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engagiert war, hat sich gestern Nachmittag in der Wohnung seiner Mutter erschossen. Adam war erst seit vier Wochen verheiratet und kam am Dienstag von der Hochzeitsreise zurück. Am 1. September sollte er seinen Dienst wieder an- treten.
Frankfurt a. M. 24. Aug. Gestern Nachmittag erfolgte in der Burgstraße in der Nähe der Lutherkirche eine heftige Explosion. In der Straße werden Kanal-Arbeiten vorge- nommen und an einer Stelle roch es stark nach Gas. Einige Knaben steckten ein Zündholz an. Sofort schlugen mächtige Flammen empor und ein Kanaldeckel flog unter heftiger Detonation in die Lust. Glücklicherweise wurde Niemand verletzt.
Frankfurt a. M. 24. Aug. Die französischen Kaufleute aus Lyon, die eine längere Gesellschaftsreise durch Deutschland unternehmen, trafen heute früh 8 Uhr 15 Min. über Mainz kommend hier ein. Es sind 140 Herren und 15 Damen. Nachmittags besichtigten die Reisenden die Fabrikanlagen der Anilinfarben. Fabrik Cassella und Co. an der Mainkur. Heute Abend reisen dis Gäste nach Berlin ab. — Wie aus Homburg gemeldet wird, war gestern die Stadt zu Ehren der Ankunft des Königs von Siam festlich geschmückt. Am Abend gab es ein prachtvolles Feuerwerk. Der König be- absichtigt, vier Wochen hier zu verweilen. — In Offenbach wurde gestern Vormittag aus dem Buchrain-Weiher eine 61jährige ledige Privatiers als Leiche gezogen. Sie hatte sich seit Montag von Hause entfernt. Die Tat geschah aus Schwermut.
— In Niederrad wurde einem Mädchen „aus Scherz" Kalkwasser in die Augen gespritzt. Auf einem Auge hat das Mädchen die Sehkraft verloren.
Wilhelmshöhe 24. Aug. Die heutige Nacht ist bei der Kaiserin ohne jede Störung verlaufen. Das Allgemeinbefinden ist vorzüglich, sodaß ein weiterer normaler Verlauf der Heilung zu erwarten ist.
Berlin 23. Aug. Nach neuester Meldung ist die Gamsibkluft auf deutscher Seite frei von Hottentotten. Morenga soll, nach Aussage der Kappolizei, in einer Stärke von ungefähr 300 Köpfen, einschließlich Weiber und Kinder, auf englischer Seite nahe der Grenze am Orange- fluffe stehen.
Berlin 24. Aug. Wie der „Voss. Ztg." aus London gemeldet wird, findet Quelchs Ausweisung aus Stuttgart dort allseitig kühle Beurteilung. Es überwiegt die Ansicht immerhin, die württ. Regierung erweise dem unbedeutenden Mann zu große Ehre. Sie hätte seine lächerliche Rede mit gebührender Ver
achtung strafen, statt den Sozialismus durch die Verfolgung Quelchs stärken sollen. Die „Deutsche Tageszeitung" schreibt in einem Rückblick auf den Kongreß: Vielleicht wird der württ. Regierung jetzt schon fraglich geworden sein, ob es zweckmäßig war, dem Kongreß ein gewisses duldendes Wohlwollen zu beweisen. Die Worte Singers nach der Ausweisung seines englischen Bruders an die Adresse der württ. Regierung atmen alle« andere als Dankbarkeit. Und doch hätten die Genossen allen Anlaß dankbar zu sein. Wir machen kein Hehl daraus, daß wir dieses Maß von Duldung nicht verstehen. In dem urteilslosen Volke muß die Ueberzeugung geweckt und gestärkt werden, daß die Sozialdemokratie, der man in dieser Weise nicht nur freien Spielraum, sondern geradezu Förderung angedeihen läßt, eine berechtigte und gleichberechtigte Partei sei. Das Blatt nimmt besonders darauf Bezug, daß niemand die Sozialdemokratie gehindert habe, Teile des Staatsbahnhofs mit dem Abzeichen der roten Revolution zu schmücken. (Stuttg. Mpst).
Deutsch-Südwestafrika. Das „Kolonialblatt" vom 15. Aug. macht mehrere Mitteilungen über das Abkommen, das seitens des Reichskolonialamts mit der Deutschen Kolonial- eisenbahnbau- und Betriebsgesellschaft zu Berlin über die Fertigstellung der Eisenbahn Lüde- ritzbucht-Keetmanshoop getroffen worden ist. Darnach soll die Bahn in ihrer ganzen Länge spätestens am 23. November 1908 betriebsfähig sein. Für jeden Tag der früheren oder späteren Erreichung dieses Zieles erhält oder zahlt die Baufirma 3000 Schon vor der Gesamteröffnung der Bahn w:rden die einzelnen Teilstrecken alsbald nach betriebsfähiger Herstellung soweit dem Verkehr übergeben, daß sie die jetzigen Fuhrparkkolonnen ersetzen. Zur Jnnehaltung dieses Programms ist es nötig, stellenweise statt der endgültigen Bauwerke Provisorien auszuführen. Deren Auswechslung soll erst nach der Eröffnung der Bahn geschehen und nebst der vollständigen Ausstattung der Linie so früh beendet sein, daß die Hauptabnahme aller Anlagen am 30. September 1909 erfolgen kann. Mit dem 1. Oktober 1909 wird demnach voraussichtlich der regelmäßige Betrieb beginnen.
— Eine abessinische Gesandtschaft an den Kaiser befindet sich zurzeit an Bord des Reichspostdampfers „Preußen" vom Norddeutschen Lloyd, der am 31. August in Hamburg eintreffen wird. Der Führer der Gesandtschaft ist der abessinische Kriegsminister, begleitet von dem Handelsminister und großem Gefolge. In Neapel wurde der Kriegsminister im Auftrag des Königs von Italien durch einen General begrüßt, der dem Minister seinerzeit in der Schlacht von Adua gegenübergestanden hatte. Unter den prachtvollen Geschenken für den Kaiser befinden sich zwei über
2 m hohe Elefantenzähne. Wie es heißt, soll die Mission in Deutschland Abschlüsse für Eisenbahnbauten in Abessinien vornehmen. Von Berlin wird sich die Gesandschaft nach Wien und Konstantinopel begeben.
Düsseldorf 24. Aug. In eine Schwadron des 5. Ulanen-Regiments in Düsseldorf, das sich auf dem Marsche ins Manöver befindet, fuhr auf dem Berge bei Volmarstein ein Fouragewagen, von dem sich die Bremse gelöst hatte. Zwei Ulanen und ein Zivilist wurden schwer verletzt,
3 Pferde mußten erschossen werden. 25 Pferde gingen durch, von denen 13 durch mehrere Ortschaften bis Hagen liefen, wo sie mit Wunden bedeckt angehalten wurden.
Stettin 24. Aug. Bei Wusterhusen rannte das Automobil des Geschützfabrikanten Erhardt- Düsseldorf gegen einen Baum. Ein Chauffeur wurde schwer verletzt und ist gestorben, ein zweiter erlitt einen Schädelbruch. Der Besitzer des Autos, seine Frau und Schwägerin sind leicht verletzt.
Flensburg 24. Aug. Ein Liebespaar, das sich seit mehreren Tagen in Flensburg aufhielt und Eltern und Angehörigen seine Absicht mitgeteilt hatte, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, wird nunmehr vermißt. Ein einzelnes von den beiden benutztes Boot wurde vor Glücksburg treibend aufgefunden. Man vermutet, daß das Paar seine Selbstmordabsicht aurgeführt hat.
Kiel 24. Aug. Heute Nacht brach in dem rechten Flügel der neuen Marinestation Sonderburg Feuer aus. Der Brand entstand aller Wahrscheinlichkeit nach durch Unvorsichtigkeit eines Schneiders in der Schneiderstube und zerstörte den Dachstuhl. Anderweite Meldungen, wonach der ganze rechte Flügel niedergebrannt sein soll, sind, wie die „Kieler Neuesten Nachrichten" melden, nicht zutreffend.
Cuxhaven 24. Aug. Der Dampfer „Eduard Wörmann" ist mit dem Heimtransport der deutsch.südwestafrikanischen Schutztruppe in Stärke von 5 Offizieren und 584 Unteroffizieren und Mannschaften hier eingetroffen.
Karlsbad 24. Aug. König Eduard von England traf um 1 Uhr im Automobil von Marienbad hier ein und nahm im Hotel Bristol mit dem Großfürsten MichaelAlexand- ro witsch, der Großfürstin Olga Alexandra w n a und dem PrinzenvonOldenburg das Frühstück ein.
Paris 24. Aug. „Eclair" meldet aus Casablanca: Hier herrscht zur Zeit Ruhe. Die Marokkaner sind plötzlich aus der Umgebung von Casablanca verschwunden, nachdem sie eine Anzahl Dörfer und Ortschaften, sowie einzelne Gehöfte und die Ernte in Brand gesteckt hatten. Eine französische Patrouille fand den
Und lächelnd erwiderte der andere: „Dieser Moment bleit auch so wie so unvergessen, denn es gibt auch Stimmungen» die sich nicht so fest« halten lassen, wie meine bisherigen kleinen Jugendeindrücke. Diese Stunde
vergesse ich in meinem Leben nicht! — Auch ohne Photographie!"
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Zur selben Zeit saß Gehring im Bureau des Königlichen Theaters, ihm gegenüber ein eleganter Herr von einigen 50 Jahren, ein alter, lieber Bekannter von ihm, der seit einem Jahre einen Vertrauensposten beim Intendanten bekleidete.
„Ich habe nicht allein in den betreffenden Korrespondenzen nachgesehen, lieber Herr Gehring," fuhr der Herr im Gespräch fort, „ich habe sogar, da Sie der Angelegenheit eine so große Wichtigkeit beimeffen, selbst den Intendanten über die Geschichte interpelliert und schrieb Ihnen gleich gestern, um Ihnen heute die eingehendsten Mitteilungen zu machen."
„Ich bin Ihnen außerordentlich verbunden, lieber Baron," entgegnete Gehring, „denn es handelt sich für mich tatsächlich um etwas sehr Wichtiges. Sie wissen, wir halben Amerikaner gewöhnen uns wie die Vollblut-Bankers die Leidenschaft des Wcttens an und ich habe eine große Summe darauf gesetzt. Ich würde mich freuen, die Wette zu gewinen."
„Nun also," lächelte der andere. „Was ich Ihnen heute Mitteilen kann, ist folgendes: Die neue Prima-Ballerina, deren Engagement neulich durch alle Zeitungen ging, Fräulein Irma Torosa, ist keine Italienerin, sondern eine Rasse-Ungarin, wie Sie also sehr richtig vermutet haben. Die Dame war im Laufe der letzten Saison am Budopester Opernhause beschäftigt und wurde von dort hierher engagiert, auf angelegentliche Verwendung einer einflußreichen hiesigen Persönlichkeit."
„Ich danke Ihnen," entgegnete Gehring, „bis hierher stimmt alles. Wäre es nun sehr indiskret von mir, wenn ich Sie um den Namen des hiesigen Protektors bitten würde?"
„Den Namen?" erwiderte der Baron mit feinem etwas verlegenem Lächeln. „Da muß ich bedauern, den Namen kann ich Ihnen nicht nennen, selbst wenn ich wollte!"
„Das bedauere ich lebhaft," sagte Gehring, ein wenig enttäuscht. „Jedenfalls aber kennen Sie doch den Herrn?"
„Persönlich, nein! Ich weiß nur, daß derselbe ein großer Sportsmann ist und sehr reich sein soll."
„Nur das eine bitte ich mir noch mitzuteilen: Gehört der Herr der hiesigen Aristokratie an? Verzeihen Sie einem ängstlichen Onkel und Vormund diese Neugier, aber ich fürchte, daß mein einziger Neffe, der Erbe meines Vermögens —"
„Da seien Sie unbesorgt, liebster Freund," tröstete der andere, „der Protektor der Dame ist bürgerlich, und Sie brauchen sich nicht zu sorgen."
Gehring markierte ein erleichtertes Aufatmen und erhob sich mit den Worten: „Ich danke Ihnen, Sie nehmen mir tatsächlich einen Stein vom Herzen. — Die Dame ist noch nicht hier im Engagement eingetroffen?" fügte er leicht hinzu, indem er seinen Hut nahm.
„Nein," sagte der Baron, „sie ist augenblicklich in Paris, wohin man auch alle für sie eingehenden Korrespondenzen nachschickt."
„Nochmals meinen verbindlichsten Dank, lieber Baron! Und wenn ich zum Gewinnen meiner Wette von Ihnen die schriftliche Bestätigung brauche, daß Fräulein Torosa den letzten Winter in Pest angagiert war — würden Sie mir dies schriftlich bestätigen?"
„Aber gewiß! Mit Vergnügen!"
Die Herren reichten sich die Hände und Gehring verließ das Bureau, stieg die schmale Treppe hinunter und blieb an der Portierloge stehen, ander der alte Beamte mit etwas brummigen Gesicht herausschaute.
Gehring nahm aus seinem Zigarrenetui eine vorzügliche Havanna, lüftete höflich den Hut und erbat sich ein Zündholz, das der Alte ihm reichte,