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hiesigen Truppenteile, einer Anzahl Offiziere, Vertretern der staatlichen und städt. Behörden rc. erwartet wurde. Die Kapelle de« Feldart.-Regts. Nr. 29 leitete die Feier mit Choralmusik ein, worauf Stadtpfarrer vr. Haller in Anlehnung an Psalm 103 „Lobe den Herrn, meine Seele" die erhebende Gedächtnisrede hielt. Nachdem die Fahnen der Vereine sich dreimal gesenkt hatten, klang die Feier mit abermaliger Choralmufik au«.
Heilbronn 3. Sept. (Ein Ueberfall.) Ein vorübergehend hier wohnhafter Meerrettichhändler wurde in der Samrtagnacht in der Wirtschaft, wo er logierte, von drei Burschen veranlaßt, mit ihnen zu gehen. Die Burschen führten ihn durch verschiedene Straßen der Stadt; an der Kreuzung der Cäcilien- und Wilhslmstraße wurde er von zwei seiner Begleiter zu Boden geschlagen. Sie versuchten ihm das Geld, etwa 50 das er in einem Säckchen unter der Weste trug, abzunehmen und als ihnen dieses nicht gelang, rissen sie ihm die an der Weste befestigte Uhr von der Kette und suchten dar Weite. Die Täter wurden noch in gleicher Nacht ermittelt und zur Haft gebracht. Die geraubte Uhr wurde am Sonntag morgen in der Klarastraße gefunden, wo sie von einem der Täter auf der Flucht weggeworfen wurde.
Aus dem Bezirk Brackenheim. Nachdem die Getreide- und Oehmdrrnte allerorten beendigt ist, jene zur allgemeinen Befriedigung, diese infolge der anhaltenden Trockenheit nicht überall mit dem gewünschten Ertrag, lichtet sich nun das Interesse auf die weitere Entwicklung der Weinberge. Der Stand derselben ist zur Zeit ein fast durchweg günstiger, zumal nachdem in letzter Woche ein ergiebiger Regen ihnen wieder Feuchtigkeit zugeführt hat. Dank der wiederholten Bespritzung prangen die Weinberge im üppigsten Grün und die Trauben haben sich in vorteilhafter Weise entwickelt. Von den verschiedenen Sorten marschieren der weiße Rißling, Limburger, Trollinger und Portugieser voran; der Silvaner läßt meist zu wünschen übrig. Die Heuchelbergabhänge von Schwaigern und den umgebenden Orten wie Neipperg, Stockheim usw. zählen Heuer zu den begünstigtsten Lagen, in denen nahezu ein voller Herbst zu erwarten steht. Man befürchtet nur, daß infolge eines etwa anhaltenden Regens die allerdings verhältnismäßig kleinen Beeren zu starke Saftzufuhr erhalten und dadurch vielfach zum Platzen gebracht werden könnten. — Der Obstertrag ist durchweg gering. So hat die Gemeinde Nordheim von über 1000 tragbaren Allmand-Obstbäumen nur gegen 100 ^ Erlös erzielte
Göppingen 3. Sept- Gefunden wurde gestern nach viertägiger Abwesenheit der „verlorene Sohn" des Fabrikarbeiters M. Der lljähr. Bursche, der seit Freitag früh vermißt wurde,
wurde in Ueberkingen durch einen Metzger aus Altenstadt aufgegriffcn und zu seinen Eltern zurückgeschickt. Als man ihn frug, was er in Ueberkingen habe tun wollen, antwortete er, es habe ihm dort so gut gefallen.
Tübingen 3. Sept. Wegen Lehrlings. Mißhandlung ist einem hiesigen Schlossermeister auf Antrag der Handwerkskammer Reutlingen das Recht zur Lehrlingrhaltung auf dis Dauer eines Jahres entzogen worden. (Der betr. Handwerksmann wurde wegen der Mißhandlungen unlängst zu mehrmonatlicher Gefängnisstrafe ver- urteilt.)
Iggingen OA. Gmünd. Gestern abend in der Dämmerstunde wurde an einem 12jährigen Dienstkind des Bauern Anton Eßmann in Schön- Hardt, das noch Brot in Iggingen holte, auf dem Heimweg in einer Hohlgasse kurz vor Schönhardt ein Sittlichkeitsvergehm verübt. Da das Mädchen den Täter genau beschreiben kann, so hofft man, dessen habhaft zu werden. Die Fahndungsbehörde wurde noch in der Nacht hievon benachrichtigt.
Unterkochen OA. Aalen 3. Sept. Ein Schlosserlehrling, der sich auf dem Felde befand, machte sich mit einer Schußwaffe zu schaffen. Diese entlud sich und die Ladung drang ihm in die Brust. Er wurde nach Gmünd ins Spital verbracht, wo die Kugelherausgenommen werdensoll.
Baden-Baden 2. Sept. In der Nacht zum Sonntag wurde in einem hiesigen Hotel ein großer Diebstahl an Pretiosen und Geld- werten verübt. Der Gesamtwert der gestohlenen Schmucksachen, deutscher und ausländischer Bank- noten beläuft sich auf etwa 120000 Verdächtig sind zwei Hotelgäste, anscheinend Jlaliensr, von denen sich der eine de Naia oder de Nepia nannte, der andere O. Medino aus Paris. Der bestohlene Hotelgast hat für die Festnahme der Diebe eine Belohnung von 3000 ^ ausgesetzt. Soviel man über die Person der Bestohlenen erfährt, sind er der französische Rennstallbesttzer Moritz F. Ephrussi und Baron Goldschmidt-Roih- schild, dem 12000 Frcs. entwendet wurden.
München 2. Sept. Wie die Münchener Neuesten Nachrichten melden, ist der Direktor des Corcert-Bureaus Emil Gutmann auf einer Klettertour in der Silvretta-Gruppe 70 in tief abgestürzt m d samt seinem Begleiter schwer verletzt worden.
München 3. Sept. Heute Nacht wurde in der Rosenheimerstraße ein 23jähriger aus Württemberg stammender Schreiner mit einer Schußwunde tot aufgefunden. Seine Geliebte, der er vorher einen Schuß in den Kopf beigebracht hatte, fand sich im Krankenhaus ein und erklärte, ihr Geliebter habe sie mit ihrem Ein.
Verständnis wegen schweren körperlichen Leidens töten wollen.
Münster 2. Sept. Der Kaiser hat anläßlich der Erhebung der Akademie Münster zur westfälischen Wilhelms. Universität im dortigen Landesmuseum am Samstag eine Rede gehalten, in der er etwa sagte: „Ich gedenke auch der Arbeiter, die in den gewaltigen industriellen Unternehmungen vor den Hochöfen und unter Tage im Stollen mit nerviger Faust ihr Werk verrichten. Die Sorge für sie, ihren Wohlstand und ihre Wohlfahrt habe ich als teures Erbe von meinem in Gott ruhenden Großvater übernommen und es ist mein Wunsch und Wille, daß wir auf dem Gebiete der sozialen Fürsorge festhalten an den Grundsätzen, die in der unvergeßlichen Botschaft Kaiser Wilhelm des Großen ntedergelegt find. Das schöne Bild versöhnlicher Einheit, welches die Provinz Westfalen dem Beobachter zeigt, würde ich gerne auf unser gesummtes Vaterland übertragen sehen. Ich glaube, daß zu einer solchen Einigung aller unserer Mitbürger, aller unserer Stände nur ein Mittel möglich ist, das ist die Religion, freilich nicht in streng kirchlich dogmatischem Sinne verstanden» sondern in weiterem für das Leben praktischerem Sinne. Ich habe in meiner langen Regierungszeit mit vielen Menschen zu tun gehabt und habe Vieles von ihnen erdulden müssen und wenn mich bei solchen Momenten der Zorn übermannen wollte und der Gedanke an Vergeltung ausstieg, dann habe ich mich gefragt, welcher Mittel wohl das geeignetste sei, den Zorn zu mildern und die Milde zu stärken. Das Einzige, was ich gefunden habe, bestand darin, daß ich mir sagte: Alle sind Menschen wie du und obgleich sie dir wehe tun» sie sind Träger einer Seele aus den lichten Höhen von oben stammend, zu denen wir Alle einst wieder zurückkehren wollen und durch ihre Seele haben sie ein Stück unseres Schöpfers in sich. Wer so denkt, der wird auch immer milde Beurteilung für seine Mitmenschen haben. Wäre es möglich, daß im deutschen Volke dieser Ge- danke Raum gewänne für die gegenseitige Beurteilung, so wäre damit die erste Vorbedingung geschaffen für eine vollständige Einigkeit. Aber erreicht kann dieselbe nur in einem Mittelpunkte werden, in der Person unseres Erlösers, in dem Manne, der uns Bruder genannt, der uns Allen zum Vorbilde gelebt hat. Er wandelt auch jetzt noch durch die Völker dahin und ist uns allen fühlbar in unserem Herzen. Wer bereit ist, dazu mir die Hand zu bieten, dem werde ich dankbar sein und ich werde ihn freudig als Mitarbeiter annehmen, er sei wer und wes Standes er wolle."
Wilhelmshaven 3.Sept. DerKaiser traf mittelst Sonderzuges Punkt 7 Uhr hier ein
Viktor und ich, und verleben einen gemütlichen Abend zusammen. Er läßt Dich übrigens immer schön grüßen! Verzeih) wenn ichs vergessen habe, Dir e« regelmäßig auszurichten!"
„Natürlich! schmollte Beate. „So eine junge Schwester nimmt man natürlich nicht für voll! Ich muß Dir aber für die Zukunft sagen, geliebter gestrenger Bruder und Hausherr, daß es mir für meine Person ganz und gar nicht gleichgiltig ist, ob ein deutscher Dichter mich grüßen läßt oder nicht, und muß ich Dich schön bitte», mir in Zukunft diese Dichtergrüße pünktlich auszurichten!"
„Werde mir's gesagt sein lassen!" sagte lachend der Bruder, indem er ihre beiden Hände faßte und sie zu sich heranzog. „Und nun sage mir mal, mein schutzbefohlenes Schwesterchen, interessierst Du Dich vielleicht für den fahnenflüchtigen Prediger?"
„Gewiß interessiere ich mich für ihn, wie für alles, was groß und bedeutend ist! Das ist doch auch selbstverständlich. Schon Deinetwegen!"
„Meinetwegen?" fragte Werner erstaunt.
„Natürlich! Ist er nicht meine heilige Schwesterpflicht, mich für alles lebhaft zu interessieren, was Du mit Deinen lieben Händen gepflanzt hast? Bekümmere ich mich nicht um jeden Baum drüben in Deiner Baumschule, um jeden Ableger drunten im Gewächshaus? Und bin ich nicht stolz auf meinen Gärtner, wenn sich an solch einem Stückchen Holz ein neuer Trieb oder gar die erste Knospe zeigt? Und nun hast Du in dem großen Garten der Allgemeinheit einen jungen Baum gepflanzt, hast ihn selbst mit allen Wurzeln aus einem Boden, in dem er niemals gediehen wäre, herausge- hoben und mitten in die Helle Sonne der Ocffentlichkeit verpflanzt. Und Dein Werk treibt Blüte auf Blüte, wächst und gedeiht zur Freude Aller, zu Deiner eigenen Freude; und Deine Schwester sollte sich nicht am meisten gerade über diese schönste Deiner Pflanzungen freuen?"
Werner ließ ihre Hände los, stand langsam auf und legte seinen Arm um den Nacken der reizenden Mädchens, das in voller knospender
Lieblichkeit vor ihm stand. Er war ernst geworden und sagte, indem er sanft ihre blühenden Wangen streichelte:
„Beate — mein Liebling — hör' mich mal an! — Wenn ich nun bald in dieses Haus eine reizende Hausfrau einführe — wenn hier vieles anders werden wird — wirst Du die Gattin Deines Bruders ebenso lieb haben wie ihn selbst und Dich gut mit ihr vertragen?"
„Mit Erika?!" fragte Beate, indem sie mit großen Augen ihn anschaute.
„Ich kann Dir nicht sagen, was mir gerade durch den Kopf schoß, aber ich möchte wissen, ob in Deinem Herzen, wenn Du das Glück einer jungen Ehe um Dich her täglich und stündlich siehst, sich nicht auch der Wunsch regen wird —"
„Ach so" — lachte Beate — „Du meinst, ob ich dich und Erika jemals beneiden werde? Nein, mein Werner, darüber laß Dir keine grauen Haare wachsen. Sieh' mir mal ins Auge! Tief! — Kannst Du hineinsehen in mein Herz? — Da drinnen ist es so Heller Sonnenschein, daß ich keinen noch so Glücklichen beneide, und wäre es um eine Königskrone I Ich werde mich mit Erika sehr, sehr gut verstehen, verlaß Dich darauf, besser, als Du heute ahnst, denn wenn Du glücklich bist, so bin ich es auch; nur bist Du noch nicht würdig genug, von mir zum Vertrauten meines Glückes gemacht zu werden! Ja, ja — mache nur große Augen, mein kluger Bruder, auch über alte Schloßmauern kann das Glück fliegen und durch moosige Mauerritzen dringen. Und wenn es kommen soll — so kommt es, und kein Burggraben und keine Zugbrücke hält es auf! — Kam's doch zum Dornröschen sogar durch die Dornenhecke! — Adieu, Philosoph I Grüble nicht so viel und mach' Dir keine unnötigen Sorgen! Wenn der Frühling kommt, brechen die Knospen auf! Das mußt Du als Landmann doch am besten wissen!"
Und übermütig lachend lief Beate davon, die Freitreppe hinunter, während ihr Werner nachschaute mit einem Gesicht wie ein alter Hellene, der soeben aus dem Tempel der Pythia ins Freie tritt. (Forts, folgt.)