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Schmalegg auf seltsame Weise den Tod. Während seine Eltern auf dem Feld waren, lag es in seinem Bett, das an einem offenen Fenster stand. Bei der Rückkehr fanden die Eltern das Kind an dem Birnbaum hängen, dessen Zweige an das Fenster reichten; es war erstickt, da es mit dem Hals zwischen den Aesten hängen geblieben war, offenbar als es nach einer Birne greifen wollte und dabei zum Fenster hinausfiel.
Friedrichshafen 29. Aug. Heute Mittag 12 Uhr fuhren die Majestäten mit Extraschiff zum Besuch der Großherzoglich-badischen Herrschaften nach der Insel Mainau. An der Fahrt beteiligte sich das Gefolge der K. Majestäten und die Mehrzahl der Dienerschaft; Letztere fuhr mit dem Schiff sofort hierher zurück.
Villingen 29. Aug. Jubiläumr- Gewerbe- und Industrieausstellung verbunden mit großer Gartenbau- und Forst-Ausstellung Villingen. Für Sonntag, den 1. September d. I. ist ein so reichhaltiges Programm vorgesehen, daß wiederum auf sehr großen Besuch zu rechnen ist. Vormittags von halb 11 bis 12 Uhr findet Frühschoppenkonzert in der Ausstellung statt und zwar durch die hiesige Stadtmustk, nachmittag« von 3—6 Uhr Doppel-Festkonzert mit besonders gewähltem Programm, gegeben von der hier bestbekannten 42 Mann starken Musikkapelle des Vereins „Konkordia" von Schwenningen und der hiesigen Stadtmustk. An diesem Tage beginnt auch die Blumenbindereiaurstellung der Gärtnervereinigung „Schwarzwald", auf die wir besonders aufmerksam machen. Sodann fährt um 5 Uhr Herr Luftschiffer Spiegel mit seinem Ballon ohne Korb, auf einem englischen Sattel als Jokei in die Lüfte, eine hier noch nie gesehene Vorführung. Abends 7—10 Uhr findet wieder Konzert der Musikkapelle „Konkordia" statt, sowie festliche Beleuchtung der Ausstellungsgebäude und des Parkes.
München 28. Aug. Die „Münchener Zeitung" erhält aus London folgendes Telegramm: Aus Tokio einlaufende Nachrichten besagen, daß eine ungeheure Ueberschwemmung in der nächsten Nähe der Hauptstadt viele Tausende obdachlos gemacht hat. Im Nordwesten von Tokio find aus dem Lande über 18000 Häuser von der Ueberschwemmung weggerissen worden. 49 Leichen sind geborgen und über 250 Personen werden noch vermißt. Alle Eisenbahnlinien, die nach Tokio hereinführen, find unbenutzbar. Der untere Teil der Stadt Tokio ist ebenfalls überschwemmt.
Köln 29. Aug. Coblenzer Meldungen zufolge wurde dort ein Vizewachtmeister des Feldartillerie-Regiments 23 unter dem Verdacht des Landesverrats verhaftet. Es soll sich um die neuesten Druckvorschriften für Artillerie handeln. Die Ermittelung erfolgte durch einen Kriminal- Kommissar in Herbertal, der einen nach Paris reisenden Mann an der Grenze festnahm. Bei der Leibesuntersuchung wurden bei dem Festgenommenen die beim Coblenzer Artillerie-Regiment gestohlenen geheimen Druckvorschriften, die von Offizieren unter strengstem Verschluß gehalten sind, vorgefunden. Bei dem verhafteten Zivilisten wurde noch eine ganze Anzahl Adressen deutscher Unteroffiziere und Sergeanten verschiedener Infanterie-Regimenter gefunden. Eine umfassende Untersuchung wurde sofort eingeleitet. Man spricht von weiteren Verhaftungen.
Berlin 28. Aug. Staatssekretär Dernst urg setzte am 25. ds. vom Karawanenlager Salami seinen Marsch auf Taborah fort. Das Land ist infolge Mangel an Regen sehr ausgetrocknet. Wasser ist nur wenig und in schlechter Qualität vorhanden.
Berlin 28. Aug. Die Pferdewache des Telegrapheüpostens Blumpuetz wurde am 26. Aug. von etwa 6 Hottentotten beschossen, wobei ein Gefreiter leicht verletzt wurde. Die Verfolgung ist ausgenommen. Ob die Hottentotten zur Bande Morengas gehören, steht noch nicht fest.
Bülow und Cambon. In einem Kommentar zu den Noten, die sich auf die Zusammenkunft in Norderney beziehen, erklärt der „Figaro": „Die öffentliche Meinung Frankreichs
wird entzückt sein, zu vernehmen, daß Bülow und Cambon herzlich zusammen plaudern, aber wir werden die genauen Nachrichten abwarten, bevor wir illuminieren, denn die Haltung Deutschlands hat. in der Vergangenheit nicht immer derjenigen Bülowr entsprochen. Die Beziehungen Frankreichs zu Deutschland können nur ein Ge- schüft sein; es ist ratsam, zu wissen, wie es sich darstellt." — Der „Petit Parisien" hält es für ein bedeutungsvolles Ereignis, daß die beiden Regierungen sich verständigen zu sollen geglaubt hätten um die gleiche Note zu veröffentlichen, obgleich das Blatt meint, daß es gut wäre, die gewonnenen Resultate nicht zu überschätzen. — Der „Matin" betrachtet das Zusammenstimmen beider Noten als ein Zeichen glücklicher Vorbedeutung für das Zusammenstimmen beider Re- gierungen. — „Tribüne" sagt: „Jedes Zeichen des Wachsens einer besseren und gesunderen Stimmung zwischen Frankreich und Deutschland wird von uns, die wir eine aktive Freundschaft mit diesen beiden großen Völkern wünschen, mit aufrichtiger Freude ausgenommen werden."
Paris 29. Aug. Nach dem gestrigen Kabinetsrat erhielt General Drude die Aufforderung, genau anzugeben, welches Truppenaufgebot nach seiner Schätzung erforderlich wäre, um den in Rabat, Mazagan, Saifi und Mogador zu errichtenden Polizei-Korps die erforderliche Autorität zu geben, bis die Institute sich eingelebt haben würden. Man rechnet hier damit, daß Drude in Casablanca einen Teil seiner dort konzentrierten Truppen bald entbehren und nach anderen Häfen werde dirigieren können. Immerhin ist man hier darauf vorbereitet, das 25. Koloniäl-Regiment, ein Schützen-Regiment sowie ferner 3 Batterien und 3 Schwadronen bis auf weiteres nach den vier Häfen zu entsenden, da auf die Kreuzer der bevorstehenden Stürme wegen nicht sonderlich zu rechnen ist. Aus Casablanca wird berichtet, daß Drudes Lager jetzt in seiner ganzen Umgebung mit Stacheldraht umgeben ist.
Paris 29. Aug. Soeben erhält der Kreuzer „Desaix" Befehl, noch heute abend in See zu gehen nach Tanger. Der Auftrag lautet: Alle Europäer, welche genötigt werden, die Stadt zu verlassen, aufzunehmen. Diese Entsendung enthebt die übrigen Mächte der Verpflichtung, besondere Fürsorge für ihre Staatsangehörigen zu treffen und ist insbesondere die Antwort auf den Wunsch der englischen Kolonie, welche ein Kriegsschiff von Gibraltar erwartete.
(Stuttg. Morgpst.)
London 29. Aug. Wie die Tribuna aus Tanger meldet, hat Raisuli jetzt eine gute Gelegenheit, in Tanger einzufallen, da die scherifischen Truppen wegen Rückständigkeit der Soldzahlung allgemein wegzulaufen drohen. Wegen der damit in Zusammenhang stehenden Unsicherheit in der Stadt verlassen die Familie der britischen Gesandten und andere in Tanger wohnhafte Europäer die Stadt. Die Deutschen hielten am Dienstag eine Versammlung, in der sie über Verteidigungsmaßnahmen berieten.
Die Unruhen in Marokko. Das Unternehmen der Franzosen in Marokko schwillt diesen unter den Händen auf. Schuld daran ist zweifellos die unüberlegte und übereilte Schärfe bei dem Vorgehen gegen Casablanca, das den ohnedies schon vorhandenen Haß der Marokkaner gegen die Franzosen in Helle Flammen hat ausbrechen lassen. Mit 5000 Mann, so hatte es anfangs von amtlicher französischer Seite geheißen, werde General Drude in der Lage sein, der ihm gestellten Aufgabe vollauf zu genügen. Nun sind schon 6000 daraus geworden, und wer möchte bürgen dafür, daß es dabei sein Bewenden haben werde? An die Nachrichten von einer angeblichen Bereitwilligkeit des neuen Sultan-Prätendenten, Mulay Hafid, sich mit den europäischen Mächten auf Verhandlungen über Genugtuung und Sühnung der Morde vom 30. Juli einzulaffen, glaubt doch niemand recht, schon aus dem Grund nicht, weil Mulay Hafid sich damit gerade die Wurzeln seiner Popularität abgraben würde. Es ist viel wahrscheinlicher, daß, wenn Mular, Hafid vor Casablanca erscheint, er dies mehr als grimmiger Feind, denn als Vermittler tut. Dann heißt es aufs
neue: Verstärkungen. Und was die Marokkaner nicht fertig bringen sollten, dar wird die vorwärts drängende Kriegspartei tun, die offenbar am Werk ist, weniger vielleicht in Regierungskreisen zu Paris sicher aber im Heer und in der Flotte vor Casablanca. Vorerst liegt aus Paris eine halbamtliche Meldung vor, in der es heißt: General Drude verfüge zurzeit über annähernd 4500 Mann. Die Entsendung von zwei Bataillonen zu je 800 Mann werde den Effektivbestand auf 6000 Mann bringen. Hiezu komme die Artillerie der französischen Schiffe, welche sich augenblicklich in Marokko befinden. In amtlichen Kreisen wisse man über die Absichten Mulay Hafids nichts. General Drude könne jetzt seine Tätigkeit bis auf 20 oder 30 km längs der Küste ausdehnen, dabei handle es sich aber keineswegs um ein Vordringen ins Innere, denn der Gedanke, sich auf eine Eroberung Marokkos einzulaffen, sei der französischen Regierung niemals gekommen.
Vermischtes.
Eine Katastrophe in den Bergen. Mittwoch den 14. August sind die Herren Heinrich Spörri, Major der schweizerischen Artillerie, vr. Robert Helbling und Ingenieur Karl Jmfeld von Zermatt aufgebrochen, um das Matterhom von der italienischen Seite zu erzwingen. Es handelt sich um drei erstklassige Berggänger; Major Spörri war ein Sportsmann von Ruf, der allen Anforderungen für eine Leistung ersten Ranges entsprach, vr. Helbling zählt zu den erprobtesten Hochtouristen der Schweiz; er hat u. a. Touren im Kaukasus gemacht und ver- fügte speziell am Matterhorn, das er innerhalb 48 Stunden zweimal bestieg, über vollständige Kenntnis der lokalen Verhältnisse. Karl Jmfeld, ein Sohn des bekannten Ingenieurs und Kon- zesstonsbewerbers für die Matterhornbahn, ist erst 23 Jahre alt, aber doch schon ein sehr geübter Gänger. Die drei Touristen, die ihr schwieriges Unternehmen gründlich erwogen und vorbereitet hatten, gingen am Mittwoch vom Hotel Schwarzsee über den Furgglengletscher und die Furgglen« lücke, umgingen also das Matterhorn auf der Oflflanke und gelangten abends auf den Col du Lion, den bekannten Ausgangspunkt für die Matterhornbesteigung von der italienischen Seite. Sie biwakierten auf dem Col du Lion (3610 m) am Mittwoch abend und unternahmen am Donnerstag morgen in bester Verfassung den Angriff auf den Riesen von Zermatt über den Tyndall- grat. Tschudi, der bekanntlich viel weniger ängstlich ist ols sein Kollege Bädecker, rät diese Tour nur „kühnen, zähen und schwindelfreien Berg- steigern, aber auch nur solchen" an und er schreibt „zwei Führer ersten Ranges" vor. Die drei Touristen scheinen nun auf ihrem Anstieg auf ungewöhnliche Schwierigkeiten gestoßen zu sein, denn während sie am Donnerstag abend wieder in Zermatt zu sein hofften, befanden sie sich Donnerstag nachmittags 3 Uhr erst vor dem Pic Tyndall, eine Stunde unterhalb des Matterhorngipfels und wurden dort durch ein fürchterliches Unwetter zum Halt gezwungen. Auf diesem Punkte (ca. 4200 m über dem Meer) mußten die drei Touristen, umtost von Sturm und Blitzschlag 2 5 Stunden ausharren und die Nacht von Donnerstag auf Freitag zubringen. Jede Möglichkeit, bei dem Unwetter vorwärts oder rückwärts zu kommen, war vollständig aus- geschloffen. Infolge von Ermattung ist Spörri Donnerstag nachmittag 3 Uhr auf diesem Punkte der großen Kälte erlegen und erfroren. Die beiden Kameraden, die das Menschenmögliche getan hatten, ihren Freund zu retten, banden die Leiche an die Felsen fest und setzten dann unter unsäglichen Mühen den Weg über den Matterhorngipfel zur schweizerischen Hütte fort. Dort mußte Jmfeld mit bis zu den Knien gefrorenen Beinen Zurückbleiben, während Helbling allein nach Zermatt hinunterging und dort Hilfe holte. Er kam am Samstag abend 11 Uhr in Zermatt an. Die Hilfsexpedition hat dann zunächst Jmfeld nach dem Schwarzseehotel heruntergeholt, wo er noch in Pflege liegt. Sein Befinden gibt zu ernsten Besorgnissen Anlaß. Die Leiche Spörris ist von 17 Führern nach Zermatt heruntergeschafft worden und am Mitt-