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nehmigt. Die Stelle eines Kontrolleurs erhielt Ober­finanzassessor Stockmayer und die eines Obersekretärs Eug. Bracher. Als ständisches Mitglied des Staatsge­richtshofs wurde Oberlandesgerichtsrat Or. Haidlen ge­wählt. Im weiteren Verlauf der Nachmittagssitzung der Zweiten Kammer wurden noch eine Reihe von Petitionen persönlicher Art erledigt; an einigen Beschlüssen zum Eisenbahnbaukrcditgesetz wurde fest- gehalten. Zum Schluß der Sitzung gab Präsident v. Payer die übliche Geschäftsübersicht, an die er folgende allgemeine Bemerkungen knüpfte: Ueberb .icken wir die ganze Tätigkeit der 2. Kammer, so drängen sich diesmal vor allem in die Augen die Gesetze mit finanzieller Wirkung. Wohl noch nie hat ein Landtag in so kurzer Zeit soviele Entschließungen über finanzielle Fragen zu treffen gehabt, welche von der allergrößten Tragweite für die wirtschaftliche und die finanzielle Entwicklung des Landes für die nächste und für die spätere Zukunft sein müssen. Es handelt sich dabei um sehr große einmalige und um sehr große fortlaufende Ausgaben, welche ohne eine schwere Belastung des Landes überhaupt nicht auf­gebracht werden können, und das Haus hat, der Folgen seiner Bewilligung sich wohl bewußt, sich nickt ohne schwere Bedenken und Sorge entschließen können, den Anträgen der Regierung in dieser Richtung bei­zupflichten, ja teilweise noch über dieselben hinaus­zugehen. Es hat aber für seine dringende Pflicht erachtet, den drängenden Verkehrsbedürfnissen des Landes in weitsichtigster Weise gerecht zu werden und auf der anderen Seite unseren Beamten und deren Angehörigen eine umfassende Fürsorge zu teil werden zu lassen. Es erfüllt uns mit besonderer Genugtuung, aus allen Kreisen der Beamten heraus zu hören, daß nun viele alte Schmerzen gestillt sind, und daß, wenn auch nicht alle Wünsche erfüllt werden konnten, doch überall die Anerkennung sich geltend macht, daß Staatsregierung und Volksver­tretung, wie sie ihrerseits große Ansprüche an die Diener des Staats stellen, so nun auch mit erheblichen Opfern alles mögliche für das Wohlergehen dieser Beamten für jetzt und für die Zukunft getan haben. Es kann ein Zufall sein, hat aber vielleicht auch eine gewisse symptomatische Bedeutung, daß gerade diese finanziellen, so folgeschweren Entwürfe vom Haus durchweg einstimmig angenommen worden sind, daS damit den Entschluß bekundet hat, die Verantwortlichkeit für das Beschlossene vor dem ganzen Lande für jeden einzelnen Abgeordneten zu übernehmen. Daß die veränderte Zusammensetzung des Hauses, das fast zur Hälfte aus neuen Mit­gliedern besteht, zunächst in umfassenderen allge­meinen Auseinandersetzungen zum Ausdruck kommen werde, ist selbstverständlich und ist auch von allen Seiten in Aussicht genommen worden, daß aber unsere positiven Arbeitsleistungen deshalb hinter denen unserer Vorgänger zurückgeblieben seien, wird wohl niemand behaupten wollen; im Gegenteil wurden die Anforderungen an das Haus und vor allem an die Kommissionen des öfteren in einer bis­her bei uns noch nie dagewesenen Weise gesteigert und nur dem eifrigsten Zusammenarbeiten aller und dem Verzicht auf manches von allen Seiten war es überhaupt möglich, die sämtlichen Aufgaben zu erledigen, die zu bewältigen uns beschieden war. Unser wärmster Dank gebührt deshalb unseren Kommissionen, ihren Vorsitzenden und vor allem

ihren Berichterstattern, von denen einige das fast Unmögliche in den letzten Monaten geleistet haben. Es ist mir eine besondere Freude, diesen Dank des Hauses ihnen gegenüber zum Ausdruck bringen zu können. (Bravo.) Aufrichtig danke ich schließlich noch auch für meine Person den Herren Vizepräsidenten und den Herren Schriftführern für ihre Mitarbeit und dem hohen Hause für die Unterstützung, die es mir jederzeit in der freundlichsten Weise hat zuteil werden lassen und für das Vertrauen, mit dem es meiner geschäftlichen Leitung auch da gefolgt ist, wo ich große Ansprüche an jeden Einzelnen zu stellen genötigt war. Unsere Arbeit ist sicherlich nicht weniger intensiv gewesen als in früheren Jahren, aber die Dauer unserer Sitzungen hat eben unter dem Drang und Druck der Geschäfte im allge­meinen, darf man sagen erheblich verlängert werden müssen und manchmal in einem Maße, daß ich kann es ja jetzt nachträglich wohl sagen ich mich manchmal selbst über die Geduld der Herren gewundert babe (Heiterkeit). Den besten Lohn für die harten Tage, die wir hinter uns haben, finden wir in der Ausspannung, die jetzt nach vollbrachter Arbeit unserer harrt und die ohne unsere große außergewöhnliche Anstrengung sicherlich noch in sehr weite Ferne hinausgeschoben worden wäre. Ich darf mit dem Wunsche schließen, daß die geehrten Herren sich von den Anstrengungen alle recht gut erholen mögen und daß wir uns zur nächsten Tagung wohlbehalten und frisch wieder hier einfinden mögen. (Bravo). Dr. Hieb er dankte dem Präsidenten namens des Hauses für die umsichtige und unpar­teiische Geschäftsführung aufs allerherzlichste und erwiederte die Wünsche des Präsidenten, der dann dankte und mit dem Wunsche: auf Wiedersehen nach 6 Uhr die Sitzung schloß. Durch kgl. Reskript ist der Landtag vertagt worden. Das Haus hatte sich im Lauf des Nachmittags immer mehr geleert.

Stuttgart 10. Aug. Durch Allerhöchste Entschließung Seiner Majestät des Königs vom 8. August ds. I. ist angeordnet worden, daß die in der Dienstkategorie der Amtsrichter stehenden Beamten der Staatsanwaltschaft anstatt des Titels Hilssstaatranwalt künftig den Titel Staatsanwalt führen.

Stuttgart 10. Aug. Anläßlich des hier stattfindenden Internationalen Soziali­stenkongresses werden Branchenkongresss von den Bäckern, den Handlungsgehilfen, den Holz­arbeitern und den Tabakarbeitern abgehalten.

Stuttgart 11. Aug. Heute fand im Hotel Textor hier die Landesversammlung der Verwaltungsaktuare Württem­bergs statt, wo Beratungen gepflogen wurden über den Entwurf einer Vollzugsverfügung zur Gemeindeordnung und Standesangelegenheitsn zu regeln waren. Die aus dem ganzen Lande besuchte Versammlung stimmte nach eingehender Erörterung den Anträgen des Ausschusses zu. Im allgemeinen wurde gewünscht, daß die Voll- zugrverfügung nicht so eingehend und spezialisiert gehalten werden möge. Die geäußerten Einzel­wünsche betreffen hauptsächlich die Vorschriften

über Kapitalanlagen, Grundstocksverwaltung, Führung des Gemeindehaushaltr, Anweisung der Einnahmen und Ausgaben, dar Gemeinderechnungs­wesen, insbesondere Hilfsbeamtenwesen und die Uebergangsbestimmungen. Mit der vorgesehenen Hauptbuchführung erklärte sich die Versammlung nicht ohne Bedenken einverstanden, in der Ueber- zeugung jedoch, daß die Hauptbuchführung in der Regel nicht durch den Rechner, sondern durch den Verwaltungsaktuar erfolgen werde. Die Neuwahl des Vorstands und der Ausschußmitglteder ergab folgendes Resultat: Vorsitzender: Stauden- meyer-Calw, Stellvertreter des Vorsitzenden und Schriftführer: Fricker-Langenargen, Kassier: Schwarzmaier-Nagold, Ausschußmitglieder: Oester- lein-Mergentheim, Sauter- Ellwangen, Heberle-Ulm, Link-Laupheim, Seelig.Ulm, Oswald-Pliezhausen, Roller-Balingen, Stollsteimer-Echterdingen,. Dem seitherigen Ausschuß, namentlich aber dem Vor­sitzenden Verw.-Aktuar Staudenmeyer-Calw, wurde für seine vielen Bemühungen lebhafter Dank gespendet. Bei dem gemeinsamen Mittagsmahl im Textor gab der Vorsitzende dem aufrichtigen Dank der Verwaltungsaktuare gegen die Stände und der K. Staatsregierung, insbesondere gegen den Minister des Innern, beredten Ausdruck.

Stuttgart 11. Aug. Der heutige Lebensmittelmarkt war wieder in außer­ordentlicher Weise besucht, namentlich der Groß­markt wies eine sehr starke Zufuhr auf. Im Vordergrund des Angebots standen von Früchten Pflaumen, von Gemüsen Bohnen und Einmach­gurken. Für Heidelbeeren deren Zeit bald vorüber ist, verlangte man 1518 -H, für Himbeeren 2530 --Z, für Aprikosen 2535 -H, für Pfir­siche 3040 iZ, per Pfd., Pflaumen gab es zu 710 -H, Zwetschgen zu 10 12 -H, Birnen zu 1225 iZ. Bohnen kosteten im Großen 810 H das Pfd., Einmachgurken 4050 -H, größere 60 --L bis 1 ^ per 100 Stück. Auf dem Ge- müsemarkt gab es schönes Butterkraut zu 2030 H, Blumenkohl zu 2040 ^ da« Stück. Auf dem Wildbret- und Geflügelmarkt kosteten Rehziemer 5,50 ^ bis 8 Rehschlegel 4,50 bis 6,50 Gänse 4,50 ^ bis 5,50 Enten 2 bis 2,60 Hahnen 1 bis 1,70 Der See­fischmarkt verzeichnet« Schellfisch zu 35 --Z, Kabliau zu 35 --Z, Seelachs zu 25 A Merlans zu 25 H das Pfd.

Massenbachhausen 10. Aug. Ein schreckliches Unglück ereignete sich am Mitt­woch mittag hier. Zwei Kinder, ein 7jährige« Mädchen und ein 3jähriges Bübchen des Josef Baumhauer, Maurers dahier, haben in Ab­wesenheit der Eltern Aepfel im Ofen gebraten. Hiebei fingen die Kleider des 3jährigen Bübchens Feuer und verbrannten am Körper des Kindes. Durch den durch das offen stehende Fenster dringenden Rauch wurde eine Nachbarin auf-

Aber es war die Braut eines anderen, sann er weiter und sein ganzes stolzes, ehrenhaftes Gefühl sträubte sich nun ganz energisch gegen den süßen Wahn in seinem Herzen. Er hatte kein Recht, hier irgend etwas zu fühlen, zu empfinden, und wenn er auch Rhoden nicht zu seinen besonderen Freunden zählte, so war er ihm doch Respektierung seiner Rechte schuldig, und als er vor seiner Haustür angekommen war, hatte er den festen Ent­schluß gefaßt, diese Rechte zu ehren und sein eigenes Gefühl nach bester Kraft und mit energischem Willen niederzukämpfen. Und er war seiner sicher, es mußte ihm gelingen. Es war ihm ja schon so manches Schwere im Leben gelungen, und auch dieser Pfeil saß ja wohl noch nicht so tief im Herzen, obwohl er in allem Zauber einer holdseligen Ballnacht wie ein süßes Gift aufgetaucht war, daß er ihn nicht langsam mit fester Hand aus der Wunde ziehen konnte.

Spät in der Nacht noch setzte er sich in seinem Zimmer an den Schreib­tisch. Er war zu erregt, um schlafen zu können; er wollte sich zerstreuen, sich auf andere Gedanken bringen, und so blätterte er zwischen dem Stoß von Papieren, die da lagen, und zog endlich des jungen Großmann Theater­stück hervor, schlug das Heft auf und begann das Werk noch einmal durch­zulesen.

Es entzückte ihn gerade wieder so, wie damals, als er es zum ersten- male gehört hatte, und besonders heute fand er so viel, was ihn sympathisch berührte in dem Schicksal der beiden unglücklich Liebenden, die sich in ihrem verwandten Gefühl da auf einer einsamen Oase in der Wüste des Alltags- lebens und der Verständnislosigkeit befinden.

Sein Versprechen fiel ihm ein, und er beschloß, gleich morgen für seinen fernen jungen Freund etwas zu tun und das Werk einem ihm be­freundeten Künstler an einer der ersten Bühnen einzureichen. Villeicht ?! Wer konnte wissen?! Er fühlte aber das instinktive Bedürfnis, gerade jetzt,

wo er selbst sich nichts weniger als glücklich fühlte, Andere nach Kräften glücklich zu machen.

Er notierte sich den Besuch für den kommenden Vormittag und begann sich zur Ruhe zu begeben!-

Vier Tage später machte Werner im Selten'schen Hause seinen Leoonnaissanoe-Besuch. Um sich davor zu schützen, mit Erika, deren Bild ihn unablässig verfolgte, allein zu sein, nahm er seinen Bruder mit, gleich­sam zum Schutze gegen sich selbst. Zu seiner moralischen Beruhigung war das junge Mädchen nicht zu Hause, und nach einer etwa viertelstündigen, konventionellen Unterhaltung mit der alten Exzellenz empfahlen sich die Herren wieder, und erleichterten Herzens kam Werner nach Hause. Am festgesetzten Tage kam Kurt von seiner Reise zurück und lud sogleich seine Bekannten, darunter in erster Linie auch die Grafen Ellingen, zu einem luxuriösen Souper in seine Garconwohnung ein. Selbstredend wurde die Einladung angenommen, und Werners bemächtigte sich wieder eine ganz wunderliche Erregung, als er am Abend das Heim eines ehemaligen Schul­kameraden betrat.

Alles dort war angenehm behaglich und hübsch, teilweise sogar mit sybaritischem Luxus eingerichtet, und wie man in einem Buche und Briefe, die man mit Interesse durchlieft, zwischen den Zeilen zu forschen versucht, so flog Werners Auge über alle Winkel des traulichen Salons, über alle Möbel und Gegenstände, um irgend welche Spuren zu entdecken, die auf die Liebe der Braut zu dem Verlobten deuten konnten. Er suchte vor allen Dingen Bilder von ihr, die er selbst in allen nur möglichen Formaten in allen Räumen seines Hauses aufgestellt haben würde.

An allen Wänden wimmelte es von Andenken an eine lange Garcon- zeit, verblaßte Reliquien vergnügter Stunden, Kotillonorden und Ballschleifen, Photographien üppiger Frauen, die mit lachenden Lippen aus den großen goldenen Rahmen heraurschauten. (Forts, folgt.)