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Neuheiten zeigt dasselbe außer Veränderungen des Steuer» auch Anwendung eines Scheinwerfers und die Einrichtung einer Telefunken-Station. Wie es heißt, besteht die Absicht, die Probefahrt, an der etwa 10 Personen teilnehmen werden, bei günstiger Witterung bis nach Stuttgart und zurück auszudehnen.
München 30. Aug. Gestern abend geriet vor dem Prinzregenten-Theater eine Lehrersfrau unter eine Droschke und wurde ziemlich bedeutend verwundet. Prinz Ludwig Ferdinand von Bayern, der im Theater geweilt hatte, legte der Dame einen Notverband an.
Köln 30. Aug. Nach einer Meldung aus Wermelskirchen wurde dort im Stadtwald eine schauderhafte Bluttat von einem 25jährigen Burschen an einem 20jährigen Mädchen verübt» das mit seinem kleinen Brüderchen einen Spaziergang unternahm. Das Mädchen wurde von jenem Burschen überfallen und zu vergewaltigen versucht. Dar Mädchen setzte sich aber verzweifelt zur Wehr, und wurde von dem Unmenschen durch zahlreiche Messerstiche entsetzlich zugerichtet. Hierauf raubte der Wüstling dem Machen die gesamte Barschaft. Nachdem er auch den kleinen Jungen durch Messerstiche verletzt hatte, entfloh er und entkam unerkannt.
Berlin 30. Aug. Das „Berl. Tagebl." meldet aus Pest: In Stuhlweißenburg wurden am 29. Aug. zwei sozialistische Sekretäre verhaftet, weil die Behörden sie der Aufwiegelung der Massen beschuldigen. Am 30. Aug. wird über ihre Ausweisung beschlossen. Die Arbeiter wollen ihre Abschiebung event. mit Gewalt verhindern, so daß ernste Ausschreitungen befürchtet werden. Schon am 29. Aug. kamen Kundgebungen vor, wobei zahlreiche Verhaftungen erfolgten.
Berlin 30. Aug. Um die Gemeinschaftlichkeit der von den deutschen und britischen Behörden unternommenen Aktion gegen Moren ga noch wirksamer als bisher geschehen, zum Ausdruck zu bringen, wird von Seiten des Kommando» der Schutztruppe in Windhuk außer dem Hauptmann von Hagen noch ein zweiter Offizier den englischen Truppen attachiert werden. Er ist bereits unterwegs um zu den englischen Streit- krästen zu stoßen. Morenga befindet sich immer noch auf englischem Gebiet und macht augenblicklich den Kap-Behörden viel zu schaffen, mehr als den unseren.
Berlin 30. Aug. Die Alpentouristik hat wieder einen schweren Absturz zu verzeichnen. Bei der Besteigung des Ankogel in den Salzburgischen Alpen ist der Sohn des im vorigen Jahre verstorbenen hervorragenden Professors Siemering, der 31jährige Regierungsbaumeister Wolfgang Siemering aus Charlotten
burg, abgestürzt. Der ihn begleitende und ihm befreundete Regierungrbaumeister Romeo Kühne aus Charlottenburg ist zwar unverletzt, aber seelisch vollständig zerrüttet nach Gastein zurückgekehrt. Eine Rettungsexpedition brachte Siemerings Leiche zu Tal. Die Touristen hatten trotz stürmischen Weiters den Aufstieg ohne Führer unternommen. Als ste von der Osnabrücker Hütte aus den Ankogel nahezu erreicht hatten glitt Siemering aus und stürzte in eine Schlucht hinab. Der Freund, der gleich ihm vollständig unzureichend ausgerüstet war, konnte ihm keine Hilfe bringen; er lief voll Entsetzen talabwärts und kam ganz verstört in Gastein an. Es wurde sofort eine Rettungsexpedition ausgerüstet, welcher sich Kühne, der sich immer noch nicht erholt hatte, anschloß. Er konnte aber vor lauter Erschöpfung immer noch nicht genügende Auskunft geben. Erst oben auf der Höhe orientierte er sich soweit, um genauere Angaben machen zu können. Nach mehrstündigem Suchen fand die Expedition, die bereits 24 Stunden unterwegs war, den Vermißten in einem abgrundtiefen Graben.
Hamburg 30. Aug. Dar Segelschiff „Prussia" ist auf der Fahrt von Norfolk nach Townsend in der Flindersbai, Südwestaustralien, gesunken. Der Kapitän hat sich erschossen. 14 Passagiere sowie 4 Mann der Besatzung sind ertrunken.
Danzig 30. Aug. Gestern Abend stürzten kurz vor der Station Czersk die drei letzten vierte Klasse-Wagen des Personenzuges Berlin. Dirschau um. Von den Passagieren wurde ein Kind russischer Nationalität dadurch, daß cs mit dem Kopf gegen eine Bank fiel, getötet, während 11 Reisende geringfügige Verletzungen davontrugen. Sie konnten kurz nach dem Unfall ihre Reise fortsetzen.
Paris 30. Aug. Nach den jüngsten Meldungen des Generals Drude würden für den unmittelbar bevorstehenden Marsch nach Taddert, 10—15 km südlich von Casablanca, 2 Bataillone Infanterie, 1 Schwadron Kavallerie, 1 Feldbatterie und eine Gebirgsbatterie verwendet werden; 2 Bataillone Infanterie und 1 Batterie Feldartillerie würden die Reserve bilden. Die Spanier übernehmen den Schutz der Stadt.
London 30. Aug. Nachdem die fran- zösischen Truppen vorgestern einen Massen- angriff der Stämme abgeschlagenhatten, ließ sich, den hier vorliegenden Depeschen zufolge, ein Teil von ihnen durch das Rückzugsgefecht in eine so große Entfernung von der französischen Hauptmacht zu locken, daß er in Gefahr der Umzingelung geriet und schwere Verluste erlitt. Ein weiterer marokkanischer Angriff auf den Funkentelegraphen, dessen Station in der Errichtung begriffen ist, mißlang. Die Zahl der Casablanca bedrohenden Khamesleute
Mühe gemacht," fügte er lächelnd hinzu, „die Seinigen von Vorurteilen zu kurieren."
„Das glaube ich gern, Herr Graf. Vorurteile sind meiner Ueber- zeugung nach von allen häßlichen Dingen am allerschwersten zu bekämpfen. Ich habe übrigens bei der zweiten Aufführung das Stück auch gesehen und bin entzückt, wie jeder, der dort war. Der Gedanke de» Ganzen, daß die beiden Menschen, die sich gegenseitig unter den Millionen Oberflächlicher und Gleichgültiger herausgefunden haben und nun allen Kleinlichkeiten zum Trotz fest zu einander halten in Sturm und Wetter, wie auf einer einsamen Oase in der großen Wüste der Allgemeinheit, der Gedanke hat für mich etwas ungemein Wohltuendes. Es liegt so etwas Starkes, so etwas Sicheres darin. Finden Sie nicht auch?"
„Gewiß!" antwortete Werner; „und wie schön ist der Charakter des Mädchens gezeichnet, das unbekümmert um die Ansicht der Welt dem Manne ihrer Wahl gerade in der schwersten Stunde seines Lebens die Hand reicht, und alles ihn verläßt. Sie weiß» daß er nichts hat, und auch ste gehört nicht zu den Begüterten. Und dennoch schlägt sie den reichen Freier aus und wählt den armen Freund ihrer Jugend."
„Das halte ich nun nicht für ihr größtes Verdienst, lieber Herr Graf," lächelte Erika. „Vor allen Dingen will sie ja glücklich werden an der Seite ihre» Mannes, und sie ist klug genug, zu wissen, daß Geld allein nicht glücklich macht — ohne Liebe. Diese Wahl zu treffen, bedarf keines besonderen Heldenmutes, das weiß ich am besten!"
„Sie?" fragte Werner, etwas verdutzt ihr ins Gesicht blickend.
„Nun ja, ich!" fuhr Erika lächelnd fort. „Bin ich nicht auch eine von denjenigen, die vor der Wahl gestanden haben, eine goldglänzende Kette durch ein ganze» Leben voll Lüge hindurchzuschleppen, oder eine alte Jungfer zu werden? Und doch habe ich das letztere erwählt und es hat mich bei Gott keinen großen Kampf gekostet."
wird jetzt auf 12000 geschätzt. Ihr Kampfesmut ist bewunderungswürdig, und die Annahme, daß ihre Munition auf die Neige ging, ist offenbar vollständig unbegründet. (Stuttg. Mgpst.)
Antwerpen 30.Aug. 7000 Hafenarbeiter, welche gestern zu den alten Lohnsätzen die Arbeit wieder aufnehmen wollten, wurden vom Arbeitgeberverband aus- gesperrt. Der Zuzug fremder Arbeiter ermöglicht den teilweisen Betrieb des Hafengeschäftes. Unter den ausgesperrten Arbeitern herrscht Hungersnot. Mitbürger verteilen Brot und sättigen die Kinder der Notleidenden. Der Arbeitgeberverband erklärt, die Aussperrung fortsetzen zu wollen bis sämtliche Arbeiter sich von den politischen Führern lossagen und sich bedingungslos unterwerfen.
New-Uork 30. Aug. Prinz Wilhelm von Schweden ist auf einer Automobilfahrt von Coney Irland nach Brooklin von einem Polizisten wegen Schnellfahrens festgenommen worden. Die Einwendung, die von der Umgebung des Prinzen gemacht wurde, machte auf den Polizisten keinen Eindruck, zumal ihm der Beweis, daß der Verhaftete wirklich der Prinz sei, nicht geliefert werden konnte. Ein hinzuge- kommencr höherer Beamter bewirkte die Freilassung des Prinzen.
New-Aork 30. Aug. Der Erfinder Edison hat, als er im Hause seiner kranken Mutter angelangt war, einen Nerven-Collaps erlitten. Man fürchtet für sein Leben.
Konstantinopel 25. Aug. Ein echt türkisches Nachspiel zur Monarchenbegegnung in Wilhelmrhöhe zeigt, wie aufmerksam der Sultan die sein Reich so nahe berührenden Ereignisse verfolgt. Das türkische Blatt „Jkdam" hatte bei Wiedergabe der zwischen den Monarchen gewechselten Trtnksprüche dem Kaiser Wilhelm gegenüber seinem königlichen Oheim die Anredeformel (türkisch) dsnäsuistzü, d. h. „Ich, Ihr ergebener Diener" in den Mund gelegt, während König Eduard darauf bloß mit „dsn" schlechtweg d. h. „Ich" (trinke v. s. w.) geantwortet hätte. Da hierin in den Augen der selbst streng auf Etikette haltenden Türken eine Herabsetzung der Würde des deutschen Kaisers gelegen hätte, wurde der Bericht zur Staatsaffäre. Im Auftrag des Sultans befahl dessen erster Sekretär Tahstn Pascha dem Herausgeber des „Jkdam", diese Darstellung als Irrtum zu berichtigen. Und so geschah'«: In der nächsten Nummer erklärte die Redaktion, daß ein Uebersetzungsfehler unterlaufen sei und daß die Monarchen tatsächlich ganz die gleichen Anreden gebraucht hätten.
Vermischtes.
Neues zum Prozeß Hau. Der im Hauptprozeß vielgenannte Zeuge Lenk läßt so-
„So ist es also wirklich wahr?" stieß Werner heraus, indem er ihr unwillkürlich näher rückte.
„Gewiß ist es wahr, Herr Graf, und Sie können mir als Freund unseres Hauses Glück wünschen, daß alles noch rechtzeitg so gekommen ist."
„So — liebten Sie Ihren Verlobten nicht?" stotterte Werner, dem alles Blut ins Gesicht schoß.
„Ich glaubte, daß ich ihn lieb hätte, denn seit meiner Kindheit habe ich ihn gekannt, und niemals ist ein anderer in mein Leben getreten, der sein Bild verdrängt hätte. Ich glaubte den Gespielen meiner Jugend achten zu dürfen, und die beiden Väter hatten die Sache seit langer Zeit als abgemacht betrachtet. Ich kannte die Liebe nur aus Büchern, und wenn ich auch für Kurt nicht das empfand, was den überschwänglichen Empfindungen der Dichter glich, so war es doch immerhin ein warmes Gefühl, das für die Zukunft eine zuverlässige Garantie geboten hätte, bis —" Hier stockte sie und wandte den Kopf ab.
„Bis?" wiederholte Werner, indem er mechanisch, ohne es zu wollen, ihre Hand ergriff, die sie ihm überließ, während ste leise fortfuhr:
„Bis ein anderer Mann in mein Leben trat, der alle guten Eigenschaften Kurts in noch reicherem Maße besaß und dazu noch alle anderen die Kurt fehlten. Da zum erstenmale war es, als ob ich aus einem Schlafe erwachte, in dem ich bis dahin gelegen, da zerrissen die Nebel vor meinen Blicken, und meine blinden Augen sahen — sahen mit Erschrecken —" „Und was sahen sie, Erika?" flüsterte Werner, der noch immer ihre Hand in der seinigen hielt.
„Daß ich mich getäuscht hatte über mich selbst und meine eigenen Gefühle, daß aller das, was ich bisher empfunden, nur Freundschaft oder kaum Freundschaft gewesen, und daß es doch ein Gefühl gab, das dem ähnlich war, das unsere größten Dichter als höchstes Menschenglück besingen."