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Ämts- und ÄnzeigeblLÜt für den Bezirk Calw.
»rscheiriungstage: Dtenrtaz, Donnerstag, Sa lag, Sonntag. JnsertionSprei» U> Pfg. pro Zeile für 8 U!iü NezirlSorte; außer Bezirk IS Pfg.
m s» Stadt
Dienstag, den 13. August 1907.
LdonnenltntSpr.in d. Stadt pr. Ptertelj. Mt. t,td tnci.rrügerl. vierleliLdrl. PostlezugSprei« ohne »eftellg. f. d. Orts- n. Nachbar. ortSocrkqr 1 Mk., f. d. sonst. Berkehr Mt. t.io, Bestellgeld SV Pfg.
Amtliche Bekantttrnachungen.
Die OrLsbehörden
werden anläßlich eines Spezialfalls auf ß 6 der Min.-Verf. vom 8. Januar 1902, Reg,-Bl. S. 15, hingewiesen, wonach die Sachverständige» für Weinkantrolle nicht verpflichtet sind, die Ortsvorsteher bei ihren Untersuchungen beizuziehcn; vielmehr haben die Ortspolizeibehörden auf Ansuchen der Sachverständigen diese bei Vornahme ihrer amtlichen Tätigkeit zu unterstützen.
Calw, 10. August 1907.
K. Oberamt.
V o e l t e r.
Die OrLsbehörden
wollen ihren Bedarf an Formularen zu Radfahrkarten und Verzeichnissen, soweit dies noch nicht geschehen, zuverlässig bis 15. August beim Oberamt anzeigen. (Vgl. Min.-Erl. vom 28. Juni 1907, Min.-Amtsbl. Nr, 16, S. 283).
Calw, 11. August 1907.
K. Oberamt. Voclter.
Bekanntmachung,
betr. die Maul- nnd Klauenseuche.
Für die Gemeinden Althengstett, Ernstmühl, Hirsau, Möttlingen, Neuhengstett, Simmozheim und Unterhaugstett wird die gemeinschaftliche Benützung von Brunnen «nd Tranken für Wiederkäuer und Schweine wieder gestattet.
Calw, 11. August 1907.
K. Oberamt. Voelter.
Tagesueuigkeite«.
Calw 11. Aug. Auf dem Bahnhof wurde einem hiesigen Kaufmann das Fahrrad gestohlen, der Landjäger setzte sich gleichfalls
auf's Rad und erwischte den Dieb in Malmsheim, allerdings ohne Rad. Doch gestand er später das Versteck ein.
Neuenbürg 11. Aug. Im Rotenbach- Sägwerk entstand durch Entzündung von Sägspänen ein Brand, der von der Fabrikfeuerwehr bewältigt worden ist, ehe das Feuer sich über das Werk ausbreitete.
Herrenberg 10. Aug. Auf den heutigen Schweinemarkt waren zugesührt: 224 Stück Milchschweine; Erlös pro Paar 24—36 ^6; 60 St. Läuferschweine; Erlös pro Paar 40 bis 100 Verkauf schwach.
Böblingen 10. Aug. Am Montag erkrankte Bauunternehmer Brenzi und Frau sowie ein auf Besuch bei denselben befindliches Fräulein und das Dienstmädchen unter starken Vergift» n gs- erscheinungen. Herr Brenzi ist heute vormittag 9 Uhr nach qualvollem Leiden gestorben. Die übrigen Erkrankten befinden sich verhältnismäßig besser. Die gerichtliche Obduktion der Leiche wird über die Art der Vergiftung Aufschluß geben.
Stuttgart 10. Aug. Die Zweite Kammer hat heute die allgemeine Beramng der Bauordnung zu Ende geführt. Minister v. Pischek trat in mehr als emstündigen Ausführungen verschiedenen Aeußerungen der Parteiredner, namentlich der Abg. v. Gauß und Lindemann entgegen und rückte einige Bestimmungen des Entwurfs in ein günstigeres Licht. Er bezeichnte es als unrichtig, daß das Ministerium des Innern die Mitwirkung der großen Stadtverwaltungen mehr verschmähe als ein anderes Ministerium, sowie als Aufgaben der Kommission, zu prüfen, ob das Verhältnis zwischen Verordnung und Statut überall das richtige ist und legte besonders die Notwendigkeit der Genehmigung des Ortsbaustatuts durch das Ministerium dar, an der auch die Allgemeinheit ein Interesse habe, da das Ministerium eine sachverständige und unabhängige
Behörde sei. Weiter trat er den Vorwürfen entgegen, daß das Ministerium sich zuviel in die Gemeindeautonomie dränge. Der Minister besprach ferner die in dem Entwurf enthaltenen Erschwerungen im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege, Wohnungsfürsorge und Feuerpolizei, sowie die Erleichterungen im Interesse der namentlich auf dem Lande üblichen weiträumigen Bauten. Auf einige Schutzbestimmungen für die Aesthetik, besonders gegen anstößige Verunstaltungen der Stadtbilder, habe nicht verzichtet werden können. Die mit lebhaftem Bravo aufgenommene Rede schloß mit dem Wunsch, daß die Parteien sich zu gemeinsamer Arbeit einigen, um die Bauordnung so zu gestalten, daß sie den Bedürfnissen der Gesundheitspflege, der konstruktiven und feuersicheren Gestaltung des Verkehrs und den Rücksichten der Schönheit, soweit letzteres möglich ist, entsprechend Rechnung trägt und eine dem Lande zum Segen gereichende Ordnung schafft. Nach kurzen Bemerkungen der Abg. v. Gauß und Lindemann wurde dann der Entwms an eine lögliedrige Kommission verwiesen, welcher angehörcn die Abg. Schmid- Neresheim, Weber, Speth-Wangen, Hauser, v. Gauß) Schmid-Freudenstadt, Reihling, Mayer-Ulm, Kraut, Haug, Jmmendörfer, Ltndemann, Dietrich, Häffner und Kübel. — Das Haus trat nunmehr in die Beratung von Petitionen ein, deren mehrere — sie sind alle persönlicher Art — durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt wurden, darunter auch eine solche des Freih. v. Münch, deren Inhalt der Abg: Keßler als für geeignet bezeichnte, die Autorität der Beamten und die Achtung vor dem Staat zu untergraben. Die Absicht Keßlers,, eine „Stimmt aus Möhringen" zur Kenntnis zu bringen, wurde vom Präsidenten v. Payer verhindert, dadas Wesen des Herrn v. Münch nicht Gegenstand der Tagesordnung sei. (Heiterkeit). Nach 12 Uhr wurde die Beratung der Petitionen auf 3 Uhr nachm, vertagt. Um 1/-1 Uhr fand eine gemeinschaftliche Sitzung beider Kammern statt, der 29 Mitglieder der Ersten und 79 Mitglieder der Zweiten Kammer beiwohnten:
Dem Rechnungsrat Karl Büß, sowie den Kanzlei, räten Karl Böhringer und Jül. Baur von der Staatsschuldenverwaltung wurde der erbetene Abschied ge-
Gerettet!
Roman von Walter Schmidt-Häßler, Stuttgart.
(Fortsetzung.)
Während des Kotillons befand sich Werner in einem Zustande, den er in seinem ganzen Leben noch nicht gekannt hatte. Von dem Augenblicke an, wo der Arm des jungen Mädchen in dem seinigen geruht hatte, wo er beim Tanzen die Hand berührt und wieder und immer wieder in die leuchtenden Augen gesehen hatte, war es ihm gewesen, als ob er sich in einem Zustande kontinuierlichen Fiebers fühlte. Seine Wangen brannten und seine Hände glühten, und er konnte sich über diese mehr als merkwürdigen Symptome keine Rechenschaft geben. Er befand sich in einem reißenden Strome, und selbst wenn er noch hätte fortschwimmen können, so tat er es nicht mehr und ließ sich willenlos treiben und tragen, wohin auch immer.
Als seine Tänzerin während dieses Kotillons einen großen Veilchenstrauß an seine Brust heftete, schlug ihm das Herz zum Zerspringen, und ihm war, als müßte er, einem inneren unwiderstehlichen Drange folgend, die reizende schlanke Gestalt an sich pressen und festhalten in fanatischer Umarmung.
Und sie schien absolut nicht zu ahnen, was sie da angerichtet hatte, was sie wie mit einem Zauberschlage aus dem sonst so zurückhaltenden sehr vernünftigen Menschen gemacht hatte; sie lachte so glückselig, so kindlich harmlos, sie schien sich so voll und rückhaltlos in den Freuden des Balles zu wiegen, wie ein Falter im Sonnenschein.
Kurz nach dem verhängnisvollen Kotillon verließ Werner das Fest. Er verabschiedete sich mit erzwungener Förmlichkeit von Erika, und jetzt, beim Abschiede, zum ersten Male, erwähnte sie ihren Verlobten.
„Ich rechne mit aller Bestimmtheit darauf, Herr Graf," sagte sie, daß wir Sie jetzt recht oft zu sehen bekommen. Heute über acht Tage kommt Herr Rhoden von seiner Reise zurück, und da wir Alle dann eine Zeitlang
recht vergnügt sein wollen, sa bitte ich Sie, -sich dem lustigen Kreise anzuschließen und recht oft zu kommen. Hören Sie, recht oft! Denn Sie gehören ja zu Kurts ältesten Freunden!"
Werner versprach alles, war sie wollte und ging wie im Halbtraum fort. Ein altes Märchen fiel ihm ein, als er aus dem erleuchteten Portal auf die dunkle Straße hinaustrat und langsam am Schöneberger Ufer entlang in den Tiergarten eirflwg. Er hatte das Märchen mal irgendwo gelesen, aber längst wieder vergessen, und nun stieg diese Kindererinnerung mit einem Male in so voller Jntenfivität in ihm auf, daß er unwillkürlich über diese Nachtromanlik lächeln mußte.
Ein fahrender Ritter, so entsann er sich, gerät in ein Zauberschloß zu der wundersüßen Märchenprinzessin, an die er natürlich seine Seele rettungslos verliert, und als er den lichtschimmernden Märchenpalast verläßt und hinauseilt in den nächtigen Wald, um seine fromme Seele zu retten, da zieht e» ihn doch magisch zurück, mit dämonischer Gewalt, mit unsichtbaren Geisterhänden. Aber er sucht und sucht ohne Erfolg; er findet den Rückweg nicht mehr, er verirrt sich im unwirtlichen Gehölz, und weil er den geheimnisvollen Weg nicht wiederfindet in das verzauberte Schloß, geht er zu Grunde im wilden Wald!
So schritt Werner unter den dunklen Bäumen des Tiergartens hin, durch deren Geäst der Mond fiel. Das gelbe Laub raschelte gespenstisch zu seinen Füßen, und das Herz krampfte sich ihm förmlich zusammen in einem nie gekannten Gefühl der Bitterkeit. Er philosophierte hin und her, ohne mit seinen seltsamen Gedanken ins Klare zu kommen, er machte sich Vorwürfe, daß er so leicht, so willenlos sein Herz geöffnet hatte, das er doch sonst all die langen Jahre hindurch so gut verschlossen gehalten hatte. Aber so viel er auch grübelte, er kam immer wieder zu der einen unumstößlichen Gewißheit, daß er verliebt war bis ins Innerste hinein — zum erstenmale in seinem Leben.