eben im Verlage Alfred Pulvermacher L Co. in Berlin eine Broschüre unter dem Titel: „Ich schwöre! Die Wahrheit über Hau" erscheinen, in der er nicht nur seine persönlichen Eindrücke, die er während seiner gemeinschaftlichen Unter- suchungrhaft mit Hau über diesen bekommen hat, Revue passieren läßt, vielmehr auch die ihm von dieser Seite gemachten vertraulichen Mitteilungen, besonders über Olga Molitor, präzisiert. In dieser Veröffentlichung entschuldigt sich Lenk wegen seines bisherigen Schweigens wie folgt: „Es war der Wunsch Haus, mit dem ich im besten Einvernehmen gelebt habe, und der mir volles Vertrauen zollte, daß ich nicht als Zeuge zur Hauptverhandlung erscheinen sollte, da er befürchten mußte, daß nach seinen mir anvertrauten Mitteilungen Fräulein Olga Molitor belastet werden mußte. Und diese wollte Hau unter allen Umständen streng vermieden haben. Hau war eben von seiner Freisprechung zu sehr überzeugt, und demzufolge Zeugen gegnüber vollständig indolent. „Ich will jetzt," sagt Lenk weiter, „da es sich um den Kopf Haus handelt, der Oeffentlichkeit gegenüber mein Schweigen brechen und wahrheitsgetreu mit kurzen Worten berichten, das, war ich nach bestem Wissen und Gewissen von den mir seitens Haus gemachten Mitteilungen vor Gericht beschwören kann." Lenk gibt dann eine große Anzahl von Gesprächen wieder, die er während der Unter- suchungrhaft mit Hau geführt habe, und beruft sich hierbei u> a. auf den dritten Insassen der Untersuchungszelle, einen gewissen Missionar namens Kreis. Hau soll ihm u. a. eines Tages gesagt haben: „Wissen Sie, einmal in Paris da dachte ich schon, der Staatsanwalt wäre auf der richtigen Fährte. Das war aber eine unnötige Sorge, denn er schwenkte gleich wieder ab. Das hätte ihm sonst nicht in den Kram gepaßt." Lenk will außerdem Nachweisen, daß Olga Molitor tatsächlich noch vor der Verheiratung Haus zu ihm auf einem Spaziergangs in Montreux in Beziehungen getreten sei. Er führt dafür als Zeugen an: die Familie Braune in Montreux und den Gutsbesitzer Erwin F. Ruf aus Thüringen, der sich zur Zeit in Montreux aufhielt. Lenk schließt seine Broschüre mit folgenden Worten: „Nun, ihr Schwarzwälder Bauern, die ihr ein Menschenleben gerichtet habt, nun habe ich euch die volle Wahrheit berichtet. Wird es euch nun klar, daß euch durch eine mangelhaft geführte Verhandlung und durch die Parteilichkeit des Herrn Staatsanwalts die Köpfe verdreht worden sind? Wird es euch nun klar, daß eidliche Aussagen im strengsten Widerspruch stehen mit dem, war ich hier deponiert habe und durch meinen Eid vor Zeugen erhärten kann. Die Wahrheit zu finden ist nicht schwer, nur müßt ihr euch losreißen von der irrigen Ansicht des Staatsanwalts, daß Gier nach gleißendem
Golde Hau zum Raubmörder werden ließ. Nein, ihr Herren Geschworenen, wenn ihr Hau so gekannt hättet, wie ich ihn kennen und schätzen gelernt habe, jede Faser seiner Innern, seines Gefühlslebens, seine Art zu handeln als Mensch und als Jurist, dann würdet ihr die Hand mit mir hochheben und schwören: „Karl Hau ist kein Mörder!" Erwähnt sei noch folgender: In einer längeren zuverlässigen Darstellung gibt Lenk u. a. in dieser Broschüre zu erkennen, daß die gesamte Familie Haus darüber verwundert war, daß Hau mit Lina Molitor und nicht mit Olga, wie es zu erwarten war, sich verlobt hat.
(Aus der Reichshauptstadt.) Die Kinematogrophen-„Direktoren" wollten den „Fall Hau" vorführen. Telegraphisch wurde, laut Nat. Ztg., sämtliche Reviere in und um Berlin angewiesen, den „Fall Hau" unter keinen Umständen zuzulaffen und wo er etwa unbefugterweise vorgeführt werde, sofort zu verbieten. Nun legte sich ein „Direktor" aufs Bitten: Die Sache wäre gar nicht so schlimm, meinte er. Der Dezernent für die polizeiliche Kinematographen- zensur, Regierungsrat Conrad, ließ sich die von einer Pariser Firma hergestellte Szene vorführen. Und da es sich hier um eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung handelte, so wohnte auch Polizeipräsident Dr. v. Borries der Vorführung bei. Als photographische Leistung war die Darstellung nicht übel, indes verfiel sie dem polizeilichen Verbot.
Automobil und Staubbekämpfung. Es dürfte kaum zu viel gesagt sein, wenn man behauptet, daß ein ganz erheblicher Teil der Abneigung, die leider noch vielfach dem Kraftwagen entgegengebracht wird, auf Rechnung des Staubes zu setzen ist, der der schnellen Fahrt seine Entstehung verdankt! In der Tar kann man an einem heißen, trockenen Sommertage es dem Fußgänger auf der Landstraße schon einigermaßen nachempfinden, wenn er das begegnende Auto mitsamt den Insassen in die Hölle wünscht, wo sie am tiefsten rnd schwefligsten ist. Nun ist freilich auch deui Autler selber der Staub keineswegs angenehm, denn wenn er auch persönlich weniger darunter leidet als der Fußgänger, dem er begegnet, so ist es auch für den Wagen seblst durchaus nicht von Nutzen, wenn der feine Sandstaub schließlich in die feinsten Fugen der Maschinerie dringt und sich nach Kräften bemüht, zu finden, wo die Einkapselung beweglicher Teile nachgelassen hat. — Zahlreiche und meist ziemlich kostspielige Versuche zur Bekämpfung dieses heimtückischen Feindes sind denn auch schon angestellt worden. Namentlich in England hat man sich besondere Mühe gegeben, und sogar zu dem vielfach bewährten Mittel eines großen Preisausschreibens seine Zuflucht genommen. Die Versuche fanden in den Provinzen Middlesex und Berkshire statt und die Versuchswege wurden mit verschiedenen Präparaten, die zum überwiegenden Teil mit Hilfe besonders konstruierter Maschinerien aufgetragen werden mußten, bearbeitet und dann
eine Zeit lang ständig im Auge behalten und kontrolliert, um die Haltbarkeit und den Nutzen der angewandten Mittel zu prüfen. Die ausgesetzten Preise sind nunmehr zur Verteilung gelangt und man darf wie englische Blätter erzählen, immerhin feststellen, daß einige der angewandten Methoden sich als völlig wirksam erwiesen haben. Die beste Wirkung erzielten die Cläres Patent Tar Comps, die eine Trophäe im Werte von 100 Guineas — 2200 — und eine goldene Medaille erhielten.
Den zweiten Preis von 1100 ^ erhielt AitkenS Pneumatic Tar Sprayer. Versuche, einfach die Wege mit Teer zu beschmieren, haben sich nicht bewährt. Hierzu ist nun freilich zu bemerken, daß es doch wohl kaum angängig sein dürfte, auch nur die wesentlichsten Verkchrsstraßen ständig mit irgend welchen Präparaten zu bearbeiten, wie dies etwa während eines Rennens geschieht. Ganz abgesehen davon, daß eine solche „Teerung" ein sehr stattliches Vermögen kostet. Man wird also nach wie vor darauf bedacht sein müssen, die Staubbildung durch eine geeignetere Wagen-Konstruktion zu beschränken, eine technische Aufgabe, die allerdings leichter gestellt, als gelöst sein dürfte.
Standesamt Calw.
Geborene.
23. Aug. Friedrich, S. d. Josef Nagel, Fabrik
arbeiters hier.
27. „ Klara, T. d. Paul Emil Moros, Kut
schers hier.
27. „ Wilhelm Friedrich, S. d. Robert Otto
Graf Witwe Luise Rosine geb. Schund hier.
29. „ Eugen, S. d Johannes Schroth, Heizers
hier.
Getraute.
24. Aug. Johann Georg Reutlinger, Schuppen
arbeiter in Calw und Anna Maria Schneider hier.
24. „ Otto Josenhans, Metzgergehilfe hier und
Barbara Franziska Fischlein hier.
Gestorbene.
26. Aug. Georg Widmaier, Sägwerkebefitzer in Emberg, 36 Jahre alt.
29. „ Eugen, S. d. Johannes Schroth,
Heizers hier.
Reklamet-il.
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öei'iiei'slpsn ttiieligesellsclisO.
2u traben bei ttsrmsnn ttsusslsr, Lonäitorei.
Erika hatte sich erhoben und stand nun vor ihm mit stolz zurückgeworfenem Haupte und glänzenden Augen, und Werner war zu Mute, als müßte er beseligt vor ihr niedersinken und die schlanke Gestalt in unauflöslicher Umarmung an sich pressen. Aber mit Aufbietung aller Kraft hielt er an sich und fragte nur mit bebenden Lippen:
„Und da waren Sie er, die das Verlöbnis löste?"
„Ich hätte es gelöst, gewiß und wahrhaftig, nachdem ich einmal zur Erkenntnis meiner selbst gekommen, nachdem ich aufgewacht war aus dem Dornröschenschlafe der Kindheit! Unfehlbar hätte ich es gelöst, wenn nicht der Zufall oder die Vorsehung mir zuvorgekommen wäre. Eines Morgens trat mein Vater in mein Zimmer und fragte mich nach einer langen, wohlüberlegten Einleitung, ob ich Kurt so liebe, daß eine Lösung der geplanten Verbindung mich sehr unglücklich machen würde. Als er mein lächelndes „Nein" gehört und meine seelische Ruhe gesehen, teilte er mir mit, daß er im Begriffe stehe, unsere Verlobung aufzuheben, und was ich tun konnte, diesen Gedanken zur Tat werden zu lassen, habe ich endlich getan. — Nach den Gründen meines Vaters habe ich nicht einmal gefragt! Und so ist es gekommen! Nur daß er meiner Achtung nicht wert sei, sagte mir mein Vater."
„Und wenn nun der andere vor Sie hinträte, Erika, und Ihnen sagte: Ich liebe Dich mit aller Kraft meines Herzens, das ebenso wie das Deinige noch nie im Leben vorher empfunden, was Liebe und Glückseligkeit heißt, aber ich bin arm und kann Dir wenig mehr bieten als ein ganz bescheidenes Heim in einem halb baufälligen Schlosse, dem die waltende Hand der Hausfrau fehlt. Willst Du einziehen an meiner Seite trotz alledem in den weltverlorenen Erdenwinkel und mir helfen, aufzubauen, was der Leichtsinn meiner Vorgänger vernichtet hat, willst Du mir helfen, auf dem väterlichen Boden meines Besitzes neue Rosen zu ziehen, neues Leben zu begründen?"
„Ob ich will?" rief das Mädchen errötend. „Ob ich will? — Kennt der Mann mich so wenig, um noch zu zweifeln, weiß er noch nicht, daß ich die große geräuschvolle Welt nicht brauche, um glücklich zu sein und den glücklich zu machen, der mich aufgeweckt hat aus dem gefährlichen Schlaf?"
„Erika!" jubelte Werner und breitete in trunkenem Glück die Arme aus, in die die zarte Gestalt der Geliebten sank, und wortlos hielten beide sich umschlungen, lange, lange.
Da hob sich gegenüber leise die Portiere, und Excellenz Selten trat ins Zimmer.
„Ich gratuliere!" sagte der alte Herr, indem er sich langsam näherte, worauf Werner stürmisch auf ihn zuflog, während sich Erika an seine Seite schmiegte.
„Ich war beschäftigt, lieber Graf," lächelte der alte Herr, „und mußte daher meine Tochter bitten, Sie so lange zu unterhalten —"
„Und Du siehst, lieber Papa," fuhr Erika fort, „daß die dringliche Angelegenheit, wegen der Du den Herrn Grafen zu Dir bemühtest, ohne Deine diplomatische Intervention erledigt ist."
„Sie wollten —" stotterte Werner, in dessen Seele alle Amoretten einen bacchantischen Reigen tanzten.
„Ich wollte Sie fragen, lieber Werner, ob es wahr sei, was Gehring gestern erzählte, daß Sie in Ihrem Garconhsim bereits die Verlobung mit meiner Tochter proklamierten."
„Exzellenz!" fuhr Werner erschrocken auf und wollte eben energisch protestieren, als hinter Selten Gehring aus dem Nebenzimmer trat und lachend ausrief: „Nein, mein lieber, alter Freund, der Dickkopf da hätte nie den Mund aufgetan. Sag' nur die Wahrheit! Der Deine Tochter kompromittierte, war ich, und daß Herr Graf Ellingen mein Vergehen gut macht, indem er die Konsequenzen übernimmt, dafür muß ich mich am Ende noch gar bei ihm bedanken!" (Fortsetzung folgt.)