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Das Wunder des heiligen Nikolaus
Von Auguste Supper
Der heilige Nikolas steht aus der Brücken.
Er trägt einen Mantel von Holz
der hat aus dem Rücken
Seit kurzem ein Loch.
Meister Donner der knnstgeübte Mann.
Der hölzerne Mäntel schnitzen kann.
Der soll ihn sticken
Wie er den Heiligen vom Pfeiler nimmt Und mit ihm über die Leiter klimmt.
Da fällt— 's mag vom Rütteln und Schütteln sein — Aus dem Loch im Mantel ein Zettelein.
Meister Donner hebt's aus und besieht'?.
Die Schrift auf dem Fetzen ist bös zerwaschen.
So steckt er ihn achtlos in die Taschen.
DaS Messer knirscht nn harten Holz.
Der Meister sieht mit frohem Stolz,
Wie ihm das Flickmerk wohl gelingt.
Wie er den Mantel >n Ordnung bringt.
Da. als er ihn vergnügt beschaut.
Klopst's an die Werkstattüre laut.
Und mit dem wohlbekannten Schritt Ein Dirnlein über die Schwelle tritt.
Sie ist des Nachbars mutterloses Kind,
Ein wenig keck und doch auch scheu und h?rv. So. wie die blüten>ungen Dirnen sind.
Bald schüchtern und verschämt, bald wild und derb. .Mas schasst Ihr. Meister?' ist ihr lauter Grutz, Doch plötzlich hält sie ein. es stockt ihr Fuß,
Und auf den Heil'gen starrt sie wie gebannt.
Es zuckt ihr Mund, es zittert ihre Hand Der Meister achtet's nicht, streicht sich den Bart „St. Niklas hat den Mantel sich zerrissen Da hat ihn Klemens Donner flicken müssen. Schaut zu. ob Ihr die Spuren noch gewahrt."
Dem Dirnlein flammt das Angesicht.
Es tritt zum Bildwerk, schaut und spricht:
„Vom Flicken sieht man keine Spur.
So sauber schasst ein Meister nur.
Doch sagt mir. Nachbar, ist der Mantel hohl? Grifft Ihr hinein? Hat's Raum da innen,
Gibt'8 Mäuse. Käser, dicke Spinnen?
Vielleicht gar fand ein Voael drinnen Den Unterschlupf, was glaubt Ihr wohl?' —, Dem Meister geht ein Licht durchs Hirn.
Er zuckt die Achseln, furcht die Stirn Und spricht: ..Bei Gott. Ihr ratet recht, -c Es ha» sein Nest ein grüner Specht Hineingebaut. Ich jagt' ihn 'naus. <
Er bau' sich anderwärts ein Haus. "
Hat nichts da drinn' verloren '
Das Dirnlein steht verwirrt und schweigt Und glüht bis zu den Ohren.
Es kehrt sich stumm vom Heil'gen ab.
Der Meister lacht: .Ei sagt mir Hab'
Ich etwas schlecht gemacht dieweil Ihr trauert? Hält' ich das Vöglein bester eingemauert?'
Die Dirne fährt empor. L Schreck! L Graus! Sie reckt das rote Zünglein rasch heraus Und huscht hinaus.
Der Meister streift den Kittel ab.
Er trägt das Wams darunter ,Menn ich den Zettel jetzt noch Hab',
Dann glaub' ich an ein Wunder Und nehme mir zu Dank und Lohn St. Nikolas zum Schutzpatron.'
Er sucht des Wamses Taschen auS Und zieht das Zettelein heraus.
Zerknittert und zerrieben
Er setzt sich hastig, streicht und liest
Und findet dies geschrieben:
„St Nikolasl Der heil'ge Christ Komm, bald und wenn dlr's möglich ist Schenk mir zum Feste einen Mann.
Den ich recht innig lieben kann.
Sieh immer bin ich so allein.
Er dürft' wie Meister Donner lein.
Nicht allzu groß nicht allzu klein;
Dann tüchtig brav von guter Art Und mit dem gleichen schönen Bart,
Mit weihe,i Zähne» d,e Gestalt Recht stattlich, und auch nicht zu alt.
In einem Stück sollt' er allein Ganz anders als der Meister sein:
Sein Herz, das sollt' nich, Tag und Nacht Nur einzig für die Arbeit schlagen.
Doch das kann ick' ihm ielbec sagen.
Sobald du ihn herbeigebracht.
Schaff' nur den rechten Mann mir her.
Das übrige ist nicht so schwer.
Tust du aufs Fest nach meinem Herzen,
Dann bring' ich dir ein Dutzend Kerzen.'
So liest der Meister Und beim Buclistabierer Steigt in die Stirne ihm das Blut.
Er birgt den Wisch am Busen gut.
Als fürchte er. ihn zu verlieren.
Drauf will er sich an seine Arbeit machet AnS Bild der lieben Frau, das lang schon harrt. Doch immer wieder must er leise lachen.
Und immer wieder streicht er sich den Bart.
Er legt daS Schmtzzeug weg. steht aus und geht Zum Nikolas der in der Ecke steht.
Schon webt die Dämm rung durch den Raum. Man steht des Heil'gen Züge kaum.
Doch Meister Donner ist dies recht.
Bei Licht guiltt ihm die Rede schlecht ..Herr' redet er den Heil gen an.
„Der Mantel wäre schön geklickt.
Und alles ist mir wohl geglückt.
Hab s auch von Herzen gern getan.
Wenn s Euch z» Dank ist ei. daun schenkt Der Dirn de» Mann, an den sie denkt.
Ich bin von Herzen einverstanden Und was die Zahl der Kerzen anbelangt.
Da svll's wen» Euch dies freut gewiß nicht fehlen. Tut Ihr zum Fest wie man von Euch verlangt. Dann sott — und mußte ich bas Geld auch stehlen Ein volles Hundert flimmern durch die Nacht. Jetzt überlegt wie Ihr die Sache macht!'
Dächer und Gasten tief verschneit.
Weihnachtszeit.
Wenn wir. zu des Wortes Zauber ganz hingestlminl. ..Weihnacht' sagen dann sichten wir daß es zu jenen großen deutschen Lebensworlen zählt, in denen das wunder- samste. das unergründliche Deutschland »r- klingt. Wir schlagen gleichsam einen Akkord an. und eine Welt von Melodien beginnt mitzutönen.
Was alles schwingt her aus der tönenden Kette und heißt die Menschen liebevoller zu- einander sein! Die ganze selige Einfalt der Kindheit grüßt uns. Wir schauen die Heimat im Lchneefrieden, von Sternen überglitzert, von Glocken überwallt, von tausend heimeligen Lichtern überronnen. Und alles, waS
Das sieht dem Heil'gen keiner an.
Die Sterne funkeln es wird still.
Die Gaste leert sich Jeder will Heut heim zu Weib »nb Kinderlein St Niklas steht und träumt allein. Lautlos als ob ein Spuk es wär'. Huscht jetzt ein Schatten um ihn her. Die heil'ge Nacht liegt weit und breit Die Glocke kündet Mettenzeit ilnb plötzlich hebt ein Lausen an Rings staunende Gesichter Vor Nikolaus dem Brückenmann.
Da brennen hundert Lichter
Wer trug sie her? Wie kann das sein?
Die Brücke flammt >m Kerzenschew.
Und niemand weiß zu sagen Wie dies sich zugetragen.
lins lieb war. ist uns in einer unwirklichen Traulichkeit und Lebendigkeit nahe. Und die TraulichkeN duftet nach Tanne unk wärmt und beschwichtigt und ist von Liedern durchslochten ... Es ist als ob der ganze Grund unseres Wesens rn Schwingungen gerät die das Glück aller Jugend und Jugendlichkeit sind. An ihrer Reinheit und Macht aber erkennen wir unseren Standort im Reich des Schönen. Guten und Großen messen wir am besten unsere innerste Lebens, fähigkeit. die gleichbedeutend ist mit der Kraft des Erlebens.
DaS aber bleibt daS Größte, wenn ein Lerz trotz aller Redränaunaen durch Mist
töne und lchlnnme Gelchehniste. trotz Ent. behrungen und Verwundungen sich nichts rauben ließ von der inneren Musik, zu deren schönstem Teile der Klang von Weihnachten gehört.
Mag der Leib brüchig werden: Das Gemüt muß einem unverwüstlichen Instrumente gleichen ja einem daS wie eine alte Geige, von Jahr zu Jahr und mit jedem Spiele immer schöner wird.
Mancher TateinSsturm hat vielleicht solch ein Herz durchwühlt. Glück ihm wenn die Saiten nicht nachließen und jede un Chore der Schwestern ihren Platz behauptete und immer noch io tönt wie sie nach ihrem Gesetz tönen muß.
Run umfängt lins wieder dle Zelt des Advent mit ihren leinen Berührungsmächten.
Run toll offenbar werden, ob all das Zaubervolle deutscher Weihnachtlichkelt. zu. weilen nur wie ein Atem dahinwehend die Saiten unseres Inneren in erhebungsreiche Schwingungen zu setzen vermag ob unsere Tiefe und Höhe und alles, was dazwischen liegt gleichermaßen rein und reich erschwingen ob unser Inwendiges noch beseligende Antwort gibt auch aus den leisesten Anruf der Tinge, die mehr sind als Tinge der Welt, ln denen uns Ewigkett anrührt.
Daß der deutsche Mensch immer noch nef ergriffen, gewiß am ergriffensten von allen christlichen Weltvölkern, trotz allem, was ihm geschah und über hm hinsuhr. ..Weihnacht" sagen kann ist das beste Zeichen sür seine innere Unzerstörbarkeit.
Solange seine Kultur als wundersamstes Stück die deutsche Weihnacht besitzt und ihr alle Liebe des Volksherzens angedeihen läßt, so lange bleibt sie voll Kraft und neuem Trieb, strömt sie den Segen ihrer Besonderheit und Größe.
Innerhalb des Vaterlandes aber werden die deutschen Herzen so zusammenstimmen, wie sie aus ihrem Wesen heraus ..Weihnacht" zu sagen wißen, so daß der ganze Mensch von Weihnacht klingt und die Seelen einander ihr reinstes Leuchten schenken.
Fühlend werden sie sich untrüglich erkennen: denn sie spüren mit Hellen Smnen den Reichtum der Welt, die im anderen geheiminsvoll lebt hinter dem erklungenen Wort.
Heilige Nacht
Das Kindlein schläft und akmek kaum. Maria träumt den Muttertraum.
Die fernen Bilder kommen Ihr ohne Laut geschwommen.
Sie sieht den Sohn im Ehrenkleid, Geliebt, geachtet weit und breit.
Ein treues Weib zur Seiten Sieht sie ihn lächelnd schreiten.
Schon streichelt sie der Enkel Haar,
Es trägt die ganze holde Schar Der Sippe trautes Zeichen.
Wie sie dem Bater gleichen!
Maria träumt. Maria lacht.
Der Bater Joseph hält die Wacht, lind hoch ln gold'nen Fernen Ein Kreuz steht in den Sternen.
Auguste Supper
Die Haselrute /
ElneS Nachnuttags hatte sich das Christkind in sein Wiegenden gelegt und war eingeschlafen da trat leine Mutter heran, sah es voll Freude an und sprach: Hast du dich schlafen gelegt, mein Kind? Schlaf sanft, ich will derweil in den Wald gehen und eine Handvoll Erdbeeren für dich holen; ich weiß wohl du treust dich darüber, wenn du ausgemacht bist." Draußen im Wald fand sie einen Platz mit den schönsten Erdbeeren; als sie sich aber herabbückt um eine zu brechen, so springt aus dem Gras eine Natter in die Höhe. Sie erschrickt läßt die Beeren stehen und eilt hinweg. Die Natter schießt ihr nach, aber die Mutter Gottes, das könnt ihr denken weiß guten Rat sie versteckt sich hinter einer Haselstaude und bleibt da stehen, bis die Natter sich wieder verkrochen hat. Sie sammelt dann die Beeren und als sie sich aus den Heimweg macht spricht sie: .Wie die Haselstaude diesmal mein Schutz gewesen ist, ko soll sie es auch in Zukunft andern Menschen fein." Darum ist seit den ältesten Zetten ein grüner Haselzweig gegen Nattern. Schlangen und waS sonst auf der Erde kriecht, der sicherste Schutz.
Nach den Brüdern Grimm.
M 4 M
Der aiitiae Nikolaus
Glocken klingen und singen.
St Niklas aus seiner Brücke steht, lind wer vvm Sladtvolk oorübergeht. Der lächelt zu ihm auf und nickt. Dieweil der Mantel schön geflickt. Doch was er still auss Fest getan.
E. E. HciiiSdoiti
Der Heil'ge nur aus seinem Postament Der wundersamen Sache Hergang kennt.
Er lächelt in die Nacht. Sein Auge schaut.
Als sei ihm alles Menschliche vertraut.
Und Meister Donner zu derselben Stund Küßt eines jungen Tirnlcins warmen Mund.
Wenn wir „Weihnacht" sagen
Don Rernhold Braun