Erzählungen für den Feierabend

Linen bessern sindst du nit...

Gedenkworte zu Ludwig Ahlands ISO. Geburtstag am 26. kkpril 1937

Von l)r. Ncinbotü K r i c Ir

Ludwig UHIand! Ist er nicht Kernjchwabe und ein guter Deutscher dabei? Nie hat einer tiefere Liebe zu seinem Volke im Herzen gehabt. Und weil wir das alle fühlen, alt und jung, Bursch und Mädel, Herr und Knecht, vergelten Wir ihm Gleiches mit Gleichem.

' dwig UHIand als Mensch. Das schönste Denkmal hat ihm seine Witwe gesetzt mit ihrem Buche: Uhlauds Leben. Niemand wird es ohne tiefe Rührung lesen. Hier nur e i n e Stelle: Manchen großen Stein, den die Fuhrleute am Wege iegen gelassen, hat er aus die Seite ge­schafft, damit in der Nacht niemand darüber fallen rönne, und aus Spaziergängen die Tor- nenzweige, die von anderen nachlässig in den Weg geworfen waren, aus Rücksicht für die Frauen beseitigt. Begegnete er auf seinen Gängen Gebrechlichen und Alten, die ihm der Unterstützung bedürftig schienen, so schrieb er den Namen und ihre Wohnung in seine Schreibtafel, damit er sich genauer nach ihnen erkundigen konnte. Es war ihm eine Freude zu helfen, wo er konnte."

Bescheiden und einfach ist dieser prächtige Mann zeitlebens geblieben: einen Lorbeerkranz, den ihm seine Stuttgarter Freunde zum Ab­schied überreicht hatten, hing er unterwegs nach Tübingen an einer Eiche auf. Huldigungen entzog er sich. Keusch, mimosenhaft zart, wie die eines Mädchens, war seine Natur; so hatte sein Freund Karl Mayer ein Buch über ihn ge- schrieben; obwohl die beiden einander täglich sahen, hat UHIand nie 'mit einer Silbe des Werkes erwähnt. Und wie gerne plauderte und scherzte dieser strenge, wortkarge Mann bei guter Gelegenheit.

Dem volkstümlichen Sänger so vieler ech­ter Lieder, dem liebevollen Forscher in deut­scher Sage und Dichtung, dem unerschrocke­nen Kämpfer für die Rechte des Volkes mögen noch folgende Zeilen gelten.

In ihrem schönen Buche:Aus meinem Jugendland', sagt unsere Dichterin Isolde Kurz, die schwäbische Landschaft mit ihrem Neckar, der doch kein Strom, ihrer Alb. die doch kein Gebirge, ihrem Bodensee. der doch kein Meer sei, wecke die Sehnsucht nach Größerem. Diesem Gefühl entspringe der schwäbische Drang in die Ferne. Einer, der dieses Sehnen nicht kannte und seine besten Kräfte aus dem trauten Heimatboden sog, war Uhlaud. Wir freuen uns über die loben­den Worte, die unsere deutschen Stammes­brüder dem Tübinger Dichter spenden, wenn sie das innige Naturgesühl und die tief- bewegte Stimmung seiner Lieder, die kraft­volle Lebendigkeit und kernige Reife seiner Balladen, die Reinheit seiner Empfindung und die Klarheit seines Wesens preisen. Seine Volkstümlichkeit würde ja nicht so nahe an die Schillers reichen, wenn er nicht allen Deutschen etwas zu sagen hätte. Aber um das Wehen und Klingen seines Geistes, den Odem seiner Poesie ganz zu verspüren, so daß beim ersten Laute das eigene Herz mitzuschwingen beginnt, dazu muß man Schwabe sein, muß man Tübingen kennen And lieben mit seinen hochgiebligen Häusern »nd seiner alten Pfalz, den Tälern und Wäldern und weinbelaubten Höhen rings­um:. Ehe Uhland noch etwas anderes kannte als diese seine Heimat, hat er schon seine meisten Lieder gesungen, und durch ihn ist iäeser glückliche Fleck Erde zu einem stillen Heiligtum für uns geworden, besten Wun- lnerschätze er uns schauen läßt.

In Ser Ferne aber blauen die Berge der Schwäbischen Alb, der Staufen und der Zol- lern, dazwischen Teck, Neuffen und Achalm. Das waren Kunden des Mittelalters, die sich ganz von selbst täglich vor seine Augen stellten, und um so lieber wandte er aus sie seine Blicke, als die Gegenwart ihn nicht befriedigen konnte. Der Hang zum Altertümlichen ist ein bedeut­samer Teil seines Wesens, das, einfach, gerade, wie aus Holz geschnitzt, zu der ungebrochenen Bolkskrafr unseres deutschen Mittelalters, zu unsern derbgesunden und gediegenen, von Zweifeln nicht zerrissenen Altvordern sich hin- gezogen fühlte.Wer sich nicht mit meinen Studien befaßt, kann auch nicht über mich schreiben", hat Uhland selber bekannt, und seine wissenschaftliche Arbeit betrachtete ernicht lediglich als eine Auswanderung in die tiefere Natur des deutschen Volkslebens, an dessen Ge- sundheit man irre werden muß wenn man ein­zig die Erscheinungen des Tages vor Augen hat, und dessen edleren, reineren Geist geschicht­lich darzustellen um so weniger unnutz sein mag, je trüber und verworrener die Gegenwart sich anläßt" Bon der Heimat geht seine Liebe zur Vergangenheit aus: zum Volke führi die Beschäftigung mit ihr ihn wieder zurück: diese seine Verbundenheit mit Heima» und Volk ist der Kern seines Wesens. Was er jagt und schreibt, und wie er handelt strömt von diesem Herzpunk! aus und zn ihm wieder hin.Im Volke mußte >.s wurzeln, in seinen Sitten, sei­ner Religion, was mich anzieben sollte. Meine eigenen Gedichte sind in der Liebe zu ihm ge- wur-elt"

So erquickt sich auch das Volk an seinen quellfrischen Liedern; leicht sangbar leben sie in seinem Munde fort, und wenn in den vier Kriegsjahren unsern Feldgrauen alle guten und edlen Gefühle, Freundschaft, Siegesglaube, Hei- matsehnmcht, zum vollen Ausdruck strebten, so haben sie das Lied vomguten Kameraden" zu­sammen mit den rührendenVöglein im Walde" gesungen. Wie Luther, hat auch

Anbelend knie tch hier O süßes Graunl Geheimes Wehnl Als knieten viele ungesehn Und beteten mit mir.

Der Himmel nah und fern.

Er ist so klar und feierlich.

So ganz, als wollt' er öffnen sich.

Das ist der Tag des HerrnI

Seine Frühliugslieder sind köstlich wie der Frühling selbst, und nie hat bange Liebes- sehnsucht kürzer und echter gesprochen als in der ..Heimkehr":

O. brich nicht. Steg! Du zitterst sehr.

O. stürz nicht Felsl Du dräuest schwer.

Welt, geh nicht unter, Himmel, fall nicht ein. Eh ich mag bei der Liebsten seinl

- Der weiße Hirsch

s gingen drei Jäger wohl auf die Birsch, Sie wollten erjagen den weißen Hirsch.

Sie legten sich unter den Tanncnbaum, Da hauen die drei einen seltsamen Traum.

Der erste

Mir hat geträumt, ich klopf auf den Busch, Da rauschte der Hirsch herau-, husch, husch!

Der zweite

Und ali er sprang mit der Hunde Gekläff, Da brann« ich ihn auf da- Fell, piff, paff!

.. Der dritte

Und als ich den Hirsch an der Erde sah. Da stieß ich lustig ins Horn, trara!

Oer rreike Olrseli

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Kunst unä lieber»'

Sie fanfien Lage /

Von I.uäwig 0 k I a n ä

Ich bin so hold den fanstcn Tagen, Wenn in der ersten Frühlingszeit Der Himmel, bläulich ausgeschlagen. Zur Erde Glanz und Wärme streut. Die Täler noch von Eise grauen.

Der Hügel schon sich sonnig hebt.

Die Mädchen sich ins Freie trauen.

Der Kinder Spiel sich neu belebt.

Dann steh' tch aus dem Berg« droben Und seh' eS alles, still erfreut.

Die Brust von leisem Drang gehoben. Der noch zum Wunsche nicht gedeiht. Ich bin ein Kind und mit dem Spiele Der heiteren Natur vergnügt.

In ihre ruhigen Gefühle Ist ganz die Seele eingewiegt.

Ich bin so hold den sanften Tagen,

Wenn ihrer mild besonnten Flur Gerührte Greise Abschied sagen.

Dann ist die Feier der Natur.

Sie prangt nicht mehr mit Blüt' und Fülle, All ihre regen Kräfte ruh'n.

Sie sammelt sich in süße Stille,

In ihre Tiefen schaut sie nun.

Die Seel«, jüngst >o hoch getragen.

Sie senket ihre» stolzen Flug,

Sie lernt ein friedliches Entsagen, Erinnerung ist ihr genug.

Da ist mir wohl im sanften Schweigen. Das die Natur der Seele gab;

Es ist mir so, als dürft' ich steigen Hinunter in mein stilles Grab.

Uhland feinem Bolke auf den Mund geschaut, und manche seiner kraftvoll einfachen Balladen, oft fremd im Stoff, aber immer deutsch im Geiste, lasten in ihren markigen Stricken und ihrem volkstümlichen Gehakt an die Holzschnitte denken, mit denen unsere alte Volkskunst auch den Weg zum gewöhnlichen Manne fand. Volkskunst kann kein Geflunker und keine Phantasiere: vertragen, wohl aber einen herz­haften Spaß. Auch den hat Uhland verstanden. Seine Dichtung hat nichts Blendendes, aber das ruhige Helle Licht des Tages ist über sie ge­breitet. und wenn sie nichts Hinreißendes hat, jo ist sie darum doch nicht schwerfällig, ja sie kann sehr leicht, anmutig und schalkhaft sein. Ueder den Lyriker Uhland hat Goethe ein her­bes Urteil gefällt, nur seine Balladen hat er gelten lassen. Uhland hat seine Periode jugend­licher Rührseligkeit gehabt, aber selbst der reife Goethe hat kem Lied gesungen, das schöner wäre als das des 18jährigen Uhland:

Das rst ber Tag des HerrnI

Ich bin allein aut weiter Flur;

Noch eine Morgengiocke nur.

Nun Stille nah und fern.

Nicht aus innerem Drang hat Uhland Politik getrieben.Es lag nie in meinem Wunsche", sagt er selber,eine Stellung als Leiter einer Partei einzunehmen. Ueberhaupt beteiligte ich mich an politischen Versamm- lungen nur. wenn ich dazu berufen wurde. Ich wollte aber immer nur als gemeiner Soldat dienen und ließ die hervorragenden Stellen gern andern, die sich dazu dräng­ten." Nicht die Partei das Vaterland stand ihm über allem sein Württemberg über dem er aber Deutschland nicht vergaß. Deutschland war ihmder heilige Mutter­name".

Uhland ist ein ganzer Mann. Kein Zug an ihm. der stört. Auch in seiner Dichtung selten ein unreiner Klang. Widerstrebendes ver- bindet er zur Harmonie. Ruhig, ohne Leiden, schaff verläuft ihm das Leben, so reizbar und empfänglich seine Künstlerfeele ist. Goethische Form vereint er mit Schillers Geist.

Wie in einem Spiegel sehen wir in ihm das Beste unsres Wesens. Seine Kunst hat er selbst in das alte Sprichwort gefaßt- Schlicht Wort und gut Gemüt Zst das echte deutsche Lied.

Be! Ludwkg Kincky!n Gaienhojen

Line Kriiinerunß von Wiltielm 8c kurzem

Ich kam da vor Jahren einmal mit einen, gemeinsamen Freunde im Hochsommer in das kleine Dorf Gaienhofen bei Radolfzell an dem allzeit unendlich lieblichen Untersee

Ludwig Finckh trug damals kurze Hosen und Sandalen, serner eine Helle Leinenjoppe und eine ,nächtige Kragenbinde, die unter, dessen in ganz Deutschland bekannt gewor- den ist. Ich selber war in jener Zeit noch Ordinarius an der untersten Klasse e,nez Realgymnasiums. Ich trug also einen zeit- gemäßen Svmmeraiizug und einen mod,. scheu Strohhul. Und ich habe neben dm aufgelockerten. lustigen Dichter sicher so u> schelmenhaft als nur möglich ausgesehen.

Ich übernachtete mit meinem Freunde in einem Gasthaus. Ehe wir schlafen gingen.

gab uns der Wirt noch den dringenden Rai, doch ja die Fenster zu schließen, solange das Zimmerlicht brenne, wegen der Schnaken nämlich, die. wie andere nächtliche Insekten von der Helle angezogen werden.

Das wäre eigentlich nicht nötig gewesen, denn in der Schnakensrage bin ich Fachmann von Jugend auf. Wir befolgten den Rat un­seres Dorfwirts also peinlich und machte« überdies auch noch von meinen Fachkenntnissen aus der Jugend Gebrauch.

Allein es nützte nicht sehr viel, denn in der Nacht hatten wir dann nichtsdestoweniger ein Schnakenkonzert, wie man es eben nur in einer schwülen Sommernacht an dieiein einzigschönen Bodensee erleben kann. Mein eigener Schlaf wenigstens glich in diesen Stunden ungefähr einem bereits tausendfach gepflügten Äcker, über den trotzdem ohne Aufhör immer neue Pilüge Hinwegsuhren,

Wir erzählten unser Erlebnis am ander» Abend im Finckhenhaus und kamen aus diele Weise aus die Schnakenplage überhaup! p sprechen. Ich ließ dabei natürlich wieder mein Fachwissen entsprechend spielen. Ader auch der Rosendoktor war. wie es sich gleich zeigen sollte, kein Fremdling auf diesem Ge«

Er sagte ungefähr:Wir litten auch lang! heftig unter diesen Plaggeistern, wir gebrauch­ten Moskitonetze, wir ließen uns Schnakenjen- ster machen und so weiter, denn die Schnaken gehören nun einmal zum Wasser, wie dai Schilf und die Bläßhühner und Wildenten, Doch es half nicht allzuviel. Erst als ich dar- aufkam, die Brut gleich in ihrer Wiege zu be­kämpfen, hatten wir auf einmal Ruhe. Und heute wissen wir überhaupt nichts mehr von Schnaken."

Er erzählte, glaube ich, von einer Grube hin­ter seinem Haus, worin er den Schnakenlrieg begonnen habe. Er schilderte alles höchst ein­dringlich und überzeugend. Ich kann es nicht mehr so genau jagen, wie er die Sache ang« ich weiß nur noch, daß er mit Leib und Teele bei seiner Schilderung war und seinen Ersah derart ins Licht rückte, daß es ein Hochgenus war, ihm zuzuhören. Es war aber, wie schon gesagt, bereits Abend und wir hatten schon ein Licht im Zimmer. Wir saßen so richtig behag­lich und gemütlich beieinander, auch die Fra« des Hanfes war anwesend.

Wir hingen alle an seinem Munde, wir waren alle allmählich ebenso überzeugt wie er selber, daß die letzte Schnake, in diesem Finckhen- Haus wenigstens, nun für immer und ewig ausgemerzt sei.

Ich selbst atmete ordentlich auf. Nun war es also doch noch erreicht wordenl Nun halte man also doch noch ein Mittel gegen dielt Quälgeister und Schlasdiebe gefunden. Was würde da erst meine Mutter selig kür eine Freude gehabt haben, wenn sie das noch er­lebt hätte? Ich war schon ganz selig.

Aber da bemerkte ich aus einmal, daß der Nosendoktor. während er sein erprobt» Mittel rühmte hin und wieder unbewußt mit leiser Hand ein angeschwebtes Schnaken­wesen verscheuchte oder kunstgerecht aus dem bloßen Knie, dem Handrücken oder au! der Wange totschlug. und daß auch die Ha»-' krau sich in ähnlicher Weise Hali.

Und ich sehe ihn jetzt noch »nb sür mmm- wie er da kein kabelhastes Gegenmittel tobt und gleichzeitig die trotzdem immer noch vorhandenen Plagegeister aut Gesicht Händen unbewußt totkchlägt.

Ich liebte ihn >'w dieser doppelten Tap- serkeii willen noch mrdr als bisher den> sie ist nun einmal die Voraussetzung » jeden echten Idealisten.

Alle Weisen und Großen der Welt habea von jeher nicht? anderes getan, als wzu- sagen blindlings immer nur ihrem Ziele g- lebt und die Mißerfolge weder beachtet no gesehen.

Wenn ich selber es ie anders g^iatte«

hätte hätte ich meine allerhöchste

gleich von Anfang an den Nagel Hang können. .

In diesen Dinge» ist überhaupt a e nichts als reiner Glaube »nd ein au^"? nes. unverwüstliches Lriiiniphgefühl uv alle Schnaken und allen Schnickschnack Welt.

Her-iusgegebcn im Auiirag ver NS-Prs>1c0>^ tembero von Hans N e v b > u «