Amts- und Änzeigeblatt für den Bezirk Calw.
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Sonntag, den 1. September 1997.
Lbonnemrntlpr. in d. Stadt pr.Biertelj.Mk.l.iotnel. Trdgerl. Bierteliüdrl. Postdezuglprei« ohne Bestellg. f. d. Ort», u. Nachbar, «rtgoeäehr 1 Wk., s. b. sonst. Verkehr Ml. 1.1«, Bestellgeld >2 Pfg.
> ^ Tagesnenigkeiten.
^ Neuweiler 30. Aug. In verflossener Nacht brannte hier, wie bereits kurz berichtet, das Anwesen des Joh. Gg. Roller vollständig nieder. Das Feuer, das in der mit Frucht- und Futtervorräten angefüllten Scheune reiche Nahrung fand, hatte mit rasender Schnelligkeit um sich gegriffen, so daß das Gebäude balo in Hellen Flammen stand. Mit äußerster Anstrengung gelang es der hiesigen Feuerwehr das nur 2—3 Meter entfernte Nachbarhaus vor dem Ergriffenwerden zu schützen. Eine 71jährige Frau mit ihrer erwachsenen Tochter, welche im Dachstock wohnten, wurden mittelst Anstellleiter aus dem brennenden Zimmer gerettet als Kleider und Haare derselben bereits zu brennen drohten. Ueber die Entstehungsursache verlautet bis jetzt noch nichts.
Haiterbach OA. Nagold 30. Aug. Hier fiel ein Knabe so unglücklich von einem Leiterwagen, daß er alsbald starb.
Stuttgart 30. Aug. Auf der Strecke Althengstett-Calw ist in den letzten Tagen ein Postbeamter verunglückt. Derselbe hatte die seitwärts befindliche Tür seines Wagens geöffnet. Der Zugführer bremste plötzlich stark auf der steil abfallenden Strecke, infolgedessen wurde die Tür mit Wucht zugeschlagen. Dem jungen Mann wurde ein Finger der linken Hand glatt abgeschnitten. Der Finger konnte bis jetzt nicht wieder gefunden werden.
Stuttgart 80. Aug. Wegen fahrlässiger Tötung hatte sich der 65 Jahre alte Wundarzt Felix Böhm von Gerlingen zu verantworten. Der Angeklagte gab am 21. Mai der 24 Jahre alten Frau des Gipsers Quäck von dort, der er mittags einen Zahn gezogen hatte und die ihn abends rufen ließ, weil sie Schmerzen in der Zahnlücke verspürte, ohne die mitgebrachten Gläschen vorher
anzusehen, anstatt ein Schlafmittel einen Eßlöffel voll Zahnwehtropfen ein, die aus 0,25 A Morphium, 5 x 90°/„iger Karbolsäure und 5 x Nelkenöl bestanden und die nur äußerlich angewendet werden. Als der Angeklagte eine halbe Stunde darauf die verhängnisvolle Verwechslung bemerkte, gab er der Frau ein Brechmittel, dessen Wirkung er jedoch nicht abwartete. Die Frau starb am andern Tag an Vergiftung. Der Angeklagte ging darauf, hin in die Schweiz flüchtig; er stellte sich aber später freiwillig. Nach Aussage der Sachverständigen wurde der Tod der Frau durch Morphium- und Karbolvergiftung hetbeigeführt. Der Angeklagte ist wegen fahrlässiger Tötung vorbestraft. Er wurde am 28. März 1905 zu 1 Jahr Gefängnis verurteilt, weil er durch Fahrlässigkeit -den Tod einer Wöchnerin herbeigeführt hatte. Das Urteil gegen ihn lautete auf 1 Jahr 6 Monate Gefängnis. Außerdem beschloß dar Ge- richt, den Angeklagten so lange in Haft zu behalten, bis die seitherige Kaution von 3000 auf 6000 ^ erhöht ist.
Stuttgart 30. Aug. Der aus Anlaß des Gasthof-Einsturzes in Nagold gegründete Hilfsverein hat laut Rechenschaftsbericht insgesamt 137129 07 iZ eingenommen. Es wurde be
stritten 2782 ^ 80 ^ für ärztliche Behandlung, für die im ersten Augenblick Bedürftigen wurden bewilligt 13 760 Den bedürftigen Hinterbliebenen der Getöteten wurden jährliche Unterstützungen auf Lebenszeit festgesetzt, auch wurde den Erwerbsunfähigen Unterstützung ausgeworfen. Einmalige Unterstützungen waren in 37 Fällen 9600 ^ zu reichen. Nach Abzug dieser Summen standen dem Verein noch 111487 ^ 17 H zur Verfügung. Daraus wurden für 23 Witwen jährliche Unterstützungen im Betrag von 35 bis 365 für 19 Verletzte solche im Betrag von 33—288 ^ festgesetzt.
Heilbronn 28. Aug. (Viehmarkt.) Der Markt war befahren mit etwa 1500 Stück, wo- runter 300 Ochsen, 500 Kühe und 700 Stück Jungvieh, unter letzteren 120 Zuchtfarren. Der Handel ging flau, die Preise waren rückgängig; der Grund dafür ist die anhaltende Trockenheit. Verladen wurden in der Richtung Bietigheim. Stuttgart 17 Wagen., Jagstfeld-Osterburken 43 Wagen, Hall-Crailrheim 10 Wagen, Eppingen« Karlsruhe 20 Wagen, zus. 90 Wagen mit 900 Stück. Bezahlt wurden für mäßig gemästete junge Ochsen 38—42 vollfleischige, auSge- mästete Kalbeln 39—42 mäßig gemästete Kühe und Kalbeln 30—33 gering genährte Kühe und Kalbeln 27—30 Zugochsen, schwere und beste Qualität 42—44 ^5, Zugochsen, mittlerer Qualität 42—44 Zugochsen, leichterer Qualität 38—42 Jungvieh 2—3 jährig 36—38 ^6, dko- 1—2jährig 34—36 je per 50 kx Lebendgewicht. — Dem Schweinemarkt waren zugeführt 1400 Milch- und 300 Trieb- und Läuferschweine; elftere kosteten 20—36 letztere 40—100 ^ das Paar. — Auf dem Krämermarkt waren 73 Händler und 75 Hand- werker anwesend.
Ravensburg 30. Aug. Der König und die Königin sind gestern Nachmittag im Automobil hierhergekommen und haben der hiesigen kunstgewerblichen Wanderausstellung einen Besuch abgestattet.
Friedrichshofen 30. Aug. Graf Zeppelin wird im Laufe des nächsten Monats mit dem Bau eines neuen Ballons beginnen, der sein jetziges Luftschiff noch an Größe übertreffen wird. Die einzelnen Teile de» neuen Fahrzeuges sind bereits bei Manzell aufgestapelt. Die Probefahrten mit dem neuen Luftschiff werden voraussichtlich Ende September beginnen. An
Gerettet!
Roman von Walter Schmidt-Häßler, Stuttgart.
(Fortsetzung.)
Wenige Tage später stand Werner in dem kleinen Empfangssalon bei Exzellenz Selten. Seit dem Tage, an welchem ihm sein Freund Gehring die Mitteilung gemacht hatte, daß die Verlobung zwischen Erika und Kurt offiziell gelöst worden sei, hatte Werner nicht den Mut gefunden, im Selten« schen Haus einen Besuch zu machen. Mit dem ganzen Jubel, dessen sein Gemüt fähig war, hatte er die Freudenbotschaft begrüßt, aber so gern er fich selbst auch überzeugt hätte von der Wahrheit alles dessen, was ihn so bis ins Innerste beglückte, so gern er in Erikas geliebten Augen die Bestätigung gelesen hätte, so unmöglich war es ihm, sich zu entschließen. Er kam sich vor wie ein Eindringling, der einen Raub begangen an dem Abwesenden; er konnte das Gefühl nicht bannen, daß alles hier sich seinetwegen verändert hatte, und daß Kurt, den dieser Schlag doch gewiß unvorbereitet getroffen, in ihm den Intriganten sehen mußte, der hinter seinem Rücken ihm die Braut genommen hätte. Gegen diesen Gedanken empörte sich Werners Stolz. Er fühlte fich rein von jeder Jntrigue, er hatte das beruhigende Bewußtsein, in der ganzen Angelegenheit keinen Finger gerührt zu haben, und um sich dieses Gefühl der Schuldlosigkeit zu erhalten, war er dem Seltenschen Hause fern geblieben; denn er wußte, wenn er Erika gegenüberstand, mußte alles, was drinnen verborgen schlief, mit elementarer Gewalt zum Ausbruch kommen. Und dann? — Mußte die Geliebte nicht in demselben Augenblick den Verdacht schöpfen, daß er den Abwesenden verdrängt, daß er komme, um sich den Preis seiner Tat zu holen?
Er philosophierte sich in eine ganz wunderliche Stimmung hinein,
bis heute morgen ein Billet von der alten Exzellenz seine ganzen prächtigen Vorsätze über den Haufen warf. Der alte Herr bat ihn um seinen Be- such in einer dringlichen Angelegenheit, und Werner, froh, einen paffenden Vorwand gefunden zu haben, beeilte sich, dem Rufe Folge zu leisten.
Und so stand er denn jetzt in dem kleinen, behaglichen Empfangrsalon, wo er Erika zum erstenmale gegenübergestanden hatte. Eine Schar von reizvollen Erinnerungen ward in ihm lebendig in diesem Raume, durch den ihr Atem zu wehen schien bis in das fernste Winkelchen, und nur zu wohl fühlte er, daß sein Herz längst in diesem Hause tiefe Wurzeln geschlagen hatte.
Statt der alten Exzellenz empfing Erika den Besuch, und einige Augenblicke standen sich die beiden jungen Menschen verlegen und schüchtern gegenüber, bis endlich Erika auf Werner zuging und ihm langsam die Hand hinstreckte: „Mein Vater muß jeden Augenblick kommen, Herr Graf," sagte sie — „Sie müssen einige Augenblicke mit mir fürlieb nehmen."
„Ich bin glücklich, gerade Sie zuerst sprechen zu können, gnädigstes Fräulein," erwiderte Werner, stockte aber dann und nahm Erika gegenüber Platz, und eine neue Pause trat ein.
„Sie haben sich so lange nicht sehen lassen," begann Erika wieder. „Ich hoffe» Herr Graf, die Schuld dafür ist nicht in uns zu suchen!"
„Ich hatte vieles zu tun, Baronesse, in diesen letzten Wochen. Ich mußte ein Paar liebe Menschen glücklich machen, und dar ist manchmal recht mühsam und mit allerlei Umständlichkeiten verknüpft."
„Haben Sie Schicksal gespielt, Herr Graf?" fragte Erika, und ein Lächeln glitt über ihr schönes Gesicht.
„Wenn Sie's so nennen wollen, ja! Und ich kann sagen, ich bin stolz darauf, denn ich habe unserer Literatur einen neuen Dichter geschenkt, oder wenigstens dazu geholfen. Der Dichter König, dessen „Oase" im Lesstng Theater so beifällig ausgenommen wurde, ist ein junger Freund von mir, dem ich den Weg in die Oeffentlichkeit gebahnt habe. Und da» hat