe!"

Die schönste Grippeepidemie'

Wirklich Kar hatte immer so großartige Gedanken. Es mar doch eben die schönste Grippenepidemie im Gange. Alles hustete, schnupfte nieste, alles legte sich mit dem Fieberthermometer ins Bett und trank Glüh, wein. Grippe war die große Mode und es war ohne weiteres möglich, daß die Grippe auch unter uns stärker als bisher zu wüten begann. Schon während Butz. Herr Professo August Biiien die Wirbeltiere einteilte be­kam ich einen heftigen Hustenanfall. Ich be- hielt das Taschentuch in der Linken und steckte es während des ganzen Bortrages nimmer ein. Auch Kar preßte das seine gegen die Lippen und man kannte es deutlich, daß Butz von dieser Rücksichtnahme angenehm berührt war.

.Wenn Ihnen übel ist. gehen Sie nach Hause!" meinte er. Kar schluckte heftig auf. Tann sagte er- .Nein Herr Professor. Tanke! Es ivird bestimmt wieder besser. Ich glaube es geh« rasch vorüber!" Kar hatte richtig ge- urteilt. Tatsächlich wurde sei» Zustand ve- deutend bester und man kannte deutlich, daß Butz von diesem Verhalten abermals ange. n^lni: berühr» n»ar.

Am Gang draußen, während der Pause, als Butz vorbeiging, sagte Kax recht ver- nehmlich zu Staußberger. unserem Klassen- ersten:Ich finde das so unmännlich, wenn einer wegen jedem Schmarrn heimrennt!"

So ging alles in bester Ordnung. Nur Ur- sula. unsere gute Zimmerfrau, wurde ein- geweiht. Während wir die Schier bügelten das einzige, was sie an uns nicht leiden konnte - wurde ihr alles erklärt. Alle Mög­lichkeiten wurden in Betracht gezogen. Je­denfalls durfte niemand das Krankenzimmer betreten, denn Grippe ist ansteckend.

..Wie wird das enden?" fragte Ursula be­sorgt während sie meine Seehundsfelle nähte.

Mit einem fabelhaften Schuß!" sagte ich. L Ursula Sie haben ja keine Ahnung, was das heißt. Sie können sich das ja gar nicht vorstellen Sie Arme!"

..Nein" sagte Ursula und lachte mit den beiden echten Zähnen, die ihr das rauhe Le­ben noch gelassen hatte.Das kann ich mir allerdings nicht vorstellen!»

Und nun hinein in die Berge

Damals führte die österreichische Bundes­bahn noch jenen famosen Personenzug. be­schleunigt. mit dem man um fünf Uhr mor­gens schon in Zell am See war.

Vor uns stand das Horn, einsam, in dem kalten Wintermorgen. Sterne glänzten dar­über. Wolkenlos war der Himmel.

Kax bückte sich und griff eine Handvoll Schnee auf. Dann blies er hinein. Ta staubte der Schnee durch die Finger. Nun rückten wir los.

Unvergeßliche Tage! Wir waren die ein­zigen Menschen in der Gegend. Seit dem letz, ten Schneefall war niemand aus das Horn gegangen. Also lag der Schnee rein und un­berührt wie am ersten Schöpfungstag.

In sämtliche vorhandene Alpenvereins­decken gewickelt, saßen wir an diesein Abend

vor der Krefelder Hütte. Die letzte Sonne stieg am Horn empor. Klarblaue Schatten wuchsen über düs Schmiedinger Kees. Unten im Tale war ein Nebelmeer.

Am nächsten Morgen spurten wir zum Magnetköpfl empor. Dann kletterten wir das Horn an. Als wir auf dem Gipfel lagen es war völlig windstill breit hingegossen in der wannen Sonne, zwischen den Nagel­schuhen durch stand drüben der Glöckner, da tat Kax die Frage:

Wie lange dauert so eine Grippe?"

Ewig", sagte ich: denn ich hatte noch nie eine Gipselrast wie diese erlebt. Aber Kax hatte kein Verständnis für meinen Poetischen Ausspruch.

Drei Tage schon!" sagte er.

Mindestens!" gab ich rasch zurück.

Kax sah mich von der Seite an. Ich wußte, was er dachte. Bisher hatte er mich nicht sür voll genommen. Er hatte so etwas wie Neue erwartet, überhastete Flucht zurück zur Schule, gestotterte Entschuldigungen usw. Nun war ich so ganz anders, so männlich, wie er das nannte. Er spuckte im Bogen hin­aus und sagte:Jetzt dressiert der Butz seine Affen!"

Ich fand es überflüssig, jetzt solche Bemer­kungen zu machen.Der Glöckner!" sagte ich andächtig.

Ja!" sagte Kax.bei der nächsten Grippel"

Dann staubten wir über das Kees. Es war ganz unbeschreiblich. Alles, was uns noch mit der Erde, mit den Menschen verband schien ausgetilgt. Ta war nichts als dieser wunder­volle. reine Schnee, unermeßlich weit tief unten die Krefelder Hütte und da waren meine braven Schier, schlank, schmal, und hinter Kax drein die wilden Schneefahnen, in die eine blendende Sonne schien.

Komm Kleiner!" rief Kax zurück. Aber da flog ich schon an ihm vorbei, raste in vol­lem Schuß über den Hang, daß es mir den Atem verschlug. Mit jagenden Pulsen stan­den wir vor der Hütte, schauten zurück auf unsere Spuren.

Tie gute Ursula", sagte ich,sie kann sich das allerdings nicht vorstellen!"

Was sagt nun Professor Butz?

Am dritten Tage traten wir wieder unter die Menschen.

Das ist ja aus der Hand liegend", sagte ich,und über jeden Verdacht erhaben. Grippe ist ja eine Infektionskrankheit. Daher ist es ganz natürlich, daß diese Grippe uns beide, dich und mich, aus das Krankenlager geworfen hat. Wir wohnen ja bei der gleichen Zimmerfrau, im gleichen Raum und du hast

mich eben infiziert. Ich verstehe nicht, wer daran etwas auszusetzen finden sollte. Ich war sozusagen verpflichtet, deine Grippe zu bekommen!"

Wir legten Ursula unsere schriftlichen Ent­schuldigungen zur Unterschrift vor. Es war nicht das erstemal, daß sie uns zuliebe die­sen öffentlichen Betrug beging. Sie machte den Tintenstift an den Lippen Zeucht und

Ls weiten sich die Wände

Vau llklttlllLtt ättäLKTK

Es wellen sich öle wänüe,

Die Welt liegt ohne Ende vor unserm innern Blick.

Zerflosten alle Grenzen - Nur Glorie noch und Glänzen Unü unsagbares Glück!

Erst haben wir geblendet Die Nugen abgewenüet, verborgen das Gesicht.

Nun wolln wir uns getrauen, voll Ruhe aufzuschauen Ins überhelle Licht.

Was kann uns denn geschehen?

Wir sind bestimmt zum Sehen Und nicht zur Dunkelheit.

G küllen üie gesunken - Wir schauen sonnetrunken In Gottes kserrlichkeitl

I 8eIIseliaki sm dtvnle Orellaln

lLtnolschnttt von Karlmann Mlilleri

blickte zu uns auf. Dann schrieb sieUrsula Hepperger. Zimmerfrau", mit rührend ein­fältiger. ungemein echt wirkender Schrift.

So traten wir beide vor Butz.

Butz hatte die Gewohnheit, die rechte! Schulter hochzuziehen. Er schaute uns beide' an und zog die rechte Schulter hoch.

Wir wiesen unsere Entschuldigungen vor.

Er stand noch immer mit hochbezogener Schulter und steckte die beiden Scheine, ohne sie anzusehen, in die Rocktasche.

Wieso Angst? Er konnte doch unmöglich etwas wissen. Wir waren mitten in der Nacht aus den Bahnhos gegangen und mit­ten in der Nacht heimgekehrt. Und oben aus dem Kitzsteinhorn war ja kein Mensch, kein Mensch weit und breit.

Butz stand noch immer mit hochgezogener Schulter.

Ursula war verschwiegen wie das Grab. Es war niemand bei ihr gewesen. Niemand hatte uns nachgeforscht. Die beiden Entschul­digungen waren echt.

Grippe", sagte Kax.schwere Grippel"

Butz stand noch immer unbeweglich und schaute Kax scharf in die Augen.

Und wie war der Schnee?" fragte Butz.

Kax verzog keine Miene.

Das Blut hämmerte mir in allen Adern.

Kax und Butz standen sich gegenüber, ernst, Haft und starrten sich gegenseitig an. wie die! Käuzchen.

Da machte Butz eine Vierteldrehung zUj mir her und fragte mich unvermittelt:Wie^ war der Schnee?"

Er hat mich infiziert!" sagte ich rasch.

Das halte ich sür möglich!" sagte Butz.

Dann schwieg er. Aber die rechte Schulter hatte er noch immer hochgezogen.

Plötzlich zuckte es um seine Mundwinkel. Dann sagte er:Wenn Sie wieder Grippe bekommen, Kager, schwere Grippe, dann empfehle ich Ihnen ein ausgezeichnetes Mittel!"

Bitte, Herr Professor!" sagte Kax. Er war wieder ganz sicher.

Contrasol!"

Contrasol?" fragte Kax.Herr Professor verzeihen, aber Contrasol ist ja . . ."

Gewiß", sagte Butz,Contrasol ist ein Mittel gegen Sonnenbrand!"

Mir wich der Boden unter den Füßen.

Wie war also der Schnee?" fragte Butz.

Sehr gut." sagte Kax ruhig.

Na also!" sagte Butz laut,das wollte ich ja wissen!" ließ die rechte Schulter fallen, drehte sich um und ging.

Wir standen da und schauten uns an. Die Grippe hatte uns braungebrannt wie Neger. Da war keine Stelle mehr, mit der wir er­röten hätten können.

Jetzt schmeißt er uns!" sagte ich.

Schmarrn!" erwiderte Kar.Butz fährt ja selber Schi!"

Er behielt recht. Es geschah nichts. Butz ließ sich sogar von Kax die Aufnahmen zeigen.

Wenn Sie wieder eure Grippe spüren", sagte er am Schluß,dann kommen Sie vor­her zu mir!"

Herr Professor meinen . . .!" siel Kax ihm in die Rede.

Nein, das meine ich nicht. Sie werden mich nicht infizieren, obwohl, wissen Sie...!" Butz schluckte heftig. Der Gute. Heute ist er ja schon lange unter der Erde. Heute kann ich es ruhig erzählen . . .

Obwohl wenn ich so jung wäre wie Sie . . . Aber ich meine. Kager, einen Urlaub kann ich Ihnen verschaffen, wenn Sie spüren, daß die Grippe ganz unwiderstehlich ist!"

Kax bekam feuchte Augen. Es war das erstemal, daß ich das bei ihm sah.

Herr Professor . . .1" stotterte Kax und griff um seine Hand.

Zu mir aber sagte Kax an diesem Tage: Ich habe es gewußt. Butz hat mich nicht enttäuscht. Butz ist wahrhaft ein Mann!"

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