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Stand. Die gegenwärtige kalte Witterung hemmt aber die Hopfen im Wachstum und läßt das Echwarzwerden derselben befürchten.
Stuttgart 13. Juli. (Schöffengericht.) Ein Massenprozeß beschäftigte das Schöffengericht. Gegen 82 hiesige Wirte war auf Antrag der Staatsanwaltschaft wegen unerlaubten Glückspiels ein Strafbefehl in Höhe von 10 ^ ergangen, weil sie sogenannte Reklame-Zigarrenapparate in ihren Wirtschaften aufgestellt hatten. Der Spieler konnte nach Einwurf von 5 ohne weitere Einwirkung verschiedene Sorten Zigarren ge» winnen. Die Wirte beantragten gerichtliche Entscheidung. Das Schöffengericht entschied zwar, daß Glücksspiel vorliege, sprach jedoch die Angeklagten frei, weil ihr Vorbringen nicht zu widerlegen war, daß sie sich einer Strafbarkeit bewußt waren, nachdem die Apparate zwei Monate lang polizeilich unbestandet gebieben waren. Drei Lieferanten, die die Apparate ohne behördliche Genehmigung aufgestellt haben, wurden dagegen zu je 30 ^ Geldstrafe verurteilt.
Stuttgart 14. Juli. Das Sommerfest der deutschen Volkspartei fand heute bei herrlichstem Wetter und sehr zahlreicher Beteiligung in Murrhardt statt. Bei der unter freiem Himmel auf der Schießwiese stattgefundenen Volksversammlung begrüßte Stadtschultheiß Zügel die Erschienenen namens der Stadtgemeinde Murrhardt und erinnerte in seiner Ansprache daran, daß man auf althistorischem Boden stehe. Er gedachte der Zeiten des Erwachens der deutschen Volksseele im Jahre 1848. Seit jener Zeit habe Murrhardt stets die freiheitlichen Ideale hochgehalten und sein politisches Glaubensbekenntnis nicht gewechselt. Dann sprach Päsident v. Payer und führte etwa folgendes aus: Die Volkspartei scheine heute einen glücklichen Tag zu haben und habe Anlaß nach verschiedenen Seiten ihren Dank abzustatten, nicht zum wenigsten dem Himmel. Payer gedachte sodann des freundlichen Empfangs in Murrhardt. Die Volkspartei sei nicht immer so freundlich von den Lokalbehörden willkommen geheißen worden, wie es heute geschehe. Man sei auf einem für ein Sommerfest idealen Platz, der reich an historischen Erinnerungen sei, die ja großen Wert besäßen. Dieser Platz sei besonders durch Erinnerungen an den alten Freund Nägele eine liebgewordene Stätte. Sein Gedächtnis lebt in den Reihen der Volkspartei fort, wie seine Leistungen fortwirken. Redner gedachte sodann der Wahl des Sohnes zum Landtagsabgeordneten. Ihnen gebühre auch nach emsiger parlamentarischer Tätigkeit ein Rasttag. Es müsse eine Vorbedeutung gehabt haben, daß in das vorjährige Sommerfest in Weinsberg Blitz und Donner hineingefahren sind. Die Prognose sei auch richtig eingetroffen. Einen härteren Winter habe die
Partei noch niemals durchgemacht. Wahl auf Wahl und Qual auf Qual seien einander gefolgt. Wir haben aber auch in den schwersten Zeiten nie den Mut verloren, well wir uns immer bewußt waren was wir für unser württembergisches und deutsches Volk zu tun hatten. Wir haben auf ein befriedigendes Ergebnis gehofft. Während wir gearbeitet haben, find die anderen Parteien zur Agitation ausgezogen. Trotzdem find wir in Württemberg geblieben was wir waren und auch bleiben werden. Das Zentrum hat nur einen Abgeordneten mehr und auch diese kleine Majorität ist noch zweifelhaft. Wenn wir aber an Einfluß und Leistungsfähigkeit nichts verloren haben, so schreiben wir das dem Umstande zu, daß die Jugend in höherem Maße in den Kampf eingegriffen hat. Es ist mittlerweile eine neue Generation herangewachsen und aus dieser jungen Generation ist es möglich gewesen, eine verjüngte Partei in den Landtag zu bringen. Bezüglich des Einflußes der Partei wolle er nur auf die Beamtenfürsorge Hinweisen. Nicht nur in materieller Beziehung seien die Beamten gekrästigt, auch ihre Stellung zu den Vorgesetzten ist geregelt. Freiheit und Unabhängigkeit, die ihnen ebenso gebührt wie allen andern Staatsbürgern ist ihnen gewährleistet. Diese Fürsorge erfordere für das Volk außerordentliche finanzielle Opfer. Im Reichstag sind wir in die seltsame Situation gekommen, das Zünglein an der Wage zu bilden. Auf uns lastet eine große Veranwortung. Der sogenannte Reichskanzlerblock geht aber in dem Augenblick aus dem Leim, wo wir kleines Häuflein uns bedanken, auch ferner mit der Rechten zusammen, zugehen. So wohl ist uns in dieser Lage nicht. Es ist für uns eine ziemlich unangenehme Zeit, die uns den Bauernaberglauben, daß mit großen Herren nicht gut Kirschen essen ist, wieder ins Gedächtnis zurückruft. Redner erinnert sodann an die Verdrängung des Zentrums aus der führenden Machtstellung. Man wüßte ja, was man dem Zentrum für die Freiheit des deutschen Volks, für den Liberalismus und die Bildung zu erwarten habe. Das Zentrum kalt gestellt zu haben, sei manches Opfer wert. Im Laufs des Winters muß es sich entscheiden, ob es dem Reichskanzler gelingt, für den Liberalismus und die Demokratie Fortschritte zu zeitigen. Gelingt es nicht, so haben wir einen ehrlichen Kampf gekämpft und wir nehmen die frühere Taktik und den alten Kampf für die Freiheit wieder auf. Die soziale und wirtschaftliche Lage hat sich gebessert. In einer Zeit, wo die demokratische Richtung anfängt, die ihr gebührende Stellung einzunehmen, haben wir weder Grund zum Uebermut noch zum Jammern. Wir haben auch einen großen Fortschritt erzielt, indem es uns gelungen ist, die wirklich liberalen Gruppen zu einer gewissen Organisation zusammenzufassen. Die elende Zersplitterung muß aufhören. Wenn die deutsche Volkrpartei so fortmache, wie
in den letzten Jahren und das württemb. Volk ihr treu bleibt, treuer als bei den letzten Landtagswahlen, so werde sie noch viel für das geistige, ideale und wirtschaftliche Wohl zu leisten imstande sein. Sein Hoch galt der deutschen Volkspartei. (Lebhafter und langanhaltender Beifall.) Es sprachen noch die Landtagsabgeordneten Eisele, Nägele und Schock.
— Ueber die in den Blättern verbreiteten sensationellen Gerüchte über Verbrechen im Sinne der §§ 218/19 des Strafgesetzbuches schreibt man dem St.-Anz, aus Untertürkheim: Nach zuverlässigen Informationen ist die Untersuchung in dieser Sache noch im Gang und sind bis jetzt nur 5—6 Fälle bekannt, weitere dagegen im Ermittlungsstadium. Außer dem früher schon wegen solcher Delikte bestraften Wundarzt Pfizemnaier ist nur noch in einem um 6 Jahre zurückliegenden Falls ein Fräulein von hier ver- haftet und in derselben Sache wegen fortgesetzter Erpressungen auch ein früher in Cannstatt, seit längerer Zeit aber in Basel wohnhaftes Ehepaar, das in das Untersuchungsgefängnis nach Stuttgart eingeliefert wurde. Weitergehende Gerüchte sind nicht genügend substanziert und mit Vorsicht aufzunehmen. Die Erpreffungsakten sind zweifellos im Interesse der Angeklagten von Rechtsanwälten eingezogen worden.
Stötten i. R. 13. Juli. In den letzten 3 Wochen wurden auf hiesiger Markung 2 Rehe in Schlingen verendet aufgefunden. Gestern wurde durch zwei Landjäger bei David Beck und David Schlegel hier, dis dringend verdächtig erschienen, Haussuchung vorgenommen, welche Rehe- und Hasenschlingen, Draht, Patronenhülsen, Wischstock, Pulver und Schrote zu Tags förderten. Beide wurden wegen Verdachts eines erschwerten Jagdvergehens festgenommen und ans Kal. Amts, gericht-Cannstatt eingeliefert.
Tübingen 14. Juli. Nach mehr als einjähriger Prozsßdauer wurde am Samstag in dem Streit um das Bad Teinach zwischen Bad- befltzer Boßhardt und Bergwerkbefltzer Bracke in Sinzig das Urteil gesprochen. Der Verkäufer des Bades, Bracke, ist mit etwa 300000 ^ Kaufpreis und 500 000 ^ Tantiemen unterlegen. Den Riesenprozeß verhandelte und leitete Land, gerichtsrat Ernst. Wie wir hören, wird mit der Sache sich das Oberlandesgericht und das Reichsgericht noch zu beschäftigen haben.
Rottweil 15. Juli. Der Engländer, welcher in Calw mit einem gestohlenen Chekbuch eine Bank beschwindelte, hat auch hier operiert und einen Chek im Bankhaus Bernheim umzusetzen versucht. Der Bankier ließ sich aber nicht auf das Geschäft ein. Hier hatte der Schwindler den Betrag schon höher vorgesehen.
in ganz Plouvenec ist eingespannt, Andres Bruder wird kutschieren. Monsieur wird zufrieden sein."
„Madame, Sie verdienen mit Gold ausgewogen zü werden."
„Das gäbe ein nettes Vermögen ab," entgegnete Madame freundlich.
Die Nachricht von Hamors bevorstehender plötzlicher Abreise hatte sich wie ein Lauffeuer durch das ganze Dorf verbreitet. Als der Maler nach kurzer Zeit aus der wohlbekannten Tür trat, stand so ziemlich die gesamte Bevölkerung vor dem Gasthaus versammelt. Sogar die Stammgäste ver- ließen ihre Absint- und Wermutgläser, um ihm „von zu wünschen.
Der Dorfrichter nahm schon eine feierliche Miene an, doch ehe er noch seine Rede beginnen konnte, schüttelte ihm Hamor gutmütig die Hand. Der Zimmermann, der Tränen in den Augen hatte, rief St. Hervös reichsten Segen auf Hamor herab, um Meurices harten Mund zuckte es verdächtig — Mutter Nives und Mutter Quaper riefen dem schmucken Burschen um die Wette ihre Segenswünsche zu und die kleine Jeanne schluchzte laut auf, als er ihr Lebewohl sagte. „Dü mußt Guenn erzählen, wie alles ge- kommen ist, und daß ich an sie gedacht habe." —
„Es ist wirklich rührend, wie die guten Leute ihre Anhänglichkeit so offen und frei zur Schau tragen," bemerkte Hamor zu Mrs. Staunton gewandt, die neben dem Wagenschlag stand. „Ich war noch nirgends so gern, wie in diesem Plouvenec, ich komme aber auch sicherlich wieder hier- her, ganz gewiß."
„Wie der gute König Arthur," sagte die kleine dänische Künstlerin lächelnd. „Hier zu Lande sagt man ja: .Der gute König Arthur kommt sicherlich wieder? Alles Gute muß ja nach der Bretagne zurückkehren, es ist gar so schön hier!"
„Das klingt ja beinahe wie Nannic Rodellec. Wenn der nur wenigstens noch auftauchen wollte, wo steckt er nur?"
Der Knabe lag an einer dunklen Stelle des Dorfplatzes mit dem
Gesicht auf dem Boden, hielt sich die Ohren zu und schluchzte zum Herzbrechen. Er wollte Hamor nicht abfahren sehen, wollte nicht Lebewohl sagen. Er preßte das Gesicht gegen die kalte Erde und weinte bitterlich.
Noch einmal reichte Hamor Staunton und seiner Frau die Hand zum Abschied: „Ich bin so froh, daß ich Euch zwei wenigstens auf der Ausstellung Wiedersehen werde, das erleichtert mir den Abschied bedeutend. Und Sie, Madame, nehmen Sie meinen herzlichsten Dank für alle Ihre Mühe. Ich komme sicherlich wieder hierher."
„Monsieur werden uns in den VoxaAsurs jederzeit willkommen sein und im besten Andenken bei uns stehen." Mit der Ruhe einer edlen Karyatide stand Madame unter ihrer Tür, genau so wie er sie vor sechs Monaten zum erstenmal gesehen.
„Und Madame, Sie vergessen ja nie etwas, ich bitte Sie noch ganz besonders, meine wärmsten Grüße an Thymert und an Guenn Rodellec zu bestellen. Es ist wirklich zu schade, daß das Kind fort ist."
„Gewiß, sehr schade, Monsieur," bestätigte Madame. Hinter der ruhigen Stirn aber war ihr Geist geschäftig, zu bedenken, wie sie es Guenn wohl am besten persönlich beibringen und Jeanne und die übrigen Frauen von ihr fernhalten könne.
„Es wird spät," drängte der Kutscher.
„Es ist wirklich schändlich, so unbarmherzig vom Schicksal fortgeschleppt zu werden," rief Hamor lachend. „Der Posthalterin und ihren schurkischen Streichen meinen Fluch I"
„Du darfst nicht klagen," gab Staunton zurück, „du gehst dahin, wo der Ruhm dir winkt!"
„Wenn es eine Entschädigung giebt," begann Hamor — der Kutscher knallte mit der Peitsche — die Pferde zogen an. „Grüßt nur Guenn Rodellec!" rief Hamor noch zu guterletzt.
„Adieu, Monsieur!" klang es von den wohlbekannten Stimmen.