Weihnachten im Walde

Von Heinz Lieg »weit

DaS war immer so: Wenn der Förster Springwtttel in der Finsternis eines ver­schneiten Dezembermorgens mik der Art ans dem Hause schlich, krochen leine Kinder aus den Federn, watschellen barfuß ans Fenster und lauerten pochenden Herzens hinter der Gardine: Ter Vater aina den Tanueubaum schlagen!

Dann konnten sie nicht mehr schlafen und summten ein Lied vom Advent, während ihre Seelen nicht mutzten, od sie sich sreuen oder fürchten sollten. Es strauchelte ia ein Geheimnis hinter Sem Vater her es waren ja wieder die Tage aekommen. von denen mau mehr erwartete als Spielzeug und Piei- fernüsse: Es nahte die Stunde eines Wunders!

Tatz aber der Vater heute ohne Tannen­baum heimkai»? Zum erstenmal seit all den Jahren? Tie Kinder sangen nicht mehr. Fragen dursten sie nichts, also schllipsten ne wieder stierend in die Belten und verbissen das Weinen.

Im Hol wars der Förster Springwiltel die Arl in den Klotz, hauchte in die blauen Hände, schabte sich den Schnee von den Stie­feln ging in die Küche, lind sagte zu seiner Frau, er bringe es nicht übers Herz. Tie Bäume seien diesmal alle zu jung, die Schonung dürle man nicht angreiscn. er habe aber einen neuen und schöneren Plan: Hinterm zweiten Jagen stünde eine Tanne, so hoch wie ein Bauernhaus. Tieien Baum möchte er übermorgen an Ort und Stelle putzen und mit Lichtern bestecken, dann würde der ganze Wald sein Christfest haben! Die Kinder? Die dürsten nichts wissen. Tie würden beschert werden wie immer. Aber den Kerzenbaum sollten sie zur Mitternacht suchen gehen wie im Frühjahr die Oster­eier.

Am Nachmittag vor dem Heiligen Abend belud der Förster Springwiltel seinen Schubkarren mit Lametta. Aepseln und Spekulatius. Im Nucksack schleppte er die Fracht von dreißig bunten Wachskerzen, dazu stopfte er ein Bündel Draht in die Tasche. Und stahl sich, als seine Frau die Kinder ins nächste Tors geschickt hatte, heim­lich davon: kam bald wieder, die Leiter zu holen und blieb dann verschwunden bis zur Dunkelheit.

Nie hat in einem Wald solch ein Baum gestanden! Die hohe Tanne reckte sich fürst­lich. auf dem Wipfel glitzerte ein Tiadein. zwischen den Aesten hingen Aepsel. gebackene Figuren und schimmernde Metallfäden, in denen sich vielfältige Farben spiegelten. Und aus den Spitzen der grohen und kleinen Zweige wiegten sich lange Kerzen, die alle zur Nachtzeit klackern und leuchten sollten.

Im fernen Torf Hub schon das Geläute an die Lieder der Glocken schwangen festlich durch den Wald, und der Himmel schützte neuen Schnee auf die Erde; da bogen sich dre Aeste der Tanne unter dem Mantel aus königlichem Hermelin! Die Kinder hockten wieder in der Küche, wärmten sich, lösselten ihre Suppen, rutschten hin und her am der Bank vor süßer Ungeduld. Tie Mutter ösinete den Backverschlag, da wehte ein Weih­rauch von dampfenden Rostnen und dusien- dcm Küchendunst durch das Haus. Und als in der Stube die Holzuhr surrte, stürzten alle ins Freie, tappten Gruben in den Schnee, und wußten nicht, wohin der Vater sie führte. Sie hielten sich an den Händen fest, rissen die Mutter am Nock wischten sich die Flocken aus den Wimpern, bückten sich im kahlen Unterholz der Bäume.

Als sie in die Lichtung traten. Iahen sie das Mirakel: Die Tanne überstrahlte die Wipfel des Waldes ihre Aeste troffen von Glanz, da wurde jede Flammenzunae von einem Heiligenschein verklärt. Wie drang die Fülle des Lichts durch den tanzenden Schnee, wie wurde die Nacht zum Morgen, wie iing jede Flocke das heilige Funkeln auf und trug es kort durch Eis und Wind!

Tie Kinder wollten den Eltern von den Händen lauten wollten dem Leuchren nahe sein, aber Förster Springwiltel hielt sie starren Auges zurück und auck die Mutter blieb stehen als 'eien ihre Füße gelähmt.

Ein Nudel hungriger Nehe hatte stck um den Baum versammelt während Finken und Sperlinge ln den Aesten flatterten. Tic Nehe warteten noch scheu liefen noch ängstlich im Kreis, bis eins von ihnen nach kühnem An­laut ein Stück Gebäck von den Zweigen > und klink mii der Beute im Schatt"n der Dickung verichwand. Tie Finken und Spatzen zankten sich lärmend um die roren Aepkel und schlüpften pfiffig zwischen den Kerzen hindurch, daß die Flammen ihre Federn nicht sengen 'vllien. Tann schlossen die ängstlichen Rehe den Kreis reckten die Hälle rupften was ste erreichen konnten, aus Sem geputzten Geäst. Aber die Plünderung hatte bald ein Ende, weil diele Bescherung zu spärlich war kür den Hunger des Winters.

Ter Förster Springwittel wich mn seiner Familie schrittweise zurück. Ta war etwas geschehen was noch keiner im Forst bewun­dert hatte: daß alle Kreatur stck zu erauicken kam wie damals in der Weihnacht von Beth­lehem! Niemand störte das seltsame Ge­schehen. nian vernahm nur das Knistern der kleinen Flammen wenn eine Schneeflocke über den Doch, gefallen war. Oder der Ruf el-'-ki w,gab dem Märchen seine

Melodie, während im fernen Dickicht eine Fähe hellte.

Die Eltern und ihre Kinder ließen den Tieren und dem Baum ihren Frieden. Sie warteten, bis das letzte Licht verlosch. Und gingen schweigsam nach Hause, als der letzte Fink den fliehenden Rehen gefolgt war. Und

War's Tagwerk vollbracht.

Ischt ruhsame Nacht.

Liegen die Holzer staad.

Hat draußen ein Winderl gwahck Bis einer wacht.

Auf Brüader, vom Schlaf,

Und lost, was ich sag:

Wir haben Verschlüssen heunk, Schaugts, wia die Sunn schon scheint, 's ischt Heller Tag."

Dös glaub ich dir nit:

Geah, laß mir ein Fried!

Ischt woltern erscht Mitternacht, Scheinen die Stern so gschlacht Bedringt mich nit."

Höö, b'sinnk euch nit lang!

Ischt ein viel schöner G'sang.

Ihr höbt die Augen zua Und ich Hab gar koa Nuah,

Dös gibt was ab."

Pur Silber tuat s schneibn,

Ischt ein Glanz und ein Schein! Werden halt Buam zur Nacht Haben ein Fuir aufg macht.

Dös tuat sie freu n.

Ich laß euch koa Nuah.

Ich bitt euch: Lost s zua!

Schaugts beacht den Glanz im Wald, Wia der Schnee silbrig fallt,

Echaug mir nit gnua!"

feierten dann erst die Heilige Nacht im Forst. Hause bei Spielzeug und Pfeffernüssen, doch war es ihnen als hätten sie die beste Spende im Walde empfangen.

Am nächsten Morgen streuten sie Futter in den Schnee. Kleie geweichtes Brot. Körner und Schnitzel von Rüben.

Aber Seppei. ischt's wahr?

Seind die Gipfel so klar?

Fein wie ein Göckel summt.

Wie ein Schwarm Imben brummt Singt's wunderbar!"

Geah, Hoisserle. sei gscheit!

Klingt weit und klingt breit. Bergauf und hinab so rar.

Als wann's ein Chor Engerln wuur, Bedringt uns weit!"

Du narrischer Tropf,

Bischt zuritt in dein Kopf? Moanscht du, die Englan werden Zu uns kommen aus die Erden. Narrischer Tropf?"

Jetzt Stöfferle, mei' Bua,

Geah, los nur grad zua:

Die Musik wahrt schon lang.

Die Bögel schrei» allzamm,

Los' mir nit gnua!"

Ich Hab schon verstan Den englischen G'sang:

Gloria in Himmeishöh,

Den Menschen Fried' gescheht Singt er fortan."

Höö, Stöfferle. los' fein!

Schaugts, Brüader, den Schein: Ischt Himmelsglanz in der Welt. Den Menschen zur Freud bestellt And Wohlgedeihn!

3lse vom "Goldenen klnker,,

Eine lustige Weihnachksgeichichte

Von Max Iungnrckel

Es ist. als ob die kleine Schwarzwälder Uhr eine Verbeugung macht. Sie jag, ganz fein: Ich bin die Ille vom .Goldenen Anker'. Ich kann dir sagen der Gasthos zum .Gol­denen Anker' war das vornehmste Wirtshaus ,n der ganzen Stadt. Ich mußte es wissen. Ich habe fast in allen Zimmern gehangen. Iw weiß auch, was Manieren sind. O >a- Ich kann sogar einen Menschen erkennen, ob er einen leeren oder einen dicken Geldbeutel hat. Die mit den, dicken Geldbeutel wollten mich immer gleich miknehmen. Die mit den leeren Taschen sahen mich nur verliebt an. Ich hing logai auf der Bühne, in einem Bauernzim- mer. Fast alle Wochen wurde Theater gespielt. Und ich war dabei. Das war wohl meine Schönste Zeit. Wenn der Vorhang anfging, dann hing ich an meiner Kulisse und mußte weiter nichts, als die Zeit Herbelen. Aber ich hätte Doch so gerne einmal milgespiell, damit die Leine hernach lagen konnten: ,Seht, das ist die Ilse vom .Goldenen Anker'!' Und der Herr Redakteur läßi es dann im Kreisblatt drucken. Das weiß die ganze Stadi, was ich für eine Jungfer bin. Vor Weihnachten gab's im .Goldenen Anker' ein Krippenjpiel. Der Lehrer hatte das eiiiaeübt. Und der Lehrer war >ehr kurzsichtig. Er ließ die Kulisse, woran ich hing, nicht wegstellen Er nahm sie einfach als Stall von Bethlehem. Ich blieb ruhig hängen. Na ia, wenn man kurzsichtig ist, dann müssen die Zuschauer eben ein Auge zudrücken. Ich weiß nicht genau, ob in Bethlehem, im Jahre 1. schon eine richtige Schwarzwälder Uhr uv Stalle hing. Aber ich kan» mir nicht denken, daß meine Borfahren in Ställen ge- tickt haben. Und die Maria war nn Krip- penspiel. Und die Weisen aus dem Morgen- lande Und Joseph. Und dann war noch ein kleiner, dreijähriger Junge da. Der war das Jesuskind. Es war kalk auf der Bühne. Nichts wie ein silbernes Hemdlein hatw der kleine Jesus vom .Goldenen Anker' an. Seine Nase war blau gefroren, und seine Hände fi ' n steif. Und der kleine Junge weinte. Da kam aber schon der kurzsichtige Lehrer und hielt dem Herrn Jesus den Mund zu. Und dann ging der Vorhang hoch. Der kleine, ver­frorene Junge saß in Mariens Schoß, und die Weisen aus dem Morgenlande beteten ihn an. Und wie die heiligen Könige so mitten in ihrem Andachtssprüchlein waren, da fing ich an, ich, die Ilse vom .Goldenen Anker'. Ich rief in die fromme Versammlung hinein: ,Kuck-kuck-kuck-luck-kuck-kuck-kuck-kuck.' Eigent­lich hätte ich's neunmal rufen müssen: aber ich rief es immerzu. Ich wußte selbst nichtz weshalb ich's immer rief. In mir war wahr' ?ine Schraube locker. Und ich sah, wie der kleine Herr Jesus langsam den Kopf drehte und mich suchte. Und dann hatte er mich gefunden. Seine Augen lachten mich an, und er patschte in die Hände. Aber die Mutter Maria gab ihm einen Rippenstoß. Und da rief ich, ganz roll vor Lustigkeit, immer lauter, immer lauter: ,Kuck-kuck-kuck-kuck.' Ja. in mir war eine Schraube locker. Die heiligen drei Könige hoben ihre Häupter und faden mich entsetzt an. Die Zuschauer lachten, kicher­ten und riefen auch Kuck-kuck. Alles rief Kuck- kuck. Und der Herr Lehrer rannte umher. Ich hing hoch. Ich bin überhaupt für eine gewisse Höhe. Aber ich mußte hinaus. Aber tch wollte nicht. Ich hatte mich ja. aus eigener Kraft, zur Hauptperson im frommen Krippenspiel gemacht. Und der Lehrer suchte eine Leiter und jand sie nicht. Und immerzu Kuck-kuck und Kuck-kuck. Der kleine Jesusknabe war längst von Marias Schoß gesp:ungen. Er stand unter mir. Und zu jedem meiner Kuck-kucks-Rufe nickte er mik dem Kopfe, daß sein Haarschopf flog. Und dann weiß ich nur noch, daß der Vorhang herunterging. daß der heilige Joseph aus die Schriller vom Herrn Lehrer kletterte und mich herunterholte. Am nächsten Tage war ich berühmt. Die ganze Stadt unterhielt sich am nächsten Tage über die Ilse vom .Goldene» Anker'. Aber das war mein erste? und letztes persönliches Auftreten. So sind nun mal die Meiriche». Sobald sie sehen, daß eine Uhr tüchtiger ist als sie. wollen sie nichts mehr von ihr wissen."

Und Re kleine Uhr flüstert wie selbstver­gessen:Ich bin die Ilse vom Molde neu An ker'." Und nun jubelt sie Kiick-kuck-kuck-kuck.

Bergweihnacht

Don Gerhard S ch u w a n n

Tie ungeheure Lulle ttehl um unS

c. otz wie ein Munster. Und durch alle Fenster

strömt Himmel ein, ein blanker, kühler Himmel.

Aul allen Firnen ruht die Einsamkeit nn Harren einer nahen lichten Gnade.

Tie übergreisende Gewalt aus allen Sternen und aus der stummen Größe der Giganten, aus Urgestein der Erde auigelürml. bricht in dein Herz und macht es riesengroß.

So hat das ganze All dich nie gerührt.

So braust der Orgelion der Ewigkeit noch nie durch deine Seele. Halt eS. halt eS, daß es dich nicht zerbricht.

HerauSgcaeben im Autriag der NL-VreS» Kück» tcmbcro von Hans Revlitna. ttl« a

Ischl das eine Freud!

Ihr Brüader. seids gscheit! Gott hak ein Wunder tan. Daß Gnad uns werden Kanu. Seind wir bereit!

Beide Bilder vv» 8rw 2oehr

Heilige Nacht /

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